Dienstag, 25. bis Montag, 31. Mai 1982
Beim Jour fixe in der Handelskammer bemerkt Präs. Sallinger, daß der
Staatssekretär Haehser vom Finanzministerium bei der gestrigen Er-
öffnung des gemeinwirtschaftlichen Kongresses sich ungehörig in die
innenpolitische Szene Österreichs eingemischt hat. Sallinger hat in
seiner Begrüßungsansprache bemerkt, daß die Handelskammer der Meinung
ist, wo Private Tätigkeiten ausüben können, sollte die Gemeinwirtschaft
zurückstehen, also substituär nur in Erscheinung treten. Staatssekre-
tär Haehser legte dies so aus, daß Sallinger meint, die lukrativen Ge-
schäfte würden die Privaten machen, die Defizite die Gemeinwirtschaft.
Diese Definition lehnt Haehser auf das entschiedenste ab. Normal ist
es sicherlich nicht, daß ein Ausländer sich in eine Polemik bei der
Begrüßungsansprache einläßt. Die Eröffnung des Kongresses, erklärte ich,
aber war sowieso überladen und problematisch, schon der Vorsitzende der
österreichischen Gemeinwirtschaftsgruppe, Prof. Rauter hatte ja keine
Begrüßungsansprache, sondern ein kleines Referat gehalten. Jeder packte
eben seine Ideen schon in seine Begrüßungsansprache.
Kehrer interessierte sich über die neue Papieraktion III des Handels-
ministeriums. Interessant für mich war, daß er im Prinzip gegen die
Fortsetzung der Papieraktion Bedenken hat, da dadurch Wettbewerbsver-
zerrungen entstehen. Besonders bezog er sich auf die, wie er glaubt unge-
heuren Subventionen der Pölser, den Italiener gehörenden Sulfatzellstoff-
produktionssubvention. Die Handelskammer würde am liebsten, so hatte
ich das Gefühl, die ganze Papieraktion, die von der Papierindustrie natür-
lich gefordert wurde, und vom Finanzminister jetzt zu meiner größten
Überraschung tatsächlich wieder genehmigt wurde, einstellen.
ANMERKUNG FÜR BURIAN: Laß bitte eine Gegenüberstellung der Subvention
von Pöls im Verhältnis zu den anderen Zellstoffabriken machen.
Kehrer teilte mir triumphierend mit, daß jetzt GD Apfalter und er sich
im Prinzip über die Schrottzuteilung geeinigt hätten, und daß nachher
eine Ausschußsitzung eine endgültige Fixierung vorgenommen hat. Dadurch
ist eine Änderung des Schrottlenkungsgesetzes nicht mehr notwendig.
Ich selbst habe mich sofort bei der VÖEST überzeugen können, daß tatsäch-
lich ein solches verträgliches Kompromiß für alle zustande gekommen ist.
ANMERKUNG FÜR MARSCH UND HAFFNER: Die Schrottlenkung wird daher nur nor-
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mal um 2 Jahre verlängert.
Bezüglich des Preisgesetzes ist Kehrer nach wie vor der Meinung, sie
sollte ebenfalls nur um 2 Jahre im Prinzip verlängert werden. Meine Idee,
wenigstens eine Punktation zum Preisgesetz zu machen, damit bis zur
nächsten Verlängerung 1985 ein neues Preisgesetz ausgearbeitet werden
kann, wird er zwar mit seinem Referenten Farnleitner besprechen, doch
steht er dieser sehr skeptisch gegenüber. Ich informierte Kehrer, daß
nach Pfingsten unverzüglich ich selbst Gespräche mit den Interessensver-
tretungen, Farnleitner, HK, Altmann, Präsidentenkonferenz der Landwirt-
schaftskammer, Schmidt, ÖGB, Blaha, AK, führen werde. Kehrer ist sehr
skeptisch, daß es dabei zu einem positiven Ergebnis kommen wird.
Kehrer bedankte sich bei mir, daß jetzt die Ausbildner-Prüfungs-Fallfrist
mit 30. Juni 82 verlängert wird. SC Jagoda und Dr. Winkler sollten einen
diesbezüglichen Initiativantrag ausarbeiten, damit es im Parlament kei-
nerlei Schwierigkeiten gibt.
ANMERKUNG FÜR JAGODA: Bitte für die nächste Handelsausschußsitzung
vorbereiten.
Das Institut für Gewerbeforschung, welches jetzt eine Gewerbestruktur-, aber
auch jetzt eine Gewerbekonjunkturbeobachtung macht, bräuchte dringend
eine Subvention. Die letzte hat sie im Dezember 81 bekommen. Bei der
Gewerbekonjunkturbeobachtung gab es eine 50 %-ige Rücklaufquote, dies
ist eine ganz gigantische Leistung.
ANMERKUNG FÜR BURIAN: Kennen wir diese Unterlagen?
Bezüglich der Verleihung des Staatswappens hätte sich jetzt die Innung
über eine freiwillige Selbstbeschränkung geeinigt. Auch die allgemeine
Gewerbeinnung, die davon betroffen ist, hätte dieser Selbstbeschränkungs-
formulierung zugestimmt. Ich erklärte sofort, ich könne mir nicht vor-
stellen, daß tatsächlich eine solche Abgrenzung möglich sei, da wenn
erst einmal einer eine solche Auszeichnung bekommen hat, die anderen in
der großen Masse sie ebenfalls verlangen würden. Da für diese Immobilien-
treuhänder usw. das Staatswappen auf dem Briefpapier fast einen offiziösen
Charakter der Firma verleiht, halte ich ein Abgehen von dem seinerzei-
tigen Beschluß, solche Innungen eben prinzipiell von der Verleihung
auszuschließen, für sehr sehr schwer möglich.
