Donnerstag, 10. Jänner 1980
In der Gewerkschaft hat der Landessekretär von der Steiermark,
der Bäckersekretär mit Betriebsrat und Besitzerin der Firma
Eisenkölbl aus der Gegend St. Marein in Lorenzen mit mir wegen
eines Abbaues von 30 Beschäftigten bei insgesamt 60 verhandelt.
Die Firma sieht keine Möglichkeit mehr bei einem Umsatz von
22 Mio Schilling die Beschäftigung aufrecht zu erhalten. In 15
Jahren müsste sie sogar 7 Mio Schilling Abfertigung für die
Arbeiter aufbringen. Sie müsste jetzt 400.000 Schilling pro
Jahr zurücklegen. Daran ist nicht zu denken, ganz im Gegenteil.
Überrascht war ich zu erfahren, dass die Belegschaft schon einen
Tag pro Monat als Freischicht fährt. Ihnen geht es primär darum
eine Arbeit zu haben. Ich glaube, die Belegschaft und der Be-
triebsrat würde alles in Kauf nehmen. Als die Stelle eines
Chauffeurs ausgeschrieben war, meldeten sich gleich 15. Da ich
über die BÜRGES nur entsprechende Investitionszuschüsse geben
kann, die Firma beabsichtigt eine Semmelstrasse anzulegen, habe
ich wegen der kritischen Situation versprochen mit Sozialminister
Weissenberg zu verhandeln. Dies habe ich auch dann getan und die
ganze Gruppe hat dann Gelegenheit gehabt mit Weissenberg Einzel-
heiten zu besprechen. Das Sozialministerium hat eingesehen, dass
man tatsächlich in einer solchen Situation alles unternehmen muss,
um einen Abbau zu verhindern. Was mich am meisten überraschte,
Frau Dkfm. Teuber, die Besitzerin, meint, sie hätte über die
BÜRGES-Aktion von ihrer Bank eine negative Auskunft bekommen.
Angeblich sei ihr Bedarf mit ca 2 Mio Schilling viel zu hoch,
um in irgend eine Aktion hineinzufallen.
ANMERKUNG FÜR BURIAN: Bitte mit Höllersberger, Bäckersekretär, in
der Albertgasse durch BÜRGES Kontakt aufnehmen lassen.
Der tschechische Handelsattache kehrt jetzt nach Prag zurück und
hofft nach etlichen Jahren nach Wien dann wieder als Handels-
rat zu kommen. Er hat sich sehr bewährt und wir hoffen, dass
sein Plan wirklich aufgeht. Bei der Verabschiedung habe ich
ihm mitgeteilt, dass wir hoffen, dass es zwischen der CSSR und
Österreich in diesem Frühjahr zur Unterzeichnung des langfri-
stigen Vertrages kommen kann. Der Wunsch der Beamten des Aussen-
53-0019
amtes, zumindestens in der Präambel den Helsinki-Kontrakt
zu erwähnen und später dann auf die Artikel der Sicherheits-
konferenz zumindestens sich verbal zu beziehen, wird jetzt
in zwei Variationen Prag übermittelt. Den Beamten im Aussen-
amt schwebt vor, dass wir wenigstens die im ungarischen Ver-
trag vereinbarte Formulierung auch in den tschechischen rein-
bringen. Von meinem Standpunkt ist dagegen nichts einzuwenden.
Wenn die Tschechen aber nach wie vor grosse Schwierigkeiten
machen, insbesondere wollen sie niemals eine gleiche Behandlung
wie die Ungarn – weder im positiven noch im negativen Sinne –
glaube ich, sollten wir nicht sehr darauf bestehen. Dieselbe Mei-
nung teilt übrigens auch Aussenminister Pahr. Wichtig erscheint
mir nun hauptsächlich im Zuge der jetzt doch kommenden frostigeren
Zeiten, dass es gelingt mit der CSSR diesen langfristigen Ver-
trag endlich nach jahrelangen Verhandlungen zu finalisieren,
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Ich möchte diese beiden Varianten für die
nächste Ministerratsvorbesprechung.
