Mittwoch, der 26. August 1981

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Mittwoch, 26. August 1981

Dieses Tagesprogramm hätte ich in einem Halbtag abwickeln können und
auch sollen. Die Besichtigung vom Edelstahlwerk in Ternitz war sehr
interessant, aber zu langwierig. Die Reorganisation der Edelstahl-
werke geht ungeheuer schleppend vor sich. Die einzelnen Werke wollen
ihren Stillegungen an einzelnen Produktionen und schon gar nicht die
Abgabe von Produktionen an andere Werke, nach dem "Booz-Allen-Plan" und
vor allem den Grundsatzbeschlüssen, wenn überhaupt, nur zögernd folgen.
Ternitz selbst hatte nach dem Zweiten Weltkrieg das Glück, daß der
damalige Minister für die Verstaatlichte Industrie, Waldbrunner, ein
Schoellianer war, und die ganze Kriegszeit in Ternitz gearbeitet. Daher
hatte er natürlich für Ternitz sehr viel über.

Der Vorstandsdirektor Neubert und insbesondere dann der Betriebsrats-
obmann Hundsmüller, aber auch der Bürgermeister Samwald, erörterten
mir die Situation. Das Hauptproblem besteht darin, daß in der Hütte
900 Arbeiter beschäftigt sind, davon 150 einen neuen Arbeitsplatz
brauchen, in der Rohrproduktion 850, dort sollen 50 Arbeiter hinkommen,
in der Fertigung 650. Hier wäre das Ziel des Betriebsratsobmannes, neue
Produktionen hinzubringen. Ternitz hat sich auf die Komponentenerzeugung
von Kernkraftwerken spezialisiert, entsprechende Hallen und sonstige
Einrichtungen gebaut, und jetzt gibt es dort fast keine Aufträge. Durch
das Schicht- u. Schwerstarbeitergesetz müssen keine Arbeiter gekündigt
werden, allerdings wurden schon im Laufe der letzten Jahre 500 Arbeiter
umgeschichtet. Das wirkliche Problem liegt aber bei den Angestellten.
Wenn man die Ressentiments jedes Werkes gegenüber der Zentrale unbe-
rücksichtigt läßt, glaube ich, bleibt trotzdem die Belastung durch
die Overheads, d.h. die Zentralsverwaltungskosten, eine so große, daß
eben dies auch ein Großteil der entstandenen Verluste bei den Ver-
einigten Edelstahlwerken sind. Richtig ist, daß, wenn der Einkauf, der
Verkauf und viele andere Verwaltungsabteilungen unmittelbar beim Werk
sind, dadurch ein engerer Kontakt, als wenn die Zentrale in Wien die
entsprechenden Abteilungen kumuliert. Dazu kommt, daß man mir er-
zählte, als Schoeller, Böhler, Styria zusammengelegt wurden, keines-
falls die einzelnen Abteilungen, wie z.B. Einkauf als Zentraleinkauf,
dann die Angestellten reduzierten, sondern es dann eben dreimal so-
viele Angestellte im Einkauf gegeben hat, die natürlich kaum gebraucht
wurden.

Für mich entscheidend war nur die Information über die Rohrproduktion.



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Beim Staatsbesuch des Ministerpräs. Tichonow hat dieser bei mir
angefragt, ob wir nicht doch in Österreich spezifische säurefeste
Rohre erzeugen könnten, die die Sowjets dringendst für ihre neu zu
erschließenden Ölvorräte und Gasvorräte, die sehr aggressiv sind,
bräuchten. Ich habe dies sofort dem Gen.Dir. Bayer, der VEW mitgeteilt.
Jetzt mußte ich feststellen, daß bis zu dem Rohrwerk dieses Problem
nicht vorgedrungen ist. Weder die Techniker noch die Kommerzialisten
hatten irgend etwas davon gehört. Zuerst glaubte man, daß es sich um
die Kindberg-Produktion handelt. Dort hat die Vöest-Alpine große Rohr-
verträge über Casing und Duping, also Eisenrohre für die Ölfelder, abge-
schlossen und sollte sie auch schon Ende nächsten Jahres ausliefern.
Um dieses Geschäft handelt sich aber nicht. Darüber hinaus hat das
Außenamt angefragt, ob Wasserleitungsröhre für Moskau von Ternitz ge-
liefert werden könnten. Dieses Geschäft ist im Sand verlaufen. Ternitz
könnte von 8 mm bis 250 mm säurefeste Rohre natürlich produzieren und
wäre an so einem Auftrag brennendst interessiert. Die Frage ist nur, ob
es preismäßig zu einem Akkord kommen kann.

