Dienstag, 6. u. Mittwoch, 7. Oktober 1981
Die vom BKA für das Gesundheitsministerium vorgelegten Umweltschutzge-
setze wurden, was im Handelsministerium sehr selten vorkommt, von 3
Sektionen direkt an mich herangetragen, um die Besprechungslinie festzu-
legen. Selbst der sonst sehr besonnene SC Jagoda regte sich über diese
Umweltschutzentwürfe auf. Interessant für mich war, daß der Gesetzentwurf,
der das Gewerberecht betrifft, und wo ich mit Gesundheitsminister Steyrer
vereinbart habe, die leitenden Beamten unserer Ressorts sollen vor Ge-
setzwerdung den Entwurf abstimmen, allgemeine Zustimmung findet. Die
anderen 4 Gesetzentwürfe können keine Verhandlungsgrundlage bilden.
Im Umweltverträglichkeitsgesetz ist in der BRD der Bergbau ausgenommen.
In Österreich müßte eine ähnliche Regelung platzgreifen, obwohl in der
Anlage nur Erz und Kohle vorgesehen sind, müßte auch diese Bergbautätig-
keit dem Bergrecht, und damit dem Handelsministerium und der Obersten
Bergbehörde vorbehalten bleiben. Ein weiterer großer Nachteil wäre, wenn
das vorgesehene Gutachten, welches nicht durch Bescheid statuiert wird,
nicht eine Fallfrist bekäme. Das Gesundheitsministerium könnte dann
durch Nichterstellung dieses Gutachtens das ganze Verfahren durch Monate,
ja sogar durch Jahre hinaus verzögern. Die Abgrenzung der Vorhaben ist
im Gesetz nicht definiert. Im Katalog wird dann nur die Branche aufge-
zählt. Theoretisch wäre es möglich, daß z.B. die Stahlindustrie nicht
Stahlwerke nur umfaßt, sondern auch, wenn im Stahlwerk eine Garage ge-
baut wird, handelt es sich um ein Vorhaben, das also dann im Begutach-
tungsverfahren vom Gesundheitsministerium mitzugenehmigen wäre. Das
Immissionsgesetz wird nur zustandekommen, wenn die Länder auf ihre Kompe-
tenz verzichten. Da dies selbst dem Gesundheitsministerium fraglich
erscheint, hat es gleichzeitig auch eine Emissionsgesetzregelung in das
Immissionsgesetz eingebaut. In diesem Fall aber wäre nicht das Gesund-
heitsministerium, sondern eindeutig nach Ministeriengesetz das Handels-
ministerium, resp. für Wasserrecht das Landwirtschaftsministerium usw.,
d.h. auf alle Fälle andere Ministerien kompetent als das Gesundheits-
ministerium. Am typischsten aber ist, daß nirgends Einvernehmen mit
Handelsministerium festgelegt ist, das Gesundheitsministerium möchte
scheinbar alle Werte der Immission oder auch der Emission allein festle-
gen. Während wir selbstverständlich bereit waren und noch immer sind,
jedwede Mitkompetenz dem Gesundheitsministerium zuzugestehen, trifft
dies fürs Handelsministerium in den Entwürfen überhaupt nicht zu.
Der typischste Fall aber war, im Sonderabfallgesetz hat das Gesundheits-
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ministerium zwar in der Vorbegutachtung dem Handelsministerium einen
Entwurf geschickt, im jetzt vorliegenden Entwurf aber ist überhaupt da-
von nichts berücksichtigt, sondern der alte Entwurf mit 1 oder 2 unbe-
deutenden Änderungen wieder ausgesendet worden.
Ich habe daher im Parlament den Gesundheitsminister Steyrer auf diese
Vorgangsweise aufmerksam gemacht und erklärt, so könne man zu keinem
tragbaren Kompromiß kommen. Steyrer selbst hat dann mit Staatssekretär
Löschnak gesprochen und meinte, er erwartet, daß meine Beamten ganz ent-
schieden gegen diese Vorgangsweise auftreten. Ihm schwebt eine ähnliche
Lösung vor, wie wir sie auch bisher zwischen SC Jagoda und Pindur er-
zielt haben.
ANMERKUNG FÜR JAGODA UND BURIAN: Bitte mich ständig am laufenden halten.
