Donnerstag, 11. Dezember 1980
Die Angelobung der Wirtschaftstreuhänder und Steuerberater fand
diesmal wieder im Marmorsaal des Handelsministeriums statt. Bei
dieser Gelegenheit hat mir der Präsident der Wirtschaftstreuhänder-
kammer Burkert mitgeteilt, daß er mit der AK wegen ihrer Tarifer-
höhungen Verhandlungen geführt hat. Die AK wollte als Maximalsatzerhö-
hung 7,5 % zugestehen. Burkert besteht auf 10 %. Ich erklärte ihm
sofort, dies wäre optisch nicht tragbar, es müsse bei einer ein-
stimmigen Erhöhung bleiben. Damit war Burkert nicht einverstanden.
Da ich ja die Tarife nicht zu verhandeln habe, sondern nur den Vor-
schlag der Wirtschaftstreuhänderkammer zu bestätigen habe oder ge-
gebenenfalls ablehne, einigten wir uns dahingehend, die Wirtschafts-
treuhänderkammer wird jetzt die einzelnen Tagessätze und sonstigen
Entgelte durchrechnen, unter den 10 % bleiben und wir werden dann ge-
gebenenfalls die Bestätigung aussprechen. Da die Wirtschaftstreuhän-
der vor der letzten Wahl eine entsprechende Erhöhung nicht beantrag-
ten, war die letzte Tarifkorrektur über 2 Jahre zurückliegend. Wich-
tig erscheint mir nur, daß vorher zumindest im Prinzip die Lohner-
höhung und Gehaltserhöhung der bei den Wirtschaftstreuhänder Beschäf-
tigten abgeschlossen sein muß.
ANMERKUNG FÜR SEKTIONSCHEF JAGODA: Bitte die Details jetzt mit
Burkert und den Kammern besprechen.
Bezüglich der Wirtschaftstreuhänderberufsordnung informierte ich
Burkert, daß die Partei im gestrigen Handelsausschuß bei der
Konstituierung des Unterausschusses im Prinzip festgehalten hat, daß
die Wirtschaftstreuhänder selbst entsprechende Vorschläge, die mit
den einzelnen Fraktionen übereinstimmen müssen, zu erstellen haben.
Burkert sieht dies ein, meint, er wird mit dem sozialistischen Wirt-
schaftstreuhänder Bechinie entsprechende Gespräche führen. Erschüttert
war Burkert, und das kann ich verstehen, daß er als Experte der Frei-
heitlichen nominiert wurde, Vizepräsident Böck von der ÖVP und
Bechinie von den Sozialisten. Ich habe diese Entscheidung von Vize-
präsident Mühlbacher im Klub der SPÖ auch nicht verstanden. Warum
er denn Burkert sozusagen den Freiheitlichen zuteilt, ist mir ein
Rätsel. Ich selbst versuchte Burkert zu erklären, daß es sich hier
um eine Parlamentsgeschäftsordnungsfrage handelt. Jeder Klub nomi-
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niert eben einen Sachverständigen.
Die Prüfung der Wirtschaftstreuhänder und Steuerberater war diesmal
besonders streng. Trotzdem waren es fast zwei Dutzend Berufsanwärter,
die jetzt ihre Prüfungen erfolgreich bestanden haben und neue Kammer-
mitglieder wurden. In meiner Ansprache erklärte , ich hoffe auf eine
gute Zusammenarbeit und falls sie Zeit erübrigen und in der Kammer-
organisation mitwirken, werden sie sicherlich dann mit mir früher
oder später mehr Kontakt haben.
In der Fraktion zum Zollausschuß erörterte ich den Genossen die
wichtige Frage der rückwirkenden Antidumpingregelung. Ich war fest
davon überzeugt, daß mit dem Briefwechsel zwischen der Handelskammer
und mir die ÖVP dieser Regelung zustimmen wird. Im Prinzip werde
ich ermächtigt, aufgrund des Antidumpingkodex, den das GATT ausgear-
beitet hat, daß ich gegebenenfalls eine rückwirkende Abgabe festle-
gen kann. Daß der Handel dagegen ist, war mir von allen Anfang an
klar, daß die Industrie dies aber verlangt, sich allein aber gegen-
über den Handel in der Handelskammer niemals durchgesetzt hätte,
ebenso. Im Ausschuß selbst hat dann nur die FPÖ entsprechende Fragen
gestellt. Die ÖVP erklärte, sie stimme dieser Regelung zu, wollte
aber keinerlei Diskussion darüber abführen. Wie erwartet, wurde die-
ser Punkt, so wie auch alle anderen, einstimmig genehmigt. Die vom
Finanzminister eingebrachten Gesetze wurden von Frau Staatssekretär
Albrecht vertreten. Sie hatte zwar dazu keinerlei Auftrag, sich aber
sofort freiwillig in die Schlacht gestürzt. Es handelt sich um Ent-
wicklungsländerprobleme. Da vom Finanzministerium weder Androsch
noch Karl anwesend waren.
