Ich wollte nie ein Buch schreiben oder Aufzeichnungen machen, da ich erstens nicht einmal ordentlich Rechtschreiben kann - mein Stil ist sicherlich auch furchtbar - und zweitens, das alte chinesische Sprichtwort: Drei Dinge soll ein Mann tun - einen Sohn zeugen (habe 2) einen Baum pflanzen (mehrere) und ein Buch schreiben (wird sowieso keines), dann ist das Leben des Mannes erfüllt (wozu lebt man dann noch ?).
Wenn ich mich dennoch entschliesse, jetzt anzufangen, so nicht
weil jetzt der bedeutendste Abschnitt meines Lebens beginnt,
sondern weil ich früh (4.30 Uhr) nicht mehr schlafen kann.
Die Ursache dieses Zustandes, der mir vollkommen neu ist, ist
meine Berufung als Minister. Dies begann so:
Die Sozialisten hatten am 1.III.1970 die relative Mehrheit
im Parlament erreicht (von 74 auf 81 Mandate), die ÖVP die
absolute Mehrheit verloren (von 85 auf 79) die FPÖ durch -
wie sie sagt - Ungenauigkeit in der Stimmenauszählung ihr
6. Mandat verloren.
Der Wahlkampf wurde verhältnismässig sachlich geführt. In
unserem Bezirk Landstrasse hatte ich sogar einen ganz neuen
Stil erprobt und auch Erfolg gehabt. Noch nie hatten die Sozi
dort 50 % der Stimmen erhalten: "Lueger schau oba !" war mein
einziger Ausruf als ich dieses Resultat hörte.
Die Folge dieses Ergebnisses war, dass Kreisky mit der Regierungs-
bildung beauftragt wurde. Die Verhandlungen zogen sich einige
Wochen dahin. Der Bundespräsident wollte eine grosse Koalition
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haben. Während der Verhandlungen wurde schon über die
Zusammensetzung des Kabinetts diskutiert und von meinen
"Freunden" ich als Finanzminister ins Spiel gebracht. Die
Anführungszeichen sind nicht ironisch gemeint. Sie sollen
aber zeigen, dass - obwohl sie wirklich meine Freunde sind -
in diesem Fall als solche nicht zu bezeichnen sind.
Dieses Ministerium ist ein furchtbares: besonders bei der
jetzigen Budgetsituation. Die Prognose des Wirtschaftsbeirates
leitet auf 16 Mia Schilling Defizit für l97l. Ausserdem ist
eine Unzahl von Detailkenntnissen für dieses Ressort notwendig,
die in Wirklichkeit nur ein einziger Mann besitzt - den letzten
Endes auch das Schicksal erreichte - nämlich Androsch.
Ich machte mir deshalb wirklich grosse Sorgen, schlief schlecht
und propagierte überall wo ich könnte Androsch. Wanke, ein
Freund in der Arbeiterkammer, war über diese meine Vorgangsweise
gar nicht glücklich, da er unbedingt wollte, dass ich diesen
Posten anstreben sollte. Der gute Mann ist um meine Karriere
viel mehr besorgt als ich. Er überschätzt mich haushoch, ist aber
so lieb und fleissig, dass es mir schwerfiel, ihm in diesem
Verlangen nicht nachzugeben. Ich hatte aber meinen Entschluss
in dieser Sache gefasst und war davon nicht abzubringen.
Hrdlitschka, der AK-Präsident fragte mich auch, ob ich denn
wirklich nicht in die Regierung wollte und war sicher
paß erstaunt, als ich dies ganz entschieden ablehnte.
Er hatte einmal - wie ich nun später erfuhr - eine Aussprache
mit Kreisky, wo er ihm meinen Standpunkt darlegte. Die Reaktion
Kreisky, so erzählte er mir später, war, dass er diesen
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Standpunkt nicht akzeptieren könnte und er würde sehen,
ob ich eine solche Berufung der Partei wirklich ablehnen
würde und dürfte. Wie gesagt, Wanke darüber sehr unglücklich.
Mein zweiter Freund in der Arbeiterkammer, Koppe, der die
public relation macht, schon weniger traurig, da er sich von
seiner Sicht auch grosse Sorgen ähnlich den meinen machte.
Da ich überzeugt war, dass in einer Koaltion kein anderes
Wirtschaftsressort von uns verwaltet werden würde, schied
ich also aus der Liste aus.
Ein weiterer sicherer Grund für diese Annahme: Im Laufe der
Regierungsverhandlungen sollte ein ad hoc gebildetes
Steuerkomitee unter Vorsitz Häusers (Vizepräsident des
Gewerkschaftsbundes) entsprechende Vorschläge ausarbeiten.
Mein Vorschlag, dies im kleinsten Rahmen zu halten (z.B.
Erhöhung des Werbekostenpauschales um l04.-S/monatlich)
wurde von Slawik abgelehnt. Er hat dann in weiterer Folge
sein Programm - oder das der sozialistischen Teilnehmer des
Vehandlungskomitees für die Regierungsbildung - auch tat-
sächlich durchgesetzt. Bei diesen Besprechungen war ich,
in aller Freundschaft, aber ganz bestimmt mit Slawik zusammen-
gekracht, fiel die,Bemerkung, dass er für Androsch als seinen
Finanzministerkandidaten sei. Ich war darüber sehr glücklich.
Androsch selbst, der mir versicherte, er würde mich als
Finanzminister sehr unterstützen - was ich ihm absolut
glaube (da er ein aufrichtiger junger (30 Jahre) Freund ist)
hatte nur eine Angst, dass Veselsky diesen Posten, den dieser
anstrebte, bekommen könnte.
Ich selbst schied also, da Slawik als Wiener Obmann einen mäch-
tigen Einfluss hatte, zum Leidwesen Wankes aus der Regierungskombi-
nation aus und war darüber sehr erfreut.
Meine Frau, die - ohne dass sie einen grossen Ehrgeiz hätte oder
gar "Frau Minister" werden wollte - glaubte genauso wie Wanke,
dass ich der richtige Finanzminister wäre. Selbst mein Hinweis, dass
ich dann durch Entfall meiner Bezüge und der Abgeordneten-Entschädi-
gung weniger Geld bekommen würde, konnte sie von ihren Wünschen
nicht abbringen.
Die Regierungsverhandlungen mit der ÖVP scheiterten und es wurde
überraschend eine sozialistische Minderheitsregierung gebildet.
Ich hatte mich in den letzten Jahren insbesondere mit den Agrar-
fragen beschäftigt und man hätte angenommen, dass ich als "Acker-
bauminister" in Diskussion des Parteipräsidiums gezogen würde. Die
Verhandlungen waren Montag mittag gescheitert, abends beschloss der
Parteivorstand die von Kreisky mit dem Präsidium beschlossene
Liste einstimmig.
