Dienstag, 11. März 1980
In der Fraktionssitzung der Lebensmittelarbeitergewerkschaft
diskutierten wir über die Verhältnisse der Parteien zuein-
ander. Nach meinem Referat, wo ich insbesondere auf die Ak-
tivität der ÖAAB-Leute hinwies, wurde übereinstimmend festge-
halten, dass vom ÖAAB für die soz. Gewerkschaftsfraktion die
stärksten Angriffe zu erwarten sind. Der ÖAAB, wie ich feststellte,
dominiert heute in der ÖVP-Führung. Mock, Ratzenböck, Jäger,
Hubinek überwiegen, für den Wirtschaftsbund ist nur eventuell
noch der Vizebürgermeister von Wien, Busek, zu rechnen. Warum
Mock so auf Lanner sich eingestellt hat, ist wahrscheinlich
nicht nur die persönliche Freundschaft, sondern auch damit
wenigstens durch den Generalsekretär der Bauernbund indirekt ver-
treten ist. Ich glaube, dass die ÖVP durch diese Konstruktion
auf lange Sicht eine schlechtere Organisationsform darstellt.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Wirtschaftsbund und
der Bauernbund sich mit dieser Konstellation zufriedengeben
können. Jedermann, der längere Zeit in einer Partei insbesondere
in den Spitzengremien gearbeitet hat, weiss, dass der Vorstand
zwar die Beschlusskörperschaft ist, dass aber im Präsidium die
entsprechenden Anträge vorbereitet und damit von dort formuliert
an den Vorstand kommen.
Für die soz. Gewerkschaftsfraktion ergibt sich weiters die Not-
wendigkeit zu erkennen, dass wahrscheinlich die christliche
Gewerkschaftsfraktion unter Altenburger eine ziemlich selbständige
Rolle gespielt hat, in Hinkunft unter Gassner wahrscheinlich
doch vom ÖAAB weitestgehend unterwandert, um nicht sogar viel-
leicht aufgesogen zu werden. In der Diskussion wurde deshalb von
der Partei und ganz besonders von den politischen Spitzenfunktionä-
ren, die in den Ministerien und sonstigen Körperschaft Einfluss
haben, verlangt, wir müssten eine wesentlich härtere Personal-
politik betreiben.
Mit Burian und Dr. Stanzel besprach auch ich personalpolitische
Fragen.
ANMERKUNG FÜR BURIAN: Bitte Sitzung mit Marsch, Dir und mir
zu vereinbaren.
Die Ministerratsvorbesprechung ist jetzt immer vor der Mini-
sterratssitzung am Dienstag. Dies ist insoferne angenehmer als
dadurch man nicht zweimal ins BKA fahren muss. Kreisky kritisierte
ganz hart die Studie des Instituts für Raumplanung über das Wald-
viertel. Gestern hatte er sie scheinbar nicht genau gelesen,
gestern bereits hatte Lausecker festgehalten, dass es sinnlos
ist, eine 160 km-Geschwindigkeitsstrecke ins Waldviertel zu
bauen. Nach Horn würden dies mit Einführung eines Taktfahrplanes
2,5 Mia S kosten. Der Sozialminister wieder kritisiert, dass in
dieser Studie gesagt wird, es sollten neue Betriebe nicht ge-
fördert werden, sondern die bestehenden erweitert. Kreisky war so
verärgert über diese Studie, dass er von barocken Ideen, unsinnig
und Narrenturm, politische Kinder sprach, die diese Studie erstellt
haben. Er wollte auch wissen, wer den Auftrag gegeben hat, ein-
deutig für mich, das BKA selbst. Er forderte alle Ressorts auf,
diese Studie genau zu studieren und allen Unsinn sofort dem Staats-
sekretär Nussbaumer mitzuteilen.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte lass diese Studie genau prüfen.
Am 26., 27. kommt Lazar nach Österreich, er ersuchte mich, ich
sollte an diesem Treffen teilnehmen. Nach Eröffnung der Grazer
Messe kann ich dies sicherlich tun.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte stell fest, ob der Handelsminister
Veres kommt.
Über die Bauernkammer-Wahlen, die einen grossen Erfolg der soz.
Arbeitsbauern brachte, um 6.000 Stimmen mehr, statt 3,67 %
9,22 %, wurde lang diskutiert. Durch das Wahlsystem, 4 Wahlkreise
und Grundmandat, hat die ÖVP, obwohl sie von 160.000 auf 154.000
also 5.700 Stimmen verloren hat, das einzige Mandat der Land-
wirtschaftskammer, das die SPÖ hatte, auch dazu gewonnen. In den
Bezirksbauernkammern konnten die Arbeitsbauern ihre Mandate von
36 auf 61 erhöhen. Die ÖVP fühlt sich in diesem System selbst
nicht sehr wohl und bietet deshalb dem Arbeitsbauernbund ein
kooptiertes Mandat an. Dies wird aber abgelehnt. Kreisky bemerkte,
ungut ist, dass wir diesem Wahlgesetz im Nationalrat zugestimmt
haben. Jetzt muss man unverzüglich an eine Änderung schreiten.