ANMERKUNG FÜR JAGODA: Bitte besprich dies mit Präsidialisten Reiger.
Kehrer hat große Angst, daß die Bundesingenieurkammer mit ihren Vor-
schlägen die Baumeister, die in der gewerblichen Wirtschaft von ihrer
angestammten Tätigkeit ausschalten möchte. Ich werde, so versichere ich
Kehrer, nichts ohne vorherige Absprache mit der Handelskammer d.h. durch
Versuch eines Kompromißes der Ingenieurkammer zugestehen.
ANMERKUNG FÜR JAGODA UND BURIAN: Was ist bis jetzt auf diesem Gebiet
geschehen?
Gen.Sekr. Kehrer teilt meine Meinung, daß es dringendst notwendig ist,
die Wirtschaftstreuhänderprüfungsordnung jetzt auch im Parlament zu be-
schließen, das Ableben von dem sozialistischen Verhandler Dr. Bechinie
gibt auch ihm zu bedenken, daß Bechinie sich wirklich für diese seine
Aufgabe aufgeopfert hat. Kehrer legt keinen Wert auf die akademische
Klausel, die Vizepräsident Böck von den Wirtschaftstreuhändern und
Exponent der ÖVP sehr gerne haben möchte. Auch darüber meint Kehrer
möge SC Jagoda noch mit Dr. Farnleitner sprechen.
ANMERKUNG FÜR JAGODA: Wie weit steht die Sache jetzt.
Dir. Haiden von der Z, der sich zwar mit Bautenvertriebsgesellschafts-
vertreter angemeldet hat, ist dann allerdings dann nicht mitgekommen.
Diese schwedische Gesellschaft ist ein riesen Unternehmen mit 18 Mrd. S
Umsatz. Mit einer kleinen österreichischen Vertretung, 16 Mio. S Umsatz, und
möchte Fertigwohnbauten bei uns vertreiben. Ich habe mir dies zwar ange-
hört, war aber ein wenig erstaunt, daß Haiden, wenn er schon ein solches
Geschäft entrieren will und die Z daran besonders interessiert ist,
dann nicht einmal jemanden mitschickt.
ANMERKUNG FÜR BURIAN : In Hinkunft bitte auf eine entsprechende Beglei-
tung Wert legen und Haiden davon verständigen.
Im Ministerrat, der unter Vorsitz von Sinowatz abgewickelt wurde, hat
in der Vorbesprechung er mich ersucht, ich sollte über Bauknecht berich-
ten. Die Verhandlungen werden jetzt durch den Ausgleich mit Günter
Bauknecht nicht leichter, sondern nur noch schwerer werden. Für die Be-
schäftigten wird es ungeheuer wichtig sein, ob es gelingt, die Produkte,
die noch immer erzeugt werden, einigermaßen gegen sofortige Bezahlung
nach Deutschland an die anderen Bauknecht-Gesellschaften zu verkaufen.
Dallinger meinte, den Insolvenzenfonds wird es ca. 100 Mio. kosten. Für
die französischen Bauknecht-Unternehmungen hat sich nicht einmal um 1
fr. ein Käufer gefunden, auch die Fa. Thompson nicht, 400 Mio. Subvention
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und einen Berg von Schulden wären dort mitzuübernehmen. Staatssekretär
Nußbaumer glaubt, daß Philips, wenn es Bauknecht kauft, diesen nur zum
Stillegen erwerben will, diese Meinung teile ich keinesfalls. Die Haupt-
schwierigkeit ist nach wie vor, daß die Motorenfertigung in der Steier-
mark zu 70 % nach Deutschland Bauknecht geliefert wird und 30 % nur an
Dritte.
Klubobmann Fischer berichtet, daß im Parlament nach Pfingsten am Dienstag
der NR um 12 Uhr mit einer Fragestunde und dann das Heeresgebührenge-
setz und anschließend IAKW 1980 Bericht zur Debatte stehen wird. Am
Mittwoch wird dann der Wirtschaftsbericht von Kreisky und Salcher er-
folgen. Eine lange Diskussion gibt es dann über die Regierungsvorlage be-
züglich der israelitischen Religionsgemeinschaft, dort hat eine Splitter-
gruppe, Präs. Schreiber bei Kreisky interveniert. Sinowatz, der dafür
zuständig ist meint, es sollte bei der Regierungsvorlage die eine sehr
liberale Regelung ist bleibe. Schreiber vertritt eine orthodoxe Splitter-
gruppe, auch die ÖVP vertritt durch ihren Vertreter NR Schwimmer, der
übrigens Präs. der israelisch-österreichischen Freundschaftsgruppe wird,
den Standpunkt der Kultusgemeinde und damit auch den von Unterrichts-
minister Sinowatz.
Bezüglich des Berufsausbildungsgesetzes, Fallfrist für Prüfungspflicht
der Ausbildner, setzt sich neben mir insbesondere Sozialminister Dallinger
für eine Verlängerung dieser Fallfrist durch einen Initiativantrag ein.