So wurde ich Handelsminister. Ohne dass mich jemand gefragt hatte
oder auch meine Stellung dazu bekannt war. Hätte mich um 22.00 Uhr
Hrdlitschka nicht angerufen, dann hätte ich wahrscheinlich eine sehr
dumme Antwort gegeben, als 2 Minuten später ein Journalist für den
nächsten Tag ein Interview von mir verlangte.
Nachdem nun aber die Entscheidung gefallen war, hatte ich zwar
immer noch einen schlechten Schlaf, aber als meine Frau jetzt
die bange Frage stellte, wie es gehen würde, hatte ich geantwortet,
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dass diese Frage bis gestern noch einen Sinn hatte, heute aber
für mich nicht mehr existiert.
In der Arbeiterkammer rief ich sofort Wanke und Koppe, erklärte
ihnen, jetzt gibt es nichts mehr zu ändern, wir mussten in diese
Schlangengrube. Warum ich diesen Ausdruck gebrauche ist , wie neben-
bei für viele andere Ministerkollegen, die ein Ressort bekommen,
das von der ÖVP seit 1945 verwaltet wurde, keine Gesinnungsfreunde
gibt. Vielleicht ist dies aber gar nicht so schlecht.
Für mich stand fest, dass ich nun ein Ministerbüro aufbauen werde
mit Dr. Wanke kam mit dem Vorschlag, dass wir wahrscheinlich das ganze Büro
bis zu den Amtesgehilfen neu bestellen müssten. Dieser Vorschlag
sollte nach einigen Staub aufwirbeln.
Dienstag war die Vereidigung und Mittwoch l5.00 Uhr Amtsübernahme.
Vor der Vereidigung fand die erste Regierungsbesprechung in der
SP-Zentrale statt, die aber nur in einer Unterweisung von Kreisky
über die Gepflogenheiten, finanziellen Fragen bestand. Da wir
nur 1/3 des Monates im Amt waren, den Ministergehalt aber für das
ganze Monat bekommen, beschlossen wir, einen Teil sozialen Zwecken
zu spenden. Mein Versuch, auf meine Dienstautos - jedem Minister
stehen zwei zu -, zu verzichten, findet nicht die Zustimmung. Androsch
meint, der Vorschlag bringt nichts.
Als mich Kreisky Montag 23.30 telefonisch verlangte, mit den
Worten: "Du paß auf, du derfst net glauben, dass d' nur den
Handelsminister spül'n wirst" hatte ich ihm zwar nicht einmal
für die Berufung gedankt, dafür aber gleich mitgeteilt, dass ich
weder einen Frack, Smoking, Stresemann oder Cut besitze, noch
gedenke, mit einen beizulegen. Er müsse also zur Kenntnis nehmen,
dass ich gegen das Protokolll nur im dunklen Anzug kommen würde.
"Kumm wiast willst, nur g'schneuzt und kampelt".
So geschah es, dass die neue Bundesregierung, wie manche Zeitung
schrieb, protokollwidrig beim Bundespräsidenten - der sicher keinen
Wert darauf legte - zur Vereidigung erschien. Taus war bei der
Vereidigung der ÖVP-Regierung im schwarzen Anzug erschienen,
wurde - wie bekannt - sehr angegriffen. Der von mir so sehr ge-
wünschte Durchbruch war gelungen.
Ich habe grosse Hoffnung, dass es nun auch im Ministerium gelingt.
Der erste offizielle Ministerrat anschliessend nach der Vereidi-
gung ist sehr kurz. Sektionschef Jiresch teilt nun die Auto-
nummern zu, lässt sich dies aber gleich bestätigen und erzählt
nun, dass dies deshalb notwendig sei, da früher grosser Streit
und Transaktionen folgten. Mir völlig unverständlich!
Mittwoch 1/2 3 Uhr treffe ich mit Wanke und Koppe im Ministerium
ein. Der Portier will mich zum Aufzug begleiten. Ich danke sehr
höflich auf wienerische Art und sage, Wir gehen lieber zu Fuss.
Mitterer bittet mich in sein Zimmer - die übliche Tier-Tür-Quälerei
wer zuerst gehen soll - und erklärt mit, dass nichs besonderes
vorliegt.
Die Amtsübernahme war für l5.00 Uhr am Stubenring vorgesehen.
Minister Mitterer ersuchte mich, einige Minuten früher zu einer
persönlichen Aussprache zu ihm zu kommen. Er empfing mich sehr
freundlich und erklärte mir, dass das Haus vollkommen in Ordnung
übergeben werde.
1. er hätte keinen Personalfall laufen, d.h. es sei kein Diszi-
plinarfall oder sonstiges Untersuchungsverfahren anhängig.
2. Er hätte keinewegs die Budgetmittel ausgeschöpft, sondern
seien jeweils von jedem Posten der aliquote Teil verwendet
worden.
3. Es sei kein einziger Akt unerledigt, es gäbe also - wie er sich
ausdrückte - keinen toten Hund. Allerdings sei bei der BÜRGES-
-Kreditaktion ein Missgeschick passiert. Es seien nicht genügend
Mittel vorhanden und die BÜRGES müsste deshalb ihre Tätigkeit
einstellen. Im Detail würde ich aber durch den entsprechenden
Sektionschef ja sicher noch informiert werden. Als Minister
sei ich auch gleichzeitig Vorsitzender der Fremdenverkehrs-
werbung und er hätte deshalb ein Rationalisierungsgutachten von der
Firma Ratio machen lassen, das er mit gleichzeitig übergeben
wollte. Weiters übergab er mir eine Mappe von IBM, worum es sich
sich handelte, hat er sich nicht ausgedrückt. Wie sich später
herausstellte, war es nichts anderes als ein von IBM für Diktier-
methoden und Organisationsfragen ausgearbeiteter Prospekt.
Als scheinbar wichtigste handlung übergab er mir noch zwei Schlüs-
sel auf einem Bund, die die Möglichkeit geben, den Ministeraufzug
zu benützen. Später sollte ich noch erfahren, dass das eine der
wichtigsten Statussymbole im Ministerium ist, wer einen solchen
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Schlüssel hat, um den Ministeraufzug mitbenützen zu können.
Als mir später am Abend ein Amtsgehilfe behilflich sein wollte
und ich den Aufzug nicht gleich zum Stoppen bringen konnte - der
Ministerschlüssel ermöglicht nämlich, den Aufzug jederzeit in
jeder Lage zu stoppen und scheinbar an den richtigen Stock heranzu-
führen - da sagte ich, ich gehe doch lieber zu Fuss. Der Amts-
gehilfe war darüber furchtbar erstaunt und sagte, er habe diesen
Schlüssel noch niemals in seiner Hand gehabt.
