Dienstag, 5. April 1983
Der jugoslawische Botschafter Pesic brachte mir ein Antwortschreiben
des Finanzminister Florjancic als Vorsitzender der Gemischten jugoslawi-
sch-österreichischen Kommission wegen der Kooperationsverzögerungen.
Österreichische Firmen hatten sich bei mir beschwert, daß die jugoslawi-
sche Zentralstelle schon mit Betrieben vereinbarte Kooperationen nicht
bestätigte. Die einzelnen Fälle wurden dargelegt und der Grund der
Nichtbestätigung angeführt.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte Firmen sofort verständigen lassen.
Auch die Erleichterung der Depotpflicht für ausreisende Jugoslawen
insbesondere im kleinen Grenzverkehr, bisher 5, in Zukunft 12 Grenzüber-
tritte ohne Depot, wurden erwähnt. Ich habe dem Botschafter mitgeteilt,
daß ich mit der slowenischen Fremdenverkehrsministerin Mitic bei der
GAST über dieses Problem auch gesprochen habe und von den Erleichterun-
gen wußte. Trotzdem appellierte ich neuerdings an die jugoslawische
Seite die beabsichtigte begrenzte Maßnahme bis 31.12.83 nicht zu ver-
längern. Vom Botschafter wurde klargestellt, daß die Begrenzung von
der Regierung vorgeschlagen wurde. Der Verfassungsgerichtshof, der ja
wegen dieser Maßnahme in Belgrad angerufen wurde, hatte nämlich nur
festgestellt, daß eine solche Maßnahme begrenzt sein muß. Frankreich,
ein wesentlich reicheres Land als Jugoslawien, hat jetzt auch Begrenzun-
gen im Tourismus eingeführt.
Der Botschafter kam dann auf die Fragen der Finanzschulden zu sprechen.
Er hofft, daß Österreich einen Beistand Jugoslawien gewährt und insbe-
sondere bilateral entsprechende Maßnahmen setzt. Mit Großbritannien
hätten sie bereits ein Abkommen geschlossen, mit dem Internationalen
Währungsfonds und anderen seien sie jetzt in Verhandlungen. Ich sollte
bei Finanzminister Salcher wegen rascher Erledigung intervenieren. Das
jugoslawisch-österreichische Kontaktkomitee hat jetzt im Burgenland ge-
tagt und dort insbesondere über Drittländerkooperationen und über die
Kompensation, die jetzt in den letzten Jahren eingerissen ist, gesprochen.
Die Weizen-Kohle-Kompensation sollte nur vorübergehend sein, Jugoslawien
möchte einen langfristigen Vertrag von jährlichen Lieferungen von
800.000 bis 1 Mio. to.
ANMERKUNG FÜR GROSSENDORFER: Bitte diese Kohlenexportwünsche den Jugo-
slawen sofort überprüfen lassen.
Vor der Ministerratsbesprechung habe ich mit Staatssekretär Seidel, der
ja die ganzen finanziellen Fragen im Finanzministerium bearbeitet, über
die Umschuldung der Jugoslawen gesprochen. Österreich wäre bereit die
60 Mio. für Exportkredite und 40 Mio. für Finanzkredite sofort abzu-
schließen. Jetzt aber wollen die anderen Länder, daß doch die Regierungen
mit den Banken die staatsverbürgten und die anderen Kredite generell
umgeschuldet werden. Er erklärte mir, mit Jugoslawien gibt es jetzt
von den anderen Staaten stets neu aufzutauchende große Schwierigkeiten.
Er wird sich auf alle Fälle bemühen zu einer entsprechenden Lösung
zu kommen.