Auch in den Salzburger Landarbeiterkammer-Wahlen hat der
Arbeitsbauernbund von 3,8 % auf 5,6 % sich verbessern können.
Dort behält er das eine Mandat. Die Listenbezeichnung SPÖ
hat dort keinen Schaden gebracht, wie immer wieder von manchen
behauptet wird, die unter irgendwelchen Tarnbezeichnungen
kandidieren. Eine ähnliche Erfahrung haben übrigens wir
bei unserer Personalvertretung im Handelsministerium machen
können. Sich klar und deutlich zu dem bekennen, was man ist,
ist wesentlich besser, als Tarnbezeichnungen, die sowieso durch-
schaut werden, zu verwenden. Ich bin auch nicht ganz sicher,
ob es nicht in der Wirtschaftstreuhänder-Kammer auch besser
gewesen wäre, durch eindeutige Listenbezeichnung zu kandidieren
als unter der Bezeichnung "Wirtschaft 80".
ANMERKUNG FÜR BURIAN: Dies sollte man mit unseren Genossen dort
besprechen.
Weissenberg berichtete über die Verhandlungen mit der Bauern-
versicherung, Ex-Staatssekretär Haiden. Bei den Bauern haben
14.000 mit 1. Jänner weniger als 5,6 % Pensionserhöhung
bekommen. 2.5000 davon haben sogar absolut weniger bekommen,
als im Vorjahr Pension ausbezahlt erhielten. Weissenberg hofft,
dass mit der Lösung, die er jetzt vorgeschlagen hat und
die 25 Mio S kosten wird, auch der Finanzminister einverstanden
sein wird. Kreisky meinte, hier muss ein Unrecht beseitigt werden,
und es ist ausser jeder Diskussion, dass dies so schnell wie
möglich geschehen muss. Entstanden ist es durch die Erhöhung der
Einheitswerte, wieso man dies nicht früher bemerkte, ist mir ein
Rätsel.
Kreisky berichtet dann über die aussenpolitische Situation. In
Teheran hat sich nun seine Kritik, die er off record bezüglich
des Waldheim-Vorschlages einem Journalisten gesagt hat und dann
aber doch in die Zeitung gekommen ist, jetzt bestätigt. Mit diesen
verrückten Mullahs kann man keine Verträge abschliessen. Die
Blamage der Untersuchungskommission ist jetzt komplett. Die
ÖVP hat zwar Kreisky über dieses Verhalten kritisiert, jetzt
aber wird es neuerdings als richtig bestätigt.
In Kolumbien hat jetzt das 99 %-ige Wahlergebnis gezeigt, dass
es dort nur eine scheinbare Demokratie gibt, die Botschafts-
besetzer haben, nicht zuletzt auch weil Österreich Kolumbien nicht
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mehr für den Sitz im UNO-Sicherheitsrat unterstützt hat,
auch aus humanitären Gründen den österr. Botschafter freigelassen.
Auch hier hätte sich nachträglich, ohne dass man allerdings sagen
kann, dies hätte man bei der UNO-Sicherheitsrat-Besetzungsdebatte
voraussehen können, dieses Verhalten als richtig erwiesen.
Kreisky hat Pahr ersucht, er möge die Gespräche mit Kuba und anderen
paktfreien Staaten fortsetzen, damit man vielleicht die SU bezüglich
der Afghanistan-Besetzung beeinflussen könnte. Die amerikanische
Ultimatums-Politik, der britische Neutralitätsplan muss seiner
Meinung nach scheitern. Breschnew hat einen amerikanischen Ölmillio-
när Armand Hammer, der 83 Jahre ist und mit Lenin befreundet war,
empfangen. Lenin hat angeblich von ihm die Neue Ökonomische Politik,
die dieser ihm schilderte, übernommen. Damals wurde in der SU
in der NEP-Zeit eine wesentliche Lockerung des zentralgelenkten
Planwirtschaftssystem eingeführt. Diesem Hammer wurde mitgeteilt,
dass die SU für alle geeigneten Vorschläge immer empfänglich sein
wird. Da zum Unterschied von der US-Aussenpolitik, wo alles
heute fast in Rundschreiben erfolgt, die SU sehr diskret ist, muss
man in diesem Schluss-Satz des Protokolls eine gewisse Absicht
erkennen. Die ganze Frage ist streng vertraulich zu behandeln, ob
diese Politik Erfolg haben wird, wird sich erst zeigen. Kreisky hofft
wahrscheinlich, dass es den neutralen Staaten oder paktfreien Staaten,
besser gesagt, gelingt, hier in der SU gewiss mässigend einzuwirken.
