Samstag, 14. Juni 1980
Der Wiener Landesparteitag in Oberlaa verlief wie erwartet.
Durch die Hitze bedingt, man fühlte sich wie in einer Sauna,
war die Unruhe im Saal noch grösser als sonst. Lanc, der
Anfang den Vorsitz führte, hat noch einigermassen laschiert.
Ein einziges Mal wurde vom Vorsitz aus energisch durchgegriffen
und das war, als ein Debattenredner noch einmal zu Wort kommen
wollte, obwohl schon das Schlusswort von Seiten des Referenten
Stadtrat Mayr war. Die Vorsitzende, Staatssekretär Albrecht,
hat hier ganz energisch durchgegriffen. So habe ich sie überhaupt
noch nie erlebt. Die Berichte, aber auch der Tätigkeitsbericht
des Landesparteiobmannes Bürgermeister Gratz, manchmal geistig
sehr witzig, gut aufgebaut, sicherlich auch interessant und ging
aber total unter. Kreisky wiederum hielt einen aussenpolitischen
Bericht, der für mich keine neuen Erkenntnisse brachte, immerhin
höre ich ja diese Überlegungen in der Regierungsvorbesprechung,
im Parteivorstand, in der soz. Fraktion und jetzt wieder in der
Konferenz. Überraschend für mich ist nur, wie er hier manchmal
Anstandsregeln unbeachtet liess, was ihm früher als Aussenminister
und wahrscheinlich auch bei Beginn seiner Bundeskanzlertätigkeit
niemals passiert wäre. U.a. z.B. erklärte er, dass der neue
Ministerpräsident von Israel, Peres, dann eher seine Palästina-
Politik verfolge als der jetzt für ihn schon nicht existierende
Begin. Während er früher von den narrischen Mullahs sprach, ist
jetzt nach seiner Iran-Reise alles anders. Beeindruckt hat mich
sein Eingeständnis, dass er an Ort und Stelle hat sich jetzt ein
neues Bild machen können. Früher hätte er eben vorher nicht so
abfällig über die Iraner gesprochen. Ähnlich ist es auch mit
Amerika, wo er klar und deutlich zu erkennen gibt, dass dort
die Wahl zwischen Carter und Reagan nicht nur für die Amerikaner,
sondern auch für die Europäer sehr schwer ist. Über den Erfolg
seiner Politik meint er, da gibt es dumme Leute und ungeduldige
Journalisten, die womöglich jetzt schon ein Ergebnis sehen möchten.
Kreisky hat heute international ein so grosses Ansehen, dass
er sich all diese Schnitzer ohne weiteres scheinbar erlauben
kann. Ob es Österreich gut tut, ist eine zweite Sache. Selbst-
verständlich gab es nach seinem Referat nicht einmal die Spur
einer Diskussion. Der Vorsitzende hat zwar gefragt, ob jemand
55-0731
das Wort wünscht, aber gleich festgestellt, dass dies sowieso
nicht der Fall ist.
Die Wahl brachte das erwartete Ergebnis, Gratz musste mit 15
Streichungen einmal mehr feststellen, dass seine Politik heute
auf immer grösseren Widerstand stösst. Was ihm allerdings
vorgeworfen wird, weniger seine Politik als seine "Nicht-Politik".
Gratz tut mir in der Beziehung furchtbar leid, alle, die ihn
seinerzeit gewählt haben, müssten ja gewusst haben, wie seine
Arbeitsweise ist. Ich selbst habe mich niemals einer Illusion
hingegeben. Trotzdem bin ich überzeugt, war er damals und auch
heute der einzige Bürgermeister, den ich mir vorstellen kann.
Was ihm halt leider damals und scheinbar auch heute nicht glückt,
ist das Stadtratteam so zu gestalten, dass es wirklich ein
Team ist. Auch die Landstrasser Landtagsabgeordneten resp.
Gemeinderäte und alle, die von ihm irgendetwas wollen, beschweren
sich ständig bei mir über seine Entschlusslosigkeit. Mir tut
er eigentlich aufrichtig leid. Streichungen sagen mir an und
für sich nicht viel, Dr. Heindl und noch viel mehr der Bezirk
ist immer mächtig begeistert, wenn ich die wenigsten Streichungen
habe. Wenn man in der Gemeindepolitik wenig exponiert ist, und das
bin ich schon auf Grund meiner Bundesfunktion, wenn man dann
noch verhältnismässig eine klare Linie hat in all den Fragen,
die in meinem Ressort ressortieren und dort auch, glaube ich,
einigermassen durchgezogen werden, wie z.B. die Kernkraftwerksfrage,
dann kriegt man halt Streichungen von ein paar extremen Gegnern
der Kernenergie. Einige sicherlich haben auch wegen der Benzin-
preise gestrichen. Was soll's? Entscheidend kann nur in selbst
einer geheimen Abstimmung sein, wenn Streich-Aktionen gestartet
werden. Dies, hoffe ich aber, war bis jetzt nicht der Fall und
sollte auch in Hinkunft nicht sein. Wenn man Gegensätze hat,
dann soll man diese womöglich nicht in der Öffentlichkeit, dafür
aber umso fairer mit dem Betreffenden gleich austragen, hinterrücks
aber Streichungen-Aktionen zu starten ist nicht der Weg, den ich
als moralisch gut und schon gar nicht als richtig empfinde.