Mit Außenminister Pahr besprach ich die, wie wir beide ja sofort verlangt
gemeinsamen Proteste gegen die Reisebeschränkungen Jugoslawiens. Pahr
war auch sehr verwundert, daß es jemand gegeben hat, insbesondere Beamte
in manchen Ministerien, die ernstlich geglaubt haben, man könnte gegen die
Franzosen nicht protestieren. Pahr vertrat genau die selbe Meinung wie
auch ich, daß wir als neutraler Staat, wenn wir von irgendwelchen Maßnahmen
getroffen werden, sowohl gegen Osten als auch im Westen die gleichmäßige
Protestaktion starten müssen. Daß es über eine Aktion sowohl im Osten
als auch im Westen nicht hinausgehen wird resp. wir kaum Maßnahmen
dagegen ergreifen können, ist eine zweite Sache. Der größte Fehler wäre
aber gewesen, hätten wir gegenüber Frankreich geschwiegen.
Kreisky eröffnete die Ministerratsvorbesprechung, indem er Sozialmini-
ster Dallinger sofort ersuchte über die Arbeitsmarktsituation zu berich-
ten. Dieser hat dann nur die schon bekannten Märzziffern, 30.000 Arbeits-
lose weniger, davon die Hälfte Bauarbeiter, auch ein Rückgang der jugend-
lichen Arbeitslosen von 44.000 auf 37.700, berichtet. Noch immer mußte er
aber zugestehen, daß 36.000 Arbeitslose mehr Ende März waren als im Vorjahr.
Über die Aprilsituation kann er nichts sagen, die Wintersaison ist jetzt
zu Ende und niemand weiß jetzt schon, wie sich das Ende der Fremdenver-
kehrssaison auswirkt. Kreisky verwies dann nur darauf, daß im Ausland
die Arbeitslosenziffern nicht rückgängig sind, sehr zum Unterschied von
Österreich.
Kreisky meinte über die politische Lage könnte er nicht referieren, denn
es gibt keine politische Lage in Österreich. Was die Außenpolitik be-
trifft, möchte er doch jetzt einmal die komische Tour von Bundespartei-
obmann Mock kurz erwähnen. Begonnen hat diese mit dem Versuch die
USA gegen Österreich auszuspielen. Insbesondere der jetzt auf der Na-
tionalratsliste gut gereihte Khol, der Steiner, von dem Kreisky ja über-
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haupt nichts hielt, ausgestochen hat, versuchte mit Douglas und etlichen
anderen, die er nach Österreich gebracht hatte, die Außenpolitik zu kon-
terkarieren. Der zweite Schritt war dann die Vereinigung, der Mock vor-
steht, die europäische konservative Union. Der dritte war dann, daß er
den Regierungschef Reagan und seinen Gegenspieler nach Österreich einge-
laden hat. Jedermann fragte, wer ihn dazu ermächtigt hat. Viertens war
er dann Stolz Kohl nach Österreich eingeladen zu haben, mit dem er ja
jetzt wieder Gespräche geführt hat. Kohl hat sich aber im Fernsehen oder
der Presse überhaupt nicht geäußert. Der fünfte und schwerste Rückschlag
war, daß der Südtiroler Landeshauptmann Magnago die Südtirolpolitik
besprochen hat, erklärte, er sei mit dem Ballhausplatz sehr zufrieden, ins-
besondere mit Außenminister Pahr. Am lächerlichsten aber hat sich jetzt
der ÖVP-Abg. König gemacht, der die Schuld über die Weltwirtschaftskrise
den Sozialdemokraten und den Sozialisten in die Schuhe schieben will. Darüber
kann man ja allgemein nur lachen und die AZ hat ja auch eine entsprechende
Glosse darüber geschrieben.
Der Brief des Industriellen Gen.Sekr. Krejci an GM zeigt die positive
Einstellung der Industriellenvereinigung nicht zuletzt deshalb, weil sie
GM der Industriellenvereinigung beigetreten ist.
Mit den Bayern, CSU und BMW, gibt es jetzt schwere Auseinandersetzungen,
ursprünglich wollte nämlich BMW eine ganze Fertigung in die Nibelungen-
werke der SDP verlegen, das wäre für diese Produktionsstätte von unge-
heurer Bedeutung gewesen, dagegen aber hat sich die CSU mit allen Mitteln
gewehrt, weshalb jetzt diese Produktion in Regensburg aufgebaut wird.
Lanc berichtet dann über die gemeldeten Parteien für die Nationalrats-
wahl, SPÖ, ÖVP, FPÖ, KPÖ kandidieren mit den VGÖ in allen Ländern, die
Olah-Partei in Wien, Vorarlberg, Tirol und Steiermark, die Halt Ausländer
nur in Wien, diese Partei wurde zwar nicht registriert, dies hatte das
Innenministerium durch Einspruch verhindert, weshalb die Anmelder jetzt
beim Verwaltungsgerichtshof diese Frage anhängig machten, für die Wahl
aber ist es ganz uninteressant, wie dieser Streit ausgeht, denn mit den
notwendigen Unterschriften sind sie als wahlwerbende Gruppe automatisch
zugelassen. Lanc berichtet, daß in Vorarlberg vor Ostern ein mäßiger
Besuch bei seinen Versammlungen war, aber großes Interesse der An-
wesenden dann festzustellen war.
Staatssekretär Fast meinte, sie stelle wieder fest, daß die älteren
Leute die Zinsertragssteuer nicht verstehen und noch immer glauben, daß
es sich um eine Sparbuchsteuer handelt. Salcher erwiderte, daß eine Mei-
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nungsbefragung genau ergeben hatte, daß sich die Leute davon nicht be-
troffen fühlen und daß die Aufklärungskampagne, die eingesetzt, hat sich
sehr gut bewährt. Insbesondere der Hinweis, daß es bei der Kontrolle der
Automatenhersteller geglückt ist bei einem Schottergrubenbesitzer ein
Sparbuch über 40 Mio. S zu finden, wovon kein einziger Groschen Steuer
von ihm abgeführt wurde, gilt als typisches Beispiel. Kreisky meint, daß
die Zinsen jetzt allgemein sinken, weshalb die Frage der 100.000 S zum
Eckzinsfuß sehr aktuell wären. Salcher meinte, der Eckzinsfuß sei
tabuisiert, die Sparkasse, die Erste, GD Haumer, versucht jetzt gegen diese
Zinsertragssteuer die Banken mehr zu mobilisieren. Kreisky meint auch,
daß das Wahlverhalten wegen der Zinsertragssteuer wenig beeinflußt wird,
die große Gefahr bestehe wegen der allgemeinen Meinung, Kreisky wird
nach der nächsten Wahl sowieso Bundeskanzler sein. Man müsse daher
alles jetzt noch in den letzten drei Wochen mobilisieren.
Sekanina berichtete die Tagesordnung und meinte, der Wunsch des Landesver-
teidigungsministers im technischen Versuchsbeirat Punkt 18 anwesend zu
sein, wird von ihm akzeptiert.
Haiden berichtet über das ungeheure Presseecho, das die Seuche in Piber
ausgelöst hat. Er wurde während der Feiertage von Deutschland, Amerika
und natürlich den österreichischen Reportern ständig angerufen. Es hat
nie eine Nachrichtensperre gegeben, wohl aber hatte er versucht, daß das
Gestüt, bevor es dann offiziell gesperrt wurde, auch nicht von Journali-
sten überlaufen wird, die dann womöglich auch zur Spanischen Hofreit-
schule gleich nach Wien gekommen wären. Bis jetzt sind 8 Stuten und 28
Fohlen verstorben, noch gefährdet ist eine Stute mit zwei Fohlen, die
Zuchtbasis muß erweitert werden. Über die Impfung und die Maßnahmen
hat er einen mündlichen Bericht schriftlich dem Ministerrat vorgelegt.
Kreisky bemerkte dazu, wir sind scheinbar die einzige Regierung, die ein
solches Problem auf der Tagesordnung hat, seinerzeit hat es in Schwe-
den auch eine solche Seuche unter den Rentieren gegeben. Gustav V., der
damals schon sehr veraltert war, verstand immer, daß man die Tiere, er
verwechselte das mit den Lappen, eben in der Anzahl von so und so
viel Stück schlachten müsse. Gustav bemerkte dann nur, muß dies sein?
Dallinger urgierte dann auch zum Punkt Imissionsgrenzwerte-Verordnung, daß
das Sozialministerium, Arbeitsinspektorat, beigezogen wird.
Pahr verwies darauf, daß der Europarat 84 beabsichtigt eine Diskussion
über die Ergebnisse des Nord-Süd-Dialogs abzuhalten und dies nach Öster-
reich kommen würden, die Miete für die Konferenzräume in der Hofburg
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würde 750.000 bis 1 Mio. S kosten.
Salcher informierte dann, daß beim Konferenzzentrum wegen der Fa. Walter,
Steuerhinterziehung durch Unterschleife eines Mitarbeiters, nicht aus
der ARGE gekündigt werden kann und sollte. Die Finanzprokuratur hat
eindeutig festgestellt, daß das IAKW, also die Gesellschaft, davon nicht
berührt ist. Hier handelt es sich um reine Steuerhinterziehung.
Beim AKH hat die ARGE Kernbau 78 Mio. S rückzahlen müssen, die ARGE Sani-
tär, wo die Schweißnähte nicht in Ordnung sind, hat jetzt eine Haftungs-
rücklage von 50 Mio. S bei der Länderbank verloren, die die jetzige
Baufirma von der VÖEST-Alpine, Pahrmed , eingezogen hat. Die Sanitäranlagen,
die Rohre müssen neu verlegt werden, bei den Schweißnähten wurde kein
zusätzliches Gas, das vorgeschrieben war, verwendet, wodurch die agressiven
Abwässer die Röhren, die teilweise schon einbetoniert waren, früher oder
später durchfressen würden. Er erwartet, daß niemand hier interveniert.
Bautenminister Sekanina verwies darauf, daß die von der ARGE Sanitär
betroffenen Firmen sich bei der Metallarbeitergewerkschaft durch die
Betriebsräte beschwert haben. Seinerzeit wurden die Rohre abgenommen,
jetzt kommt man drauf, daß sie angeblich jetzt nicht entsprechen.
Sekanina wird nicht intervenieren.
Kreisky verwies dann noch darauf, daß die Wochenpresse jetzt wegen eines
Ungarnflüchtlings schreibt, den er seinerzeit als Außenminister so wie
vielen anderen für ihren Einsatz gedankt hat. Mehr hat er mit diesem
Mann nicht zu tun gehabt.
Lacina ergänzt noch, daß bei der Floatglasministerratsberichterstattung
die 50 Mio., die der Kreditbetrag, die der Bund zur Verfügung stellt, im
Ministerratsvortrag vergessen wurde.
Lanc hat dann noch über die von der Kronen-Zeitung groß aufgemachte
Schlamperei bei den Wählerlisten berichtet, hier hat eine Partei sich
in Wien reinreklamiert und wurde daher automatisch aus Gablitz gestri-
chen, es ist alles von ihm geprüft und in Ordnung befunden worden. Die
Kronen-Zeitung hat halt nur einmal einen entsprechenden Aufmacher ge-
wollt.
Kreisky und viele andere stellten dann bei der Ministerratssitzung fest,
daß Frau Staatssekretär Albrecht leider erkrankt ist, wie ich sie auch
bei der Sitzung entschuldigte.
Bei den einzelnen Punkten wurden die Maßgabebeschlüsse gefaßt, das heißt,
der betreffende Minister sagt mit Maßgabe der Änderungen resp. der Vorbe-
halte.
Dallinger berichtete dann noch über die Arbeitsmarktsituation ganz kurz
und verwies eben auf die Unterlagen, die er verteilt hat.
