Mittwoch, 13. Februar 1980
Wenn man zur Hamburger Papierfabrik nach Pitten kommt, sieht
man vorerst die alte Schleifholzfabrik, weiter entfernt dann die
neue. Der Unterschied ist augenfällig. Nicht nur was die Gebäude
und Maschinen betrifft, sondern bei der einen ein kleiner Holzlager-
platz, bei der anderen ein riesiger Altpapierlagerplatz. Dem Besitzer
Prinzhorn ist es geglückt, auf Altpapierbasis seine Kartonfabrik aufzu-
bauen. Schweden hat ihm für die neue Fabrik einen Layout- und Kosten-
voranschlag gemacht für 750 Mio. S. Er selbst hat mit seinen
Leuten eine neue Papiermaschine, die Nr. 4 mit 470 Mio. S aufstellen
können. Die Bank hätte ihm gar nicht zuerst das Geld geben wollen,
aber auch bei der Papiermaschine 3, die er 1972 aufstellte, hat er
statt der 100 Mio., wie die Länderbank damals erklärte, als Mindest-
investition mit der Hypo Niederösterreich dann 70 Mio. S nur verbraucht.
Überhaupt zeichnet sich diese Fabrik als eine äußerst rentable und
gut geführte auf. Mit 153 Beschäftigten, davon nur 20 Angestellte,
wird sie rationellst geführt. Gleichzeitig hat die Firma sich ein
Rechenzentrum angegliedert, wo sie für andere Firmen Computerarbeit
leistet und dadurch ihre eigene Computerarbeit sie nichts kostet.
Insgesamt hat er also 200 Beschäftigte und macht einen Umsatz von
600 Mio. S. Das wirkliche Problem, das wir dann auch mit anderen
Papierfabriken Mayr-Melnhof, Frohnleiten und auch Hirschwang, Bunzl &
Biach, Ortmann, Semperit, Traiskirchen, diskutierten, war aber die
Benachteiligung der Industrie auf dem Energiesektor. Alle diese
Fabriken beziehen natürlich entweder zum Ausgleich ihres Spitzenbe-
darfes Strom vor allem zur Dampferzeugung Gas. Dort gibt es dann
für die einzelnen Fabriken, aber noch vielmehr in einzelnen Branchen
ganz gehörige Energiepreisunterschiede. Insbesondere gegenüber der
BRD oder den NL wurden Preisvergleiche aufgestellt, die die Benach-
teiligung der einzelnen Fabrik genau kennzeichnen. Die NEWAG kam
dabei sehr schlecht weg. Noch schlimmer ist es nach Meinung dieser
Industrievertreter mit der NIOGAS. Da hier ein Art Monopol vorherrscht,
will Prinzhorn sowohl bei der Industriellenvereinigung als auch über
die Handelskammer endlich die Energieerzeuger zwingen, ihre Kalku-
lationen und Bilanzen auf den Tisch zu legen. Hier gibt er sich einer
Illusion hin. Die ÖMV als Importeur des Gases wird überhaupt keine
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Auskunft ihnen geben, mit der Begründung, sie seien ja nicht
Abnehmer von ihr. Die Industrie möge sich daher an die Landes-
gesellschaft wenden. Die Landesgesellschaft verschanzt sich
sicherlich hinter ihrer Versorgungspflicht, hinter der Behauptung
sowieso ein halb öffentlicher Betrieb zu sein, hinter ihrer pol.
Deckung durch die Landesregierung, hauptsächlich natürlich des
Landeshauptmanns, mit einem Wort hinter einem Paravent, wo sie
sich nicht mit den Abnehmern auf eine Ebene stellt. Als die Öl-
und Gaspreise verhältnismäßig weltmarktmäßig billig zu bekommen
waren, gab es hier noch eine gewisse Konkurrenz und Umstellungs-
möglichkeit für damals überhöhte Kohlenpreise. Eben auf die billigeren
Erdölprodukte. Jetzt wäre es umgekehrt, die Umwandlung ist aber
kaum möglich. Soweit die Werke eigene Wasserrechte haben oder durch
Gegendruckanlagen Strom erzeugen, haben sie auch kaum eine Chance,
ihre Überschußmengen rentabel wegzubringen. Z.B. hat die NEWAG
Prinzhorn 5,4 Groschen angeboten, für den Spitzenausgleich, ca.
15 % seines Bedarfes, muß er aber 71 Groschen bezahlen. Wenn man
also Band zu Spitze vergleicht, ich weiß, ein wenig unzulänglich,
wäre es 1 zu 4 das Maximum und hier ist es 1 zu 14.
ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Min.Rat Burian soll doch versuchen, eine
gewisse Entlastung für die Industrie zu erreichen.
