Samstag, der 28. Juni 1980

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Samstag, 28. Juni 1980

Der Wirtschaftsminister und gleichzeitig auch für den Fremden-
verkehr verantwortliche Pulja war mit seinem Reiseprogramm
nach Mitteilung Würzl's sehr zufrieden. An der jug.-kärntneri-
schen Grenze hat ihn allerdings nicht einmal Würzl selbst abgeholt,
ein ganz grosser Protokollfehler. Noch schlimmer kam es dann,
als mitgeteilt wurde, ich hätte keine Zeit die Arbeitssitzung
am Freitag mit ihm abzuhalten. Ausserdem erwartete man mich
beim Heurigen, beides noch schwerere Protokollfehler vom Büro.
Selbstverständlich hätte ich mir Zeit genommen, wenn ich gewusst
hätte, dass sozusagen alles Offizielle bereits am Freitag
abgewickelt wird. Ich war fest überzeugt, dass erst am Samstag
die Arbeitssitzung mit mir erfolgt und dann eben vor seinem
Abflug das Mittagessen als Arbeitsessen abgewickelt wird.

ANMERKUNG AN HAFFNER UND MARTIN: In Hinkunft bitte Termin von
Ministerbesuchen direkt mir mitteilen und von mir bestätigen
lassen.

Die erfolgte Aussprache war dann im Laufe der Zeit wesentlich
freundlicher als ich, wenn man mich so behandelt hätte, wahr-
scheinlich anstelle Pulja reagiert hätte. Das Aussenhandels-
defizit hat sich in den ersten 5 Monaten wesentlich ver-
bessert. Die Exporte sind nur von 2 auf 2,226 Mia. um ca. 10 %

gestiegen, während die Importe aus Jugoslawien von 532 auf
724 sich also um fast 20 % erhöht haben. Der Fremdenverkehr
zeigt für die Jugoslawen gesehen leider eine gegenläufige
Tendenz. Die österr. Touristen sind von 680.000 auf 600.000
um 11 % zurückgegangen. Trotz 4 Mio. Übernachtungen ist dies
also ein Rückschritt und damit natürlich auch ihre Devisen-
einnahmen entsprechend geringer gewesen. Die Übernachtungen
von Jugoslawen in Österreich sind von 350.000 im Jahre 1978
auf 400.000 im Jahre 1979, um 15 % also gestiegen. Noch immer
machen die Jugoslawen 10 % der Österreicher aus, trotz der
grösseren Bevölkerungsanzahl Jugoslawiens im Vergleich zu
Österreich. Tourismus kann man allerdings nicht an der Be-
völkerungsgrösse messen, sondern ist eine reine Frage des Lebens-
standards und des Staatssystems. Der jug. Staatsbürger hat aller-
dings, wie die Jugoslawen behaupten, ein gewisses Recht auf Devisen-


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zuteilung für Auslandsreisen.

Die beiden Reisebüro-Verbände, der österr. und der jugoslw.,
haben Vereinbarung getroffen, in Hinkunft enger zu kooperieren,
insbesondere sollen Sonderzüge und Charter-Flüge, die billiger
sind als eben die Linienflüge, mehr Touristen bringen. Diese
Kooperation soll durch eine Arbeitsgruppe der Gemischten
jug.-österr. Fremdenverkehrskommission unterstützt und überwacht
werden. Insbesondere denkt man jetzt an eine gemeinsame Leistungs-
garantie für alle Touristen. Der jug. Fremdenverkehrsdirektor
des Reisebüroverbandes, Karuzi, den ich bei allen Messe-Eröffnungen
immer treffe und herzlichst begrüsse, hat auch seinem Minister
bestätigt, dass ich die jug. Arbeit sehr unterstütze.

Über die energetischen Fragen, wie die Jugoslawen dies auch
bezeichnen, wurde besonders eingehend diskutiert. Ich hatte Gott
sei Dank meine Aufzeichnungen dann noch zeitgerecht über meinen
letzten Jugoslawien-Besuch gefunden und dadurch über das Kosovo-
Kohleprojekt im einzelnen genau referieren können. Ich glaube,
ich habe mehr gewusst als Pulja und insbesondere auch der
jug. Botschafter in Österreich. Da bei dem damaligen Besuch
in Belgrad sowohl Snuderl als auch die anderen Minister sehr ablehnend
zum Kosovo-Projekt gestanden sind, konnte ich jetzt den
Austritt Österreichs aus dieser Projektgruppe in der Schweiz fast
als eine Folge der jug. Haltung erklären. Pulja selbst kommt aus
Kosovo und war mit meiner Erklärung einverstanden.

ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Bitte auf nächsten Jour fixe Fremuth
setzen.

Selbstverständlich erklärte ich den Jugoslawen, wir sind zu
jeder Kooperationsverhandlung auf dem energetischen Sektor
bereit. Auf Grund des Aussenhandelsdefizits kann ich mir sehr
gut vorstellen, dass wir von den Jugoslawen wesentlich mehr
Energie beziehen, als dies derzeit der Fall ist. Dies gilt
allerdings nicht nur für Elektrizität, sondern selbstverständlich
auch für Kohle.

ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Wieso gab es diesmal nicht einmal die
unzulänglichen Unterlagen von der Abteilung?



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Der jug. Botschafter wollte noch in Anwesenheit von Minister
Pulja mir immer wieder erklären, dass er meine Unterstützung
der Verbesserung der Beziehungen zwischen Jugoslawien und
Österreich kennt und sehr schätzt. Trotzdem glaubt er, dass
es dringend notwendig ist, jetzt konkrete Schritte über Ergeb-
nisse dieser politischen Wissensäusserung sowohl des jug.
Ministerpräsidenten als auch des Bundeskanzlers Kreisky bei ihrem
letzten Treffen in Belgrad zu setzen. Ich habe den Bot-
schafter und ganz besonders den Minister Pulja aber darauf ver-
wiesen, dass der Widerstand von Seiten der Oppositionsparteien,
siehe letzte Fragestunde im Parlament, aber auch von den Länder-
vertretern, sei es in Kärnten oder Steiermark, es dem Handels-
ministerium sehr schwer machen, hier voreilige Schritte
zu setzen, ohne mit den Ländern insbesondere in einen grösseren
Konflikt zu geraten. Ich habe daher um Verständnis geworben, dass
wir sehr vorsichtig vorgehen müssen und nur kleinste Schritte,
die letzten Endes auch die Länder akzeptieren, in Aussicht nehmen
können. Die wirklich grosse Wunschlösung der Jugoslawen, Zoll-
ermässigungen zu bekommen, kann nur im Rahmen der EFTA abgewickelt
werden. Dort unterstützte ich die jug. Annäherungsversuche und
erwarte, dass jetzt endlich neue erfolgen. Da die Jugoslawen
jetzt, wie mir Snuderl ja das letzte Mal in Frankfurt bei
seinem privaten Besuch mitteilte, mit der EG eine Sonder-
regelung angestrebt haben und diese jetzt auch erreichten,
also der jug. Botschafter sagt, einen Vertrag sui generis
geschlossen haben, gibt es doch auch jetzt für die EFTA-
Annäherung eine solche Lösungsmöglichkeit Jugoslawiens. Der
Botschafter und Pulja erklärten, sie werden sich diese Anregung
neuerdings überlegen und überdenken. Im Prinzip stimmten sie mir
zu.

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Tagesprogramm, 28.6.1980

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hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)


Tätigkeit: jug. FV-Dir. d. Reisebüroverb.; Falschschreibung?


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