Beim Jour-fixe mit AK und ÖGB einigten wir uns darauf, dass im
Preisregelungsgesetz die Möglichkeit von Importpreisbildungen
vorgesehen werden soll. Da die Handelskammer, wie beim letzten
Jour-fixe ja bereits festgestellt, dagegen einwenden wird, ich
hätte bis jetzt das Instrumentarium des § 4, betriebswirt-
schaftlich notwendige Preise festzusetzen, nicht genützt, dort
könnte ich auch Importpreise reglementieren, werden wir jetzt
für Filme Kodak, Agfa, Fuji, die wesentliche Erhöhungen ange-
kündigt haben, ein solches Verfahren einleiten. SChef Jagoda ist
davon fest überzeugt, dass wir damit nicht durchdringen können.
Dies brauche ich aber als Beweis, dass es eben notwendig ist,
eine neue gesetzliche Bestimmung im Preisregelungsgesetze
einzubauen. Der Verein für Konsumenteninformation wird ersucht
in den Erzeugerländern der drei genannten Firmen Preiserhebungen
durchführen zu lassen. Ich fürchte, dass dies für ihn sehr
schwierig sein wird. Ich schlug deshalb vor, wir sollten
gegebenenfalls über die österreichischen Botschaften eine dies-
bezügliche Erhebung veranlassen.
ANMERKUNG FÜR BURIAN: Bitte unverzügliche Weisung über das Aussen-
amt an die Botschaften.
Das Schrottlenkungsgesetz wird kaum wesentlich geändert werden
müssen. Das Rohstofflenkungsgesetz soll durch einen Entwurf
des Versorgungssicherungsgesetzes, das das 1978 bereits mit den
Interessensvertretungen akkordiert wurde, ersetzt werden. Das
wichtigste Gesetz, was geändert werden muss, ist das Energiesicherungs-
gesetz. AK und ÖGB sind, wie auch nicht anders zu erwarten, mit
der weitestgehenden Fassung des Dr. Zluwa, Energiesektion, ein-
verstanden.
Über die Mineralölpreise ergab sich natürlich eine ungeheuer lang-
wierige und heftige Diskussion. Die Arbeiterkammer Wien bekommt
jetzt von den Länderkammern Schreiben, wo diese ganz entschieden
dagegen protestieren, dass der Heizöl-extraleicht-Preis gestaffelt
wird. Lieber nimmt die Arbeiterkammer eine wesentliche Erhöhung
auch für die Tankstellenbezieher in Kanister in Kauf, als dass
es zu einer Spaltung kommen sollte. Da ich jetzt auch auf diesem
Gebiet die letzten Verbündeten verloren habe – Schmidt hat ja
seinerzeit eine diesbezügliche Regelung sogar angeregt – musste
ich mehr oder minder kapitulieren. Anstelle dass der Kanister-
verkauf um 20 Groschen von 4 Schilling auf 4.20 Schilling der
Liter erhöht wird, wird jetzt der Heizöl-extraleicht-Preis um
60 Groschen wahrscheinlich von der Preiskommission festgesetzt
werden. Auf diesen Betrag einigten wir uns mit Arbeiterkammer
und ÖGB. Ich bin überzeugt davon, dass die Landwirtschaftskammer
dem auch zustimmen wird, dass aber die Handelskammer damit nicht
das Auslangen finden kann. Sie muss ja noch die entsprechenden
Tankstellenspannen erhöhen und daher wesentlich mehr verlangen
wird. Da ich aber bereits beim letzten Jour-fixe in der Handels-
kammer GD Sekretär Kehrer 50 Groschen angedeutet habe, dort aber
allerdings für alle Mineralölprodukte, soweit sie preisgeregelt sind,
also auch für Benzin und Super, subsumiere ich darunter auch ganz
einfach jetzt Ofenheizöl extraleicht. Da die Mineralölwirt-
schaft ja bereit war auch den Händler , nicht nur den Tankstellenbesitzer für Kanisterabfüllung das Produkt billiger zur Ver-
fügung zu stellen, wird sie, so hoffe ich, jetzt mit den 60
Groschen auch zufrieden sein. Leider ist es bei dieser Preischonde ?? nicht geglückt einen Schritt weiter in der liberalen,
d.h. freieren Preispolitik gerade auf diesem Sektor zu kommen.