Wie weit er diesmal eine Rolle gespielt hat, weiss ich nicht.
Eine Aussprache mit Komm.Rat Fröhlich zeigte mir, dass wir
bezüglich der Gastronomie in der ÖFVW noch viel zu tun haben.
Seinerzeit hat Fröhlich die KÖRÜGO der Gastlichkeit geschaffen.
Dort wurde von mir sogar feierlich der Öffentlichkeit übergeben
in einem Buch festgehalten, wo es Gaststätten mit entsprechender
Klassifikation gibt. Diese Organisation ist pleite gegangen.
Der ÖAMTC, der letzten Endes durch Beistellung von Karten, wo
diese Gaststätten eingezeichnet waren, Fröhlich sogar klagen
möchte, hat nicht zuletzt auch dazu beigetragen, dass dieses
Experiment gescheitert ist. Ich selbst habe damals darauf ver-
wiesen, dass die Mitglieder des Bundes der Gastlichkeit nicht
repräsentativ sind und deshalb andere, die für den Fremdenverkehr
und insbesondere für die Gastlichkeit von Bedeutung sind, auf-
genommen werden sollten. Dies ist letzten Endes geschehen, das
hat wieder die Mitglieder des Bundes der Gastlichkeit empört,
weil sie mussten ja in ihrem Mitgliedsbeitrag für die Herausgabe
des Buches sorgen und die anderen haben sozusagen einen Vorteil
bekommen, ohne daran finanziell beteiligt zu sein. Dieses Experiment
ist also schief gelaufen, die Idee besteht aber nach wie vor und ist
meiner Meinung nach dringendst notwendig positiv erledigt zu
werden.
Ich habe Fröhlich vorgeschlagen, wir müssen irgendeine Lösung
finden, weil gerade die ÖFVW dringendst ein Informationsmaterial
bedarf. Interessant ist, dass die Grundlagenerhebung des Stat.
Zentralamtes ergeben hat, dass die Gast- und Schankgewerbe-Betriebe,
für die Fröhlich als Funktionär verantwortlich ist, ungefähr
1 Mill. Sessel in den Restaurants zur Verfügung stellt. Die Be-
herbergungsbetriebe, die ihm nicht unterstehen, sondern Komm.Rat
Scheiner, haben aber 1,6 Mill. Sessel. Eine Zusammenarbeit der
beiden resp. eine notwendige Koordinierung ist dringend notwendig.
Fröhlich schlug deshalb vor, ich sollte Zolles, ÖFVW, Min.Rat
Würzl, HM, den Auftrag geben, diese beiden sollten mit ihm gemeinsam
und Komm.Rat Scheiner als Obmann der Fremdenverkehrssektion dies-
bezügliche Überlegungen anstellen. Dazu habe ich mich sofort bereiter-
klärt.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Würzl, Zolles, Scheiner, Fröhlich
bitte zu einer Sitzung einladen.
Ein zweites wichtiges Problem ist, dass die Urlaubs- und Ruhetage
der einzelnen Restaurants und der Hotels, soweit sie eben Verpflegung
abgeben, dringendst koordiniert werden müssen. Fröhlich hat zwar
diesbezügliche Vorarbeiten geleistet, gibt aber unumwunden zu,
dass es auch hier noch grosse Unzulänglichkeiten gibt. Ich
habe volles Verständnis dafür, dass es sehr schwierig ist, hier
eine Koordination vorzunehmen. Der Vergleich, dass es auch bei
den Apothekern möglich ist, wenn der eine gesperrt hat, dass
auf den anderen hingewiesen wird, ist unzulänglich. Apotheken
sind zwangsrajoniert, eine Konkurrenz ist dort nicht zu befürchten,
von einem Gastwirt ist kaum anzunehmen, dass er auf seinen Konkurren-
ten besonders verweisen wird. Meistens ist es so, dass wenn der
eine offen hat, sagt der andere, ich muss auch offen haben,
damit meine Kunden nicht zu den anderen überlaufen. Trotzdem
erscheint es im Interesses des Gastes eine umfassendere Lösung
dringendst erforderlich.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Was sagt Würzl zu diesem Problem?
Tagesprogramm, 14.6.1980