Mit den Saudis wurde jetzt das Ölabkommen abgeschlossen, die Vöest
könnte Anlagen hinunterliefern, ist aber gegenüber Deutschland
noch zu teuer. Kreisky erwähnte diesmal, man muss bei Aussagen
äusserst vorsichtig sein, denn die Regierung selbst verhandelt nicht,
sondern kann nur entsprechende Projekte unterstützen und vorbesprechen.
Die Abschlüsse erfolgen ausschliesslich durch Firmen. Für mich war
dies nicht nur nichts Neues, sondern ich habe stets bei meinen Aus-
sagen festgehalten, dass wir nur die Projekte vorbereiten.
Mich selbst hat daher die neuerliche Kritik von ÖVP-Sprecher König,
dass sich jetzt die Minister rühmen, entsprechende Verträge abge-
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schlossen zu haben, die letzten Endes nur von den Aussen-
handelsstellen und der Handelskammer vorbereitet werden, nur
komisch berührt. König will jetzt immer wieder in allen Problemen
mitreden und kriegt natürlich als ÖVP-Sprecher auch die entsprechen-
de Resonanz in den Massenmedien. Ich glaube, wir müssen uns schön
langsam eine neue Taktik ihm gegenüber zurechtlegen.
Kreisky stellte abschliessend fest, dass niemand damit rechnen
kann, in den Neubau am Ballhausplatz einziehen zu können. Die dortigen
neuen Grundbesitzer haben jetzt eine Baugesellschaft gefunden,
sie erhoffen, dass der Bund sie bei den Bauverhandlungen unter-
stützt, weil angeblich das BKA einen dringenden Bedarf an
Büroräumen hat. Kreisky warnt davor, dass überhaupt irgendjemand
sich mit dieser Idee, dorthin zu ziehen, spielt. Die Mieten werden
derartig teuer sein, dass keine öffentliche Dienststelle dorthin
ziehen wird. Er wird solchen Ideen erbitterten Widerstand ent-
gegensetzen. Überhaupt bemerkte Kreisky, dass die Idee, die Revi-
talisierung von Gebäuden durch öffentliche Dienststellen, sehr
skeptisch beurteilt wird.
Lausecker hat mit dem LH Haslauer wegen der Privatbahn nach
Lamprechtshausen grössere Differenzen. Haslauer möchte, dass
50:50 der Bund sich daran beteiligt, die jetzige Verpflichtung
lautet aber nur 20 %. Haslauer hat auch eine Verkehrsenquete jetzt
nach Salzburg einberufen, ohne mit Lausecker über die vorgesehenen
Tagesordnungspunkte, die von seinen direkt oder indirekt unter-
stellten Beamten abgewickelt werden sollen, zu informieren. Lanc
hat 1978 bei einer Sicherheitsenquete genau dasselbe festgestellt.
Kreisky schlägt vor, es darf sich kein zuständiges Ressort dies
gefallen lassen und man muss mit scharfen Briefen dagegen
remonstrieren.
Nussbaumer berichtet dann, dass bei der Zinsstützung noch immer
einige Fälle mit 9,2 % Kreditgrenze eingereicht werden, diese
müssen zurückgestellt werden, bis mit dem Finanzministerium die
neue Regelung vereinbart ist. Genehmigt werden nur Unilever, die 8,5 %,
und die Fa. Eder, die ebenfalls 8,5 % Zinsenobergrenze hat. Gegen
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letztere Robustplastik Eder hätte Schmidt vom ÖGB einen
Einspruch gehabt, wie Nussbaumer mitteilt, weil angeblich
falsche Informationen von der Firma vorliegen. Kreisky meinte,
in diesem Fall würde sich ja sehr bald herausstellen, ob die
Firma gelogen hat oder falsche Unterlagen geliefert und dann
sei das Ganze hinfällig. Er wolle aber keinesfalls, dass von
vornherein dieses Ansuchen abgelehnt wird.
ANMERKUNG FÜR BURIAN: Was weisst Du über den Fall?
Bezüglich der Rechnungshofbestellung wird von Kreisky nur mitge-
teilt, dass er jetzt wegen der Berufung Broesigkes vom Klub-
obmann Peter auch mehr Unterstützung für den FPÖ-Kandidaten in der
Öffentlichkeit erwartet. Bezüglich des Stellvertreters ist noch
nichts entscheiden. Winternitz kommt dafür nicht in Frage.