Ich erwiderte Minister Mitterer, dass ich ihm für die Einführung
danke und erklärte ihm gleichzeitig, dass ich dem Sekretariat
selbstverständlich die Möglichkeit geben werde, dass - wenn sie
nicht mit mir zusammenarbeiten können oder wollen - in irgend-
einer Abteilung, die sie sich wählen könnten, ihre Tätigkeit
aufzunehmen. Und ich habe ihm gleichzeitig vorgeschlagen, jetzt
im Ministerbüro diesbezüglich Durchgang zu machen. Als ich dies
den Sekretären und den vier Sekretärinnen mitteilte, es wird im
Ministerbüro scheinbar neuer Schichtdienst gemacht, da sagten sie
nichts andere wie: Danke Herr Minister. Zuletzt meldete sich
noch ein Kriminalbeamter bei mir und meldete mir, daß er zu
meiner persönlichen Verfügung und zu meinem persönlichen Schutz
abkommandiert sei. Ich dankte ihm vielmals, sagte aber, daß ich
keinerlei Verwendung hätte für ihn . Es stehe ihm frei, sich im
Hause irgendeine Beschäftigung zu suchen. Er würde dann zu seiner
Einheit wieder einrücken, stellte er scheinbar betrübt fest. Krimi-
nalbeamte sollten vor längerer Zeit bereits auf Vorschlag Klaus zwecks
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Einsparung von den Ministern abgegeben werden. Mitterer soll
aber damals diesem Vorschlag für sein Ressort nicht zugestimmt
haben, da er auf dem Standpunkt stand, Mitterer sollte zuerst in
seinem Büro entsprechende Einsparungen durchführen. Bevor mir
die gesamte Beamtenschaft vorgestellt wurde, dies sollte im
festlichen Sitzungssaal erfolgen, wurden mir die einzelnen Sek-
tionsleiter in meinem Büro vorgeführt. Ich meinerseits bestand
darauf, dass bei dieser Vorstellung auch Dr. Wanke und Dr. Koppe
anwesend waren. Zwei Sektionsleiter von den 5 Sektionen waren
mir bekannt. Anschließend begaben wir uns in den Festsaal, wo
Mitterer die Abschiedsrede hielt. Koppe behauptete, es ist sehr
unfair gewesen, da sie ausschließlich die Verdienste, die er
sich erworben hatte unter seiner Führung herausgestrichen hat,
ab nun aber etwa Neues geschehen konnte. Ich teile diese Meinung
nicht.
Wie ich durch ein deutliches Zeichen zu erkennen gab, daß sich
Koppe und Wanke unbedingt neben mich stellen sollten, haben sich
die Sektionschefs dann auch neben Mitterer und mich stellen müssen.
Ich glaube, dies war ein sehr deutliches Zeichen, daß ich mit
meinen Mitarbeitern engstens zusammenarbeiten werde, und darüber
hinaus noch ein Statussymbol für sie, daß sie gleichwertig
im Sektionschefrang zumindest von mir behandelt werden. Wie es
ihnen ergehen wird, wird sich wahrscheinlich in weiterer Folge
herausstellen. Als mir dann die Beamten des Hauses einzeln vorge-
stellt wurden, wurde eine ganz neue Abstufung vorgenommen. Das
System blieb mir vollkommen unerklärlich. Aber wie ich später
erfuhr, war es von gewissen Ranghöhen abhängig. Da ich mir sowieso
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vorgenommen hatte, das ganze Haus zu besuchen, machte ich mir
vorerst keine Gedanken über diese Vorgangsweise, allerdings kurz
darauf ärgerte ich mich sehr. Als wir - Koppe, Wanke und ich -
nach diesem Zeremoniell wieder allein in meinem Zimmer sassen,
waren wir über diese Art des hierarischen Apparates sehr erschüttert.
Als erste Tätigkeit hatte ich mir vorgenommen, den Präsidenten
Sallinger der Bundeskammer anzurufen und um eine Aussprache zu er-
suchen. Auf meinem Telefonapparat war ein Name Sallinger mit einem
Druckknopf, d.h. ich hatte eine direkte Leitung zu ihm. Als ich diese
betätigen wollte, sagte mir der Sekretär, daß sie stillgelegt sei.
Ich ließe mich deshalb ganz normal mit ihm verbinden. Er war sehr
erfreut, daß ich ihn gleich anrufe und sagte, er wolle selbst zu
mir kommen. Dies lehnte ich ab und vereinbarte für den nächsten
Tag Früh die erste Aussprache, wobei ich mir vorstellte, daß ich
ihm dort entsprechende Vorschläge über die zukünftige Zumsammen-
arbeit unterbreiten würde. Am späteren Abend wurden wir noch vom
Kurier angerufen, der mir mitteilte, daß alle anderen Minister
erklärt hätten, sie würden selbstverständlich alles unverändert
lassen und nur ich die Sekretäre und das ganze Sekretariat rausge-
feuert hätte. Ich stellte sofort richtig, dass ich ausschliesslich den
Kolleginnen und Kollegen die Möglichkeit gegeben hätte, daß - wenn
sie es sich ändern wollte - ich sie unterstützen würde. Ich versamnelte
das restliche Sekretariat und erklärte den Grund meines Verhalten.
Ich wusste, daß - wenn Minister irgendwas im Büro ändern wollen,
sie dem Präsidialisten einen entsprechenden Wink geben. Dieser ver-
setzt dann den Betreffenden und wenn er ein großes Pech hat, kommt
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er in eine Abteilung, die auf ihn nicht gut zu sprechen ist,
weil er z.B. oft im Auftrag des Ministers einige Vorsprachen
dieser Abteilung nicht zugelassen hat und die jetzt entsprechend
Wut auf den Sekretär oder die Sekretärin haben. Dies wollte
ich unbedingt verhindern und deshalb hätte ich ihnen freigestellt,
wenn sie weggehen wollten, dann sollten sie sich die Abteilung
aussuchen, wo sie in Zukunft weiterarbeiten wollten. Für die Auf-
klärung waren sie sehr dankbar und Koppe sagte, dies war die
erste Charme-Offensive, die im Büro eingeschlagen hatte.
Knapp vor 9.00 Uhr begab ich mich in die Bundeshandelskammer
und begegnete auf der Strasse Generalsekretär Mussil, der zu
einer Sitzung gehen wollte. Ich arretierte ihn im wahrsten Sinne
des Wortes und ersuchte, er solle - wenn er schon nicht gleich
von Anfang an dabei ist - zuerst in seinem Büro warten. Präsident
Sallinger empfing mich, war sehr erfreut, daß ich zu ihm kam und
erklärte mir, dass er mich überall unterstützen würde, da er an
einem guten, da er an einem guten Einvernehmen, das wir seit
Jahrzehnten mit der Bundeskammer pflegen, d.h. ich persönlich
pflege, unbedingt aufrecht erhalten will. Er hatte auch noch
die Absicht, den Kollegen Jodlbauer vom Freien Wirtschafts-
verband und mich zu ihm zu laden, wenn ich zustimmen würde.
Ich erklärte selbstverständlich, dass es für mich eine grosse
Ehre und Auszeichnung wäre.