Ein Alexander Wecera will eine Fremdenverkehrsinformation über Wien
im Paßformat herausbringen. Die Auflage wäre 150.000 Stück und 250.000
S Kosten. Ich habe ihm sofort gesagt, ohne daß hier Dr. Krebs von der
Wiener Fremdenverkehrswerbung mitmacht, geht dies nicht. Ähnliche Infor-
mationen, Wien bei Nacht, Wochenspiegel, dieser kostet 15 S, oder Hallo
Wien um 20 S, liegt ja schon auf. Bezüglich der 20 S Hallo Wien stellte
Wecera fest, daß diese Idee von ihm gewesen ist und dann ein anderer
nur ihm zuvor gekommen ist.
ANMERKUNG FÜR MARTIN: Bitte mit Krebs verbinden.
Vor dem Besuch im Rudolfsspital mit Bez.Vst. Reviczky hatte ich regel-
rechtes Bauchweh. Ich habe nämlich schon, als man diese Idee geboren
hatte, es wird nicht sehr gut sein, wenn man jetzt vor den Wahlen mit
solchen Anstaltsbesuchen beginnt. Zum Glück wurde ich dort vom Leiter
des Spitals, Prim. Huber, nicht nur empfangen, sondern auch dann noch be-
gleitet, dieser mobilisierte die entsprechenden Schwestern, insbesondere
die Oberschwester und der Verwalter haben sich dafür sehr eingesetzt,
sodaß ich tatsächlich zu Patienten gebracht wurde, die schon längere
Zeit keinen Besuch gehabt haben. Allgemein habe ich dort halt meinen
üblichen Wiener Schmäh laufen lassen und übereinstimmend wurde dann
von den begleitenden Schwestern und, wie mir auch abends gesagt wurde,
auch von allen Patienten mein Besuch dort als positiv gewertet. Ich glaube
eher, daß es bei den sozialistischen Sympathisanten gut aufgenommen
wurde, bei Gegnern, die sich natürlich dort nicht geäußert haben, Prim.
Huber ging in seiner Station vor mir rein und sagte, der Minister kommt
euch besuchen, was sicherlich positiv wirkt, überdeckte die ev. Kritik
Andersdenkender. Leider mußte ich feststellen, daß meine Begleitung nur
bereit war die Blumen zu verteilen, niemand versuchte, auch Bez.Vst.
Reviczky nicht, mit den Patienten auch in Kontaktgespräche zu kommen.
Scheinbar ist es wirklich nur meinem sonnigen Gemüt zuzuschreiben, daß
es mir gelingt mit den Patienten oder überhaupt mit allen Menschen sofort
irgendwie Kontakt zu bekommen.
Der Pensionistenverband Margareten hatte einen vollbesetzten Saal, der
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Veranstaltungsleiter war damit nicht zufrieden, er meinte, bei ihm müßten
sogar die Leute noch stehen, ich erklärte ihm sofort, bei Pensionisten
sollte man dies gar nicht einkalkulieren und gar nicht erwarten. Mein
Referat wurde wohlgefällig aufgenommen, mit entsprechenden lustigen Bei-
spielen versuche ich ja immer wieder gerade bei Pensionsriten eine humor-
volle Note in noch so für sie wichtigen Fragen wie eben die Zinsertrags-
steuer zu bringen. Anschließend war ein Bunter Nachmittag, selbstverständ-
lich habe ich dann auch mit der Mundharmonika und der Kapelle ein
wenig musiziert.
Bei der Bezirksvorstandssitzung auf der Landstraße wurden technische
Probleme der Wahlwerbung besprochen, auch die Herbstarbeit wurde be-
züglich der beabsichtigten Kirtagsveranstaltung resp. sonstiger Budget-
posten diskutiert. Erstmals erlebte ich, daß unser Kassier Dolinek, der
ja unbezahlbar ist hat unsere Schulden durch seine aufopfernde Arbeit
und genaue Analyse sowie Budgeteinhaltung wesentlich reduziert, auch
erklärte, wenn man neue Beschlüsse faßt, muß man auch über die finanzielle
Deckung sprechen. Wenn man Maßnahmen streicht wie z.B. den Kirtag, der
Einnahmen gebracht hätte, muß man sich den Kopf zerbrechen, was dafür
geschehen sollte. Wäre Dolinek schon immer bei uns Kassier gewesen,
wären wir nicht in fast 1 Mio. Schuld reingekommen.
