Mittwoch, 17. November 1982
Der Chefredakteur Horschitz vom Wirtschafts-Kurier in München hat
in seinem Interview sich auf wenige spezifische Fragen zwischen
Bayern und Österreich beschränkt. Am meisten interessierte er sich
für die Stellungnahme Österreichs zum Rhein-Main-Donau-Kanal, er meinte,
man könnte sogar mit finanzieller Unterstützung Österreichs einen
bayrisch-österreichischen Vertrag zur Beendigung des Kanals schlie-
ßen. In diesem Fall erwähnte er vom wirtschaftlichen Standpunkt aus
gesehen die uralte Idee einer Donauföderation, ich ersuchte ihn dies,
da ich sofort negativ auf solche Ideen, wenn auch sehr höflich, rea-
gierte, nicht zu publizieren, weil er dadurch der Idee des Kanals
und dessen Verwirklichung nur schaden könnte.
Der bulgarische Botschafter Georgiew ersuchte mich als Vorsitzender
der bulgarisch-österreichischen Gemischten Kommission um Interven-
tion beim Verkehrsministerium, damit die Vereinbarung von Balkan Air
mit der AUA über Chartertarife von Österreich nach Bulgarien von
1.950 auf 2.000 S erhöht werden könnte. Ich erklärte sofort, ich werde
mit der AUA darüber sprechen.
Dir. Papousek und sein Frachtfachmann Kotrba erklärten mir dann, daß
die übergebene Note die Situation falsch darstellt. Balkan Air und
AUA hatten sich bereits geeinigt. Jetzt wollen sie noch einmal eine
weitere Verbesserung ihrer Position durch eine falsche Intervention
erreichen. Ich habe abends dann dem bulgarischen Botschafter von
dieser Einigung Mitteilung gemacht und ersucht, er sollte sich direkt
mit den beiden Herren der AUA zusammensetzen, was dann auch geschehen
ist.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Das Ergebnis der Aussprache nach Erhalt des
Berichtes der AUA dem Verkehrsministerium mit dem Memorandum über-
mitteln.
Bei der Ankunft des tschechischen Staatspräsidenten Dr. Husak waren
ungewöhnlich starke Sicherheitsmaßnahmen vorgesehen. Etliche Organisa-
tionen hatten Protestkundgebungen beabsichtigt, manche auch dann
tatsächlich durchgeführt. Die Zeitungen berichteten über diesen Besuch
bis jetzt einigermaßen erträglich, der Kurier mit einem Interview
eines Dissidenten, der Husak als Galionsfigur bezeichnete. Niemand
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weiß aber in Wirklichkeit, ob nicht gerade der neue Kremlchef
Andropow, der angeblich Kadar in Ungarn ebenfalls eine liberalere
Politik macht, auch in der CSSR gegenüber dem härteren Zentralsekre-
tär Bilak, den Staatspräsidenten Husak mehr beschützen will. Wir
können an einem liberaleren Kurs nur interessiert sein.
Mit dem mitreisenden Außenhandelsminister Urban und seinem SC Keller
hatte ich dann in ihrer Residenz im Imperial ein Arbeitsessen, dort
konnte ich aufgrund der von mir ihm übergebenen österreichischen
Schwerpunktliste insbesondere auf die Crackanlage, Anbotswert ca.
2 Mrd. S, der VÖEST-Alpine verweisen. Ich habe erklärt, daß man in
Österreich stets bei so großen Staatsbesuchen erwartet, daß auch ein
großes Projekt sehr konkret besprochen und womöglich gleich abgeschlos-
sen wird. Dies war z.B. beim letzten Besuch des deutschen Staatspräsidenten Honecker ebenfalls der Fall. Hier haben angeblich im Flug-
zeug nach Wien der im Politbüro zuständige Dr. Mittag mit Honecker
endgültig ihre Zustimmung gegeben, um eben einem solchen Staatsbesuch
die notwendige wirtschaftliche Unterstützung zu geben. Urban meinte,
die übrigen 5 Offerenten seien mehr oder minder schon ausgeschieden,
der Preis von 3,2 Mrd. Tschechenkronen aber sei noch zu hoch, es
müßte ein Preis unter 3 Mrd. vereinbart werden. Gleichzeitig erwartet
er eine Reziprozität, wir würden sagen, eine Kooperation zwischen
VÖEST-Alpine und CSSR-Betrieben.
Ich habe über diesen Punkt dann sofort mit Apfalter gesprochen, der
ein eigenes Memorandum für Kreisky verfaßt hat, daß ich dieses
Memorandum Urban übergeben sollte.
Der weitere wichtige Punkt war die Reduzierung der Schnittholzimporte
nach Österreich. Urban erklärte zwar, er könne die österreichische
Argumentation, daß damit der österreichische Markt gestört wird, bei
nur 6 % Anteil nicht akzeptieren. Für mich war aber entscheidend, daß
er letzten Endes dann zustimmte, für das Jahr 82 maximal 400.000 Fest-
meter, die bereits alle geschlossen sind, zu liefern, die Detailauf-
stellung wird er mir noch zukommen lassen, für 83 ist er bereit eine
operative Senkung nach Bedürfnis der Länder vorzunehmen. Ein Selbstbe-
schränkungsabkommen lehnte er allerdings aus für mich verständlichen
Gründen ab.
