Sonntag, 13. - bis Mittwoch, 16. September 1981
Beim Hinflug nach Moskau zur 13. Tagung hat Gen.Sekr. Kehrer mir Schwei-
zer Zeitungsunterlagen gebracht, wo der österreichische Handelsdele-
gierte in der Schweiz, Koch, dann auch noch in einer zusätzlichen Akten-
notiz mitteilt, ich hätte die Joghurtpräferenz-Zugeständnisse von
Haiden als Kompensation für die größeren Weinimporte dargelegt. Koch
befürchtet, daß andere Staaten dann ebenfalls eine solche Kompensation
verlangen, vor allem die Schweiz weitere Kompensationswünsche anmelden
könnte. Obwohl unsere Weinexporte ausschließlich im Globalkontingent
der Schweiz erfolgen und nur auf die günstigen österreichischen Quali-
täten und Preise und auf ungünstige Ernte der Schweiz zurückzuführen sind.
Dies ist in meinen Augen ein Streit um den Kaisers Bart. Ganz uninteres-
sant, viel wichtiger erscheint mir, daß es gelingt, die escape clause zu
verbessern, ich informierte Gen.Sekr. Kehrer, daß SC Meisl dies jetzt,
mit der Handelskammer gemeinsam, bei der Beamtentagung in der Schweiz
versuchen wird.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Meisl soll uns, bevor er in die Schweiz fährt,
noch darüber im einzelnen informieren.
Kehrer teilte mir auch mit, daß die Zuckerindustrie, Vorsitzender Skene,
sich bei ihm beschwerte, daß die Lohnverhandlungen mit den Zuckerarbei-
tern diese jetzt eine Istlohnerhöhung von 7 1/2 % verlangen und die
anderen Nebenspaßetteln, wie sie sich ausdrücken, noch ein halbes Pro-
zent mehr kosten würden. Er ersuchte mich, ich sollte auf die Zucker-
arbeiter dämpfend einwirken. Da ich sowieso überzeugt bin, daß letzten
Endes nicht mit dieser Forderung abgeschlossen wird, erklärte ich auf
alle Fälle meine Bereitschaft, in der LUGA darüber zu sprechen.
ANMERKUNG FÜR MARTIN: Bitte mich zur Vorstandssitzung erinnern.
Vizepräs. Seidl der Handelskammer, welcher die ersten Tage Sallinger
bei der Gemischten Kommission vertritt, hat als Präs. der OÖ Ferngas
mich aufmerksam gemacht, daß sie durch die Erkenntnisse des Verwaltungs-
gerichtshofes in eine furchtbare finanzielle Situation kommen. Die
RAG hat durch ihren Preisvorbehalt für 1980 nach Aufhebung des Beschei-
des 32 Mio. S nachgefordert. Die OÖ Ferngas hat auch ihren Abnehmern
entsprechende Nachforderungsklauseln in der Rechnung vermerkt. Seidl
bezweifelt aber, daß die Kunden ohne einen langen Rechtsstreit, dessen
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Ausgang ganz unsicher ist, sicher nicht bezahlen werden. Insbesondere
wird es für das Jahr 1981 kritisch. Dort sind bis jetzt 310 Mio. S
Preisvorbehalte von der RAG gemacht worden und weitere 50 Mio. pro
Monat laufen an. Insgesamt würden 471 Mio. S im 81er-Jahr aufgrund der
Auslieferungsverträge entstehen. Davon würden dem wichtigsten die Chemie
Linz 200 Mio., Lenzing 45 Mio., Stadt Linz 60 Mio., Vöest 35 Mio., die
Steyrermühl 25 Mio. Nachforderungen betreffen. Wenn daher dieser Bescheid
ebenfalls vom Verwaltungsgerichtshof aufgehoben wird, würde es für die
OÖ Ferngas katastrophal enden. Seidl möchte deshalb unbedingt, daß ich
versuche, einen Kompromiß dahingehend zu erzielen, daß die RAG dann be-
reit ist, ihren Berufungsantrag beim Verwaltungsgerichtshof zurückzu-
ziehen. Dies wäre sofort möglich, wenn man der RAG denselben Preis
zugesteht, den auch die ÖMV in Niederösterreich hat. Ich erklärte Seidl
sofort, daß unsere Energiesektion nach Berechnungen festgestellt hat,