In der Fraktion des Integrationsausschusses diskutierten wir über
das Problem der Möglichkeit, daß die ÖVP den Griechenland nicht zu-
stimmt. Ich bestand darauf, daß unbedingt eine volle Präsenz gewähr-
leistet sein muß. Da es sich hier um eine Verfassungsbestimmung han-
delt und die ÖVP gegebenenfalls mit entsprechenden Wünschen der Land-
wirtschaft kommen würde, mußten wir mit der Mehrheit diese Gesetze
beschließen. Im Ausschuß selbst genügt ja noch die einfache Mehrheit,
die durch das Mitstimmen des FPÖ-Vertreters dann auch gegeben war.
Selbstverständlich war es dann notwendig, zufällig anwesende Abge-
ordnete im Haus als Ersatz in den Integrationsausschuß zu delegieren.
Da zur gleichen Zeit der Parteivorstand stattfand, wollten die Abge-
ordneten, die auch Parteivorstandmitglieder waren, womöglich eine
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recht kurze Sitzung. Damit wäre auch ich einverstanden gewesen.
Leider hat es dann wesentlich länger gedauert. Die ÖVP hat durch
ihre Abgeordnete Hubinek erklärt, sie könne jetzt dieser Regelung
nicht zustimmen, da eine entsprechende Forderung der Landwirtschaft,
nämlich Abgeltung für die Verluste, die sie angeblich durch diesen
Vertrag in Griechenland erleiden wird, abgegolten haben will. Der
Bauernsprecher Riegler verlangte dann entsprechende Parteienver-
handlungen. Ich selbst erklärte, da hätte die ÖVP doch frühzeitiger
solche verlangen sollen, war aber bereit, den Bundeskanzler darüber
zu informieren. Die Behauptungen, daß wir in Jahre 1972 eine ent-
sprechende Zusage den Bauern gegeben haben, durch etwaige Verluste,
die der Landwirtschaft entstehen, sie auch in aller Zukunft abzudecken,
bestritt ich mit aller Entschiedenheit. Damals wurden die genauen
Punkte festgelegt, die durch Zustimmung der ÖVP zum Europäischen Ge-
meinschaftsvertrag von der Regierung erfüllt werden sollten, und
diese wurden, so behauptete ich ganz einfach und frech, bis zum
letzten Beistrich erfüllt. Selbst die damalige Formulierung, man wird
prüfen, ob es zu einer Erstattungsregelung kommt, ähnlich der der EG,
sei indirekt erfüllt. Die Überprüfung hätte stattgefunden. In der
Zwischenzeit seien die Marktordnungsgesetze einige Male neu beschlos-
sen worden. Wenn darin keine Erstattung aufgenommen wurde, und die
ÖVP diesen Gesetzen zugestimmt hat, dann ist auch dieser Punkt, näm-
lich Prüfung einer anderen Regelung, erfüllt.
Zur Parteivorstandssitzung kamen dann alle, die an der Ausschußsitzung
teilnehmen mußten, zu spät. Kreisky hatte dort, wie ich dann von den
Verschiedensten hörte, kurz und bündig über Androsch nur referiert,
daß er Mitte Jänner in die CA gehen wird und dann alle seine politi-
schen Funktion zurücklegt. Der größte Teil des Referates betraf die
außenpolitische Situation, wie könnte es auch anders sein. Neu für
mich war nur, daß Kreisky angeblich angedeutet hat, eine Teilung
Polens sozusagen zwischen der DDR und Rußland sei nicht auszuschließen.
Ich informierte Kreisky über die Ergebnisse der Verhandlungen im
Integrationsausschuß. Er meinte, er möchte am liebsten den ÖVP'lern
zu Fleiß machen und für Sonntag die Parteienbesprechungen einberufen.
Dagegen hätte ich gar nichts einzuwenden gehabt, erklärte ihm aber
sofort, daß ich in Vorarlberg mit Journalisten bin. Wir einigten uns
dann für Montag, 15.00 Uhr. Da die Sitzung um 13.00 Uhr beginnt und
zuerst die Sozialgesetze diskutiert werden, ist mit Sicherheit zu
rechnen, daß zu diesem Zeitpunkt noch recht lange Zeit für Partei-
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verhandlungen bleibt, bis dann die Integrationsgesetze auf der Tages-
ordnung stehen.