Anschliessend wurde Generalsekretär Dr. Mussil zur Besprechung
berufen. Ich selbst erwähnte als erstes, dass ich verstehen könnte,
dass es für alle ein gewisser Schock sei, dass nun
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ein Gewerkschaftsvertreter die Interessen der Industrie,
des Gewerbe und des Handels vertreten würde. Indirekt be-
hauptete ich, in einer Form eines Bonmots, sie seien selbst
daran schuld, denn sie hätten ja das letzte Mal vor der Regierungs-
bildung, bevor die Verhandlungen abgebrochen wurden, erklärt,
dass sie sicher annehmen, dass ich ein Ministerium bekommen
würde. Ich hatte damals wirklich keine Ahnung und Absicht und
habe deshalb gefragt, was sie mir denn zuschanzen würden.
Das Finanzministerium sagten sie, sei ein Himmelfahrtkommando,
sie würden mir am liebsten das Handelsministerium übertragen.
Ich versicherte ihnen, dass ich diesen Wunsch jetzt ihnen auch
tatsächlich erfüllt hätte, obwohl ich - wie gesagt - ja nicht
einmal gefragt wurde, sondern jetzt eben vor dieser Aufgabe stehe.
Um meine loyale Zusammenarbeit beweisen zu können, schlug ich
vor:
l. Die direkte Leitung zwischen dem Handelsministerium und
der Bundeskammer, d.h. zwischen dem Zimmer des Präsidenten
Sallinger und meinem Zimmer sofort wieder zu eröffnen.
2. Sollten wir vor allem beraten, welche Person von mir mit
dem Material, das in meinem Hause erarbeitet wird, und dem
Ministerrat zugeleitet wird, in der Handelskammer zu verstän-
digen wäre. Präsident Sallinger erklärte, daß sowohl er aus
auch Gen.Sekr. Mussil sich für diese Arbeit bereithalten
und ich vereinbarte, diesen Weg mit ihnen in Zukunft zu beschrei-
ten.
Wir vereinbarten weiters, dass es notwendig ist, in der
Gewerberechtsnovelle einen vernünftigen Vorschlag zu erarbeiten,
wo die Bundeskammer grössten Wert darauf legt, dass die Diskrimi-
nierung der Gewerbebetriebe durch die landwirtschaftlichen Genos-
senschaften verschwindet, die bisher in der alten Gewerbeordnung
nicht ausgeräumt wurden, sondern in der Novelle, die von der ÖVP-
Regierung im Ministerrat eingebracht und letzten Ende beschlossen
wurde, nur noch verstärkt wurde. Die Bundeskammer wird einen dies-
bezüglichen Vorschlag mir in kürzester Zeit erstatten, den ich dann
zur Grundlage von Besprechungen mit den Interessenvertretungen
machen würde. Ich selbst erklärte ja, dass ich nach der Bundes-
kammer noch mit der lndustriellenverenigung aber auch mit der
Präsidentenkonferenz und selbstverständlich ganz offiziell mit
der Arbeiterkammer und dem Österreichischen Gewerkschaftsbund Ver-
bindungen aufnehmen werde.
Ein weiterer Punkt war die Frage der Schwerpunktbildung inner-
halb der gewerblichen Förderungspolitil. Da die BÜRGES in einen
finanziellen Engpass kam, entstand die Frage, wie wir diesen
ausräumen können. Da das bisherige Windhundsystem von uns nicht
akzeptiert wird, schlug ich der Bundeskammer vor, einen Priori-
tätenkatalog zu erstellen, damit ich mit ihnen gemeinsam dann
eine wirklich konzentrische und zweckmässige Förderung der gewerb-
lichen und Industriebetriebe erreichen könnte.
Eine Aussprache bei Bundeskanzler Kreisky um die Mittagszeit,
wo ich ihm die Vorgehen berichtet, fand seine 100%ige Zustimmung
und erklärte, dass dies der einzige Weg ist, um im Handelsministerium
zu einigermassen ertägliche Verhältnissen und vielleicht zu Er-
folgen für die sozialistische Partei zu kommen. Bei dieser Gelegen-
heit teilt ich dem Bundeskanzler gleichzeitig mit, dass Präsident
Waldbrunner seine Meinung nicht teilt, d.h. dass wir in der ersten
Regierungsperiode sofort mit einem Kompetenzgesetz ins Parlament
kommen sollen. Nach Auffassung von Waldbrunner sollten wir dies
im Herbst zurückstellen. Kreisky erklärte dagegen, er würde
auf dem seinerzeitigen Kompetenzentwurf, den Klaus in der Regierung
nicht einmal durchbrachte, bestehen und er verlangte, dass die
Regierungspartei sich hinter diesen Regierungsentwurf stellen sollte.
Ich hatte vorher Gelegenheit, Sekt. Chef. Loebenstein den Verfasser
dieses Entwurfes zu fragen, ob er ihn persönlich entworfrn hätte, was
dieser bejahte.
Bei der nachmittägigen Regierungssitzung über die Vorbereitung des Regierungsprogrammes wurde folgendes beschlossen:
1. Als Grundlage dient der bereits akkordierte Text der zwischen
den Verhandlungskomitees der ÖVP und SPÖ bei der Regierungs-
bildung als Grundlage diente.
2. Kreisky wird noch einige Änderungen vornehmen, allerdings
materiell nichts daran ändern, soweit die Kapiteln, die
mich betreffen, d.s. Wirtschaftspolitik, bereits als akkordiert
vorliegen. Es gelang mir nur, den seinerzeitigen Wunsch der
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bereits allseits akkordiert war, von der Ausbau der ÖIAG
branchemässigen Hol-ding Abstand zu nehmen. d.h. es wird
Kreisky eine andere Wortformulierung finden.
Weiters wird in diesem Papier noch vom Konsumentenschutz einiges
aufgenommen werden. Nach unserer Vorstellung soll der Konsumenten-
schutz geteilt werden. Der gesundheitliche Teil gehört ins Sozial-
ministerium, der Geldbörselteil gehört ins Handelsministerium.
Im Vorschlag des Bautenministeriums gelang es mir, die Ziffer
pro Jahr 100.000 Wohnungen, die im überschaubaren Zeitaum ge-
baut werden sollten, herauszubekommen. Ich halte es für unmög-
lich, wenn derzeit 55.000 Wohnungen pro Jahr gebaut werden, dass
wir in überschaubarem Zeitraum - worunter die Bevölkerung 2 -
3 Jahre verstehen würde, überhaupt 100.000 Wohnungen bauen können. I
Ich erklärte dort auch, dass nach Mitteilungen, die ich erhalten hatte
sowohl die Gewerkschaft als auch andere Stellen diese Ziffern über-
schätzten und deshalb nicht in das Programm aufgenommen werden sol-
len.
