In der Ministerratsvorbesprechunq wurde das kleine Kompetenzgesetz
wie vorgeschlagen genehmigt, da anzunehmen ist, dass im Parlament
mit Modifikationen zu rechnen ist. Ich habe diese Stellungnahme
auch der Bundeskammer – Sallinger und Mussil – mitgeteilt, sie
waren nicht gerade begeistert, weil sie erkannten, dass jetzt die
ÖVP zwar die Opposition machen wird gegen diesen Gesetzentwurf,
aber die Freiheitlichen dem eine Zustimmung geben werden. Ich
wies aber ganz besonders darauf hin, dass ich keine wie immer gearteten
Verhandlungen mit den Freiheitlichen oder sonst irgendeiner anderen
Gruppe geführt hatte, sondern ausschliesslich mit der Bundeskammer
über diese Fragen Kontakt gehalten haben. Bei dieser Gelegenheit konnte
ich gleichzeitig feststellen, dass die Bundeskammer äusserst negativ
reagierte, wenn ich erwähnte, dass auch die Industriellenvereinigung
in Zukunft zu Besprechungen herangezogen werden sollte. Ich habe
deshalb, da die Bundeskammer für mich der stärkeren Verhandlungspartner
ist, ihnen zugesichet, dass ich in Zukunft nur die in der Paritätischen
Kommission anwesenden Mitglieder zu den Besprechungen laden werde und
es der Bundeskammer überlassen bleibt, ob sie einen Vertreter der
Industriellenvereinigung mitnimmt, was sie allerdings versprochen
hat. Ich konnte auch feststellen, als die Vertreter der deutsch-
österreichischen Handelskammer KR Hinteregger und Generaldirektor
Conrad bei mir waren, dass auch die, als sie ein Programm für den
50-jährigen Bestand der deutschen Handelskammer im 18. 19. September
in Wien mir vorlegten, gegen die Industriellenvereinigung Stellung
bezogen haben. Sie erwähnten, dass Mayr-Gunthof mit 75 Jahren noch
immer in ihrem Vorstand ist, obwohl sie sich sehr bemühten, ihn
zu einer Rücklegung dieses Sitzes zu veranlassen, und insbesondere
wurde Generalsekretär Fetzer vorgeworfen, der ebenfalls 70 Jahre ist,
dass er ausschliesslich bestrebt ist, seiner Treuhandgesellschaft
Geschäfte zuzuschanzen und insbesondere gegen die jungen Unternehmer
und deren Tätigkeit sehr negativ eingestellt ist.
In der Ministerratsvorbesprechung kamen auch die Vorfälle im Zu-
sammenhang mit dem Grossen Zapfenstreich in Salzburg zur Sprache.
Währenddem in Wien die Polizei sehr zurückhaltend gegen die Vietnam-
demonstranten vorgegangen ist und Kreisky ja bekanntlicherweise auch
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eine Delegation im Bundeskanzleramt empfangen hat und mit ihnen
diskutierte, was von den Beamten als fast unerträglich empfunden
wurde, hat in Salzburg der Polizeitdirektor, aber auch der sozia-
listische Stellvertreter die Meinung gehabt, hier müsste sofort
entsprechend durchgegriffen werden. U.A. hatten sie 9 Österreicher
in Haft genommen, zu acht Tagen Verwaltungsstrafe verurteilt und
geglaubt, mit dieser Methode triftige Schritte gesetzt zu haben.
Kreisky verwahrte sich in Salzburg gegen diese Vorgangsweise und
erklärte, dass – wenn in unserer Regierung einige Leute sitzen, die
auch unverzüglich Verwaltugsstrafen bekommen haben, ohne dass man
sich erst viel erkundigte, ob und inwieweit hier wirklich gegen Ge-
setze verstossen wurde – Broda erklärte, dass das Verwaltungs-
strafrecht sich sowieso in nächster Zeit einer Reform unterzogen wird.
Der Bundesregierung ist es vollkommen klar, dass von Seiten der KP
versucht wird werden, Zusammenstösse herbeizuführen, aber es wäre
vollkommen verfehlt, wenn man mit den Studenten in Salzburg befinden
sichnuungefähr 3.000 – ununterbrochen in Reibereien verwickelt ist.
Es wird überhaupt notwendig sein, diesen Zapfenstreich umzufunktionieren
denn derzeit ist es nicht eine Staatsvertragsunterzeichnungsfeier
sondern in Wirklichkeit eine Huldigungsfeier für die alte Militär-
monarchie, für die Militärmärsche und für den soldatischen Geist.