Klubobmann Fischer, den ich dann auch noch informierte, war über die
Erpressertaktik der ÖVP richtiggehend empört. Er meinte allen Ernstes,
man solle ganz einfach die ÖVP in die Verlegenheit bringen, die EG-
Griechenland-Verträge abzulehnen. Dies würde sicherlich ein schwerer
Schlag für die Industrie und das Gewerbe und insbesondere die Handels-
kammer sein. Seit 1972 malträtiert mich die Handelskammer, ich sollte
endlich etwas gegen Diskriminierung der österr. Exporte gegenüber
der EG, die jetzt schon besteht, unternehmen. Wenn dann durch die Ab-
lehnung des für Industrie und Gewerbe günstigen Vertrages durch die
ÖVP die Wirtschaft geschädigt wäre, sollte sie sich an die ÖVP wen-
den. Vielleicht kommt es sowieso zu einer solchen Lösung, wenn die
Bauern unverschämte Forderungen stellen, Kreisky ist nämlich derzeit
nicht bereit, entsprechende Zugeständnisse zu machen. Daß wahrschein-
lich im Zuge der Verhandlungen nachgehen wird, bin ich fest davon
überzeugt. Ich informierte auch über die Situation den Landwirtschafts-
minister Haiden.
Frühbauer erklärte mir als Vorsitzender des Aufsichtsrates der ÖDK,
es müsse endlich das Ediktalverfahren in der steirischen Bauordnung
geändert werden. Die Meinung von Prof. Winkler, daß es auch ohne eine
solche Änderung geht und das Verfahren so abgewickelt werden kann,
daß keinerlei Beschwerden von Anrainern dann eine Chance beim Ver-
waltungsgerichtshof haben, will Frühbauer nicht akzeptieren. Der Bür-
germeister von Voitsberg ist übrigens auch nicht bereit aus Prestige-
gründen, weil er auf dem Standpunkt steht, sein Verfahren ist richtig
abgewickelt, einen neuen Baubescheid zu erlassen.
ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Wo bleibt der Brief an LH Niederl?
Frühbauer ist der Meinung, daß die Direktoren der Sondergesellschaft
nur 6,1 % Gehaltserhöhung zugestanden bekommen sollen. Prokuristen,
die nächste Stufe, erhalten allerdings 6,1 % + 1,7 % zur freien Ver-
gabe, d.h. also eigentlich die ganze vereinbarte Kollektivvertragslohn-
erhöhung der Metallarbeiter und Privatangestellten, nur um 0,1 % re-
duziert. Bei den Landesgesellschaften sollen sogar 6,3 + 1,8 gewährt
werden.
ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Wie verhält es sich hier dann tatsächlich?
Mit Landwirtschaftsminister Haiden und Frühbauer besprach ich dann
auch die neue Einführung des Landwirtschaftsministeriums, neben dem
Wasserrecht noch eine Verhandlung mit bescheidmäßiger Festsetzung
über das öffentliche Wassergut zu führen. Frühbauer und mir gelang
es, Haiden davon zu überzeugen, Kreisky war dabei anwesend, daß es
sinnlos ist, hier ein zusätzliches Verfahren abzuwickeln. Frühbauer
bemerkte zurecht, 25 Jahre werden jetzt in der zweiten Republik Kraft-
werke gebaut und niemals war es neben dem Wasserrecht noch not-
wendig, ein 2. Verfahren abzuwickeln. Die große Gefahr besteht nämlich
darin, daß dieses Verfahren ja nicht von der Wasserrechtsbehörde im
Landwirtschaftsministerium, sondern zwar im Auftrag des Landwirt-
schaftsministers, aber doch von den Landeshauptleuten abgewickelt wer-
den. Ich habe Haiden darauf aufmerksam gemacht, welche Gefahr dann
besteht, wenn wir in Osttirol tatsächlich bauen wollen. Der Hinweis
von Haiden, er könnte dem Landeshauptmann ja dann eine Weisung geben,
ist für mich vollkommen unbefriedigt. Haiden hat dies auch hoffentlich
eingesehen.
ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Bitte nächstes Jour-Fixe Fremuth setzen.
