Montag, 10. November 1980
Mit GD Fremuth, Verbund, Präs. Bock, Aufsichtsratsvorsitzender der
TKW, und Dir. Gmeinhart, TKW, wurde vereinbart, daß unmittelbar nach Ab-
schluß des Salzach-Ausbauverträge, die womöglich im Dezember noch mit der
SAFE unterschrieben werden sollen, sofort das Wasserrecht für Oberpinz-
gau eingereicht werden soll. Fremuth teilt mit, daß der Enns-Vorstand
jetzt Pattstellung hat bezüglich der Steyr-Gewässer. Dort wurde seiner-
zeit das Wasserrecht für die Steyr-Gewässer genehmigt, bis jetzt nicht
genützt und die OKA blockiert jetzt die Durchführung im Enns-Vorstand.
Bei dieser Gesellschaft handelt es sich um eine 50 %-ige Beteiligung
der oberösterreichischen Kraftwerke OKA und 50 % Bund, wodurch wieder
einmal bewiesen ist, wie unzweckmäßig eine solche gleichwertige und
perzentuelle 50-50-Lösung ist.
Fremuth vertritt den Rechtsstandpunkt, daß auch durch die Aufhebung
des Baubescheides von Voitsberg III durch die Landesregierung der Bau
fortgesetzt werden muß und kann. Es gibt keine absolute Nichtigkeit im
Verwaltungsrecht. Die Beschwerde der Anrainer, die nicht gehört wurden
und weshalb der Verwaltungsgerichtshof diesen Recht gegeben hat, kann
nicht zur Einstellung des Baus führen. Dr. Zluwa ist bezüglich der
Rechtsauffassung anderer Meinung. De facto einigen wir uns aber, daß
unter allen Umständen der Bau fortgesetzt werden muß und soll.
ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Hautzenberg soll die Details, insbesondere die
Entschwefelungsmöglichkeit für das Weihnachtsgespräch vorbereiten.
Fremuth ist es erstmalig geglückt, die Gehaltsverhandlungen mit den An-
gestellten mit 7,3 % abzuschließen und nicht, wie der Kollektivvertrags-
gehalt 7,5 % für die Industrie jetzt vereinbart wurde. Erstmalig wurde
die Hausvereinbarung, daß die Istgehälter der Elektrizitätsangestellten
automatisch dem Kollektivvertragsgehaltsprozentsatz, der ja immer wesent-
lich höher ist, weil er nur für die untersten Gruppen eine Rolle spielt,
nicht voll angewendet wird.
Fremuth will für die Verbund und den Landesgesellschaften, eventuell
sogar mit den Süddeutschen und den Italienern, Enel, eine Trägergesell-
schaft für Kohle errichten. Diese soll eine Kohlengrube in Australien
oder Kanada erwerben. Dafür müssen 8 Mrd. $ aufgebracht werden. Die E-
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Wirtschaft will sich also von den Kohlenimportgesellschaften, ob ver-
staatlicht oder privat, in Hinkunft mit den neugeschaffenen Ölmultis oder
ÖMV-Kohlengesellschaften nicht verbünden. Kohle wird nach Meinung all
dieser ein großes Zukunftsgeschäft, weshalb jeder seine eigene Handels-
tätigkeit entwickeln möchte.
Bezüglich der Nationalparkverhandlungen für die Kraftwerke in Osttirol
und Oberpinzgau vertrete ich die Meinung, daß es nicht sehr schnell zu
einer gesetzlichen Regelung kommen wird. Der Salzburger LH Haslauer hat
sich jetzt gegen eine Bundesregelung ganz entschieden ausgesprochen. Die
ÖVP wird daher ihren Wünschen der Landeshauptleute Rechnung tragend zu
diesem Verfassungsgesetz sicherlich nicht die Zustimmung geben.
Die Verhandlungen mit COGEMA wegen eines eventuellen Wiederaufbereitungs-
vertrages und gleichzeitig die Zustimmung, daß der Atommüll in Frank-
reich verbleibt, werden intensiv fortgeführt, da sich doch abzeichnet,
daß das Pro-Zwentendorf-Volksbegehren die notwendigen 200.000 Unter-
schriften bekommt. Hätte sich hier der ÖGB nicht so exponiert, wäre
wahrscheinlich auch das pro Zwentendorf genauso gescheitert wie die
Atomgegnerin Schmitz mit ihrem Umbauvolksbegehren.
Fremuth glaubt noch immer, daß er mit den Sowjets einen Austauschvertrag
Spitzenstrom gegen Bandlast von ungefähr 500 MW oder zumindestens einen
Kaufvertrag für diese 500 MW abschließen kann. Mit der CSSR, GD Hussek,
hat er über 1000 MW auf Tauschbasis Verhandlungen geführt. Ich bin nicht
so überzeugt, daß es mit den Oststaaten leicht sein wird, solche Verträ-
ge abzuschließen.