Ein weiteres Problem stellt die Preisdifferenz der Stärkeprodukte
in Österreich gegenüber der ausländischen Konkurrenz dar. Hier
möchte die Hamburger wenigstens für den Export im Vormerkverkehr
billige ausländische Stärke importieren können.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Das Fachreferat soll diesbezügliche Inter-
ventionen durchführen.
Ein ganz spezifisches Problem ist die Situation für die Hirsch-
wanger Pappkartonfabrik von Mayr-Melnhof. Die Umstellung auf Normal-
spur von Payerbach nach Hirschwang ist unmöglich und würde über
20 Mio. S Investitionskosten erfordern. Die vorhandene Schmalspur-
bahn aber müßte mit einem Aufwand von 7 Mio. S verbessert werden,
damit man normale Waggons doch bis zur Fabrik transportieren könnte.
Die Bundesbahn ist aber bis jetzt nicht bereit, die entsprechenden
Investitionen durchzuführen.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte mit Bundesbahndirektion sprechen.
Anerkannt wurde von allen Papierfabriken, daß die Altpapiersammlung
der ÖPG äußerst gut funktioniert, trotzdem rechnet man, daß in
Zukunft wesentlich mehr Altpapier noch erfaßt werden könnte. Das
große Problem, das sich hier ergeben wird, ist, von Sammelstellen,
die nicht aus großen Zentren kommen, wird es kaum möglich sein,
volle Waggons abzutransportieren. Die ÖPG, der Präsident dieser
Organisation ist gleichzeitig Direktor von Mayr-Melnhof, möchte,
daß ein Sondertarif für diese Altpapiertransporte bei nicht vollen
15 to Waggons Ladungen genehmigt wird. Ich habe ihm zugesagt, daß
wir der ÖPG in dieser Frage jedwede Unterstützung geben werden.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Die Abteilung soll entsprechend bei der
Bundesbahn intervenieren.
Überrascht war ich, daß zu dieser Industriegesprächseinladung
von Prinzhorn auch die Presse, die APA und der Kurier geladen waren.
Freisleben von der Presse fragte mich, was ich zu tun gedenke, um
die berechtigten Forderungen der Industriebetriebe auf dem Energie-
sektor, insbes. der Elektrizität zum Durchbruch zu verhelfen. Ich
habe ihm erklärt, es gab die Idee einen Groschen für die strom-
intensive Industrie in die Tarife einzubauen und dann die ca.
300 Mio. S Mehrerlös für Sonderverträge für stromintensive Industrien
zu verwenden. Leider ist auch dieser Vorschlag gescheitert oder
zumindestens bei dieser Tarifrunde noch nicht zu verwirklichen ge-
wesen. Bezügl. des Verlangens der Industrie mehr Transparenz in
die Preisgestaltung und Kostensituation der Landesgesellschaften
zu erreichen, stehe ich auf dem Standpunkt, hier muß sich eben die
Handelskammer resp. Industriellenvereinigung mehr durchsetzen.
Prinzhorn erzählte mir auch, daß jetzt in der Industriellenver-
einigung ein neues System der Präsidentenwahl gefunden werden soll.
Ein scheinbares Wahlkomitee oder zumindestens eine Gruppe, die die
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Präsidenten nach objektiven Gesichtspunkten küren möchte, hat
jetzt ein Punktesystem aufgestellt und wird mit einem Dutzend von
möglichen Kandidaten Kontakte aufnehmen und sie nach objektiven
Gesichtspunkten werten. Prinzhorn hat nicht ausgeschlossen, daß
Igler, der bereits zwei Perioden Präsident war und nach den Statuten
gar keine dritte mehr machen könnte, nicht doch noch auch wieder
Präsident wird. In diesem Fall würde wahrscheinlich die Industriel-
lenvereinigung ihre Statuten halt neuerdings ändern.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Halte bitte auch für diese Frage mit Prinz-
horn engen Kontakt.
Die Firma NÖSTAG hat in Erlach einen neuen Betrieb gegründet.
Überraschend für mich war, daß in dieser alten Wollfabrik der
Besitzer Dipl.Ing. Tautner nicht wie beabsichtigt 10 Mio., sondern
23 Mio. in Hallen investiert hat. Diese Mittel wurden nicht einmal
über ERP oder sonst irgendwie gestützt. Der Betriebsdirektor und
Geschäftsführer erzählte mir, sie hätten nur jetzt für einen
Bürges-Kredit angesucht.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte sofort erledigen.
Bei der Eröffnungsfeier hat Bürgermeister Kovacs mit sichtbarer
Rührung und Freude die Übernahme dieser alten Wollfabrik durch
die Fa. NÖSTAG berichtet. Der Präsident der NÖ HK, Schauer, hat
dann erzählt, wie schwierig es war, diesem Betrieb das Wort
niederösterreichisch zu gestatten. Für mich aber war es die Ge-
legenheit, bei der Ansprache Dipl.Ing. Tautner Anerkennung und Dank
zu sagen. Tautner ist auch der Inhaber von der Österr. Klimatechnik,
einem Betrieb in Grünbach, Wr. Neustadt und jetzt auch in Erlach
bei NÖSTAG. Dieser Unternehmertyp ist einmalig. Ich selbst bin
eigentlich über die Auslandskontakte auf ihn aufmerksam geworden.
