Donnerstag, 13. März 1980
In der Gesamtvorstandsitzung der Lebensmittelarbeiter
berichteten jetzt die Arbeitskreisleiter über die Ergeb-
nisse ihrer Beratungen. Überraschend für mich war, dass
sowohl in der Kollektivvertrags- als auch Lohnpolitik
nicht viele mehr, aber in den organisatorischen Fragen
nicht nur einen ganzen Tag diskutiert wurde in den Ar-
beitskreisen, sondern auch ganz vernünftige Vorschläge
erstattet wurden. Für mich erfreulich war, dass man orga-
nisatorische Änderungen dahingehend wünschte wie z.B.
einen Vizepräsidenten mehr im Präsidium, der von den
Ländern kommen soll, als auch einen stellvertretenden
Zentralsekretär. Dies gibt Blümel und mir jetzt die Mög-
lichkeit, den schon längere Zeit beabsichtigten Kollegen
Göbl zum Zentralsekretär-Stellvertreter zu bestellen. Lang-
fristig war dies schon geplant, doch bestand zuerst das grosse
Problem, wie die ältere Sekretär-Generation, die jetzt schön
langsam in andere Organisationen untergebracht wurde, darauf
reagieren würde. Personalfragen sind äusserst schwierig und
müssen langfristig geplant sein, das Schlechteste ist, wenn
man ad hoc dann entscheidet und jemanden übergeht, der sich
Hoffnungen gemacht hat. In diesem Fall bleibt dann immer eine
ungeheure Verärgerung zurück. Jetzt ist die Zeit im wahrsten
Sinne des Wortes reif für eine solche Bestellung und der
Vorschlag kommt, wenn ich so sagen darf, von den Funktionären
selbst. Die Forderung, einen weiteren Vizepräsidenten, also
an Stelle von zwei drei Stellvertreter von mir, ist äusserst
günstig, beim nächsten Verbandstag im Juli 1981 in Schwechat
können wir daher, ohne einen Bundesländerstreit heraufzubeschwö-
ren, den Betriebsratsobmann Simperl vom Coca-Cola, der übrigens
jetzt nebenberuflich sein Doktorat gemacht hat, als Vize vor-
schlagen und da neben ihm dann noch ein zweiter sogenannter
Bundesländervertreter ebenfalls wird gewählt werden, ich nehme
an, es wird sich um den BRO Bergmann von der Brauerei Schwechat
handeln, so wird es in den personellen Fragen, zumindestens
in der soz. Fraktion, keinen Widerstand und sicherlich wieder
einstimmige Beschlüsse geben. Darauf lege ich nämlich grössten
Wert.
Eine lange und breite, ja sogar sehr harte Diskussion ergab
die Frage der Beitragswahrheit. Hierbei handelt es sich primär
immer darum, dass jede Gruppe auf die andere schaut, ob und
wie hoch der Gewerkschaftsbeitrag bezahlt wird. Im Verhältnis
zu anderen Gewerkschaften sind unsere Gewerkschaftsbeiträge
1 % der Lohnsumme de facto sehr hoch. Die Kollegen aus den
Betrieben, seien es Brauerei-Arbeiter, die den höchsten Beitrag
innerhalb unserer Gewerkschaft zahlen und insbesondere gegenüber
der Vöest oder der Chemie Linz de facto 120.– S gegenüber eben
90.– S haben dadurch grosse örtliche Schwierigkeiten. Ein Arbeiter,
der aus diesen Betrieben kommt oder wo jemand Bekannter in diesem
Betrieb arbeitet, kann nicht verstehen, warum er bei uns einen
so hohen Beitrag bezahlen muss. Im Prinzip hat der ÖGB zwar
eine einheitliche Beitragstabelle, eben 1 % des Lohnes oder
Gehaltes, de facto aber bestehen grosse Differenzen. Nur der
öffentliche Dienst und insbesondere aber die Gemeindebedien-
steten sowie die Eisenbahner halten sich sehr strikt an den
einheitlich beschlossenen Gewerkschaftsbeitrag. Natürlich er-
gab sich dann auch eine Diskussion, was die Grundlage dieses
1 % sein soll. Unbestritten war, dass selbstverständlich der
Monatsgrundlohn incl. der Dienstalterszulagen und sonstiger
monatlich auszuzahlender Prämien oder Zulagen zu verstehen
ist. Umstritten war, ob irgendwelche jährlich oder manchmal auch
zweimal jährlich zur Ausschüttung gelangende Prämien, wenn man
will ein indirekter 15. Gehalt, auch einzubeziehen ist. Auch hier
habe ich alles darangesetzt, dass es nicht zu einem Mehrheits-
beschluss auf unserer Gesamtvorstandssitzung kommt, denn jede
dort überraschend beschlossene Erhöhung eines Beitrages durch
Neufestlegung der Berechnungsbasis würde zu einer, wie man
mir auch nachher bestätigte, ungeheuren Zerreissprobe in den
Betrieben führen. Alles muss systematisch vorbereitet sein und
gar nichts darf eine übermässige Verärgerung herbeiführen.