Jedermann sieht ein, daß es ein Wahnsinn wäre, bei der jetzigen schwie-
rigen Unterbringung der Lehrlinge auch nur einen Meister zu verärgern
oder gar unmöglich zu machen, daß er durch Nichtablegung einer Prüfung
seine Lehrberechtigung verlieren würde, obwohl er vielleicht Jahrzehnte
schon gute Lehrlinge ausgebildet hat. Fischer sagt eine entsprechende
schnelle Erledigung zu und bittet nur, daß SC Jagoda ihm sofort den
Text des Initiativantrages übermitteln soll. Ich habe diesbezüglich
noch mit Jagoda gesprochen, der mit Klubobmann Fischer auch Kontakt auf-
nehmen wird.
Finanzminister Salcher berichtet, daß er jetzt mit Bautenminister Seka-
nina sich über die Entflechtung der Straßenbaugesellschaften geeinigt
hat, diese wird vom Finanzministerium wegkommen ins Bautenministerium
und eine eigene Finanzierungsgesellschaft gegründet, wodurch das Budget
entsprechend entlastet, wenn man aber das richtig betrachtet eben aus
dem Budget ausgegliedert wird. Wenn ich bedenke, daß ursprünglich so-
wohl Bautenminister Sekanina als auch Salcher die Idee hatten, alles
was eine zukünftige Belastung des Straßenbaus mit sich bringt, nicht mehr
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über außerbudgetliche Gesellschaften zu finanzieren ablehnten, so zeigt
der Sachzwang, wie sie jetzt doch auf diese von Kreisky oder Androsch
geborene Idee vor etlichen Jahren wieder zurückkommen müssen. Sowohl
Sekanina als auch Salcher haben nur entweder die Möglichkeit diesen Weg
fortzusetzen und damit einigermaßen Mittel für den Straßenbau zusätzlich
aufzutreiben oder die Straßenneubautätigkeit muß radikal eingeschränkt
werden.
Löschnak berichtete über die Gehaltsgesetznovelle, dort soll eine Objek-
tivierungskommission Postenvergabe der Verstaatlichten, die Kreisky
Steger zugesagt hat, verankert werden.
Lanc berichtet über die Entführung zweier DDR-Flüchtlinge über Ungarn
durch ein Flugzeug, die deutschen Piloten hätten zwei Verwaltungsüber-
tretungen begangen und würden danach auch bestraft werden.
Zur Verabschiedung des Bundespräsidenten von Schwechat bei seinem Russ-
landbesuch kam Sinowatz infolge der Verkehrsstauung wie er sagte zu
spät. Lanc aber war als einziger Minister dort erschienen. Im Flugzeug
hat sich Sinowatz dann aber sehr herzlich und entwaffnend für sein Zu-
spätkommen entschuldigt. Wenn man bedenkt, wie dann die Ankunft in Moskau
sich abgespielt hat, dann weiß man und sieht man den riesen Unterschied
erst so richtig zu schätzen. Breschnew war am Flughafen erschienen, der
erste Eindruck war für mich nur eine Bestätigung, was ich schon, als ich
durch reinen Zufall vor ein paar Jahren im Kreml mit ihm zusammengetroffen
bin, und was Kreisky schon von seinem Zusammentreffen mit Breschnew vor
ein paar Jahren mir erzählt hat, daß er zur Erfüllung dieser rein for-
mellen Verpflichtung sich auch schon sehr schwer tut. Hätte Breschnew
tatsächlich diese Entscheidungsgewalt die ein amerikanischer Präsident
hat, dann wäre es wirklich sehr kritisch. Tatsächlich aber ist im Kreml
in der jetzigen Situation die Entscheidung des Politbüros maßgebend und
dort sitzen zwar lauter alte Herren, fast wie in China, aber daher wahr-
scheinlich auch keine impulsiven Entscheidungen.
Am Flughafen hatte man sowohl in Moskau als auch in Taschkent Betriebe
oder Institute zum Empfang abkommandiert. Die rot-weiß-roten Papierfah-
nerln neben den sowjetischen schwenkten, aber deutlich sichtbar teil-
nahmslos diese Zeremonie mehr oder minder freiwillig verbrachten.
Journalisten haben festgestellt, daß sie dafür abkommandiert wurden,
da das Wetter schön war, hat es sie wahrscheinlich wirklich kaum ge-
stört. Beeindruckend für westliche Besucher, die das ganze ja kennen, ist
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es nicht, für Ostbesucher wahrscheinlich sogar eher noch peinlich, denn
die wissen ja noch viel genauer wie dies zustande kommt.
Die erste und einzige Aussprache zwischen Kirchschläger und Breschnew
verlief für mich wie erwartet. Breschnew hatte ein aufgesetztes State-
ment, verhältnismäßig sehr lange, hat dies absatzweise verlesen und gleich-
zeitig übersetzen lassen. Er begann mit der Feststellung, daß er 79 in
Wien Kirchschläger und Kreisky das letzte Mal getroffen hat. Er schlug
sofort die bilateralen Fragen als erstes zu besprechen vor, wartete aber
gar nicht ab ob jemand zustimmte sondern hat sofort weitergelesen. Es
gibt aufsteigende gute Beziehungen zwischen Österreich und der SU, ande-
re Staaten könnten sich an dieser Zusammenarbeit ein Beispiel nehmen.