Immer wieder hört man in den Staatshandelsländern, aber auch welt-
weit von Kooperationsabkommen mit der Fa. ÖKT. Diese erzeugt nicht
nur Wasseraufbereitungsanlagen, sondern auch Hotels. Die ÖKT, also
der Grünbacher Betrieb, entwirft Spitallösung von der Qualität von
Sheraton und Hilton, die NÖSTAG wird bis zu Dreistern-Hotels als
Generalunternehmen übernehmen. In Saudi Arabien und Abu Dhabi wird
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gleichzeitig auch die Rekultivierung, sprich Wasserbau mit US-
Lizenzen und entsprechende irrigation Vorschläge und Lösungen an-
geboten. Tautner erklärte mir dezidiert, er hat gar keine
andere Möglichkeit, als nicht Teile zu liefern, sondern eben ganze
Anlagen resp. ganze Problemlösungen. Tautner hat mir dann ver-
traulich versichert, daß er nicht beabsichtigt, aus Grünbach weg-
zugehen. Bei meinem vorigen Besuch in Grünbach hat mir der Bgm.
Hasun diese Befürchtung ausgesprochen. Ich habe natürlich sofort
Hasun dies freudig mitgeteilt. Überraschend für mich war aber,
daß Tautner mir auch vertraulich mitteilte, er wird nach Heiden-
reichstein in die wirklich jetzt schon schwer darniederliegende
Feuerzeugfabrik Eisert gehen, um 200 Arbeitsplätze dort zu sichern.
ANMERKUNG FÜR WIESINGER: Bitte mit Heidenreichsteiner Bürgermeister
(Haufek) verbinden.
Durch Zufall erfuhren wir, daß im Krankenhaus Gmünd mit 245 Mio.
Investitionskosten eine Kraft-Wärme-Kopplung eingebaut werden soll,
die Mehrkosten von 2,8 Mio. S verursachen würde. Wir im Handels-
ministerium können dafür diese Mittel nicht aufbringen. Die Rech-
nung ergibt aber, daß in spätestens 3 Jahren diese Mehrkosten durch
entsprechende Energieeinsparung resp. bessere Ausnützung der
Primärenergie hereingebracht werden. Ich habe mich deshalb an den
Gesundheitsminister Salcher gewendet, da das Land resp. die Spitals-
erbauer nicht bereit sind, diese 2,8 Mio. S aufzubringen. Salcher
meint, ich sollte ihm die Situation sofort schriftlich mitteilen,
damit er entsprechend intervenieren kann. Er kann sich gar nicht
vorstellen, daß ein solches Projekt an 2,8 Mio. S scheitern würde.
ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Bitte entsprechendes Schreiben sofort
veranlassen.
Bei einer mündlichen Parlamentsanfrage wurde ich wegen Staatssekr.
Albrecht von der ÖVP attackiert. Ich habe damals versprochen, die
Kosten, soweit sie mir bekannt sind, den Abgeordneten selbstver-
ständlich zur Verfügung zu stellen. Der ÖVP-Abg. Höchtl hat des-
halb vor längerer Zeit mir einen Brief geschrieben. Zu meiner
größten Überraschung muß ich jetzt in der Wochenpresse lesen,
daß ich monatelang auf diesen Brief nicht geantwortet habe. Sekt.
Chef Kazda und Min.Rat Marsch erklärten mir, daß die Beantwortung
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zwecks Koordinierung bei Staatssekretär Löschnak liegt. Dies
ist eine Ausrede, die ich nicht akzeptieren kann. Lustig ist,
daß Löschnak auch von der Regierung beauftragt ist, die ent-
sprechenden Koordinationen auch bei ÖVP-Anfragen durchzuführen.
Ich bin überzeugt davon, daß dies auch von ihm einmal erledigt
wird. Ich möchte aber nicht, daß es heißt, beim Handelsministe-
rium muß man monatelang warten, bis man überhaupt eine Antwort
bekommt. Wir haben uns in der Vergangenheit dadurch ausgezeichnet,
daß innerhalb einer erträglichen Zeit sowohl Privatinterventionen
von Firmen oder Konsumenten als auch aber insbes. Interventionen
des Parlaments schnell erledigt werden. Jetzt reißt's scheinbar
ein, daß überall riesig lang der bürokratische Apparat arbeitet,
um dann meistens schon zu spät entsprechende Antworten zu geben.
Dieser Zustand muß sich jetzt radikal und schnell ändern. Ich
kann und will diesen Schlendrian nicht einreißen lassen.
Tagesprogramm, 13.2.1980
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)