Zu den einzelnen Punkten unserer Wunschliste wird er noch im Laufe
des Aufenthaltes nach telefonischer Rücksprache mit Prag konkret
Stellung nehmen.
Gleichzeitig überreichte er mir jetzt eine Schwerpunktliste der
tschechoslowakischen Wünsche, die Tschechen haben also meine jahr-
zehntelang geübte Methode jetzt übernommen. Ich habe sofort die
Handelskammer und alle beteiligten Firmen davon verständigt und zu
meiner Freude noch bis spät abends dann die notwendigen Informationen
entweder über Dr. Gleißner, unserem österreichischen Handelsdelegierten
in Prag, Winkler, und Marboe erhalten. Auch Haffner ist es geglückt
mit Firmen Kontakte aufzunehmen und auch Informationen zu bekommen.
Die zuständige Sektion ist nämlich durch Kur und Krankheit der betref-
fenden Referentinnen und Referenten ausgefallen.
Beim Abendessen hat Außenminister Pahr mir und Landwirtschaftsminister
Haiden mitgeteilt, Außenminister Chnoupek hätte ihm erklärt, die Tscheche
würden mehr als die 70.000 to Mais und 100.000 to Weizen noch kaufen.
Haiden mußte ihm bestätigen, daß er keine offenen Mengen mehr hat,
was ich die ganze Zeit schon vermutete und daher ein solches Angebot
erst gar nicht stellte.
Die Schwerpunktliste der Tschechen habe ich dann abends mit Außenhan-
delsminister Urban nur andeutungsweise besprochen, Bundespräsident
Kirchschläger beabsichtigt nämlich am nächsten Tag eine eigene Ar-
beitsgruppe für Wirtschaftsfragen einzusetzen. Ich berichtete Kirch-
schläger nämlich über die bisherigen Arbeitsgespräche, Kirchschläger
war damit sehr zufrieden, meinte aber, er bräuchte diese Wirtschafts-
kommission, damit auch eine zweite Kommission für humanitäre Fragen
gebildet werden kann. Mit dieser eher ungewöhnlichen Vorgangsweise
will er bei den Tschechen mehr als vielleicht sonst üblich erreichen.
Dir. Brandtner, Fa. Grundig, hat nach Rücksprache mit Max Grundig vor-
geschlagen, man soll für eine geringere Anzahl von Farbfernsehröhren,
die sie aus Japan importieren müssen, den vorgesehenen Zoll von 15
% auf 5 % senken. Ich habe sofort versprochen mit dem Philips-GD
Lap darüber Verhandlungen aufzunehmen. Brandtner glaubt nicht, daß
es gelingen wird zu einem Kompromiß zu kommen. Im bayrischen Fern-
sehen hat er gehört, daß die Fa. Grundig mit der französischen Firma
Thomson-Brandt eine große Kooperation bei der sogenannten Braunware
beabsichtigt.
ANMERKUNG AN MARSCH UND HAFFNER: Was wissen wir davon?
Die Kunstemailschalenproduktionsfirma ARTA hat im 2. Bez. eine Pro-
duktionsstätte, auf einer anderen Adresse wieder ein kleines Büro,
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alles nur mit Hilfe von Hausbesorgern zu finden. Trotzdem habe ich
gerne das Staatswappen auch bei den paar Beschäftigten persönlich
dem Besitzer überreicht, da ich diese Emailwerkstätte selbst gerne
anschauen wollte. Überrascht war ich, als ich ein sehr lustig ge-
maltes Karikaturteller von mir über Wanderbares Österreich neben
einer emaillierten Rauchergarnitur bekommen habe.
Bei der Außenhandelstagung Westeuropa wurde von allen Handelsdele-
gierten festgestellt, daß die Exportbemühungen dort jetzt auf frucht-
baren Boden stoßen und bei oft gleichbleibenden Importen unsere Ex-
porte wesentlich erhöht werden können. Wir sind allerdings bei fast
allen westeuropäischen Staaten passiv. Eine besonders lange Diskussion
nahmen die jetzt von der französischen Regierung erlassenen nichttarifa-
rischen Hemmnisse wie nur Verwendung der französischen Sprache,
Einschränkung für die Zollabfertigung auf Spezialzollämter, mitten
in Frankreich gelegen, für Videorecorder z.B. Dr. Gleißner und
Handelsdelegierter Lukas werden mit dem Handelsministerium unverzüglich
jetzt alle einzelnen Maßnahmen und unsere Gegenmaßnahmen besprechen,
die sie mir dann vorschlagen werden.