daß eben die Gestehungskosten der RAG nur halb so hoch sind als die
der ÖMV. Die Anträge aller dieser lauten über 2 S. Derzeit hat die RAG
1 S, was ungefähr ihren Gestehungskosten entspricht, die ÖMV einen der-
zeitig um ca. 50 % höheren Preisbescheid. Die neuen Anträge, die alle
über 2 S lauten, werden erst untersucht, werden aber sicherlich für bei-
de nicht in dieser Höhe erfüllt werden können. Die RAG geht also daher
bestimmt wieder zum Verwaltungsgerichtshof. Die OÖ Ferngas lagert jetzt
bis 10.9.81 400 Mio. m³ Gas und wird bis 15.10.81 auf 650 Mio. m³ Gas
das Lager aufstocken. Dafür hat, wie Seidl mir strengst vertraulich
mitteilt, die OÖ Ferngas bei der Schweizer Bank SKA 60 Mio. sfr., =
480 Mio. S, an der Oberbank 60 Mio., von der Länderbank 400 Mio., von der
Genossenschaftlichen Zentralbank 450 Mio. und von weiteren Kreditgebern
500 Mio., insgesamt also 1 Mrd. 890 Mio. S Kredit aufgenommen. Sie sind
zwar durch die Gaslager gedeckt, aber belasten natürlich die Kalkula-
tion der OÖ Ferngas sehr stark. 32 Mio. im Jahre 1980 aufgehobener
Preisbescheid kann verkraftet werden. 471 Mio. garantiert nicht. Ich
kündigte Seidl an, daß es ja Kräfte in OÖ gibt, die einen Konkurs der
OÖ Ferngas gar nicht so ungern sehen, weil sie dann die Chance haben,
diese private Ferngasgesellschaft doch auch indirekt der öffentlichen
Hand einzugliedern. Diese Politik wurde in Kärnten erfolgreich durchge-
führt, die KELAG hat heute auch die Gasversorgung. In Oberösterreich
würde die OKA oder eine andere öffentlich rechtliche Konstruktion so-
fort die Aktivitäten der Ferngas übernehmen. Präs. Seidl ist fest da-
von überzeugt, daß dies nur von AK-Vizepräs. Freyschlag gewünscht
wird.
ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Recherchiere, wer in Oberösterreich noch
dafür ist.
GD Fremuth ersuchte mich, ihm bei seiner schweren Auseinandersetzung
jetzt mit Teilen des Betriebsrates, auch mit dem Metallarbeitersekre-
tär Nürnberger und Privatangestelltensekretär Laichmann, in der Frage
der Reorganisation der Verbund zu unterstützen. Von 79 bis 81 wurden
bei der Verbund 100 Beschäftigte neu aufgenommen. Eine gewisse Frau
Dr. Osterkorn soll jetzt die Organisation der Verbund untersuchen und
letzten Endes die Reorganisation einleiten. Die Überbesetzung der Ver-
bund, insbesondere die ständig steigenden höheren Lohnkosten, müssen re-
organisiert werden. Ausgelöst wurde nach Meinung von Fremuth die
Diskussion, weil er einen Abteilungsleiter für alternative Energie, Dr.
Oszuszky, bestellte, der vom Betriebsrat vorgeschlagene war unbrauchbar.
Ebenso hatte das Büro des Bundeslastverteilers jetzt in eine statisti-
sche Abteilung verwandelt, weil die Organisationsform unbedingt reorga-
nisiert gehört.
ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Was weißt Du von diesen Problemen?
Bei der Ankunft in Moskau war ich sehr überrascht, am Flughafen Mini-
ster Patolitschew anzutreffen. Wir haben die Gemischte Kommission zwar
nach Moskau verlegt, damit er daran teilnehmen kann, hatten aber erwar-
tet, daß er vielleicht nicht einmal an den Sitzungen teilnehmen wird.
Patolitschew hat einen Schlaganfall gehabt und sich trotz seines Alters
verhältnismäßig gut erholt. Da ich sofort zugestimmt hatte, daß wir
nicht in Wien, sondern in Moskau tagen, war er einmal mehr von mir be-
sonders angetan. Eine so herzliche Begrüßung hatte ich nicht erwartet.