Der Staatsvertrag 55 ist die unerschütterliche Grundlage, die Neutrali-
tät Österreichs, und die Sowjetunion würde verhindern, wenn jemand
deswegen Österreich Schaden zufügen würde. Das gute Klima wirkt sich
auch auf die geschäftlichen Beziehungen aus. Innerhalb der 6 Jahre hat
sich der Handelsverkehr verdreifacht und beträgt 1 1/2 Mrd. Rubel, bis
90 gibt es jetzt das wissenschaftlich-technische und wirtschaftliche Ko-
operationsabkommen mit Programm, das jetzt mit Leben erfüllt wird. Die
SU weiß die Zuverlässigkeit der österreichischen Handelspartner sehr
zu schätzen. Österreich hat im Westen einen ungeheuren Konkurrenzkampf
und muß mit den westlichen Krisenerscheinungen kämpfen . Ihm ist bekannt,
daß man in Österreich bezüglich der Unbalanz, also des großen Handelsbilanz-
passivums sich Besorgnis macht, der Export in die SU könnte nicht Schritt
halten mit den Importen Österreichs. Die Außenhandelsorganisationen ha-
ben aber die Weisung, jetzt alle österreichischen Angebote zu prüfen.
In letzter Zeit wurden größere Aufträge vergeben, die österreichischen
Vorschläge sollen weiterhin mit den sowjetischen Organen besprochen
werden. Auch in Zukunft wird es eine feste Zusammenarbeit geben. Dann
ging er sofort auf die Weltlage ist besorgniserregend, wir balancieren
am Rande des Krieges. Alle Staaten haben eine militärische Entspannung
nötig, es gibt aber eine gegenteilige Entwicklung. Den US-Kurs muß man
mit Worten und Taten verfolgen. Sie wollen eine militärische Überlegen-
heit in der ganzen Welt. Neutronenbombe, chemische Waffen werden neu
produziert, die Konzeption ist erstens eine nukleare Aufrüstung und
zweitens Einsatzpläne. Mit atomarem Erstschlag begrenztem Nuklearkrieg
vor allem in Europa, in der Vergangenheit war es so, daß nach einem
Krieg wieder das Leben in einem Land beginnen konnte, im zukünftigen wird
das nicht mehr möglich sein, es werden alle, auch die USA betroffen
werden. Eine atomare Erpressung darf nicht geduldet werden, dem Wahn-
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sinn muß ein Ende gesetzt werden. Die sowjetischen Breschnew-Vorschlä-
ge sind bekannt, am Gewerkschaftskongreß in Taschkent und jetzt beim
Komsomolzk-Kongreß hat er sie noch einmal unterbreitet. Die SU werden
alles unternehmen um die internationalen Beziehungen zu verbessern. Dieser
Kurs wird konsequent durchgesetzt. 82 sollen die SU und die USA sich tref-
fen. Breschnew Vorschlag liegt vor, wird bis Herbst jetzt notwendigst
vorbereitet zu werden. Die Gefahr muß reduziert werden, die SU und die
USA Begrenzung der nuklearstrategischen Waffen ist notwendig, deren
Stationierung auch in österreichischer Nähe sehr gefährlich. Die Genfer
Gespräche weiten sich aus. Einseitige Schritte der SU haben keinen
positiven Widerhall bei der US-Regierung ausgelöst. Diese strebt die
Null-Lösung von Reagan an, das ist aber eine Irreführung. Die Amerikaner
wollen allen Abzug der SU-Raketen, aber die amerikanischen Raketen in
GB und in Frankreich bleiben bestehen und das sei eine einseitige Ent-
waffnung der SU, ein neues Abkommen sei dringendst notwendig. Die SU
wird konstruktive Positionen beziehen und strategische Waffenverhand-
lungen führen, die auf eine Reduzierung hinauslaufen. Auch die Wiener
Gespräche lassen keinen Lichtstrahl sehen sondern beschäftigen sich nur
mit Randfragen. Auch dort ist man über eine Reduzierung der Truppen in
Europa nicht gesprächsbereit. Die SU hat in der DDR 20.000 Mann und
10.000 Panzer freiwillig zurückgezogen, die Amerikaner haben in Deutsch-
land zwei neue Kampfbrigaden installiert. Die Helsinki-Nachfolgegesprä-
che in Madrid sind ins Stocken geraten, die NATO-Länder blockieren sie.
Die SU wird aber die Helsinki-Schlußakte nicht zulassen, daß sie unter-
graben werden, die Vorschläge der Neutralen insbesondere Österreichs
waren eine gute Grundlage. Naher Osten, die SU hat ähnlich die Position
wie Österreich, Camp David könne keinen Frieden bringen, haben nur den
israelischen Appetit geschürft . Notwendig ist die Beseitigung der Israel-
Vorteile, zweckmäßig wäre eine internationale Konferenz aller interes-
sierten Staaten.
Die SU weiß den Kurs Kirchschläger - Kreisky sehr zu schätzen, auch der
Ost-West-Dialog, die SU sei zur Zusammenarbeit bereit.
Kirchschläger erwiderte, daß er sich für die Einladung bedankt, die SU
ist groß, Österreich klein, aber trotzdem schätzen beide die Gleichberech-
tigung. Die Zusammenarbeit zwischen den beiden Staaten ist eine Doku-
mentation nach außen, wie auch verschiedene Gesellschaftssysteme gut
auskommen können und das sei ein Ansatzpunkt, daß einmal doch Frieden
herrschen wird. Wir führen auch eine offene Politik ohne Geheimnisse.
Zu bilateralen Fragen übergehend der Staatsvertrag die immerwährende Neu-
tralität sei die beste Grundlage. Österreich hat damit gute Erfahrungen
in den letzten 27 Jahren gemacht und es gibt ein gutes Vertrauensverhält-
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nis zu den Staatsvertragssignataren. Die Neutralität Österreichs aber
könne hauptsächlich in Zeiten der Entspannung am besten gedeihen. Der-
zeit gibt es einen höchsten Auftragsstand der SU in Österreich, er be-
grüßt die Grundeinstellung österreichische Angebote genau zu prüfen.