Ich muss scheinbar hier zuwarten, bis es wirklich eine Versorgungs-
krise in irgend einem dieser Produkte gibt. Am ehesten ist dies
53-0021
bei Superbenzin zu erwarten. In den westlichen Bundesländern
wird dieser Superbenzin aus der Bundesrepublik und auch aus
Italien, meistens allerdings zu Spotpreisen, importiert. Da-
durch können die Internationalen nur mit grossen Aufwänden
die Versorgung sicherstellen. Ich kann mir sehr gut vor-
stellen, dass sie eines Tages versuchen werden, dort einen
entsprechenden Druck auszuüben, indem sie eben die notwendigen
Mengen nicht importieren. In diesem Fall wde ich ganz einfach
über Nacht, sowie ich dies auch bei Diesel gemacht habe, wenn
die ÖMV nicht einspringt und dann tatsächlich eine Versorgungs-
schwierigkeit entstehen würde, den Superbenzin freigeben.
Bezüglich des UWG einigten wir uns darauf, dass die beabsichtigte
Vereinbarung mit der Handelskammer jetzt finalisiert werden kann.
Das Klagerecht der AK ist gesichert, die Grundpreisauszeichnung
wird geregelt, die Mogelpackung verboten, der Verkauf unter dem
Einstandspreis wird sich nur auf die sozial kalkulierten Preise
beziehen. Bier, welches von der Handelskammer auch gefordert wird,
wird in einer ersten Verordnung, die aber bereits bis ins letzte
Detail jetzt vereinbart wird, von mir dann sofort erlassen. Strit-
tig war nur noch, ob tatsächlich die Behördenvertreter Betriebs-
proben entnehmen können, um die Kennzeichnungsverordnungen zu
kontrollieren. Dagegen hat sich die Handelskammer mit aller
Entschiedenheit ausgesprochen. Ich habe dafür auch volles Ver-
ständnis. Ich sehe nicht ein, warum nicht der Verein für Konsumenten-
information, der jährlich fast 10 Mio Schilling bekommt, nicht
systematisch entsprechende Kontrollen, gegebenenfalls durch
Käufe, durchführt. Dies würde vollkommen genügen. Hier handelt
es sich nicht um verderbliche Güter wie bei den Lebensmitteln,
auch keinesfalls um so gefährliche und so gesundheitsschäd-
liche Probleme wie die Lebensmittelkontrolle. Dort hat es noch
einen Sinn zu sagen, der Behördenvertreter muss unverzüglich
eingreifen können, ohne dass er dafür bezahlen muss, geschweige
denn eine Genehmigung erst dazu bräuchte. Ob aber ein Schuh mit
dem Lederstempel versehen ist, ob ein Hemd die Pflegekennzeich-
nungsverordnung hat, ist wirklich nicht so gravierend und keines-
falls mit den Lebensmitteln zu vergleichen. Dies haben auch die
Arbeiterkammer und ÖGB eingesehen. Man wird den VKI um entsprechende
Massnahmen ersuchen.
ANMERKUNG FÜR BURIAN: Die Gespräche mit Koppe aufnehmen.
Knittler von der Arbeiterkammer verwies darauf, dass der OGH, Ober-
ster Gerichtshof, jetzt das Schallplattenkartell anerkannt hat
und einen Streit zwischen Austro-Mechana und Eurodom, welche
Parallelimporte durchführen wollte, zugunsten Austro-Mechana,
der Urheberrechtsabgabeorganisation, entschieden hat. Parallel-
importe sind daher in Zukunft verboten. In Deutschland hat man
auch dieses Problem. Dort wurde es nur so gelöst, dass der
Differenzpreis gegen die billigeren Grossbritannien-Schall-
platten eingeklagt werden können. Eurodom hat sich jetzt an
das Handelsministerium mit einer Beschwerde gewendet, gleich-
zeitig aber auch an die Europäische Gemeinschaft in Brüssel.
Die Arbeiterkammer erwartet, dass wir gegen das Schallplatten-
kartell insoferne auftreten, als wir Interessen der Klein- und Mit-
telbetriebe, die importieren wollen, vertreten. Die Handels-
kammer sei in diesem Fall auch auf unserer Seite und wendet sich
gegen die grossen Firmen wie Famola , die in Wirklichkeit nur
eine Tochter von Phono-Disk , die Philips und Siemens gehört, ist.