Bei dem Abschluß meines Aufenthaltes erfuhr ich nämlich dann durch
reinen Zufall, daß ein 380-to-Rohrauftrag, 18 Teile Chrom, 8 Teile
Nickel, 2 Teile Molybdän, und die Tital, also ein richtiges Edelstahl-
rohr, von der Fa. Pisec mit den Russen verhandelt wurde. Die Sowjets
hatten den Preis so gedrückt, daß die Herstellkosten minus 16 % dann
angeboten wurden. Da dann auch noch die Fa. Pisec 3 % Provision wollte
und das sowj. Preisangebot so ungünstig war, hat die Wiener Zentrale
dann das Anbot zurückgezogen. Pisec ist darüber angeblich verärgert,
niemand in Ternitz versteht, daß er überhaupt eingeschaltet werden muß,
respek. sich einschaltet. Ich selbst versprach, das ganze Problem zu
prüfen, ersuchte aber die VEW-ler, mir spätestens bis zur Gemischten
sowj.-österr. Kommission im September Unterlagen zur Verfügung zu
stellen.

ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte vorsichtig bei Vöest-Alpine als Konkurrenten
fragen, wieso diese Pisec ausschalten konnten.

Die Laprex-Bausteine in Ternitz von der Kärntner Baufirma Rogner würden
mit 50 Beschäftigten beginnen, um sukzessive auf 300 Arbeitsplätze an-
zuwachsen. Noch immer ist allerdings die Zustimmung der NÖ Landesre-
gierung zu dem 20-Mio.-S-Zuschuß, 100.000 S pro Arbeitsplatzaktion, offen.



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ANMERKUNG FÜR SC MARSCH: Wie steht diese Sache?

Dr. Hübner, Pächter des Kursalons im Stadtpark, aber insbesondere auch
Hotelier des größten österr. Hotels, 750 Betten im Parkhotel, hat sich in
Kranichberg eine alte Burg von der Erzdiözese Wien um 1,5 Mio. S ge-
kauft. Jetzt hat er bereits 15 Mio. S investiert und dort wirklich alles
von Grund auf renoviert. Diese Burg dient jetzt mit den Repräsentations-
räumen und einem neu eingerichteten Restaurant als Tagungsschloß. Er
beabsichtigt daher, jetzt ein großes Hotel, bis 80 Betten, dazuzubauen.
Vom Handelsministerium erwartet er sich einen Zinsenzuschuß. Angeb-
lich hat Dr. Ortmann diesbezügliche Zusagen schon gemacht.

ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Ortmann soll Dir berichten.

Da ich Hübner einmal nur so nebenbei zusagte, ich werde Kranichberg
besichtigen, und dann tatsächlich gekommen bin, hat er bei mir inter-
veniert, ob nicht auch doch Fr. Dr. Firnberg, die ihm schon 300.000 S
Subvention gegeben hat, endlich auch ihren zugesagten Besuch abstattet.

ANMERKUNG FÜR SCHWOIGER: Bitte nächsten Ministerrat erinnern.

Hübner besitzt auch die Burg Greifenstein. Dort könnte er oberhalb
eines Steinbruches einen Hotelgrund vom Strombauamt dringend brauchen.
Bis jetzt hat das Strombauamt respek. Bautenministerium einen solchen
Verkauf abgelehnt.

ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Klär über das Sekanina-Büro, was daran wahr ist.

Hübner hätte großes Interesse, wenn die Casino AG even. in Kranichberg
ein Spielcasino errichten würde. Dies halte ich eigentlich schon allein
aus der Verkehrslage unmöglich, ich versprach aber, daß ich Gen.Dir.
Wallner ersuchen werde, sich mit Hübner ins Einvernehmen zu setzen.

ANMERKUNG FÜR SCHWOIGER: Bitte mit Gen.Dir. Wallner verbinden.

Hübner selbst ist noch immer daran interessiert, den verwüsteten
Cobenzl zu kaufen. Er würde dort sofort ein 80-100-Betten-Hotel
errichten. Die Pläne hat er schon der Gemeinde Wien zur Verfügung
gestellt respek. bei den zuständigen Abteilungen eingereicht. An
Plankosten sind ihm schon 50.000 S erwachsen. Bei dieser Besichtigung
war auch, neben dem Ternitzer Bürgermeister und den Betriebsräten,


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der Kurdirektor von Oberlaa, ein guter Freund Hübners, anwesend.
Dir. Auer kannte, so wie die Ternitzer, Kranichberg vorher und war
noch mehr begeistert von der Renovierung als ich, der ja nur aus
Bildern die ehemaligen verfallenen Gebäude kannte.

Mit Dir. Auer besprach ich dann die tatsächliche Schwierigkeit im
Cobenzl und Bellevue. Auer meint, in der Gemeindeverwaltung traut
sich jetzt niemand mehr entscheiden, was dort geschehen soll. Die
Gebäude verfallen immer mehr, da der Wienerwald vor Jahrzehnten durch
Baugenehmigungen dort zerstört wurde, verlangen die Grünen, daß man eben
wieder alles schleift und diese teuren Projekte verfallen läßt respek.
beseitigt. Ersteres geschieht, zu zweiterem kann man sich bei der Ge-
meinde auch wieder nicht entschließen, weil doch schon allein aus
Infrastrukturmaßnahmen dort große Investitionen getätigt wurden.
Hübner meinte mir gegenüber, ich könnte doch als Fremdenverkehrsmini-
ster mich für sinnvolle Verwendung einschalten. Dies habe ich ihm nicht
zugesagt, sondern höchstens in Aussicht genommen, mit Gemeindeleuten
gelegentlich darüber zu sprechen.

ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte vorsichtig vorfühlen lassen, was die Frem-
denverkehrsabteilung, Dr. Krebs, und die dafür zuständigen Abteilungen
zum Projekt Bellevue und Hübner sagen.

Lorenz Köck hat in dem Industriegelände in Ternitz ein 21.000 m² um-
fassendes Kaufhaus eröffnet, 30 Mio. S investiert, einen Umsatz von
230 Mio., für diese Familie eine gigantische Aufgabe, auch gigantische
Belastung. Seine beiden Söhne, aber auch die Schwiegertöchter sowie
Frau und Mutter, arbeiten fleißig mit. Solange sie alle zusammenarbeiten,
können sie vielleicht diese ungeheure Investition verkraften. Tüchtig
müssen sie sein, denn nach dem Krieg haben sie in der Oststeiermark
in einer 1.000 m hoch gelegenen 300-Einwohner-Gemeinde, Oppenberg,
mit einer kleinen Greißlerei begonnen. Jetzt meinte Köck, er sei noch
immer ein kleiner Greißler, der glücklich ist, daß der Handelsminister
zur Eröffnung gekommen ist. Er hielt zuerst eine sehr lange Rede, dann
hat sein Sohn noch über die Eltern sehr lange gesprochen, dann hat der
Bürgermeister sehr lange über die Probleme des Ternitzer Raumes ge-
sprochen, dann habe ich halt so schnell als möglich humorvoll versucht,
meinen Part dazu beizutragen. Da die Nichte vom Weihbischof Kuntner
einen Sohn Köcks heiratete, ist sozusagen auch von kirchlicher Seite
der Höchste gekommen. Für die Familie sicherlich ein großes Fest, für


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Ternitz sicherlich ein Ereignis. Solange der Alte, wie die Beschäftigen
dort selbst sagen, lebt, nimmt man an, wird alles gut funktionieren.
Solange die Familie übrigens so zusammenhält, glaube ich, werden sie
über die Runden kommen.

Bischof Kuntner ist für die Missionstätigkeit in den Entwicklungs-
ländern für die Bischofskonferenz verantwortlich. Wir unterhielten
uns über die Aktivitäten. Neidlos stellte ich fest, daß die katholische
Kirche unvergleichlich mehr schafft als die staatlichen Stellen.
Kuntner konnte dies auch verhältnismäßig einfach erklären, wenn er
zu Visitation rausfährt, kann er immer wieder feststellen, wie die
katholische Kirchenorganisation, über seine Priester und Laien, die
ihm zur Verfügung stehen, die beste Gewähr sind, daß zweckmäßig diese
Entwicklungshilfegelder verwendet werden. Ich habe ihm dies zwar nicht
gesagt, bin aber selbst der Meinung, das Beste wäre, wenn man von
seiten des Staates die Gelder, die man dafür bereitstellt, wenn man
sie nicht kommerziell ebenfalls ein wenig nützen will, gleich der
katholischen Kirche für ihre Projekte übergebe.

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Tagesprogramm, 26.8.1981

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hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)




Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: Stadtgartendirektor Wien


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: Pächter des Kursalons im Stadtpark, Hotelier


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: Weihbischof


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: HK, Evidenzbüro für Außenhandel, Wr. ÖVP-Bundesrat


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: MR HM


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: Dir. VEW, Mitglied ÖAAB-Vorstand


              Einträge mit Erwähnung:
                GND ID: 114650888


                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: BRO VEW, Ternitz


                  Einträge mit Erwähnung:
                    Tätigkeit: Wr. Landesfremdenverkehrsdir.


                    Einträge mit Erwähnung:
                      Tätigkeit: sowj. Regierungschef ab 1980


                      Einträge mit Erwähnung:
                        Tätigkeit: Bürgermeister von Ternitz


                        Einträge mit Erwähnung:
                          Tätigkeit: Beamter HM


                          Einträge mit Erwähnung:
                            Tätigkeit: Beamter HM


                            Einträge mit Erwähnung:


                              Einträge mit Erwähnung:
                                Tätigkeit: GD Vereinigte Edelstahlwerke


                                Einträge mit Erwähnung:
                                  Tätigkeit: GD Casinos Austria


                                  Einträge mit Erwähnung:
                                    Tätigkeit: Sekr. HM? Falschschreibung?


                                    Einträge mit Erwähnung:
                                      Tätigkeit: eröffnet Kaufhaus im Industriegelände in Ternitz


                                      Einträge mit Erwähnung:
                                        Tätigkeit: Wissenschaftsministerin
                                        GND ID: 11869104X


                                        Einträge mit Erwähnung: