Mittwoch, 19. Jänner 1983
Im Nationalratsklub der SPÖ war ich sehr überrascht, daß Bundeskanzler
Kreisky nicht erschienen war und auch daher kein politisches Referat
gehalten wurde. Dies erkläre ich mir damit, daß Kreisky wahrscheinlich
sagt, beim Parteirat in Graz hat er am vergangenen Samstag alles schon
auch den Nationalratsabgeordneten mitgeteilt. Finanzminister Salcher
hat über das Maßnahmenpaket referiert, darüber gab es dann natürlich
eine sehr lange Diskussion immer wieder konnte ich feststellen, daß
natürlich die Abg. aber auch ich selbst gerne noch Details gewußt
hätten, da man bei den Diskussionen nicht nur mit den Gegnern, selbst
mit den eigenen Leuten, selbstverständlich mit neuen Detailfragen kon-
frontiert ist. Auf die Dauer kann es nicht gut gehen, wenn man hier
dann nur gefühlsmäßig Antworten gibt. Ich verstehe es auch nicht, daß
nicht schon längst ein detailliertes Informationspapier vorliegt,
Salcher erklärte nämlich, daß er in Wirklichkeit jetzt schon die ent-
sprechenden Gesetze ausgearbeitet hat und jederzeit in die Begutachtung
schicken kann. Klubobmann Fischer meinte das wäre das allerschlechte-
ste. Im Begutachtungsverfahren würden nur z.B. die ÖVP-geführten
Länder politische Stellungnahmen abgeben. In der Öffentlichkeit würden
dann von den Massenmedien diese Stellungnahmen ausschließlich als Pro-
paganda gegen uns verwendet werden. Dieses Begutachtungsverfahren würde
daher keine wirklichen neuen Erkenntnisse liefern, sondern eben nur
Propagandamaterial sein.
Auf die Frage an Salcher, wie es jetzt eigentlich mit der Finanzierung
des Konferenzzentrums steht, gab er zwar zurückhaltend aber dann doch
ein bedeutendes Detail bekannt. Da die arabischen Staaten, die sich
an der Finanzierung beteiligen, nicht bereit sind die Kredite, die sie
niedrig verzinsen so zu deklarieren wird eine Aktiengesellschaft mit
50 Mio. $ gegründet, die Aktien werden daher von diesen arabischen
Staaten mit aufgekauft, sollen ev. nach 20 Jahren dann von Österreich
rückerworben werden, in Form von Sonderdividenden wird dann über diese
Aktien die sehr niedrige Kapitalverzinsung erfolgen. Salcher meinte
dann, aber jetzt hätte er schon zu viel gesagt, die offizielle Finan-
zierung wird von Kreisky noch vor der Wahl verlautbart werden.
Der BRO der Waschmittelfabrik von Unilever hat beim Obmann der Chemie-
arbeitergewerkschaft, NR Teschl und mir vorgesprochen und um Unter-
stützung der beabsichtigten Exporte von 30.000 to Waschmittel in die
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SU ersucht. Ich habe ihm selbstverständlich jedwede Unterstützung
zugesagt, er wird seine Firmenleitung bitten, entsprechendes Schreiben
an mich zu richten.
In der LUGA und dann auch bei dieser Aussprache wurde die Idee von
Unilever erörtert, Bensdorp jetzt um 165 Mio. S an Suchard zu verkau-
fen. Dagegen wäre an und für sich nichts einzuwenden wenn nicht damit
die große Gefahr verbunden ist, daß Bensdorp in Tulln geschlossen wird
und von Suchard sozusagen nur der Name Bensdorp weiterverwendet wird.
In der Schokoladebranche kommt es zu einer immer größeren Konzentration.
U.a.hat jetzt doch die Fa. Ritter erreicht, daß das Sozialministerium
10 Mio. S Subvention gibt, 7 Mio. ISG-Beträge werden weiter gestundet,
unter diesen Umständen wird Ritter vielleicht doch die Fa. Walde in
Tirol mit 100 Beschäftigten übernehmen. In weiteren 2 1/2 Jahren soll
die Belegschaft um 50 aufgestockt werden, und der Betrieb mindestens
5 Jahre bestehen, ansonsten wird die 10 Mio. S Subvention fällig,
Ottmüller von Ritter wird jetzt seinem Aufsichtsrat berichten, Ritter
hat das große Interesse, Walde wegen des Vertriebsnetzes und der Ver-
triebsorganisation zu erwerben. Diese größte deutsche Schokoladefa-
brik möchte über Tirol sozusagen den österreichischen Markt erobern.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Mag. Mandl hat übernommen die Einzelheiten
zu recherchieren.
Aufsichtsratspräsident von den Tauernkraftwerken ersucht mich, daß
wir vor April den Aufsichtsrat nach Ausscheiden des SPÖ-Mitgliedes
Kettl komplettieren. Von den 8 Bundesvertretern sind jetzt 3 aus Salz-
burg und einer aus Tirol, dazu kommen dann noch die 4 Ländervertreter,
so daß eigentlich, obwohl der Bund weit über 90 % Aktien besitzt, ver-
hältnismäßig schlecht vertreten ist. Die Salzburger wollten zuerst an-
stelle Kettl einen unmöglichen Gemeinderat nominieren, LH-Stv. Moritz
hat dann aber eingesehen, daß dies so nicht geht und wäre bereit den
NR-Abg. Schmidt anstelle von Kettl zu akzeptieren. Ich selbst wollte
aber den Aufsichtsrat entsprechend durch Herausnahme eines ÖVP-Vertre-
ters reduzieren. Ich habe die Idee dem GD Fremuth von der Verbund, der
ja auch die Interessen des Bundes im Aufsichtsrat entsprechend zu ver-
treten hat, mitgeteilt. Fremuth wird jetzt versuchen zu einer mir ak-
zeptablen Lösung zu kommen.
ANMERKUNG FÜR GROSSENDORFER. Bitte Bock von der Aussprache mit Fremuth
informieren.
Der türkische Botschafter hat mir den Vorschlag unterbreitet, daß auf
meine Einladung in der zweiten Februarwoche der Minister für Fremden-
verkehr und Kultur nach Österreich kommen will. Ich habe ihm sofort
mitgeteilt, daß ich diesen Termin für unzweckmäßig halte, weil durch
Vorverlegung der Wiener Wahlen ich bis 24. April mich um einen Gast
kaum kümmern kann. Ich habe dann nach Rücksprache mit dem GD Wallner
von der Spielbanken AG auf dessen Wunsch ich ja die Einladung ausge-
sprochen habe festgestellt, daß auch der daran interessiert wäre wenn
der türkische Minister später kommen sollte. Wir einigten uns darauf
ihn für Mitte Mai einzuladen.
ANMERKUNG PUR HAFFNER: Bitte über den zuständigen Sektionschef türki-
schen Botschafter Barutçu verständigen lassen.
Der neu gewählte Präsident des Fachverbandes der Textilindustrie
Hladik kam mit seinem Vizepräsidenten um sich vorzustellen und gleich
ihr Wunschprogramm zu besprechen. Interessant für mich ist, daß in
der Textilindustrie in den Unternehmungsleitungen viele Adelige,
Grafen, Barone usw. sind. Dies erklärt sich für mich aus der traditions-
reichen Geschichte der Textilindustrie, daß heute die Titel dort noch
verwendet werden, zwar dem Gesetz der ersten Republik widerspricht
mich aber überhaupt nicht stört, zeigt nur wie nostalgisch man dort
auch heute noch ist. Wir besprachen zuerst das Förderungsprogramm. Die
Textilindustrie möchte gerne, nachdem jetzt auch die Gebäude zur Förde-
rung einbezogen wurden, daß der Betrag von 80 Mio. auf 100 Mio. erhöht
wird, eine solche Zusage habe ich nicht gemacht, von vorne herein aber
habe ich abgelehnt, daß die Prämie von 10 % erhöht werden könnte.
Der Wunsch auch Produktgestaltung zu subventionieren erscheint mir
unmöglich, es sei denn die Aufwendungen dafür werden aktiviert. In
diesem Fall werden sie bereits jetzt in die Subvention einbezogen. Da
das Präsidium sowieso auch mit dem Finanzminister eine Aussprache hat,
werden sie diese Wünsche dort besonders besprechen.
Eine lange Diskussion gab es über die Diskriminierung der EG, Textil-
lieferungen insbesondere in die BRD werden jetzt immer schwieriger, weil
die EG Ursprungslieferung von den Deutschen aber insbesondere von der
Kommission in Brüssel genau kontrolliert wird. Die anwesenden Beamten,
insbesondere Michitsch von der Außenhandelssektion aber auch Grumbeck
und Krehlik von der Industriesektion, werden dieser Frage ihr besonde-
res Augenmerk zuwenden. Ich selbst erklärte mich sofort bereit, wenn
die Textilindustrie es will, Graf Lambsdorff einen entsprechenden Brief
zu schreiben. Das Präsidium möchte aber zuerst in der Bundeshandels-
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kammer die Diskussion mit der Bekleidungsindustrie über die Frage des
passiven Veredelungsverkehres erst ausdiskutieren.
Die 46. wirtschaftspolitische Aussprache fand im üblichen Rahmen statt.
Kramer vom Wirtschaftsforschungsinstitut analysierte die internationale
und dann auch die österreichische Wirtschaftsentwicklung und insbe-
sondere die Prognose für heuer. Daß sie sehr schlecht ausgefallen ist,
verwundert nicht. Aufgrund der vorliegenden Daten gibt es nicht viel
Hoffnungen, in Amerika aber und in Deutschland glaubt Kramer, könnte
man jetzt in nächster Zeit einen leichten Aufschwung erwarten. Am
monetären Bereich zeigen sich nicht nur durch bessere Börsenabschlüsse
in Amerika sondern auch durch entsprechende Zinssenkungen Anzeichen,
die zu einer Konjunkturbelebung führen könnten.
Nationalbankpräsident Koren ergänzte dann und hatte genau dieselbe
pessimistische Grundtendenz.
Finanzminister Salcher erörterte dann die Maßnahmen der österreichischen
Bundesregierung 1., 2. Beschäftigungsprogramm und jetzt auch das Maß-
nahmenpaket.
Die Diskussion begann damit, daß Präs. Sallinger feststellte, die
letzte wirtschaftspolitische Aussprache hätte im Dezember 81 stattge-
funden. Er kritisierte einige Maßnahemn, die dann noch von anderen Dis-
kussionsrednern der Handelskammer, Vizepräs. Seidl, aber auch von Indu-
striellenvereinigungspräsident Beurle sozusagen ergänzt wurden. Von
der Gewerkschaftsseite hatte sich nur Präs. Benya gemeldet und darauf
hingewiesen welchen Beitrag die Arbeitnehmer zu einer ruhigen Ent-
wicklung in Österreich geleistet haben. Die Diskussion war trotz des
Wahlkampfes eigentlich sehr zahm, fast würde ich sagen flau. Kreisky
versprach dann im Schlußwort, daß es in Hinkunft nicht mehr passieren
wird, daß über ein Jahr keine wirtschaftspolitische Aussprache statt-
finden wird. Schuld daran waren die Terminschwierigkeiten der einzel-
nen Teilnehmer, die immer wieder zu Verschiebungen geführt haben.
In der anschließenden Paritätischen Kommission wurden nur 3 Lohnbe-
wegungen freigegeben.
GD Beurle, nicht als Präsident der Industriellenvereinigung, sondern
als Brau-AG-Mann intervenierte dann bei mir, daß die 1 Mio. S, die wir
für die Umstellung auf Europaflasche für die nicht alkoholischen Ge-
tränke zur Verfügung stellen möchten, zu gering sei. Er erwartet minde-
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stnes 15 Mio. S, um die kostspielige Umstellung und damit den Kampf
gegen die Einwegflaschen erfolgreich bei ihm durchführen zu können.
Ich erklärte ihm sofort, daß nicht im entferntesten an einen so großen
Betrag zu denken ist.
ANMERKUNG FÜR MARSCH UND HAFFNER: Wie läuft die Sache jetzt bei uns.
Im Nationalrat gab es nach 2 Fragestunden, die sich hauptsächlich mit
dem Bundeskanzler beschäftigten und dieser wie ich teilweise selbst
beobachten konnte sehr aggressiv immer beantwortete, gab es dann eine
lange Diskussion über den Rechnungshofbericht 1981. Da in diesem Rech-
nungshofbericht insbesondere die wirklich unverantwortlichen Zustände
bei der ÖDK zur Sprache kommen, bin ich, sobald ein Redner auf dieses
Kapitel zu sprechen kam sofort auf die Regierungsbank geeilt. Während
der Sitzung mit Textilindustrie und Paritätischer Kommission hat mich
dankenswerterweise Staatssekretär Albrecht bestens vertreten. Da die
Sozialisten an den Finanzminister eine dringliche Anfrage wegen des
Maßnahmenpakets richteten, wurde um 4 Uhr die Sitzung stundenlang wie-
der unterbrochen. Die Partei hat an Salcher diese dringliche Anfrage
gerichtet, damit er die Möglichkeit hat das Paket öffentlich im Parla-
ment zu erörtern, hätten es nicht wir gemacht wäre sicherlich die
ÖVP mit einer dringlichen Anfrage gekommen. Auch hier gab es eine ver-
hältnismäßig harte Diskussion wie in einer Wahlkampfzeit auch gar
nicht anders zu erwarten ist.
Die Rechnungshofdebatte wurde dann abends fortgesetzt und spät abends
um 11 Uhr dann beendet. Als vorletzter Redner hatte dann noch der FPÖ-ler
Haider nicht nur die Zustände der ÖDK, wofür ich volles Verständnis
habe, kritisiert, sondern auch mich als Handelsminister angegriffen.
Er meinte, ich hätte längst schon Maßnahmen setzen müssen insbesondere
müßte man die Haftung des ehem. Vorstandes und auch der Aufsichtsräte
prüfen. Der ÖVP-Abg. Gorton hatte zuerst schon festgehalten, daß die
dort bezahlten Löhne und Sozialleistungen in Wirklichkeit Verschwen-
dung sind. U.a. kritisierte er, daß zu dem Unterausschuß z.B. auch der
jetzige Präsident des Aufsichtsrates Frühbauer und die zwei Direktoren
jeder in ihrem eigenen Auto von Klagenfurt raufgefahren sind, d.h.
3 Pkw diese Fahrt machten, die man sicherlich in einem hätte zurückle-
gen können. Haider wieder kritisierte dann auch, daß nach der Rechnungs-
hofberichtsvorlage der Vorstand in einem Rundschreiben den Mitarbeitern
mitteilte, es seien keine Punkte festgestellt worden, wo Unrechtigkei-
ten entscheidend sind. Haider meinte das sei eine Aufforderung, ruhig
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so weiter zu wirtschaften. Ich meldete mich daher um 11.00 Uhr nachts,
nachdem Haider als letzten Satz gesagt hat, Herr Minister was tun Sie,
und erklärte in einem Satz, die Maßnahmen sind eingeleitet, die Haf-
tung erfolgt aufgrund der bestehenden Gesetze. Vecsei, der noch um
11.00 Uhr dann erschien, meinte er hätte so gerne meine Erwiderung
gehört, ich glaube er war sehr enttäuscht aber sicherlich verwundert
als er von mir erfuhr, daß ich einen einzigen Satz gesagt habe. Mehr
konnte ich, nicht nur weil es so spät war schon, und wollte ich gar
nicht sagen, denn materiell waren die ganzen Kritiken, die vorgebracht
wurden, absolut begründet.
Tagesprogramm, 19.1.1983
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)