Der Wunsch der JG sofort in den Vorstand kooptiert zu werden wird von
einer Aussprache mit dem Vorstand der JG abhängig gemacht. Die Ent-
wicklung der JG in Wien ist etwas sehr Betrübliches. Auf der Landstraße
sind es ganze 20 Personen, die sich bereit erklärt haben, bei der JG mitzu-
machen. Einige davon sympathisieren mit der Alternativen Liste, einer z.B.
ist überhaupt schon dort auf dieser Liste als Kandidat an vierter Stelle;
wenn man bedenkt, daß bei der JG nichts notwendiger wäre als eine Be-
reitschaftserklärung mitzuwirken, ist das Ergebnis ein nicht sehr befrie-
digendes. Diese Situation ist nicht nur auf der Landstraße so, sondern,
wie ich aus dem Wiener Vorstand weiß, in ganz Wien.
Im Bezirksausschuß wurde dann von mir das politische Referat gehalten
und anschließend gab es eine verhältnismäßig kurze Diskussion. Auch
über die technischen Maßnahmen bis zur Wahl und Maßnahmen, die es noch
zusätzlich gibt wie Preisschnapsen, um eben Wahlspenden damit zu bekommen,
wurde viel länger diskutiert. Die ganze Sitzung war aber verhältnismäßig
kurz, da bereits vorher von einem Fotografen Aufnahmen im Arenbergpark
gemacht wurden, anschließend daran hat ein anderer ab Abend alle Bezirks-
räte fotografiert, die jetzt entsprechende Visitkarten mit Aufdruck
ihres Bildes bekommen sollen.
In einer Wahlbewegung kann ich immer wieder feststellen, spielen dann
die politischen Maßnahmen gar nicht so eine große Rolle für unsere
Funktionäre als die technischen Details an Abwicklungen von Aktionen.
Da muß ich dann erkennen und stelle das mit Freude fest, daß der größte
Teil der Funktionäre meint, diskutieren wir gar nicht mehr viel, gehen
wir an die Arbeit, damit wir vielleicht doch noch die Wahl gewinnen.
Unter Wahl gewinnen verstehen unsere Funktionäre, daß die absolute Mehr-
heit wieder erreicht wird, sie können daher auch nicht verstehen, daß
mit den Aussagen von Kreisky und anderen Spitzenfunktionären, was ge-
schehen soll, wenn wir die absolute Mehrheit nicht erringen, welche Koa-
lition, ob eine Koalition, ob eine Minderheitsregierung, wer diese Minder-
heitsregierung führt usw., in der Öffentlichkeit so viel rumdiskutiert
wird. Sie sehen darin nur eine Verunsicherung ihrer Arbeit. Ich mußte
dieser Kritik auch zustimmen. Die Verunsicherung geht jetzt so weit,
daß mich sogar der Schauspieler Muliar, mit dem ich ja in der Vergangen-
heit viel gemeinsame Wahlpropaganda betrieben habe, angerufen hat und
fragte, Stari, du bist der einzige, den ich jetzt noch fragen kann, wie
wirds weitergehen. Ich habe genauso meine Bedenken geäußert, wie ich
dies jetzt seit Monaten bei mir im Büro und sonstwo mache, wenn ich
unter sozusagen 4 und 6 und 8 Augen gefragt werde, welche Wahlprognose
ich stelle, ich fürchte noch immer trotz des Streits zwischen Tollmann
und Fux, daß die Grünen ihr Grundmandat und damit mindestens 4 Mandate
erhalten, in den Nationalrat einziehen und damit die absolute Mehrheit
der SPÖ gefährdet ist.
Tagesprogramm, 5.4.1983
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)
Tagesordnung 171. Ministerratssitzung, 5.4.1983
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