Bei einer Vorbesprechung hat Krichschläger mich über einzelne Projekte
gefragt und sie dann auch tatsächlich vorgetragen. VÖEST-Alpine, das
große Stahlwerk Zlopin sein ein Beweis der guten Zusammenarbeit, Schiffs-
werft Korneuburg bittet jetzt um das vierte Schifft, die VÖEST-Alpine
will sie auch bei Erdgaspipeline weiter im Gespräch bleiben, SDP hat
die forsttechnischen Maschinen für das Windwurfgebiet in Kallilen be-
reit und möchte dort die Aufarbeitung durchführen, mit dem aufgearbei-
teten Holz könnte dieses Geschäft bezahlt werden. Elin bittet um Vibrato
und Getriebeprüfanlagen, Voith um Papiermaschinen, Chemie Linz um Gips-
Schwefelanlage und zuletzt bedankte sich Kirchschläger auch noch über
die Konsumgütereinfuhren, wo z.B. bei Schuhen es eine große Bedeutung
ausmacht. Kirchschläger übergab dann auch eine in Russisch von unserem
Handelsrat Draszczyk verfertigte Liste. Die Breschnew sofort an Tichonow
weitergab mit der Bemerkung man wird die zusätzlichen Angebote prüfen.
Damit war für mich die wichtigste Arbeit erledigt, denn durch die Über-
gabe dieser russischen Listen, die Tichonow sofort studiert hat und die
ich dann noch, da Patolitschew erkrankt ist, dem ersten Vizehandelsmini-
ster Komarow noch während der Sitzung übergab, wurden sozusagen von oben
unsere Hauptprojekte zur Prüfung weitergeleitet.
Kirchschläger sprach dann über die Weltlage und meinte, diese Entwicklung
hat größte Bedenken und Österreich bringt es überall zur Sprache. Er
versteht die sowjetischen Sicherheitsinteressen, die bei allen Verhand-
lungen eine große Rolle spielen, aber er hofft auf eine gut vorbereite-
te Begegnung Breschnew - Reagan, und Österreich liegt daran sehr viel. Die-
ses Gespräch bietet die letzte Möglichkeit, einer drohenden Entwicklung
Einhalt zu gebieten, und in Österreich weiß man dies sehr zu schätzen.
Es geht aber erstens einmal prinzipiell, daß diese Begegnung zustande
kommt und zweitens ist dann der Ort sekundär, aber Österreich wäre als
neutraler Staat sehr glücklich, wenn es bei ihm stattfinden könnte. Er
bittet um Verständnis, daß er sich nicht zur US-Politik äußert, dort
gibt es aber psychologische Gründe und man müsse auf allen Ebenen über
dieses Problem reden. Nur diese beiderseitigen Gespräche könnten ein Ver-
trauen schaffen, ob diese Gespräche dann in Genf oder Wien stattfinden
sei nicht so wichtig. Die Madrider Konferenz soll im Herbst positiv fort-
gesetzt werden, die Meinung Kreiskys ist die selbe wie von Kirchschläger,
es muß bis zur Wiederaufnahme im November bessere Grundlagen geschaffen
werden. Die Situation in Polen spielt dabei eine große Rolle wie auch die
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Nachrüstung in Europa. Österreich wird alles tun um die Entspannung
wieder herzustellen, da Österreich sonst in die Auseinandersetzungen hi-
neingezogen wird. Es ist daher Österreichs egoistisches Interesse auf-
grund seiner geographischen und politischen Lage, daß es wieder zur
Entspannung kommt.
Bezüglich der Politik im Nahen Osten ist die Beurteilung sehr ähnlich,
nur um Nuancen verschieden. Camp David sei doch eine Friedensmöglichkeit,
notwendig sei es den iran-irakischen Krieg zu beenden, alle Konflikt-
herde hängen zusammen, auch Falkland könne man nur schwer verstehen. Die
UNO als Friedensorganisation müßte man stärken und Wege aus dem Wellen-
tal finden um international herauszukommen. Alle europäischen Staaten
wollen dies und alle sind an einem Treffen Breschnew - Reagan im Herbst
interessiert.
Bezüglich Detailfragen übergab Kirchschläger 9 Besuchsreisen, 11 Familien-
zusammenführungen und eine Repatriierung, Breschnew hat sie sofort
Gromyko weitergegeben und dieser meinte nach sowjetischen Recht wird da
zu beurteilen und zu entscheiden sein. Da wir knapp vor der Sitzung noch
ein Kabel bekommen haben, daß die Telefonleitungen drastisch reduziert
werden sollen, von 24 auf 5 mit 1. Juli, hat Kirchschläger dies auch ange-
schnitten. Breschnew und Tichonow meinten, davon wüßten sie nichts, das
könne sich nur kurzfristig um eine technische Frage handeln, Gromyko
machte die Bemerkung, wenn gute Gespräche sind, werden die Leitungen vor-
handen sein und für Beschimpfungen sind sie sowieso nicht nötig. Gromyko
war überhaupt während der ganzen Verhandlung, und wir mir Pahr auch nach-
her bei seinem Detailgespräch erzählte, sehr aufgeräumt und sehr humor-
voll. Da Gromyko sonst immer sehr grantig ist, ist dies besonders aufge-
fallen. Kirchschläger ersuchte dann auch noch für die Televisionsproduk-
tion von Portisch über die zweite Republik, daß das Filmarchiv in Krasno-
gorsk Unterlagen zur Verfügung stelle. Breschnew bemerkte auf ein Flü-
stern von Tichonow, wird schon bearbeitet. Kirchschläger hat dann einen
sehr guten Schlußsatz gefunden, bei der Kranzniederlegung hat er darüber
nachgedacht, daß die österreichische Hymne gar nicht ohne die sowjeti-
schen Soldatenopfer heute erklingen könnte.