In der Fraktionssitzung der Lebensmittelarbeiter gab es wegen des
Ausscheidens von Androsch eine lange Diskussion. Die Genossen können
nicht verstehen, daß die Partei sich nicht in jeder Beziehung
hinter Androsch gestellt hat. Noch ärger war dieses Problem dann am
Abend bei einer Zusammenkunft einiger Sektionen, um über die Situationen der SPÖ heute zu diskutieren. Dort hat ein Funktionär allen Ern-
stes den Vorschlag gemacht, daß wenn Androsch z.B. wegen irgendwel-
chen Vergehen dann bei Gericht angeklagt wird und sogar verurteilt
werden sollte, müßte sich die Partei hinter ihn stellen. Für mich
unwahrscheinlich, wie die Solidarität mancher Genossen mit führenden
Funktionären eine fast unverantwortliche Haltung auslöst. Nur weil
die ÖVP einen Minister von uns angreift, müßte manchen Genossen nach
dann die Partei unter allen Umständen hinter diesem Mann stehen. Ich
versuchte klarzumachen, daß Kreisky ja die politische Seite Androschs
stets vertreten und verteidigt hat. Kreisky hat, und dies ist wahr-
lich nicht seine Überzeugung, jetzt neuerdings erklärt, daß Androsch
der beste Finanzminister war, der jemals in der 2. Republik agiert
hat, und damit hinter Androsch sich bei seinen politischen Entschei-
dungen gestellt hat. Private Fragen aber, sei es Hauskauf, Kredit-
gewährung, Consultatio, sind nach Meinung Kreiskys Angelegenheiten, die
er selbst so wie auch jeder andere Politiker erledigen müsse. Die
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wirkliche Meinung Kreiskys über die Finanzpolitik Androschs, die er
aber größtenteils mitverursacht hat, ist die, daß wir total über-
schuldet sind, kaum mehr einen Spielraum für wirkliche aktive Finanz-
politik haben und der Nachfolger Androschs fast unlösbare Probleme
vorfinden wird. Dies hat Kreisky allerdings immer nur im kleinsten
Rahmen angedeutet.
In der Fraktion der Lebensmittelarbeiter wurde dann vom Gruppenobmann
der Getränkearbeiter, Simperl, neuerdings die Differenz zwischen den
einzelnen Brauereien, sprich Schwechat gegen die Brau-AG-Betriebsräte,
angeschnitten. Zum Glück hatten wir wenig Zeit, um dieses Problem
fraktionell zu diskutieren. Ich konnte daher im Hinblick auf die zu be-
ginnende Lebensmittelarbeitervorstandssitzung die Diskussion im
wahrsten Sinne des Wortes abwürgen. Ich hoffe noch immer, daß wir
einen gemeinsamen Termin zustandebringen, wo auch dann die Schwechater
und die Brau-AG-Betriebsräte kommen werden, um dieses Problem dort zu
bereinigen.
ANMERKUNG FÜR MARTIN: Bitte entsprechenden Termin mit Blümel festlegen.
Mit den Skiindustriellen Fischer wurde beim Finanzminister vereinbart,
daß KR Fischer es sich überlegt, doch vielleicht bei Kneissl in Wörgl
einzusteigen. Voraussetzung dafür ist, daß natürlich zuerst der Kon-
kurs entsprechend abgewickelt wird. Kneissl selbst ist also zu Ende.
Fischer würde, dies ist sein Verlangen, bei einer Ausfallsgarantie
für die nächsten drei Jahre, eine Kneissl-Markenproduktion dort auf-
ziehen. Vor etlichen Jahren hat Fischer ähnlichen bei Kästle in Vor-
arlberg gemacht. Da es ja kaum möglich ist, für drei Jahre ein Aus-
fallshaftung zu übernehmen, niemand wüßte ja, wie hoch die Verluste
dort sind, einigen wir uns dann darauf, daß durch drei Jahre jeweils
45 Mio. S Fischer zugeschossen werden. Davon soll der Bund 15 Mio.,
Land 15 Mio. und die Creditanstalt 15 Mio. tragen. Kreisky, den An-
drosch sofort immer über die direkte Leitung über alle Details während
der Verhandlung informierte, war mit dieser Lösung einverstanden, die
Frage ist, was die CA und ganz besonders der Landeshauptmann Wallnöfer
macht.
Das Ärzteforum der Landstraße, von unserem Genossen Dr. Scholz im
Hilton organisiert, war ein voller Erfolg. Ich konnte zwar durch die
Diskussion mit unseren drei Sektionen am Kardinal-Nagl-Platz erst
sehr spät erscheinen, trotzdem hatte ich dann Gelegenheit etliche
Stunden mit den Landstraßer Ärzten zu verbringen. Scholz, ein guter
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Fachmann, gleichzeitig auch politisch sehr ambitioniert, hat jetzt
innerhalb der sozialistischen Ärzteschaft einen Rückschlag erlitten.
Ihn hat man bei der Ärzteliste für die Ärztekammer schlecht gereiht.
Ich hatte ihn durch stundenlanges Zureden wieder aufgerichtet.
ANMERKUNG FÜR MARTIN: Bitte nächste Parlamentssitzung wegen NR Stey-
rer erinnern.
Tagesprogramm, 11.12.1980
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)