Die Zementindustrie, der ehem. GD Gehart und der jetzige Direktor Raffel
wollen, daß die Normen in Österreich genauso verbindlich erklärt wer-
den, wie dies in der BRD geschehen ist. Dort wird außerdem ein so ko-
stenaufwendiges Genehmigungsverfahren gehandhabt, daß bei einem Preis
von ca. 1000.-- die Prüfung allein auf 300 S pro Tonne käme, damit
wird jedweder Import nach Deutschland verhindert. In Österreich ist
die Normenverbindlicherklärung Landessache. Nur das Land Oberösterreich
hat eine solche statuiert. MR Mock schlug vor, wir sollten versuchen, mit
der BRD durchzusetzen, daß auch unsere Normungszeugnisse anerkannt wer-
den. Die Zementindustrie hat aber mit Recht darauf verwiesen, daß
beim Betonsteinverband in Linz, Dir. Tschischan, die Verbindlicherklä-
rung noch wichtiger sei als für die Zementindustrie. Beiden Organisationen
werden wir jetzt einen Brief schreiben, den ich mit Graf Lambsdorff
bei unserem Dreiergespräch deponieren sollte. Die von der Zementindu-
strie vorgeschlagene Verbindlicherklärung, nach GEWO § 69 1, sogenannter
gefährlicher Produkte wird von Jagoda mit Recht abgelehnt. Dieser §
soll wirklich nur für echt gefährliche Produkte in Anwendung gebracht
werden. Natürlich könnte man indirekt sagen, daß bei Zement und Träger-
teilen eine Einsturzgefahr besteht resp. bestehen könnte. Dies gilt vor
allem, wenn das Bauwerk etliche 100 Jahre alt ist. Da man angeblich
nicht weiß, wie sich der importierte Zement und die Bauteile dann ver-
halten würden. Eine solche an den Haaren herangezogene Begründung hält
aber sicherlich nicht.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Entweder Brief oder AV für Lambsdorff vorbereiten.
Da das Parlament für die 2 Plenumstage fast keine Tagesordnung hatte,
wurde zum erstenmal seit 11 Jahren der Integrationsbericht an die Spitze
des ersten Tages gesetzt. Ein wenig allerdings hat dazu beigetragen, daß
ich ja auf alle Fälle abends nach Straßburg fahren mußte, um dort als
EFTA-Vorsitzender die 2 Jahre EFTA-Tätigkeit zu rapportieren. Dem Inte-
grationsbericht wurde 7-mal von der ÖVP in einer Zeit zugestimmt, wo
wir wirklich in der Integrationsfrage wesentlich wenig erreicht haben
als gerade jetzt. Trotzdem lehnte die ÖVP mit viel Tamtam den 8. Bericht
jetzt ab. Die Begründung aller Redner war, daß der Bericht zwar in Ord-
nung ist, die Beamten sich sehr bemühen, teils Erfolge auch in Brüssel
erzielt werden konnten, daß aber die gesamte Regierungspolitik ein
solches Verhalten erfordert. Ich habe sofort festgestellt und dies ja
auch im Ausschuß schon bemerkt, daß hier eine neue Politik eingeleitet
werden soll, zumindestens im Ausschuß war klar und deutlich, als die
Abg. Hubinek, die sonst in dem Ausschuß überhaupt nichts redet und auch
gar nicht die kompetente Sprecherin der ÖVP wäre, die Ablehnung dort
vortrug und auch begründete. Abg. Riegler, der Bauernbund- und Agrarspre-
cher, versuchte verzweifelt nachzuweisen, wie die Landwirtschaft auch
bei der Integrationsentwicklung benachteiligt ist. Riegler weiß ganz ge-
nau, daß es niemals möglich war, trotz intensivster Bemühungen aller,
die Landwirtschaft in den EG-Österreich-Vertrag einzubeziehen. Daß die
Landwirtschaft dies eingesehen hat, ergibt sich ja daraus, daß sie 72
dem EG-Vertrag zustimmte. Auch die ÖVP hat damals diesem Vertrag seine
Zustimmung gegeben. Die Bauernvertreter haben damals nur gewisse flan-
kierende Maßnahmen verlangt, die in einem Vertrag umfangreich festge-
legt wurden. Ein Punkt davon war, daß die Regierung prüfen wird, ob die
Erstattungsregelung der EG bei ähnlich vergleichbaren Ländern, also z.B.
der Schweiz, zur Anwendung kommt, und ob wir eine solche EG-Erstattungs-
regelung auch in Österreich einführen sollten. Im Vertrag steht ausdrück-
lich nur, daß die Regierung prüfen wird. Schon bei den ersten Attacken,
warum in Österreich eine solche Erstattungsregelung noch immer nicht
eingeführt wurde, konnte ich darauf verweisen, daß auch dieser Punkt bis
zum letzten Strich erfüllt ist. Geprüft haben wir nämlich. Dies hat
den Abg. Zittmayr, Molkereileiter von Schärding und gleichzeitig großer
Bauernbundfunktionär, zum Zwischenruf veranlaßt, diese Vereinbarung
hätte eben die ÖVP nicht treffen sollen, er rief, einen solchen Vertrag
hätte man nicht unterschreiben sollen. Natürlich habe ich auf diese
Bemerkung wieder verwiesen und erklärt, dies ist eine ÖVP-interne Frage,
für mich steht fest, daß wir alle Punkte erfüllt haben, als Riegler
dann neuerlich Zwischenrufe machte, habe ich sie ihm dann wortwörtlich
aufgezählt, und damit keinesfalls vertragsbrüchig wurden, wie sie es so
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gerne in der Erstattungsfrage der Regierung behaupten und immer wieder
anhängen wollen.