ANMERKUNG FÜR BURIAN: Eine Kurzdarstellung fürs nächste Jour fixe
Handelskammer.
In der Lebensmittelarbeitergewerkschaft besprachen wir nach
einer umfangreichen Diskussion und einer langen Einleitung von
mir unsere Taktik für das kommende Jahr. Übereinstimmend halten
wir fest, dass wir von unserer bisherigen Taktik nicht abweichen
müssen. Erklärungen wie z.B. die Konjunkturlage wird jetzt so
schlecht werden, dass überhaupt keinerlei Lohnbewegungen mög-
lich sind auf der einen Seite, andererseits die Feststellung
Benya's, auch dieses Jahr müssen 1 bis 2% Reallohn-Erhöhungen
drinnen sein, werden uns nicht veranlassen, von unserer bisherigen
individuellen Taktik in jedem einzelnen Fall, in jedem einzelnen
Betrieb, in jeder einzelnen Berufssparte ein Optimum herauszu-
holen, ohne die Gesamtwirtschaft zu stören, fortzusetzen. Immer
mehr festigt sich bei mir die Überzeugung, dass dies zumindestens
für eine kleine Gewerkschaft die einzig gangbare Möglichkeit ist.
Dadurch hat man mit den Kolleginnen und den Kollegen den engsten
Kontakt. Diese haben nicht das Gefühl, von oben wird diktiert
oder zumindestens haben sie nicht ausschliesslich ein solches Ge-
fühl, wie dies wahrscheinlich bei allen grossen Gewerkschaften
53-0023
der Fall ist, wo letzten Endes gleich für 100.000 oft ein gene-
relles Abkommen geschlossen wird. Auch bei uns kann ja leider
oft nicht einmal der einzelne Funktionär, geschweige denn das
einzelne Mitglied entscheidend bei der Verhandlung mitwirken.
In den Sekretariatsberichten wurde dann auch von allen mit Be-
friedigung zur Kenntnis genommen, dass es geglückt ist mit der
Konsumgenossenschaft und dem COOP-Streit so einigermassen mit
einem blauen Auge herauszusteigen. Die Differenz zwischen ein-
zelnen Betriebsräten zwischen der Konsumgenossenschaft, die
meistens auch auf persönliche Animosität zurückgehen, waren
mit einer der Gründe, warum wir in diese Situation hineinge-
schlittert sind. Natürlich wurde ich jetzt sofort gefragt, wie-
so ich doch immerhin so beträchtliche Geldmittel, wie ich die
Definition gegeben hatte, flüssig machen konnte. Jedermann
wusste, wie es zustande gekommen ist, jedermann hatte auch
Verständnis, dass ich glattweg erklärte, darüber kann ich
nichts sagen oder, wie es so schön neudeutsch heisst, no comment.
Richtig für uns alle war, dass wir doch einigermassen auch
für die Leute eine befriedigende Lösung gefunden hatten. Über die
Aufteilung wird derzeit noch verhandelt.
Nach der Sitzung habe ich mit Kollegen Simperl von Coca Cola
gesprochen. Dieser Betriebsratsobmann dort ist der Typ des
kommenden Gewerkschaftsobmanns in unserer Organisation. Er hat jetzt
in den Abendschulen und auf der Universität neben seinem Beruf
studiert und das Doktorat gemacht. Er möchte unter allen Umständen
in der Arbeiterbewegung weiter tätig sein. Zu diesem Zweck wird
er alles unternehmen, damit ihm die Belegschaft Coca Cola –
und ich bezweifle dies nicht, weil er dort sehr beliebt ist, wie
ich mich persönlich immer wieder überzeugen kann – als Betriebs-
ratsobmann und als Funktionär bleibt. Dadurch kann er auch in
unserer Gewerkschaft als Funktionär weiterhin tätig sein. Gleich-
zeitig aber muss ich für ihn eine seinem Wissen und seiner Fähig-
keit entsprechende Beschäftigung finden. Ich werde diesbezüglich mit
Präs. Czettel von der Arbeiterkammer sprechen. Sollte es dort
keine Möglichkeit geben, würde ich ihm am liebsten ins Ministerium
übernehmen.
Tagesprogramm, 10.1.1980
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)