Eine noch härtere Diskussion ergab sich aus der Tatsache, dass
zwar nur vereinzelt, aber doch manchmal auch Grossbetriebe
den Gewerkschaftsbeitrag, der von der Firma abgezogen wird
und dem Betriebsrat übergeben, erst nach längerer Zeit an die
Gewerkschaft tatsächlich eingezahlt wird. Insbesondere der
Konsum-BRO Serini handhabt dieses System mit Perfektion. Ohne
dass er persönlich genannt wurde, haben sich alle anderen Kollegen
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gegen diese Methode ganz entschieden ausgesprochen. Wir
beschlossen deshalb, allerdings schon zum x-ten Male, dass
spätestens nach 6 Wochen der Beitrag in der Zentrale ein-
langen muss. Manchmal ist es, wie z.B. in der Vergangenheit
im Konsum, wirklich der Computer, der eine endgültige Ab-
rechnung unmöglich macht. Hier könnte natürlich durch Akkon-
tierung dieses Problem auch gelöst werden. Der Kontroll-
obmann hat vorgeschlagen, man soll die 2 % Inkassogebühr,
die in den Betrieben für den Betriebsrat verbleiben, streichen
für alle Beträge, die nicht 6 Wochen später in der Zentrale
einbezahlt sind. Dieses System kann aber nach Meinung unseres
Kassiers Balacz nicht funktionieren. Er hat keine Sanktions-
möglichkeit, einen Betrag, der sowieso schon um die 2 %
Inkassogebühren verkürzt ist, wenn er verspätet einlangt,
die de facto verkürzte Summe neuerdings zu diskutieren. Ich hoffe,
diese harte Kritik der anderen Gesamtvorstandskollegen dem
Betriebsrat im Konsum zu denken gibt und er doch pünktlicher
in Hinkunft seine Beiträge abführen wird. Ich habe nämlich auch
mit aller Deutlichkeit darauf verwiesen, dass es sich hier
um Gelder der Gewerkschaft und keinesfalls um Geldes des
Betriebsratsfonds handelt. Alle anderen Fragen und Anregungen
wurden eingehend diskutiert und, was mir wichtig erschien,
letzten Endes alles einstimmig beschlossen. Mit der
Tagung waren alle Teilnehmer aber auch ich sehr zufrieden.
In der DokW, Donaukraftwerke, wurde im Aufsichtsrat Wiesinger
als Nachfolger von Hermann bestellt. Ursprünglich wurde ich
falsch informiert, dass nämlich nur diese Wahl mit einer
Stimmenenthaltung beschlossen wurde. In diesem Fall wäre
wie es für die ÖVP, insbesondere für den Energiesprecher König,
äusserst blamabel gewesen. Tatsächlich stellte sich dann
aber heraus, dass sehr wohl die ÖVP-Fraktion mit 5 Stimmen
dagegen und nur der ÖVP-ler Oberleitner sich der Stimme ent-
halten hat. Dies war ein ungeheuer mutiger Schritt, wie ich
anerkennen muss. Die 11 sozialistischen Stimmen, allerdings
mit 4 Betriebsräten, hatten für Wiesinger, 5 ÖVP-ler da-
gegen. Die Stimmung, die mir dann GD Fremuth berichtete, war
keinesfalls so kritisch, wie wir es erwartet hatten.
Es gab eine sachliche, harte Diskussion, die Fremuth versuchte,
aus der politischen in die sachliche Ebene zu bringen. Sachlich
nämlich konnte in Wirklichkeit gegen den Dr. Wiesinger niemand
etwas einwenden.
ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Versuch, allerdings äusserst vorsichtig,
die Motive Oberleitners zu erfahren.
Sekt.Chef Frank teilt mir mit, dass jetzt im Gesundheitsministe-
rium Dr. Scheffenegger und Dr. Höfler erklärt haben, es müssten bei
beiden Kohlekraftwerken, sowohl in Zwentendorf als auch in Rechnitz,
die schärfsten Umweltbestimmungen festgelegt werden. Für Zwenten-
dorf wurde jetzt das Gutachten der Akademie der Wissenschaften
angefordert und wir werden sehen, wie es dort weitergeht. Für
Rechnitz aber hat die Burgenländische Landesregierung sich ver-
pflichtet, bis März 1980 ein Gutachten fertigzustellen und dann
Anfang April die entsprechenden Auflagen festzulegen. Wenn
nun das Gesundheitsministerium, aus welchen Gründen immer, diese
Arbeit der Landesregierung konterkariert, dann wird es nicht nur
zu einer Verzögerung des Baus, sondern vielleicht auch zu gar
keinem Bau in Rechnitz kommen können. Ich habe Frank sofort
zugesagt, mich mit Gesundheitsminister Salcher ins Einvernehmen
zu setzen.
ANMERKUNG FÜR WIESINGER: Bitte mit Salcher verbinden.
Tagesprogramm, 13.3.1980