In der Ministerratssitzung hat Kreisky dann Pahr und seinen Beamten
gedankt, dass es ihnen durch unermüdlichen Einsatz gelungen ist,
den Botschafter Selzer aus Kolumbien freizubekommen. Er hätte nur
die Absicht gehabt, einen Brief zu schreiben, der schon entworfen
ist, die jetzt geänderte Dankesformel hat auch einen Appell
beinhaltet, dass auch die anderen Geiseln so bald wie möglich frei
gelassen werden. Auf Ersuchen der kolumbianischen Regierung wäre
Wien bereit, den Geiselnehmern Asyl zu gewähren.
Der Verfassungsgerichthof hat festgestellt, dass Rudolf Habsburg-
Lothringen nicht eine Verzichtserklärung abgeben muss, da er
zur Zeit des Gesetzesbeschlusses noch nicht geboren war. Dies
widerspricht dem Geist des Gesetzes, denn der Gesetzgeber wollte
eben damals, dass jeder Nachfolger aus dem Hause Habsburg-Lothringen
auf Ansprüche verzichtet, wenn er in Österreich leben will. Dies
sei eben keine Hausfrage, wie das Höchstgericht auch annimmt
und wie es im Gesetz steht, sondern ist eine Familienangelegenheit.
In der Geschichte gibt es unzählige Beispiele, wo die Thron-
anwärter dann letzten Endes doch auf die Tradition und Geschichte
pochend ihren Anspruch auch in weiteren Generationen dann geltend
gemacht haben. Ich glaube aber, dass es kaum nochmals zu einer
diesbezügliche Auseinandersetzung in Österreich wie seinerzeit,
als Rudolf v. Habsburg einreisen wollte, kommen wird.
In der offiziellen Sitzung des Gesamtvorstandes der Lebens-
mittelarbeitergewerkschaft, die diesmal als Arbeitstagung ge-
halten wird, konnte ich nach meinem Referat feststellen, dass
die Stimmung nicht schlecht ist. Solange wir uns immer wieder
kritisch mit allen Problemen auseinandersetzen und über alles
freimütig diskutieren, wird trotz Einzeleinwendungen und oft
berechtigten Vorschlägen, die von der Behörde oder der Büro-
kratie nicht beachtet werden, das Vertrauen der Arbeiter in
der Organisation bestehen bleiben. Dies gilt aber insbesondere
für die Funktionäre und natürlich ganz besonders für die Spitzen-
funktionäre. Natürlich sind die einzelnen Gruppen daran inter-
essiert, dass ihre spezifischen Interessen gewahrt bleiben.
Dabei kam insbesondere auch die Importpolitik zur Sprache. Mir
neu war, dass angeblich Teigwaren in Österreich nicht in ein gelbes
Papier verpackt werden dürfen, dass aber sehr wohl Importware
insbesondere aus Italien diese Verpackung hat und nicht beanstandet
wird.
ANMERKUNG FÜR BURIAN: Was weiss das Handelsministerium davon?
Die Unterlagen, die mir Goldmann zusammengestellt hat, waren so
gut und so aktuell, dass bei den Kolleginnen und Kollegen ein förm-
liches "Griss" darum war.
In der Sektionsleiter-Sitzung im 3. Bezirk wurde insbesondere
über die politische Situation nach meinem Bericht und dann
aber ganz besonders über die Volksbefragung diskutiert. Mir ist
es vollkommen unerklärlich, wieso ich am Sonntag, wo ich im
3. Bezirk als Bezirksobmann eingesetzt bin, gleichzeitig im
nö. Wahlkampf eingeteilt werde. Ich bitte in Hinkunft mehr darauf
Rücksicht zu nehmen, dass ich als Bezirksobmann unter allen
Umständen an solchen Tagen im Bezirk verbleibe. Natürlich haben
meine Genossen volles Verständnis dafür, dass ich gegebenen-
falls woanders hinfahren muss, ich selbst möchte dies aber
unter gar keinen Umständen tun.
ANMERKUNG AN ALLE: Bitte auf meine Bezirksobmann-Funktion
auf der Landstrasse mehr Rücksicht nehmen.
Tagesprogramm, 11.3.1980
Tagesordnung 34. Ministerratssitzung, 11.3.1980
53_0317_03hs. Notizen (TO Ministerratssitzung Rückseite)
Nachtrag TO 34. Ministerratssitzung, 11.3.1980
hs. Notizen (Nachtrag TO MR-Sitzung Rückseite)