Beim Marktordnungsegesetzvorschlag des Landwirtschaftsministers -
dieses sollte vorerst auf ein Jahr verlängert werden - wird eben-
falls diese Jahresgrenze herausgenommen, um der sozialistischen
Partei Bewegungsfreiheit zu geben und um ihre Entwürfe insbe-
sondere das Budget im Herbst durchbringen zu können in Form
einer Koppelung mit den Marktordnungsgesetzen .
Freitag, den 24. April 1970, hatte ich eine Besprechung der
BÜRGES mit dem ehemaligen Finanzminister Korinek. Er erklärte
bei seiném Eintritt, dass er sich ganz besonders freue, dass
ich zu diesem Ressort von den Sozialisten berufen wurde. Obwohl
er eigentlich erwartet hätte, dass ein Präsident des Freien
Wirtschaftsverbandes, z.B. Konstroun, dieses Ressort über-
tragen bekommen hätte, sagte mir aber gleichzeitig zu, dass er
mich in jeder Beziehung untersützen werde. Allerdings meinte
er, dass der seinerzeitige Bundeskanzler Raab, der - wie er
behauptete, mich sehr gut leiden konnte, er hatte ja immer
wieder erklärt, was kost' der Ziffernspion, den kauf i ma für die
Bundeskammer, sich im Grab umdrehen würde, wenn er erleben müsste,
dass ein Arbeitnehmervertreter, ein Gewerkschaftsführer dieses
Ressort derzeit verwaltet. Korinek schilderte dann die Situation
der BÜRGES. Insgesamt würde BÜRGES 45 Mill. S für 1970 als
Zinsenzuschuss benötigen, hat für die halbjährige Verrechnung,
die vorgesehen ist, erst 19 Mio für die erste Hälfte erhalten.
Min.Rat Wohlgemuth hat ihm mit 20.4. also noch zur Zeit
Mitterer mitgeteilt, dass keine weiteren Bewilligungen gegeben
werden können, da keine finanzielle Deckung vorhanden ist.
Bei der Budgeterstellung für das Ressort für das Jahr l970 im Budget wurde
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Vorstandsitzung in der Arbeiterkammer am 25.4.l970
Bei der Fraktion hatte ich Gelegenheit, über die Situation
im Ministerium zu berichten. Übereinstimmend wurde festgestellt,
dass nicht nur mir sondern allen sozialistischen Regierungsmit-
gliedern von der Kammer jedwede Unterstützung zu gewähren ist.
Das heisst, für alle Personen, die von einem Minister angefordert
werden, sind unter allen Umständen gegen Karenz der Gebühren
freizustellen, damit nicht irgendwo der Eindruck entstehen
könnte, dass nicht alles getan wird, um unsere Genossen in
der Reigerung zu unterstützen.
Koll. Weissenberg erinnerte bei dieser Gelegenheit auf die un-
günstige Situation im Handelsministerium. Für sozialpolitische
Fragen ist dort Frau Min.Rat Karmine zuständig, die - wie er
behauptet - sich durch eine besonders reaktionäre Haltung aus-
zeichnet. Er erwartet deshalb, dass ich als Handelsminister ent-
sprechend ein anderes Vorgehen sicherstellen sollte. Ich habe
erklärt, dass ich dies unmöglich tun könnte, denn als Handels-
minister muss ich nun die Interessen von Handel, Gewerbe und
Industrie vertreten. Selbstverständlich im Rahmen des Wirt-
schaftsprogranmes. Unter diese Antwort war Weissenberg sicherlich
nicht sehr begeistert, obwohl ich ihm zusagte, dass natürlich
die Form und die Art, wie die Handels- und Sozialpolitik in
meinem Ressort gemacht wird, eine andere sein wird als die
unter Mitterer. Auch das hatte, glaube ich, Weissenberg nicht
befriedigt.
Viele unserer Genossen im Vorstand, die Frau Min.Rat Karmine
kennen, stehen auf dem Standpunkt, es müsste hier mit schärferen
Mitteln durchgegriffen werden. Zu meinem grossen Glück war Benya an-
wesend, der eindeutig meine Stellungnahme für gut befand und er-
klärte, dass es selbstverständlich gar nicht anders sein kann, als
dass ich unbedingt die Interessen der jetzt mir anvertrauten Be-
rufsgruppen zu vertreten hätte. Es müssten eben die Vertreter der
Arbeitnehmer, sei es im ÖGB, sei es in der AK, so wie bisher ihre
Kämpfe mit den anderen Institutionen ausführen und es könnte
nur Aufgabe des Handelsministers sein, gegebenenfalls hier schlich-
tend einzugreifen. Er bestätigte mir eindeutig, dass es zweckmässig
ist, wenn das Handelsministerium hier so wie ich es vorgeschlagen
habe, auf der Sozialpartnerschaft zu einvernehmlichen Lösungen kommt.
Nach seiner Auffassung wäre es ja ganz sinnlos, irgendwelche
Regierungsvorlagen in das Haus zu bringen, die auf dem Sektor
auf absolute Ablehnung stossen. Denn selbst, wenn ich durch
Weisungen an meine Ministerialbürokratie erreichen könnte, dass
die alle ihre Bedenken und Gegenstimmen zurückstellen, so ist
damit je keinesfalls gewährleistet, dass diese Regierungsvorlage
auch dann im Haus ihre Zustimmung findet. Er begrüsst daher meinen
Weg, dass ich versuche, durch informelle und formelle Kanäle
mit der Handelskammer und der Industriellenvereinigung letzten Endes
aber auch natürlich mit der Präsidentenkonferenz der Landwirt-
schaftskammern einen guten Kontakt zu halten und dort die ganze
Fragen vorzubesprechen, vorzubereiten und abzustecken,
ob gegebenenfalls die Bundeskammer bereit ist, zuzustimmen.
Auf diese Art und Weise könnten wir wahrscheinlich mehr erreichen als m
mit dem vorgeschlagenen Vorgang, wonach ich durch Weisungen meine
Ministerialbürokratie zu veranlassen hätte, das zu machen, was
Weissenberg oder die Sozialpolitiker sich erwarten und erhoffen.
Ich war über diese Stellungnahme sehr erfreut, weil sie mich in
der Annahme bestärkte, dass ich sowohl mit Kreisky als auch mit
Benya in Vorbesprechungen bereits geklärt hatte, nur auf dieser
Basis überhaupt als Vertrauensmann auch der anderen in der Regierung
betrachtet werden kann. Benya war ja bekanntlicherweise nicht dafür,
dass ich Handelsminister werde, sondern wollte, dass mir das Finanz-
ressort übertragen wird. In zweiter Linie wurde. von ihm
auch abgelehnt - als dieses Ressort - wie schon geschildert- beson-
ders auf Wunsch Slawiks an Androsch gegeben wurde - dass ich das
Landwirtschaftsressort übernehmen sollte. Er sagte, wenn irgend
jemand imstande ist, mit der anderen Seite Kontakt aufzunehmen, zu
halten und zu Erfolgen zu führen, so könnte das nur ich machen.