Da die ÖVP in vielen Fragen jetzt auf Konfrontationskurs geht, glaube
ich, müßten wir uns mehr mit solchen Argumenten rüsten. Noch wichtiger
aber ist es, daß die statistischen Unterlagen besser geprüft werden.
Immer wieder muß ich leider feststellen, daß Unterlagen, auch dann, wenn
es sich nur um sogenannte Böhmische Fehler, d.h. Verdrehen der Zahlen,
handelt, scheinbar darauf nicht vom Büro resp. der Sektion kontrolliert
wird. Wir haben jetzt vom Statistischen Zentralamt einen eigenen Fach-
mann abgeworben, dieser muß wesentlich stärker eingesetzt werden. Die
Prüfung des Sektionsmaterials muß auch durch die Grundsatzabteilung er-
folgen. Ich muß mich auf die Unterlagen verlassen können. Die notwendige
Überprüfung muß zeitgerecht erfolgen, müssen daher noch früher erstellt
werden, als dies jetzt der Fall ist. Meistens bekomme ich die Unterlagen
sowieso erst knapp vor der Sitzung.
ANMERKUNG AN HAFFNER: Bitte SL setzen.
Die neue Konfrontationswelle wird sicherlich auch die Verhandlungen über
das Energiesicherungsgesetz und das Kernkraftverbotsgesetz umfassen. Im
Energiesicherungsgesetz wird jetzt bereits vom Energiesprecher Dr. König
darauf verwiesen, daß sie nur bereit wären, das Gasröhrenkompetenzgesetz
dann zu beschließen, wenn es, wie der Wunsch der Landeshauptleute jetzt
neuerdings vorgetragen wurde, in die Verhandlungen zwischen der Kompetenz-
abgrenzung Länder und Bund einbezogen werden . Dr. Zluwa verweist mit
Recht darauf, daß wir durch unseren Gesetzentwurf über die Gasleitung,
eine eindeutige Bundeskompetenz, den Ländern einen Teil dieser Kompetenz
abgetreten haben. Dafür verlangen die Länder jetzt, daß diese ganze
Materie mit den Landeshauptleuten im großen Verfahren über die Abgrenzung
zwischen Bund und Ländern einbezogen wird, und dafür womöglich noch eine
weitere Kompetenz bekommen sollen. Ich gebe, wie ich auch unserem Ener-
giesprecher Dr. Heindl klar und deutlich gesagt habe, den Energiesiche-
rungsverhandlungen, aber auch der Kernkraftfrage keine positive Chance
mehr. Die ÖVP will den Konfrontationskurs, nur dort will sie nachgeben,
wo sie einen Vorteil hat, alles andere lehnt sie ununterbrochen ab und
wird diese Politik noch verstärken. Ich sehe ja gar keine andere Möglich-
keit, als eben auf einfach-gesetzliche Regelung, Gewerbeordnung, auszu-
weichen. Heindl teilt diese Meinung vollkommen.
ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Wie geht es jetzt weiter?
Klubobmann Fischer hat eine Diskussion über den Nationalpark wegen
Ausgleichsbemühungen der einzelnen Fremdenverkehrsgemeinden. Ihm schwebt
daher vor, Fremdenverkehrsgemeinden mit mangelnder Infrastruktur, d.h.
ohne Aufstiegshilfen, womöglich in der Kernzone des Nationalparkes, ohne
Sommergletscher usw., von anderen Fremdenverkehrsgemeinden, die diese
Einnahmemöglichkeit haben, durch Umlage entsprechende Hilfe gewähren.
Ich halte eine solche Vorgangsweise für kaum durchführbar. Keine Gemeinde
wird sich was wegnehmen lassen, um einer anderen Gemeinde etwas zu geben.