Breschnew hat dann sofort wieder von seinem Statement runtergelesen, es
besteht Übereinstimmung der Meinungen über die derzeitige Situation und
über die Zukunft, beide Seiten seien daran interessiert, an guter Zusammen-
arbeit, an internationalen Fragen Entspannung herbeizuführen und das Wett-
rüsten zu zügeln. Das Anbot nach Wien nimmt die SU mit Dank zur Kenntnis,
aber sie hat Helsinki und Genf schon genannt. Von Amerika gibt es bezüg-
lich dieses Zweiertreffens noch keine Antwort, dann wird man auch endgül-
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tig über den Ort zu entscheiden haben. Die Aussprache sowie alle ande-
ren Begegnungen verlief ungeheuer freundlich und zeigte eindeutig, daß
die SU an der Österreichischen Politik nicht nur im Prinzip nichts aus-
zusetzen hat, sondern auch an einer Fortsetzung sehr interessiert ist.
Da die Sowjets selbst vorgesehen hatten, daß Außenminister Pahr mit
Gromyko und ich mit dem ersten Vizeminister Komarow durch die Er-
krankung Patolitschews verhandeln sollte, wurde auf die Detailgespräche
verwiesen.
Bei dem Österreich-Empfang in der Botschaft hatte ich Gelegenheit,
mit den österr. Firmenvertretern in Moskau, aber auch mit den an-
wesenden Firmeninhabern, wie z.B. Herrn Högl, der jetzt größere
Mengen von Schuhen wieder in die Sowjetunion liefern kann, sozusagen
die Listen noch einmal durchzugehen und Vorgespräche zu führen. Insbe-
sondere wurde dann beim Außenhandelsministerium eine Sitzung, an der
auch Vizeminister Manschulo und drei Österreich-Referenten teil-
nahmen, wurden die ganzen aktuellen Kompensations- und Kooperations-
vorschläge und Lieferwünsche durchbesprochen. Nach sowj. Ziffern, die
ja viel genauer sind, als die österr., haben wir für das Jahr 1982 bis
1985 585 Mio. Rubel Lieferungen bereits abgeschlossen und 300 Mio. Rubel
sind in Verhandlung. 1982 für Maschinen, Anlagen und Schiffe 147 Mio.
Rubel, 1983 233 Mio. Rubel, 1984 178 Mio. Rubel, insgesamt also 558 Mio.,
dazu dann aber noch ein Schwimmkran, der bereits jetzt fixiert ist.
Darüber hinaus wird 1982 die VÖEST-Alpine Walzgut 605.000 to für 160
Mio. Rubel liefern, 81 waren es 574.000 to mit 148 Mio. Rubel. Der von
der VÖEST-Alpine gewünschte Vertragsverlängerung für Dupiens , also
Rohre für die Ölfelder, der erst 83 anlauft, kann dann erst verlängert
werden, bis die ersten Testversuche der Lieferungen vorliegen. Derzeit
ist bis 86 ja der Vertrag fixiert.
Darüber hinaus hat Komarek angeboten 400.000 bis 500.000 to oxydierte
Belez mit 65 bis 66 % Eisengehalt, die VÖEST-Alpine soll sich endgültig
jetzt entscheiden.
ANMERKUNG FÜR MARTIN: Bitte sofort mit Apfalter verbinden.
Bezüglich Kabellieferungen hat die Sowjetunion 1981 7 Mio. Rubel Vor-
griff auf 82 gemacht. Ich habe sofort urgiert, ob man nicht für 82
wieder einen Vorgriff auf 83 machen könnte, weil angeblich kein zu-
sätzlicher Bedarf notwendig ist.
ANMERKUNG FÜR Martin: Bitte mit Wolfsberger verbinden.
Bauleistungen kommen für den Industriebau in Frage, doch auch hier
wird man abwarten, wie die Bauleistung der VÖEST-Alpine für das
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Stahlwerk Szlobin erbracht wird. Es gibt Möglichkeiten, auch
schlüsselfertige Zellstoffpapier-Kombinate usw. zu liefern, wo
entsprechende Bauleistungen auch dabei sind, doch auch hier wird man
erst abwarten, wie die ersten Erfahrungen mit den Bauleistungen bei
der VÖEST-Alpine in Szlobin enden. Hotelbauten kommen in Zukunft
nicht in Frage, sie sind unwirtschaftlich, ein Ausbau der Industrie-
häfen, insbesondere Izmaili ist dagegen möglich.
ANMERKUNG FÜR MARTIN: Bitte mit GD Herbeck, Porr, verbinden.
Die österr. Zulieferwünsche zu den Erdgaspipelines, Kompressoren-
stationen usw. haben kaum eine Aussicht, weil es dafür keine
Referenzen gibt. Der Hinweis, daß die VEW jetzt eine französische
Lizenz haben, hat die Sowjets davon nicht überzeugt. Es wird zwar
jetzt in Zukunft ein Symposium stattfinden, wo über die österr.
Leistungen berichtet wird, doch kommt dies alles schon zu spät.