Die Polen-Verträge sind abgeschlossen. Der Streit zwischen der Freien Ge-
werkschaft Solidarität und der Regierung nimmt immer heftigere Formen
an und mit allen Ministern von Oststaaten und Botschaftern, mit denen ich
spreche, sehen für die weitere wirtschaftliche Entwicklung in Polen
große Schwierigkeiten. Die Kohlenlieferverträge der Polen im COMECON
werden noch mehr gekürzt als die Westexporte, dadurch kommt es zur Nicht-
lieferung von polnischer Kohle an die DDR zu Kokserzeugung, die Kokslie-
ferung der DDR an Ungarn und die Ungarn haben ein riesiges Energieloch.
Die Lieferungen der COMECON-Staaten aber nach Polen sollen womöglich auf-
rechterhalten werden, damit die Versorgung dort nicht ganz zusammen-
bricht. Mit dem ungarischen Botschafter habe ich bei der Fahrt zum Flug-
hafen wegen der Kohlelieferungen für das Kraftwerk an der ungarisch-
burgenländischen Grenze neuerdings gesprochen. Die neuerliche Preisfor-
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derung der Ungarn kann von Österreich nicht akzeptiert werden, weil der
Wärmewert im Strompreis nicht gedeckt werden kann. Botschafter Rande
wird mit seinen Leuten in Budapest dieses Problem neuerdings besprechen.
Außer Protokoll und gar nicht vorgesehen bin ich dann auch zum Empfang des
Vorsitzenden des Staatsrates Honecker nach Schwechat gekommen, um mit Dr.
Beil die ersten Gespräche gleich dort zu führen. Vorher traf ich Gott sei
Dank unseren Botschafter in Berlin, der mir außer die schon mitgeteilten
4,4 Mrd. S Investitionsabschlüsse der Jahre 79 und 80 weiter 1,4 Mrd., 1,2
durch den Ruthner-Vertrag und 200 Mio. für die VEW zusätzliche Lieferun-
gen, mitteilte. Darüber hinaus wurden für die 1,2 Mrd. schon abgeschlosse-
nen Konsumgüter jetzt noch 280 Mio. vorgesehen.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Das nächste Mal bitte direkt Kontakt mit dem
entsprechenden Botschafter immer herstellen.
Bei der Nachmittagsbesprechung mit Dr. Mittag, Politbüroverantwortlicher
für die DDR-Wirtschaft und daher der wichtigste Mann neben Honecker,
bedanke ich mich für das zusätzlich große Verständnis für Konsumgüter-
lieferungen und jetzt insbesondere VEW-Lieferungen. In dieser Aussprache
und dann noch viel mehr beim Abendessen wurde mir immer eindringlicher
klargemacht, daß die wichtigste Entscheidung erst beim Anflug auf Wien
im Flugzeug getroffen wurde, nämlich zwischen Honecker und Mittag, das
Stahlwerk für 14 Mrd. S nach Österreich zu vergeben. Die VÖEST-Alpine hat
damit den größten Erfolg bei diesem Staatsbesuch. Im Auto, aber vom Flug-
hafen dann im Laufe des Tages immer mehr verdichtend, hat mir Beil gesagt,
er erwartet aber dafür ein unbedingtes Entgegenkommen auf dem Zollsek-
tor. Mittag hat dann darauf verwiesen, daß auch die Konsumgüterbezüge
stabilisiert werden sollen, das heißt in den DDR-5-Jahresplan eingebaut.
Auch dort muß aber als Voraussetzung, wie Mittag deutlich erklärte, auf
dem Zollsektor ein Entgegenkommen festgestellt werden. Ich erklärte über-
all, daß ich zwar jederzeit bereit bin, die § 6 Zollermäßigungen zu ge-
währen, wo ich dafür gesetzliche Möglichkeiten habe, eine allgemeine
Ermächtigung ist in diesem Gesetz nicht vorgesehen, ich muß daher jeden
Einzelfall besonders prüfen. Bei Maschinen hat der Österreichreferent
Reh in der Sitzung schon zugegeben, klappt es einigermaßen, Schwierig-
keiten gibt es jetzt bei Keramik, Filmen, Kameras. Dort haben die West-
deutschen und andere EFTA- und EG-Staaten Zollfreiheit, dadurch werden
die DDR-Exporte diskriminiert. Da dies aber nicht nur für die DDR,
sondern für alle nicht in Freihandelsverträgen eingebundenen Staaten gilt,
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wird es sehr schwer sein eine Lösung zu finden. Ich versuchte vor allem
dann abends bei dem Gespräch, bei dem auch Kreisky nach dem Essen teilge-
nommen hat, es auf einige Produkte zu beschränken. Kreisky entschied
dann, für 3 Produkte sollten wir versuchen, der DDR eine entsprechende
Lösung anzubieten. Beil war damit einverstanden.