Beim Landwirtschaftsressort befürchtete er ebenso wie Wanke, dass
wir nur in ununterbrochenen Schwierigkeiten mit den Bauern kämen
und dass ich eigentlich dafür zu schade wäre. Diese Mitteilung
hatte mir Waldbrunner bei einer Ausprache, die ich mit ihm
über die Kompetenzfrage gehabt hatte, mitgeteilt. Bei der offi-
ziellen Vorstandssitzung wurde ich eben verabschiedet, ebenso
wie Veselsky und alle Kollegen wie Wanke, Koppe und die Kollegin
Wiesinger und unser Chauffeur und Amtsgehilfe Reis. Es wurde
gleichzeitig festgehalten, dass wir immer noch von der Kammer
in den Staatsdienst übergeleitet werden könnten, jetzt von der
Kammer beurlaubt sind unter Wahrung aller Rechte und dass das
Präsidium die Einzelfälle noch beschliessen wird
sid
Namens des ÖAAB - allerdings er erklärte er nur in seinem
eigenen Namen sprechen zu können - erklärte Dr. DRENNIG, dass
er sich sehr freue, dass ich dieses hohe Amt berufen wurde.
Er sagte allerdings, ich würde jetzt aus der An-
griffsposition,in der ich in der Arbeiterkammer immer handeln
konnte, in eine Position der Verantwortung hinüberwechseln,
er wünsche mir recht guten Erfolg.
Bei der Bestellung meiner Nachfolge in den Milchwirtschafts-
den Getreidewirtschafts-, den Viehverkehrs- und den Mühlen-
wirtschaftsfonds kam es noch zu einer sehr unguten Situation.
Die Fraktion hatte beschlossen, dass temporär für mich Koll.
Blümel, Zentralsekretär der Lebens- und Genussmittelarbeiter,
nachdem es sich hier um Lebensmittelarbeitermandate handelt,
einrücken sollte. Der ÖAAB machte geltend, dass er in diesen
Fonds nicht berücksichtigt ist und deshalb auch eine Vertretung
will. Da Präsident Hrdlitschka aber schon abstimmen liess,
wurde mit Gegenstimmen des ÖAAB ein diesbezüglicher Beschluss
gefasst. Ich ersuchte, die Sitzung kurzfristig zu unterbrechen,
wobei ich allerdings gleich feststellte, dass mir kein wie
immer geartetes Vorschlags- und Entscheidungsrecht mehr zusteht,
konnte aber doch dann die Fraktion davon überzeugen, dass es
zweckmässiger ist, wenigstens Dr. Mayerhofer, der von DRENNIG
vorgeschlagen wurde, temporär an meine Stelle in den Mühlen-
wirtschaftsfonds zu entsenden. Die Obmannstelle wird allerdings
von meinem bisherigen Stellvertreter Sekretär Panis wahrgenommen.
Kollege Dr. Mayerhofer von der Christlichen Fraktion, tätig
in der Wirtschaftswissenschaftlichen Abteilung der Arbeiterkammer, der
von mir bereits in den Weinwirtschaftsonds delegiert wurde, wird
nun inden Mühlenfonds als Mitglied einrücken. Nach Aufnahme der
Sitzung war der ÖAAB über diese Lösung sehr erfreut und ich glaube,
er hat damals wieder gesehen, dassich mich redlich bemühe, einen
Ausgleich herbeizuführen. Dies ist letzten Endes in meinen Augen
deshalb sehr wichtig, weil nur auf dieses Basis ist es mir möglich,
innerhalb der ÖVP-Organisationen wie Bundeskammer, Landwirtschafts-
kammer, Industriellenvereinigung eine Vertrauensbasis aufzubauen.
Ohne diese Vertrauensbasis könnte ich sicher überhaupt nichts in
meinem Ressort durchsetzen.
Anmerkung für Otto und Fritz
Bitte unbedingt die Besprechung zwischen Römer und uns aufnehmen,
das Römer den Akt über das Millionenprojekt vom Institut
für Wirtschaftsforschung gar nicht bekommen hat und 2) wir über
ihn von Herrn Amtssekretär Düringer herangekommen sind, der uns dann
au einige Budgetschwierigkeiten aufmerksam gemcht hat, da 19 Mio
bereits für die 1. Hälfte des Jahres 1970 ausgegeben wurden, können
keine weiteren Bewilligungen mehr erfolgen.
Minister a.D. Korinek schlug vor, die Beamten sollten ganz ein-
fach das Budget um diesen lächerlichen Betrag von 20 Mio S bei
einem Gesamtrahmen von 101 Milliarden überschreiten. Es würde doch
niemand darauf Vorwürfe konstruieren, da die Beamten selbstverständlich
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diesen Vorgang ablehnten, selbst wenn diese zugestimmten hätten,
hätte ich dagegen Stellung genommen, erklärte ich, da ich mich
l00%-ig vor die Beamten stelle und diesen Vorgang unter gar
keinen Umständen akzeptieren kann. Anders verhält es sich mit
einer zweiten Weisung, die von Minister Mitterer an die BÜRGES
erflossen ist, wonach sie 5 % für Umstrukturierungen, d.h. in dem
Fall zur Errichtung von Silos für den landwirtschaftlichen Produk-
tenhandel Zuschuss zu gewähren hat, obwohl der Beirat erklärt hat,
er ist absolut gegen diese Erhöhung. Da Korinek meiner Meinung
nach ebenfalls richtig abgelehnt hat, hat - als das Windhund-
prinzip weiterhin im BÜRGESFONDS Platz greifen sollte -ersuchte
ich den Ministerialrat Wohlgemuth im Einvernehmen mit den beteilig-
ten Interessenvertretungen, die Richtlinien der BÜRGES neu zu
gestalten und eine straffere Führung der Kreditgeschäfte dort
zu ermöglichen, d.h. es sollte nicht im Ermessen der Geschäfts-
führung liegen, wer diesen Kredit bekommt, es sollte nicht mehr
so sein, dass der der erste ist den Kredit bekommt, sondern dass
nach zweckmässigen Richtlinien eine Selektion durchgeführt wird.
Mit der Selektionierung ist - glaube ich - ein Durchbruch
in der Giesskannenmethode Windhundprinzip erzielt wurden und
ich hoffe, dass dies nicht der einzige Erfolg bleibt.
Nch einer Vorsprache des britischen Handelsrates, wo der
mich zu einem Symposium eingeladen hat, konnte ich mit Sekt.
Chef Reiterer in aller Ruhe die Angelegenheit besprechen.