Die Tagung verlief auch ganz in diesem Geist.
Patolitschew erklärte mir, er wird nur ganz kurz am Anfang sprechen, in
Wirklichkeit hatte er dann von 10 Uhr vormittags bis 6 Uhr abends die
Sitzung geleitet, zu jedem Tagesordnungspunkt mehr oder minder zusammen-
fassend Stellung genommen, insbesondere aber seine Meinung geäußert.
Alle waren über diese physische Leistung begeistert. Die österreichische
Seite hat dies auch immer wieder zum Ausdruck gebracht, ebenso die
sowjetische. Wie weit es dort allerdings nur eine Ergebenheitsadresse
war, kann ich natürlich nicht feststellen. Niemand weiß über die inner-
sowjetischen Kräfte, resp. Bestrebungen, eigene Leute und eben ganz ge-
wisse Personen in gewisse Positionen zu bringen. Dies geschieht oder
kann ja nur immer dann geschehen, wenn es zu größeren Änderungen an
der Spitze käme. Aufgefallen ist mir z.B., daß das letzte Mal sein erster
Stellvertreter, Vizeminister Komarow, die Sitzung für Patolitschew gelei-
tet hat, sogar auch das Protokoll unterschrieben hat, diesmal aber
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überhaupt nicht in Erscheinung getreten ist. Ich habe selbstverständlich
nicht einmal danach gefragt was die Ursache ist, denn das gute Ansehen,
das ich in der SU genieße, ist, daß ich mich ausschließlich auf Wirt-
schaftsbeziehungen resp. Außenhandelsbeziehungen beschränke. Hier habe
ich durch meine Taktik, immer wieder für durchgeführte Unterstützung
zu bedanken, gleichzeitig aber dann natürlich zumindest entsprechende
Wünsche anzumelden. Das typischste Beispiel bei dieser Kommission war,
daß es uns gelungen ist, in den letzten Monaten der Schiffswerft Kor-
neuburg drei Passagierschiffe im Wert von 820 Mio. S zuzuschanzen. Die
Sowjets sind interessanterweise bereit, für die gute Qualität der Schiffe
einen wesentlich höheren Preis zu bezahlen, als die dies wahrscheinlich
an andere Werften zahlen müßten. Wie sehr die Werft Korneuburg von den
Sowjetaufträgen abhängt, zeigt die Vergangenheit, dort hat der ehemali-
ge GD Schwab einen schwedischen Auftrag übernommen und dabei ungeheuer
viel draufgezahlt. Die beiden Vorstandsdirektoren der Korneuburger
Werft sind daher nach Moskau zur Unterschrift des Vertrages gekommen,
beide versicherten mir, daß sie ständig eigentlich in Moskau sind, um
durch persönlichen Einsatz die notwendigen Aufträge zu ergattern.
Ich habe mich daher in der Vergangenheit sehr dafür eingesetzt, daß die
Gemischte Kommission auch durch Generaldirektoren, wenn ich so sagen kann,
ergänzt werden dürfen . Von sowjetischer Seite waren GD von Promsyrio
Import, Techmaschimport, Sudoimport, Metallurgimport, Vergomaschexport,
Stankoimport, Promaschimport, Maschinimport, 8 Generaldirektoren also
anwesend. Aus Österreich sollten 5 kommen, und außer der Vöest-Alpine war
keiner hier. Der Direktor Roth von Voith hat sich bei MR Fälbl darüber
beschwert, daß er wieder nicht eingeladen wurde. Gen.Sekr. Kehrer ver-
suchte, es mir dahingehend zu erklären, daß die Handelskammer es sich vor-
stellt, immer 5 Direktoren, die abwechselnd kommen, ein sogenanntes Rota-
tionsprinzip, dies halte ich gar nicht für zweckmäßig, denn die General-
direktoren müssen kommen, die Geschäfte machen können, und nicht irgend-
welche unnötigen, die halt dabei sein wollen, und dann womöglich keine
Geschäfte machen können oder gar nicht kommen.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte mich zeitgerecht bei der nächsten Kommission
daran erinnern.