Die Sowjets haben bereits für die gesamte Pipeline entsprechende Ver-
träge abgeschlossen, die auch durch ein Boykott der Amerikaner nicht
mehr beeinflußt werden können. Eine Möglichkeit gibt es aber, Werk-
zeugmaschinen, Komplettierung von Ferngasleitungen usw. in einem
größeren Ausmaß vorzunehmen. Derzeit werden 8 – 11 Mio. Rubel jährlich
an Werkzeugmaschinen und Spezialmaschinen exportiert, in Hinkunft
werden 45 Mio. Rubel zur Verfügung stehen und könnten verhandelt
werden.
ANMERKUNG FÜR MARTIN: Bitte mit GD Dautzenberg, Heid, verbinden.
Bezüglich der 15 Steyr-Holzbringungsmaschinen mit Mannschaft, die
in 6 Monaten ungefähr den Preis für diese Maschinen durch entsprech-
ende Windwurfholz abgezahlt hätten, bemerkt Komarow, daß in der Nähe
eine Zellstoff- und Papierstoffkombinat-Fabrik Sloka befindet, die
jetzt aus dem Fernen Osten mit Rohstoff versorgt werden muß. Die
Steyr-Holzbringungsmaschinen seien vom Oktober 81 bis März 82 in
Krasnota , Kaukasus erprobt worden und es gäbe noch offene technische
Probleme.
ANMERKUNG FÜR MARTIN: Bitte mit GD Malzacher verbinden.
Die große Wunschliste für Zulieferung der Erdgaspipeline-Projekte
von einem Dutzend österr. Firmen gibt es keine Chance. Die Gasturbinen
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bis 25 kW kann Österreich nicht erzeugen. Die Kompressoren wurden
schon gekauft, die Röhren mit 1.420 mm Durchmesser können von Österreich
nicht geliefert werden. Die Planierraupen mit 510 PS können nicht er-
zeugt werden, die Rohrverlegungskräne aus Österreich seien nicht er-
probt und könnten aber auch nicht erzeugt werden, die Kugelhähne sogar
seien ebenfalls in dieser Dimension nicht vorhanden.
ANMERKUNG FÜR SC MARSCH: Was sagt die Industriesektion dazu?
Komarow hat dann zum Schluß aber besonders darauf verwiesen, daß die
ÖMV jetzt heuer mindestens soviel Gas und Öl beziehen müßte wie im
Vorjahr. 81 wurden 3,3 Mrd. m³ bezogen, heuer sollen es nur 2,6 Mrd.
werden, voriges Jahr wurden 1,6 Mio. to Öl gekauft, heuer sollen es nur
1,1 Mio. to sein. Darüber hat sich die Sowjetunion furchtbar bei mir
beklagt und insbesondere darauf verwiesen, daß jetzt neuerdings die
Verhandlungen über den vierten Gasvertrag im Mai abgeschlossen werden
sollten, jetzt wieder auf 20. Juni verschoben wurde. Ich habe, Gott sei
Dank gewußt, daß ein Teil dieses Verschiebens auf den Gen.Dir. Baranowski
von der Sojus-Gas zurückzuführen ist, weil er im Mai erkrankt war und
daher die Verhandlungen damals nicht zeitgerecht fortgesetzt werden
konnten. Komarow verwies darauf, daß das Gas ja nicht allein für Heiz-
zwecke, sondern insbesondere für die chemische Industrie von großer
Bedeutung ist, und die Sowjetunion erwartet, daß Österreich mehr be-
zieht.
ANMERKUNG FÜR MARTIN: Bitte mit GD Bauer verbinden.
Während des Festessens kam ich neben dem sowj. Schiffahrtsminister
Guschenko zu sitzen. Ich nützte natürlich sofort die Gelegenheit,
um ihm auf die unbefriedigende Regelung bezüglich der Holztransporte
auf der Gemischten Sowj.-DDSG-Gesellschaft und derzeit anhängigen
Verfahren zu informieren. Er erklärte, er hätte
davon schon gehört, wollte auf die Details aber nicht eingehen, hat
mir allerdings zugesagt, er wird sich das Ganze noch einmal vorlegen
lassen. Ich habe ihm auf den ungeheuren Schaden der österr. Firmen
hingewiesen und, daß jetzt unser Holzexport nach dem Irak nicht mehr
durchgeführt werden kann, weil die Iraker infolge der Nichtlieferung
der vereinbarten Holzmengen durch die sowj. Schiffahrt jedweden Holz-
import aus Österreich gestoppt haben. Ich habe über diese Verhandlung
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sofort auch den Handelsrat Draszczyk und unseren Botschafter Lieder-
mann verständigt und über dieses Gespräch entsprechend informiert,
mit der Bitte die ganze Angelegenheit weiter zu verfolgen.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte die österr. Firma von dieser Aussprache
verständigen.
Die sonstige Rußland-Reise verlief ganz programmgemäß und nach
strengem sowj. Protokoll. Erstmals habe ich im Kreml geschlafen,
dies ist die höchste Auszeichnung, die einem zuteil werden kann,
Pahr hätte ebenfalls ein Zimmer dort bekommen, da er aber bereits aus
China ein paar Stunden früher in Moskau eingetroffen ist, hat man ihm
zu verstehen gegeben, er kann aber erst im Kreml einziehen bis der
Bundespräsident sozusagen dort eingezogen ist. Pahr war darüber so
verärgert, daß er lieber ins Sowjetskaja, dem Hotel, wo auch die
Begleiter des Bundespräsidenten geschlafen haben, verblieben ist.
Die Reise nach Taschkent und Samarkand und dann auch die Stadtbe-
sichtigung in Kiew verlief ebenfalls so programmgemäß, wie es die
Sowjets wünschen. Am deutlichsten kam dies in Kiew zum Ausdruck,
dort hat man uns zur Kathedrale nur hingeführt, sie ist jetzt neu
restauriert, im Inneren gibt es interessanteste Fresken, die wir nicht
gesehen haben. Bei den Klöstern sind wir langsam vorübergefahren und
nicht einmal stehen geblieben. Bei der großen neuen Ausstellung aber
über den vaterländischen Krieg, die vorjahrs von Breschnew eröffnet
wurde, wurde eine detaillierte Führung zwar auch im Schnellzugstempo,
aber immerhin doch durchgeführt. Interessant für mich war dort, daß
insbesondere die Leistungen Breschnews, der in dieser Zeit in der
Ukraine Kommissar in einem Militärverband war, besonders herausge-
strichen wurde.
Da ich bereits zum zweiten Male in Taschkent gewesen bin, habe ich
Kirchschläger indirekt darauf vorbereitet, daß ich überzeugt bin, wir
würden in Usbekistan, Samarkand, so wie alle Besucher den berühmten
Umhang und das Kapperl bekommen. Kirchschläger meinte, das würde er
nur sehr ungern anziehen und aufsetzen, aber er konnte sich dann dieser
Geste nicht entziehen. Zum Glück waren, als ihm der Bürgermeister das
Kapperl am Kopf drückte, keine Fotografen anwesend, sonst wäre ein
Schnappschuß zustande gekommen, den Kirchschläger, wie mir auch
seine Begleiter immer wieder versicherten, gar nicht gerne hat, ent-
standen. Ich habe eigentlich volles Verständnis, daß das Staatsober-
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haupt mit Recht auf eine gewisse Würde größtes Augenmerk legt, was
ich mir als FV- oder Handelsminister leisten kann, kann ein Staatsober-
haupt wahrscheinlich nicht akzeptieren. Ansonsten verlief die Reise
wie ich sie erwartet hatte, Kirchschläger sagte immer zu Recht, das
ist keine Vergnügungsreise, weshalb man auch nicht die Punkte sieht
oder die Ausstellungen besuchen kann, die einen interessieren, sondern
eben das, was einem der Gastgeber zeigen will. Gerade in der Sowjet-
union ist dies am typischsten und am stärksten ausgeprägt. Ich glaube,
daß diese Reise ein voller Erfolg war, da sie nicht nur in einem sehr
guten Klima verlief, die Sowjetunion, insbesondere deren Führer neuer-
dings bestätigten, daß die österr. Politik in den letzten 27 Jahren die
richtige war, und daß aber insbesondere natürlich jetzt durch das
große Handelsbilanzdefizit des vergangenen Jahres, 13 Mrd. S bei 20 Mrd.
Import und 7 Mrd. Export die Sowjetunion sich in Hinkunft stärker anstrengen
wird, hier ein gewisses besseres Verhältnis herzustellen.
Natürlich wollten während der Fahrt die Journalisten, insbesondere
Rauscher vom Kurier, von mir immer wissen, wie Breschnew agiert, ist
er krank, ist er gesund, wie stark krank ist er, was macht er, wie
hält er sich. Ich habe mich genau gegenteilig verhalten, ich erklärte
dezidiert, ich habe ihn das erste Mal jetzt bei einer Verhandlung
getroffen und miterlebt, habe daher keinerlei Vergleichsmöglichkeit
und im übrigen sollen sie den Außenminister fragen, der viel mehr
Kontakt mit der sowj. Seite, insbesondere auch mit Gromyko hat.
Bei diesen Aussprachen habe ich mit Rauscher über die ganze Konzeption
des Kuriers gesprochen. Er ist der Meinung, daß es unzweckmäßig war,
das neue Gebäude bei der Südautobahn zu errichten, seiner Meinung nach,
hätte man eher in den einzelnen Ländern kleine Druckereien errichten
sollen oder welche kaufen, damit man dort schneller den Kurier drucken
kann und der Krone entsprechend Konkurrenz machen könnte. Die Redaktion
bleibt auf alle Fälle in der Lindengasse, verkauft wird nur die Druckerei
in der Seidengasse, sollte die Redaktion nämlich auch dort raussiedeln,
dann ist der Kurier seiner Meinung nach kaputt, da die Redakteure
nicht mehr den notwendigen schnellen Kontakt mit den Zentralstellen
in Wien haben.
Mit Primarius Leodolter habe ich dann in ihrem gemieteten Haus am
Wörthersee mich natürlich lange über die Regierungstätigkeit und
insbesondere wie es weitergeht unterhalten. Sie ist noch immer sehr
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emotionell an ihre ehemalige Tätigkeit gebunden, wahrscheinlich wird
es mir auch nicht anders ergehen. Beide stimmten wir allerdings überein,
daß unsere Arbeitsmethoden falsch sind, ein Minister hat viel zu viel
Verantwortung und arbeitet viel zu viel. Dabei vergeht die Zeit und damit
eigentlich auch sein Leben und selbstverständlich ist es dann letzten
Endes unbedankt. Wer dies allerdings von vornherein weiß, und ich
glaube, ich habe dies immer gewußt und auch immer so gesagt, kann nach-
her nicht allzu sehr enttäuscht werden.
Tagesprogramm, 25., 29.5.1982
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)
Tagesordnung 134. Ministerratssitzung, 25.5.1982
65_0628_03hs. Notizen (TO Ministerratssitzung Rückseite)
Gedächtnisprotokoll (?) Burian Vorsprache ABV, 28.5.1982