Er beschwerte sich bei mir, dass ihm gestern Gesandter Marquet
mitgeteilt hatte, dass im Regierungskonzept vorgesehen sei,
dass die Aussenhandelspolitik ihm zu hoch vom Aussenamt ge-
macht werden soll. Ich war über diese Mitteilung sehr verwundert,
und konnte mich so dagegen wehren, dass das Haus nicht den Ein-
druck hatte, andere Minister informieren ihre Herren, ich dagegen
nicht, dass ich sie fragte, ob sie nicht den seinerzeitigen
Entwurf über die Kompetenzaufteilung des Bundeskanzlers Klaus
kennen. Da er das verneinte, rief ich alle anwesenden Sektions-
chefs sofort zu mir, bat auch die Kollegen Wanke und Koppe zu
dieser Aussprache und konnte tatsächlich feststellen, dass
dieser Entwurf im Hause nicht bekannt war. Ich veranlasste sofort
die Ablichtung und übertug ihnen diesen Entwurf zum Studium.
Ich konnte nachher noch in Erfahrung bringen, dass die Sekretäre
des Ministers diesen Entwurf gekannt haben. Mittags habe ich eine
Besprechung mit Bürgermeister Marek und dem Mag.Direktor Ertl.
Beide versicherten mir, dass sie Dr. Heindl für mein Minister-
büro gegen Refundierung der Bezüge abstellen werden. Damit habe
ich mein Ministerbüro im Grundsätzlichen aufgebaut und erklärte
dem Sekt.Chef. Schipper, dass er alles Nötige veranlassen sollte.
Es kamen dann im Laufe des Nachmittages auch noch die Sekretäre
zu mir und baten, dass sie doch in ihre neuen Abteilungen versetzt
werden sollten, wenn ich noch zu meinem Wort, das ich gegeben hatte,
stehe. Ich erklärte, dass dies selbstverständlich der Fall ist
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und dass sie mir jetzt einen Plan vorlegen sollten, wohin sie sich
wenden möchte und ich dann bei Sekt.Chef Schipper diese Versetzung
veranlassen würde. Sie baten auch gleichzeitig, dass die Sekretä-
rinnen in ein anderes Büro kommen könnten und ich erklärte mich
auch dazu selbstverständlich bereit. Übereinstimmend stellten sie
fest, dass zwar meine joviale Art sie sehr beeindruckt, sie
aber doch das Gefühl haben, dass sie von der seinerzeitigen Zentral-
stellung, die den Sekretären des seinerzeitigen Minister zugestan-
den ist, jetzt nichts mehr überig bleibt und sie deshalb ein anderes
Arbeitsgebiet wollen. Mein neuer Arbeitsstil hat zwar Anerkennung
bei diesen Leuten gefunden, aber selbstverständlich können sie sich
damit in dieser Hinsicht nicht befreunden, weil sie ja nicht in das
engere Ministerbüro kommen konnten.
Anschliessend daran begab ich mich zur Industriellenvereinigung,
wo ich von Präs. Mayr-Gunthof, Generalsekretär Fetzer und Dr.
Marquet empfangen wurde. Auch hier wurde mir versichert, sie seien
überrascht, dass ich mich zu ihnen begebe, sie seien natürlich
absolut der Meinung, daß die Zusammenarbeit, wie sie die Sozial-
partnerschaft in den letzten Jahren gebracht hat, fortgesetzt
werden soll. Ich erklärte ihnen, dass ich verstehen kann, dass auch
sie über meine Ministerfunktion schockiert sind, dass ich aber es
jetzt ihnen hoch anrechne, dass sie in ihrem gestrigen Komitee
erklärt haben, man sollte der sozialistischen Regierung eine
Chance geben. Ich persönlich bat dann noch, dass wir einen engeren
Kontakt institutionalisieren, womit Fetzer sehr einverstanden war
und erklärt hat, er wird mir einen diesbezüglichen Vorschlag unter-
breiten. Was die Industriepolitik betraf, habe ich ihm erklärt,
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dass wir uns ausschliesslich nach den Ergebnissen der
Industriestudie des Wirtschafts- und Sozialbeirates richten werden,
da ich ja letzten Endes an dieser Studie entscheidend mitgewirkt
hätte. Ich konnte nur hoffen, dass die Industriellenvereinigung
mit die Untersützung in dieser Frage angedeihen lassen wird. Auch
dies wurde von seiten der Industriellenvereinigung versichert
und wir kamen überein, dass konkrete Wege gesucht werden müssten,
um diese Industriepolitik auch durchführen zu können. Ich
erinnerte Dr. Fetzer daran, dass wir vor Jahren, es ist jetzt
bald 10 Jahre her, über Finanzierungsmöglichkeiten der Industrie
verhandelt hatten, dass er damals erklärt hatte, dass eine Er-
höhung der Einkommenssteuer in den höheren Kategorien nicht so
entscheidend ist, wenn der Einkommensbegriff geändert wird und
wenn insbesondere durch eine Sockelfinanzierung die Investitions-
tätigkeit der Betriebe gesichert erscheint. Fetzer war über diese
meine Erinnerung sehr erstaunt, bestätigte sie aber und sagte, es
wäre möglich, auf dieser Basis weiter zu verhandeln, er hätte es
damals auch bedauert, dass es nicht zu einem Abschluss dieser Be-
sprechung kam, sondern zu einem Unterbruch, indem nämlich nach dem
1. März 1966 Schmitz eine andere wachstumspolitische Richtung
einschlug, die dann leider ja nicht zu den Wirtschaftsergebnissen
führten, die er sich erhofft hatte. Dr. Marquet ersuchte mich
noch, ich sollte mir genau überlegen, wenn wir den Russland-
vertrag multilateralisieren, weil dadurch für gewisse Industrie-
zweige eine Benachteiligung entstehen könnte. Diesbezügliche
Vorschläge würde er mir noch unterbreiten. Zum Abschluss
schlug ich noch vor, dass ich mich freuen würde, wenn ich
zu Vorstandsitzungen oder Versammlungen der Industriellen-
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vereinigung eingeladen würde. DieserVorschlag wurde mit
Begeisterung aufgenommen und mir zugesichert, dass ich sicher
bei der nächsten Vorstandssitzung bereits mit einer Diskussion
der Vorstandsmitglieder die Wünsche, Anregungen und Beschwerden
der Industriellenvereinigung kennenlernen sollte.
Abends war eine Wiener Konferenz, bei der Bundeskanzler Kreisky
berichtet, . Bei Der Begrüssung , wo die einzelnen Minister
von Slawik der Konferenz vorgestellt wurden, war es mir sehr
peinlich, als er erwähnte, daß der gute alte bekannte Staribacher
zum Handelsminister ernannt wurde und der 3. Bezirk mir wirklich
in unerklärlicher Weise nicht nur applaudierte, sondern auch
nochnBravorufe ausstieß. Dies musste den Eindruck erwecken,
wie wenn ich mir das organisiert hätte und ich war daher sehr
unangenehm von dieser Beifallkundgebung berührt.