Eher könnte ich mir noch vorstellen, daß das Land oder der Bund einer
solchen benachteiligten Gemeinde einen gewissen Zuschuß gibt. Da in
Vorarlberg ein solches Experiment gemacht wurde, habe ich Fischer bis
20. Oktober spätestens versprochen, diese Ergebnisse mitzuteilen.
Vielleicht war ich mit diesem Versprechen ein wenig voreilig, ich selbst
bemühe mich nämlich seit Wochen, über das Ergebnis dieses Experimentes
etwas zu erfahren, ohne daß ich auch bis jetzt einen Erstbericht bekommen
hätte.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte die Abteilung soll unverzüglich recherchie-
ren und vorlegen.
Zum Glück bin ich, obwohl mein Flugzeug um 8.00 Uhr nach Basel geflogen
ist, noch vorher im Bezirk zur Bezirksausschußsitzung gegangen. Ich
habe den Genossen kurz über die politische Situation, insbesondere nach
den steirischen Wahlen, und den guten Erfolgen der Vöest-Alpine-Betriebs-
ratswahlen berichtet. Vorher hatte ich die traurige Pflicht, zweier Ge-
nossen, die wir alle noch wirklich lebend vor uns hatten, und die über-
raschend verstorben sind, zu gedenken. Vielleicht fällt es bei Politikern
nur mehr auf, aber sei es die Terrorszene, natürlich wurde auch über
den ägyptischen Anschlag auf Sadat gesprochen, sei es die doch aufrei-
bende Tätigkeit des Politikers ansonsten, daß Todesfälle auf alle Fälle
spektakulärer sind. Ein Mittel dagegen gibt es aber sicherlich nicht,
alle Ratschläge mögen gut sein, aber wer hält sich schon daran, ja wer
kann sich daran halten, die einzige Alternative wäre, man müßte sich
aus der Politik zurückziehen.
Der Rapport vor der parlamentarischen Versammlung in Straßburg, den ich,
wie der Präsident dann auch erklärte, zum zweitenmal schon gehalten
habe, das erstemal 1972, ist ähnlich verlaufen wie beim erstenmal. Der
große Unterschied war nur, daß damals ein altes Haus zur Verfügung stand,
welches man jetzt weggerissen hat, und eine Grünfläche vor dem neuer-
richteten 200-Mio.-$-Haus. Der Europarat ist wirklich jetzt modernst,
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zweckmäßig, mit vielen Sitzungssälen usw., untergebracht.
An der Versammlung nahmen von fast 200 Abgeordneten ca. 10 % teil. Der
neue Generalsekretär, der Österreicher Karasek, meinte allerdings mir
gegenüber, daß sogar der Sitzungssaal fürs europäische EG-Parlament
dient und dort 500 Abgeordnete untergebracht werden müssen, sei eben
optisch äußerst günstig, selbst wenn alle Abgeordneten zur Europaver-
sammlung awesend wären. Selbst die österreichische Delegation war nur
mit 3 Leuten vertreten, also, wenn man so will, nicht einmal die Hälfte.
Mich persönlich stört es überhaupt nicht, weil ich mir auch gar nichts
davon verspreche. Die Diskussion war dann entweder sehr ins Detail
gehend, u.a. wurde ich wegen der Ursprungszeugnisregelungen gefragt,
oder ein anderer Abgeordneter erkundigte sich, ob die Volksbefragung
zur Kernenergie ein brauchbares Element der Politik in Österreich sei.
Hier konnte ich ihm die ganze Frage der Volksabstimmung und des jetzig-
en neuen Volksbegehrens erklären. Die Debattenredner, und dies war der
große Vorteil, man konnte sich immer wieder melden, es war also eine
echte Debatte, waren mit den Ausführungen sehr einverstanden. Mein ehe-
maliger Sekretär, jetzt Botschafter Dr. Bukowski in Straßburg, hat sich
rührend um mich gekümmert, am liebsten hätte er mir in den paar Stun-
den alles gezeigt und womöglich noch Wanderungen in den ????? resp.
auf der gegenüberliegenden Rheinseite im Schwarzwald mit mir durchge-
führt. Sein Angebot war sogar, ich sollte unbedingt im Sommer kommen,
dann könnten wir von Straßburg auch noch die Schweiz, das Berner Ober-
land, aber insbesondere die hohen Alpen besuchen. Ich habe ihm spaßhal-
ber gesagt, daß ich jetzt 21 Jahre im Parlament bin, als Abgeordneter
noch niemals irgendwohin delegiert wurde oder auf eine Auslandsreise
geschickt wurde, werde ich später einmal versuchen, Europaparlamentsdele-
gierter zu werden. Dann habe ich Zeit und Muße genug, um mit ihm alles
dies zu absolvieren, was er mir gerne zeigen möchte. Träumen wird man
doch noch dürfen.
Tagesprogramm, 6./7.10.1981
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)