Der große Unterschied, und deshalb hätten andere österreichische General-
direktoren sehr wohl anwesend sein müssen, ist, daß diesmal ein Maßnahmen-
katalog für die 80er-Jahre beschlossen wird, wo die österreichischen
Firmen namentlich angesprochen werden, welche Exportmöglichkeit sie
haben. Ich kann nicht verstehen, daß bei einer solchen großen Chance
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sich die österreichischen Generaldirektoren diese Gemischte Kommission
entgehen lassen. Ich verstehe schon, daß manche sehr viel zu tun haben,
dasselbe trifft sicherlich auch auf der sowjetischen Seite zu. Diese
sind aber geduldig während der ganzen Kommissionssitzung und während
der ganzen Tage dort gewesen. Eine günstigere Gelegenheit, sich mit
diesen zu treffen, Gespräche zu führen, zu Abschlüssen zu kommen, wird
eben nur bei einer Gemischten Kommission geboten. Hier haben die beiden
Korneuburger Direktoren wirklich richtig gehandelt.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Die Industriesektion soll vorsichtigst recher-
chieren.
Erstmals war auch das Akademiemitglied Gwischiani als Stellvertretender
Vorsitzender des Staatskomitees für Wissenschaft und Technik in der
Gemischten Kommission, der einen Bericht gab. Die SU wird jetzt 160
Programme entwickeln, über Energieverwendung, Nahrungsmittelproduktion,
Automatisierung, Mechanisierung der Industrie, Minirechner, EDV usw.,
Gwischiani möchte sehr gerne, daß sich Österreich daran beteiligt.
Er wird diese Programme zur Verfügung stellen.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Fälbl soll Wissenschaftsministerium davon ver-
ständigen.
Ich selbst habe natürlich sowohl in der Gemischten Kommission als auch
dann beim Empfang durch Min.Präs. Tichonow nur konkrete Geschäftswünsche
besprochen. Gleichzeitig habe ich mich natürlich immer dafür bedankt,
was die SU bezüglich Energielieferung hilft, aber immer verbunden mit
einer neuen Forderung. Da die SU jetzt z.B. Gaslieferungen wahrschein-
lich aus Devisengründen sehr verstärkt hat, erklärte ich sofort, daß
die Zusage Min.Präs. Tichonows bei seinem Staatsbesuch, er würde prüfen,
ob wir mehr Gas bekommen hätten, jetzt als erfüllt zu betrachten ist.
Außer die vereinbarten Gasmengen haben wir um 400 Mio. m³ mehr bekommen,
wie mir auch der GD der Sojusgasexport Baranowski mitteilte. Bei dieser
Gelegenheit wurde von der sowjetischen Seite, insbesondere Vizeminister
Ossipow, dezidiert erklärt, es müßten jetzt so schnell als möglich die
Kreditkonditionen und dann auch die Preise über die Gaspipeline und
Kompressorenstation, d.h. über das große westeuropäische Gasgeschäft,
abgeschlossen werden. Da, wie er mir versicherte, und dies stimmt auch,
die Franzosen mit 7,8 % Zinssatz abgeschlossen haben, die Niederländer,
die die ersten waren, erwähnte er gar nicht, die Deutschen sind auch
jetzt dazu bereit, muß sich Österreich beeilen, sonst bleibt es wirklich
zurück oder gar aus dem Konsortium draußen.
ANMERKUNG FÜR MARTIN: Bitte mit österr. Kontrollbank verbinden.
Die Vöest-Alpine hat gerade vor der Gemischten Kommission ihr Offert
über das 500.000-to-Stahlwerk gelegt. Tichonow urgierte dies, weil er
meinte, die Vöest hätte ihm versprochen, so schnell als möglich, bei sei-
nem Vöest-Besuch vor 5 Monaten, ein Offert zu legen. Ich habe das wieder
dahingehend ausgelegt und umgebogen, daß ich erklärte, Minister Patoli-
tschew hat mir einen Urgenzbrief geschrieben, was ich als großes Ver-
trauen von ihm betrachte, und selbstverständlich hat dann die Vöest, trotz
mangelnder Auskunft durch die sowjetischen Stellen, zeitgerecht das
Offert legen können. Tatsächlich hat die Vöest unbedingt die Absicht,
dieses 500.000-to-Werk mit 2 Öfen zu errichten. Die Sowjets waren sich
lange Zeit nicht einig, ob nicht doch 1 Ofen für sie von Bedeutung ist.
Wie mir GD-Stv. Grün mitteilte, hat er in der Kommissionszeit die An-
wesenheit in Moskau genützt und hat jetzt die sowjetische Seite davon
überzeugt, daß das Zwei-Ofen-Offert auch für sie das günstigere ist. Die
Vöest ist fest davon überzeugt, daß sie diesen 8-1/2-Mrd.-S-Auftrag, wo-
von auf die Vöest 2 1/2 Mrd. S entfallen werden, bekommt. Erstmalig da-
bei ist, daß die Vöest hier als Generalunternehmer auftritt.
Außerhalb der Sitzung wurde mir zugetragen, daß man dem Vöest-Wunsch
Kohlelieferung doch näher tritt. 40 to nicht genau definierte Kohle
und 20 to Anthrazit sollen noch heuer geliefert werden. Die Vöest hatte
ja durch 20 Jahre einen 775.000-to- Kohleliefervertrag. Selbstverständlich
habe ich mich daher sofort bei Min.Präs. Tichonow dafür bedankt.
Tichonow fragte Patolitschew ganz verwundert, wer denn diese Zusage ge-
macht hat. Diesen Teil hat der russische Übersetzer nicht übersetzt,
zum Glück hatte Botschafter Siegl alles mitgekriegt und mich dann da-
von informiert. Tichonow selbst hat nur wiederholt, was er bereits in
Österreich sagte. Für 1 to Kohleexport in den Westen muß heute ein so
großer Transportweg aus Sibirien nach dem Westen zurückgelegt werden,
daß dafür 10 to Energie verwendet werden müssen. Ich bin sehr gespannt,
wie jetzt die Kohlelieferungen tatsächlich beginnen werden. Immer wieder
wurde ich nämlich von sowjetischer Seite, und das zeigt die Sympathie,
die man mir gegenüber aufbringt, ersucht, ich sollte dies unbedingt so-
zusagen von Tichonow und allen anderen Spitzengremien verlangen.
ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Bitte laß Dich von der Vöest über die Kohle-
lieferungen genau informieren. Bitte mit Apfalter verbinden.
Bezüglich der Konsumgüterlieferung habe ich natürlich auch versucht,
die österreichischen Firmenwünsche zu erfüllen. Insbesondere habe ich
auf die Innkristallmaschinen besonders verwiesen. Da auch bei dieser
Gemischten Kommission der sowjetische Botschafter in Österreich, Jefremow,
seinen Kuraufenthalt unterbrochen hat und nach Moskau gekommen ist, habe
ich mit ihm vereinbart, daß sich Innkristall sofort an ihn wendet, res-
pektive an Handelsrat Nikolaenko.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte mit Innkristall-Geschäftsführer und Be-
sitzer Ilk verbinden.
Die Eröffnung des Symposiums der österreichisch-wissenschaftlich-techn.
Woche, mit einer entsprechenden Ausstellung der interessierten Firmen
verbunden, war für mich sehr überraschend. Sechs sowjetische Minister
sind dazu erschienen. Patolitschew hat sich in mich eingehängt, weil
er schon nicht mehr gehen konnte, und die ganze Ausstellung durchwandert.
Die österreichischen Firmen, wenn sie sich um den Sowjetmarkt mehr
kümmern, haben dort wirklich ganz große Möglichkeiten. Die haben sogar
Präs. Sallinger und Gen.Sekr. Kehrer sowie insbesondere Vizepräs.
Seidl immer wieder bestätigt. Wenn man die ÖVP-ler in Moskau agieren
sieht, dann kann man sich nur wundern, daß in der ÖVP, und insbesondere
in manchen Zeitungen und Massenmedien, meine Politik als ostophil oder
besser gesagt russophil bezeichnet wird. Aus privaten Gesprächen aber
konnte ich immer wieder entnehmen, daß sich eben die Handelskammer inner-
halb der ÖVP weniger durchsetzen kann. Sallinger führt hier einen ver-
zweifelten Kampf, der momentan eindeutig zugunsten der jetzigen Partei-
führung, oder, wenn man so will, der Radikalen, Bergmann, Steinbauer usw.,
entschieden wird.
Sallinger hatte am Dienstag abends seine Tochter nach Moskau mitge-
bracht, weil er es ihr jahrzehntelang versprochen hat. U.a. hat er sie
auf einen Empfang mitgenommen. Dort traf ich sie, anschließend wollte
er allen Ernstes, daß diese Frau dann an einem weiteren Abendessen
beim Handelsdelegierten Draszczyk teilnimmt. Ich habe sie kurz ent-
schlossen in meine Tschaika gesetzt und ihr Moskau gezeigt. Eine Frau
tut mir schrecklich leid, daß sie diese sinnlosen Empfänge und Bespre-
chungen über sich ergehen lassen muß. Durch einen reinen Zufall habe
ich dann innerhalb von 3 Stunden ein Abendprogramm abgewickelt, das,
wie mir Russlandkenner versicherten, sonst 3 Wochen dauert. Wir haben
uns mehr oder minder mit Bakschisch den Eingang ins Jungfrauenkloster
als erstes erzwungen. Viel schwieriger war es, aber es ist uns doch
geglückt, den Kreml am Abend besichtigen zu können. Dieser wird strengst
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bewacht, und die Österreicher in der SU versicherten wir, das ist nor-
malerweise unmöglich. Zufällig war gerade das Kreml-Theater dann aus,
und ich konnte ihr dann auch noch dieses moderne Gebäude zeigen. Noch
ein größerer Zufall war, daß der madagassische Präsident im Bolschoi-
Theater die Spartakus-Ballettaufführung sah. Auch dort habe ich mich
mehr oder minder mit ihr reingeschwindelt, und wir erlebten zumindestens
den frenetischen Applaus nach der Schlußszene, und sie sah auch noch
das Bolschoi-Theater. Zum drüberstreuen sind wir dann auch noch mit der
Metro gefahren, weil die wollte sie natürlich auch kennenlernen, und
den nächsten Tag wäre sicher dazu kaum Gelegenheit gewesen. Als wir dann
um 11 Uhr nachts beim Handelsdelegierten sozusagen ihren Papa abholten,
wir schliefen alle im Sowjetskaja, glaubte niemand, daß dies möglich
war. Selbst der sehr rußlanderfahrene Dr. Pisec, der der Delegation
angehörte, und mich ständig in Moskau wahrscheinlich in miese, uninteres-
sante, fade Nachtlokale schleppen wollte, war überrascht.
Dr. Pisec hat sich bei mir dann auch noch x-mal bedankt, weil ich sein
Problem immer wieder Patolitschew dargelegt habe. Die Russen möchten
mit ihm eine Gemischte Gesellschaft gründen, um Liquidgas zu exportieren,
Österreich braucht ca. 8000 to, und Pisec wickelt dieses ab. Über Öster-
reich möchten sie aber 42.000 to nach dem Westen exportieren und sind
bereit, im Burgenland ein großes Lager zu errichten. Dafür sind 100 Mio.
S Investitionen nötig. Die Sowjets möchten nun einen beherrschenden
Einfluß in dieser Gesellschaft, Pisec zögert und möchte eine weitest-
gehende Gleichberechtigung. Ich habe ihn natürlich in dieser Frage tat-
kräftigst unterstützt. Ob es allerdings gelingt, weiß ich nicht, Rat-
schläge habe ich ihm keine gegeben. Niemand weiß nämlich, wie diese
Gesellschaft dann letzten Endes zustande kommt und wie sie arbeiten
wird.
Überhaupt wurde mir ununterbrochen für meine Tätigkeit von seiten der
Handelskammer und anderen Vertretern herzlichst gedankt. Fast würde man
stolz darauf sein und eingebildet werden. Dies kann mir aber deshalb
nicht passieren, weil ich genau meine Funktion einschätze. Allerdings,
so wie bei der Tätigkeit in Österreich feststellen kann, der Wiener
Schmäh kommt überall sehr gut an.
Tagesprogramm, 13.-16.9.1981
Wr. Präsidium/Vorstand/Ausschuss, 14.9.1981
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