ANMERKUNG FÜR MEISL: Bitte sofort mit Finanzministerium prüfen, wie wir
dieses Problem vielleicht ähnlich wie mit den Japanern lösen können.
Bei der offiziellen Sitzung zwischen Kreisky und Honecker, an der nur die
Minister Pahr und ich und die Botschafter und auf der DDR-Seite eben-
falls nur die Spitzen teilnahmen, bedankte sich Kreisky insbesondere auch
für die Lösung der humanitären Fälle. Dort geht es nicht nur um den
Einzelfall, sondern es werden dadurch auch Ressentiments ausgeräumt, da
die kleinen Leute sehen, daß man nicht nur große Wirtschaftsgeschäfte
macht, sondern auch ihre Einzelfälle berücksichtigt. Die Wirtschaftsbe-
ziehungen sind das Wichtige, und die laufen gut. Die Kulturbeziehungen
steigen ständig und die DDR hat eine große Leistung, insbesondere was
die Bewahrung von Bert Brecht und die Aufführung betrifft, geleistet.
Kreisky ersuchte auch, ob es nicht eine Erleichterung im Reiseverkehr
von der DDR nach Österreich geben könnte, meinte aber, dies müßte
Honecker beurteilen. Politisch sei man an der Entspannungspolitik in
Österreich sehr interessiert auch über das deutsch-deutsche Verhältnis.
Bei dieser Gelegenheit berichtete dann Kreisky über den Brandt-Vorschlag
bezüglich einer "global round" Entwicklungshilfe. Die Sozialistische
Internationale hat jetzt vorgeschlagen, es soll ein beschränkter Teil-
nehmerkreis von 25, aber unter Hinzuziehung von Amerika und der Sowjet-
union versuchen, dieses Entwicklungsprogramm unter Führung von Mexiko
und Österreich durchzusetzen. Dies hätten die Außenminister, die jetzt
in Österreich getagt haben, gutgeheißen. Kreisky hofft, auf diese Art
und Weise seine seinerzeitige Idee eines Art Marshallplanes wieder ins
Verhandlungsspiel bringen zu können. Er gibt allerdings zu, es ist frag-
lich, ob die neue amerikanische Administration, insbesondere Präsident
Reagan daran teilnehmen wird. Dasselbe gilt übrigens auch für die
Sowjetunion.
Honecker erwiderte, daß die militärische Entspannung das Wichtigste
sei, der Brüsseler Beschluß über die Mittelstreckenraketen, aber und ins-
besondere die neue amerikanische Atomwaffenstrategie dem entgegenstehe,
da jetzt die neue Administration und insbesondere Präsident Reagan noch
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nicht klar zu erkennen gegeben hat, wie es hier weitergehen wird, man
aber in der DDR eine weitere negative Entwicklung befürchtet. Die Frage
ist, ob Reagan berechenbarer wird. Dieser Begriff "berechenbar" hat jetzt
scheinbar im Sprachgebrauch des COMECONs, insbesondere in den internen
Besprechungen und in den Spitzen, eine besondere Bedeutung. Zweckmäßig
wäre nach Honecker, wenn die Europäer eine eigene Konferenz abhalten
würden. Erschüttert ist die DDR aus den bisherigen westdeutschen Wahlan-
griff. Dort hat man auf 16 Mio. Geiseln, Deutsche, die eben in der DDR
wohnen, gesprochen. Weiters verlangte man, daß die BRD für alles spricht,
auch für die DDR. In der NATO hat man nach langer Zeit wieder einmal
von einer Wiedervereinigungsklausel in einem Vertrag gesprochen, dies
ist ein schwerer Rückfall in der Entspannungspolitik. Honecker stellte
fest, daß es jetzt zwei deutsche Staaten gibt und das daher niemand
für die 17 Mio. reden kann außer die DDR-Regierung. Über die Koalition
SPD-FDP ist die DDR befriedigt, trotz der im Wahlkampf immer wieder
aufkommenden Vorwürfe, die DDR hätte noch größere Schwierigkeiten, wenn
Strauß Bundeskanzler wäre. Dieser ist für sie vollkommen unberechenbar.
Bezüglich der Touristik meinte Honecker, es könnte das touristische
Abkommen von 78 verbessert werden. Insbesondere wäre es möglich einen
Jugendaustausch vorzusehen.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Ich brauch dieses Abkommen sofort.
Am befriedigendsten, hat Honecker herausgestrichen, sind die Wirtschafts-
beziehungen zwischen der DDR und Österreich. In den letzten 10 Jahren ha-
ben sie sich ja so entwickelt, daß nicht nur die bilateralen Beziehungen,
sondern auch die Verhandlungen und Ergebnisse auf Drittmärkten für die
DDR befriedigend sind. Die DDR hat gute Beziehungen und er war teils
schon in diesen Ländern mit Angola, Sambia, Mosambik, Südjemen, Libyen
und Algerien. Auf dem afrikanischen Raum könnten also noch zwischen öster-
reichischen Firmen und DDR-Firmen mehr Kooperationen und Lieferungen
durchgesetzt werden. Honecker bestätigte dann erstmalig und mehr oder
minder in einem größeren Kreis, daß die VÖEST-Alpine das Stahlwerk für
2,3 Mrd. DM bekommen wird. Darüber unterstrich er aber ganz besonders,
daß auch mittlere und kleine Betriebe an den DDR-Exporten derzeit be-
teiligt sind und dies auch so bleiben soll.
Außer diesen fast ganztägig in Anspruch nehmenden Verhandlungen und
Vorbereitungen mit der DDR gab es im Pressefrühstück keine besonderen
Diskussionen. Meisl berichtet über den Besuch des chinesischen Außen-
handelsministers und über den Vertrag, den wir unterschrieben haben, Dr.
Dorfner von Made in Austria über das A, Dr. Meier über das Qualitätszei-
chen A. Interessant für mich war nur, daß es schon 700 Firmen gibt, die
5000 Produkte jetzt mit diesem Qualitätszeichen versehen. Die Außen-
handelsförderungsbeiträge werden von der HK dazu benützt, um Zuschüsse
für Prüfungen und für Gemeinschaftswerbung zu geben. Auch hier gab es
keine Diskussion und ich habe mich bei den beiden für ihre Tätigkeit
herzlichst bedankt. Dr. Winger vom Markenartikelverband und gleichzeitig
Imperial-Besitzer, dessen Vater 1925 den Markenartikelverband mitgegrün-
det hat und deren erster Präsident war, teilte mit, daß die 167 Mitglie-
der eine so zurückhaltende Preispolitik machen, daß sie von 66–79
ihre Preise um 44 % nur erhöht haben, während der Verbraucherpreisindex
um 96 % gestiegen ist. Gesetze wie das Unlautere Wettbewerbsgesetz
oder das Zugabegesetz gingen schon in der ersten Republik auf ihre
Initiative zurück. Mit dem Handel wurde jetzt ein Wohlverhaltenskatalog
ausgearbeitet. Auch hier gab es keinerlei Diskussion.
Das einzige Interesse aller Journalisten richtete sich dann bei der
allgemeinen Frage über die weitere Benzinpreisentwicklung. Hier konnte
ich wieder nur meinen Stehsatz sagen, ich werde verhandeln und versuchen
ein Kompromiß zu erreichen. Dies wird diesmal sehr schwer sein, weil
neben den Forderungen der Mineralölindustrie und des Tankstellenhandels
auch noch die steuerliche Neuregelung, die mit 1. Jänner 81 beginnt,
sicherlich gleichzeitig eingebaut wird. Ich kann mir eine zweimalige
Erhöhung, sozusagen im Dezember ohne die Steuer und dann im Jänner die
Steuer extra draufgeschlagen, nicht vorstellen.
ANMERKUNG FÜR JAGODA UND SATZINGER: Bitte die Taktik mit mir noch einmal
abbesprechen.
Die Frau des Handelsdelegierten in Ägypten, Kernthaler, hat ich mich in
Kairo schon überzeugen konnte, ganz nette Bilder von der Wüste gemalt.
Jetzt hat sie sie in einer Galerie am Graben ausgestellt. Ich habe selbst-
verständlich ihr bei der Eröffnung einen Anstandsbesuch abgestattet. Was
mich nicht überraschte, ich traf dort auch, obwohl es außerhalb der
Dienstzeit war, Beamte des Ministeriums. MR Hönel allerdings meinte, um
sich wahrscheinlich bei ihr einzuschmeicheln und mich in Verlegenheit zu
bringen, das Ministerium könnte ja etliche dieser Bilder aufkaufen.
Ich habe ihm kaltschnäuzig geantwortet, da soll er sich doch ruhig an
die Beschaffungsstelle im Ministerium wenden. Ich bin sehr gespannt, ob
er es tut. Die Reaktion von dort ist mir vollkommen klar, dafür ist
sicherlich kein Geld vorhanden.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Beobachte, wie dies weitergeht.
Tagesprogramm, 10.11.1980
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)