Ministerratsvorbesprechung am 27. 4. 1970
Kreisky erklärte, es könnten sich Schwierigkeiten ergeben, wenn
die Mitarbeiter in den Ministerien direkt unterstellt sind, das be-
trifft in meinem Ressort das Ministerbüro, zu stark ausgeweitet
werden, Er schlägt deshalb drei Möglichkeiten vor:
1 . Der Nachweis, daß die Zahl der Arbeitsplätze reduziert wurde;
2. daß ein nachziehendes Dienstverhältnis weiter besteht, z.B.
dass ein Teil der Bezüge von der SPÖ oder sonstigen Organisaton
getragen werden.
3. Aufgaben übernommen, die bisher nicht erfüllt wurden,
Ich hatte dort sofort; ganz energisch erklärt, daß ich auf den Ausbau
unseres Mitarbeiterbüros bestehen muß. Im Pressedienst sind bis
jetzt Redakteur Bacher, der bis 30. 6. seinen Vertrag hat, und
Dr. Bohn der erst. am 17. 2. aufgenommen wurde, beschäftigt,
neben Amtsrat Puffler, der seit je den Pressedienst leitete. Da
wir für das Ministerbüro und Sekretariat noch Zimmer benötigen schlug
Sekt.Chef Schipper vor, Dr. Bohn zu kündigen. Ich verlangte so-
fort Dr. Bohn zu sprechen. Dieser erklärte mir, er sei über keine
Partei hereingekommen. Ich erklärte ihm sofort, daß dies für mich
ganz uninteressant ist und für mich die Leistung und nicht das
Parteibuch entscheidend sei. Ich frage ihn insbesondere über
seine Pensionsmöglichkeiten, Er erklärte mir, im Mai 1911
geboren zu sein und 419 Monate Versicherungszeiten zu besitzen.
Das heißt, für die Rente benötigt; er noch 1 Monat. Wenn er allerdings
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das Rentenzeitalter erreicht hat. Ich dankte ihm und erklärte dem
Sektionschef Schipper, daß ich mir die Entscheidung vorbehalte.
Schipper teilte mir mit, daß er morgen eine Sitzung im Bundes-
kanzleramt, wo das Handelsministerium weitere 10 Dientsposten
einsparen müßte, um den seinerzeitigen Ministerratsbeschluß, wo-
nach 2 % der Bedientseten durch natürlichen Abruf und sonst wie
eingespart werden sollen, zur Durchführung zu bringen. Er fragte
mich, ob er dort diese unmögliche Anforderung, nämlich 10 Dienst-
postenpläne einzusparen, zurückweise n könnte. Ich erklärte selbst-
verständlich ,daß jeder Ressortmitarbeiter die Aufgabe hat, so gut
wie möglich für das Ressort zu kämpfen. Ich verlangte weiterhin
die Approbationsgenehmigungen und ersuchte ihn, mir eine Ge-
schäftsordnu ng zu geben. Er erklärte, daß eine solche schriftl.
nicht vorhanden sei, ebenso keine endgültige und schriftl. Fixierung
bis zu welcher Höhe Ausgaben getätigt werden könnten, ohne daß
ich sie sehe. Ich verlangte von ihm, er sollte dies alles schriftlich
niederlegen und mir dann entsprechend unterbreiten.
Bei der Ministerratsvorbesprechung hält Kreisky ausdrücklich fest,
daß kein Kontakt zu Parteien, ohne vorherige Genehmigung von
ihm erfolgen dürfte. Anders verhält es sich mit dem Kontakt zu den
Interessensvertretungen. Er stellte aus-
drücklich fest, daß sich meine Kontaktaufnahme sehr gut ausgewirkt
hat. Weiters wünscht er, daß womöglich von jedem Ministerrat eine
news well you , d. h. , eine neue Meldung hinaus geht, die den Wert
hat, die headlines ,d. h. die Überschriften in den Zeitungen zu
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bekommen und nicht wie das in der letzten Zeit in der ÖVP -
Alleinregierung der Fall war, daß sogenannte Hofberichte
über die Tagesordnung erschienen.
Da ich beim neuen Ackerbau-Minister Dr. nicht den Eindruck er-
wecken wollte, daß ich mich in seine Kompetenzen einmische,
hatte ich vorsichtig vorgefühlt, ob er Wert darauf legt, daß
ich ihn mit den Leuten, mit denen ich bisher zu tun hatte, bek-
anntmache. Er begrüßte diesen Vorschlag sofort und sagte,
er befinde sich in dem Zustand als müßte er auf einen fahrenden
D-Zug aufspringen, wo ich doch den Zug mit all e den
Leuten bereits engsten Kontakt hatte. Wir vereinbarten, daß
er für nächsten Dienstag alle Fonds in Abständen von einer 1/2
Stunde zu sich bittet und ich dabei sein werde, um die entsprechenden
Gespräche einzuleiten und vor allem um die Ideen, die ich jahr-
zehntelang dort vertreten habe, vor ihm wieder mit den leuten
zu diskutieren. Der offizielle Grund wäre folgender:
ich könnte erklären, daß ich mich verabschiede, da ich ja in dem
Fonds nicht mehr mitwirken würde.
Mit Häuser vereinbarte ich heute, daß wir uns dem Protokoll
unter gar keinen Umständen unterwerfen werden und wir er-
klärten daß wir nicht einmal einen Smoking zu irgendwelchen
Anlässen tragen wollen. Ich bin neugierig, ob wir dies wirklich
durchstehen können,
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In Durchführung der guten Kontaktaufnahme mit der Bundeskammer
habe ich mich unmittelbar nachher neben den offiziellen Feierlich-
keiten zum 27. April, d. h. zum Jahrestag der Gründung der
Republik Österreichs zu Ende waren, in die Bundeskammer be-
geben. Präsident Sallinger war nicht anwesend und bei Gen.Sekr.
Musil tra f ich Minister Mitterer an. Dies fü hrte natürlich zu
einer unangenehmen Situation, obwohl sie dort ganz freimütig
gleich damit begannen zu sprechen wie und in welchem Umfange wir
unsere Kontakte besser ausbauen können. Mitterer erklärte
zwar sofort er müßte doch den Raum wahrscheinlich verlassen,
was ich aber deshalb verneinte, weil sich sicher war, daß Musil
ihm sowieso Mitteilungen machen würde. Nach längerer Zeit
stellte sich allerdings heraus, daß Mitterer einen anderen Termin,
er wollte sein Mittagessentermin nicht verschieben, fragte ob ich
noch lange zu tun hätte, worauf wir übereinkamen, daß ich, nachdem
ich ja nicht einmal angemeldet war, sofort jetzt die Sitzung
verlasse und Musil dann später zu mir rüberkommen würde, Dies
ist auch geschehen. ich hatte mit ihm Gelegenheit, die Regierungs-
erklärung zu besprechen und vorallem auch die Ministerratsvorträge
im einzelnen durchzugehen. Musil erklärte, daß er den Eindruck habe,
daß Kreisky die lnteressensverbände förmlich ausholen möchte, da
er jetzt sehr viele Leute auch als Mitarbeiter in die Regierung ge-
zogen hat.