Der Vorstand und auch die Betriebsratsobleute von Gräf & Stift
sprachen bei mir vor, um mir mitzuteilen, daß die Fa. MAN, die bis jetzt
bis 600 LKW im Jahr in Österreich, allerdings unter Zulieferung von
ihren eigenen Bestandteilen und teilweise durch Produktion öster-
reichischer Bestandteile, diese LKW hier zusammenbauen ließ, nächstes
Jahr keinen LKW nach Österreich in Auftrag geben kann. In München
stehen 300 LKW noch immer im Hof auf Lager. In Deutschland, aber auch
in Österreich, ja sogar weltweit haben jetzt die Volvo und Scania durch
die 16 %-ige Abwertung der Schwedenkrone einen ungeheuren Verkaufs-
vorteil. Verteidigungsminister Rösch hat ihnen zugesagt, er könnte
entsprechende LKW für das Bundesheer kurzfristig kaufen, wenn der Finanz-
minister die zusätzlichen Budgetmittel dafür bereitstellen kann.
Gräf & Stift müßte ansonsten von den 1000 Beschäftigten 1/4 abbauen.
Ich erklärte mich zu jeder Unterstützung der Firma bereit, wir einigten
uns sofort darauf, daß ich die notwendigen Unterlagen auch für ein
militärisches Fahrzeug bei meiner Reise nach Saudi-Arabien und den
Golfstaaten für Gräf & Stift mitnehmen und dort verteilen werde.
Erfreulich bei dieser Aussprache war nur, daß GD Daimer mitteilte,
sie hätten sich jetzt mit SDP über den gemeinsam geplanten österreichi-
schen Postautobus geeinigt. Wäre eine solche Einigung nicht zustande
gekommen, hätte ich GD Übleis vorgeschlagen gegebenenfalls die not-
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wendigen Busse bei wesentlich geringeren Preisen zu importieren.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER : Bitte mit Übleis verbinden.
Staatssekretär Beil, Botschafter Schramm und sein Österreichreferent
Reh besuchten mich, um die im Kreisky-Mittag-Abkommen vorgesehenen
Abschlüsse auch mir neuerdings zu bestätigen. Zusätzliche Konsumgüter
wie 3 1/2 Mio. Mark Pralinen, wie die Deutschen sagen, 5.000 hl
Flaschenweine wurden von ihm besonders erwähnt, überrascht war ich
zu hören, daß sie noch um weitere 3 Mio. Mark Süßwaren kaufen würden,
wenn die österreichische Industrie und insbesondere die Österreichische
Kontrollbank dies finanzieren würde.
Der Grund seiner Intervention bei mir war aber primär, daß, wie mir
Apfalter vorher schon mitteilte, die ersten 400.000 to Öl mit einem
Zahlungsziel von 270 Tagen von der DDR-Seite akzeptiert würden, die
zweiten 400.000 für das nächste erste Halbjahr muß Beil aber auf
die vereinbarten 360 Tage Ziel bestehen. Ich erklärte ihm, daß ich
bereit bin mit Apfalter zu versuchen einen Ausweg zu finden. Die
Widerstände aber gegen diese Ölkreditierung in Österreich werden immer
stärker, ich konnte ihn auf die diesbezüglichen Artikel in der
Kronen-Zeitung und im Profil verweisen. Beil sagte, vor einem Jahr war
die Finanzsituation in der DDR viel schlechter, jetzt haben sie die
Importe gebremst, kriegen mehr Einnahmen aus den deutsch-deutschen
Verkehr und sind pünktliche Zahler.
Dieses Problem habe ich dann abends beim Empfang des Bundespräsidenten
mit dem Präs. der OeNB, Koren, besprochen, ohne über Details mit ihm
zu reden. Koren erklärte rundweg, die Nationalbank kann einer Erhöhung
des Kreditrahmens, ja überhaupt einer weiteren Abwicklung der Ge-
schäfte wie bis jetzt nicht zustimmen. Da ich ihn immer wieder fragen
welchen Ausweg er dann hatn und er immer nur meinte, dann könne man
die VÖEST-Produkte gleich in die Donau werfen, das sei genau das
selbe Ergebnis, gerieten wir, obwohl wir alte Studienkollegen sind,
hart aneinander. Niemand kann nämlich aus dieser verzwickten Finanz-
situation nicht nur der Oststaaten, sondern auch der Entwicklungslän-
der und jetzt sogar auch insbesondere von Südamerika von der Banker-
seite anderes vorschlagen, als daß man eben dieses ganze Problem vor
sich herschiebt. Koren ist derzeit bei den Verhandlungen mit der Um-
schuldung von Jugoslawien besonders beschäftigt und meint, dort wird
es jetzt zum Krach kommen. Amerikaner werden keinerlei Unterstützung
geben und es werden damit wie ein Dominospiel alle anderen Oststaaten
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auch früher oder später, er glaubt sogar früher, umfallen. Koren meint,
innerhalb von 2 Monaten, auf alle Fälle vor der nächsten Nationalrats-
wahl, wird uns das Ganze auf den Kopf fallen. Ich teile diese Meinung
nicht und erklärte, wir werden ja sehen, wie es jetzt weitergeht. Eine
so harte Auseinandersetzung habe ich mit noch keinem Banker bis jetzt
gehabt.
Tagesprogramm, 17.11.1982