Um den neuen Stil der Bundesregierung auch äusserlich zu dokumentieren,
haben wir beschlossen, dass grundsätzlich in den Amtsräumen nur das
Bild des Bundespräsidenten aufgehängt, alle anderen lebenden Minister
werden unter gar keinen Umständen zulassen, dass ihre Bilder in den
Amtsräumen aufgehängt werden. Bei einer Ministerratsvorbesprechung
für das wirtschaftliche Ministerkomitee bestehend aus Kreisky, Androsch,
Frühbauer Moser, Veselsky und mir, kam die neue Politik zur Sprache,
die sozialistische Regierung wird versuchen, durch Leasing-Verfahren -
in Deutschland bereits erprobt und von dort bereits nach Österreich
impriert – sollte versucht werden, 1. die Wohnungen in Österreich
die 5.000 Wohnungen, die wir mehr bauen wollen, zu finanzieren, aber
auch die öffentliche Hand durch unmittelbare Anleihenotwendigkeit
oder durch Budgetfinanzierungen zu entlasten. So ist beabsichtigt,
sowohl die Spitäler als auch Universitätsinstitute als auch Schulen
im Leasing-Verfahren herzustellen. Ebenso wird man versuchen, dass
für die Eisenbahnen über die Verkehrsbank entsprechende Mittel zu
Investitionen freigemacht werden. Gegebenenfalls kann mit Zinsenzuschüs-
sen versucht werden, das Zinsniveau entsprechend herabzusenken.
Wenn man annimmt, dass für die Wohnungsgenossenschaften ca.
100 Mio DM zur Verfügung gestellt werden soll, müsste man nach
Ansicht von Androsch mit 50 Mio Zinsenzuschuss auskommen. Ebenso
beabsichtigt er, für Investitionen die 300 Mio 8 im Kreditwege ver-
grössert werden sollen durch l % Zins-herabstützung einen entsprechenden
Beitrag zu leisten. Für diese Politik muss allerdings die Nationalbank
gewonnen werden, da sich diese bis jetzt ganz entschieden dagegen ge-
wehrt hat. Bauinvestitionen konnten bis jetzt im Leasing-Verfahren
eine ausländischen Finanzierung noch nicht die Zustimmung von der
Nationalbank erreicht werden. Um in der Preisfrage zu einer gewisser
Dämpfung zu gelangen, wird bei den flankierenden Massnahmen von
Seiten des Finanzministers gegebenenfalls noch ca. 200 Mio zur
Verfügung gestellt werden. Allerdings muss es nich dabei um gezielte
bestimmte punktuelle Einsätze handeln. Der Versuch Veselskys, mit
grossem Tamtam eine Aktion anzukündigen, hat weder bei Androsch noch
bei mir Zustimmung gefunden, denn seine Argumentation, alles auf ein
grosses Paket zusammenzuschnüren, halten für deshalb für verfehlt,
weil nichts drinnen sein kann. Von einem Ressort kann selbstverständ-
lich erklärt werden, dass wir die Nettopreisverordnung ausdehnen wer-
den, die Absicht ist, die Möbeln einzubeziehen und Androsch wird bei
den flankierenden Massnahmen auch einiges tun. Aber sich uns doch
vollkommen darüber klar, dass in nächster Zeit mit weiteren Preis-
anstiegen zu rechnen ist und die Bundesregierung schlecht beraten wäre,
wenn sie hier jetzt ein grosses Tamtam machen würde und dann keine
grossartigen Erfolge zu erzielen sind. Wir beabsichtigen allerdings
eine Planung der konkreten, in nächster Zeit zu erwartenden Mass-
nahmen auf wirtschaftspolitischen Gebiet, wobei wir allerdings
auf dem Preissektor sehr leise treten werden. Die beste Lösung sehe
ich noch immer in der Auflösung von punktuellen Preisbildungen, d.h. dass
auf Grund des Preisregelungsgesetzes nicht mehr Preise im Einzelfall
beschlossen werden, sondern dass man eventuell den neuen § 3 a als
auszubauen. Im Herbst wird Androsch seine Budget-
rede halten und andererseits Kreisky einen Regierungsbericht dem Parla-
ment vorlegen. Hier müssen natürlich unsere Massnahmen geplant sein
und wir werden auch insbesondere auf dem Agrarsektor entsprechende Mass-
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nahmen zu treffen haben. Diese müssten allerdings vor dem Herbst
schon getroffen werden, da die Bauern sonst mit Recht sagen werden,
sie sind reingelegt werden für die Getreideproduktion müsste Anfang
Juni die Entscheidung fallen. Kreisky schwebt vor, über die wesent-
liche Erhöhung der Alkoholsteuer dem Gesundheitswesen entsprechende
Beträge zur Verfügung zu stellen. Mein Einwand, dass dies alles
sehr schwer sein wird, da bereits jetzt auch auf diesem Sektor
riesige Überschüsse sind, u.a. hat ja gerade der Weinüberschuss
den Weinbauern sehr zu schaffen gemacht, erwiderte er, dass mna
bestrebt sein müsste, über das schwedische Alkoholmonopol grössere
Mengen dorthin zu verkaufen. Die Hauptschwierigkeit liegt aber darin
dass die österreichischen Weinproduzenten nur kleine Mengen von
Qualitätsweinen haben und insbesondere nicht einheitliche Qualitäten
in grösserem Ausmass zur Verfügung stellen. Ich habe dieses Problem
vor Jahren bereits Kreisky mitgeteilt, er glaubt aber, dass es mög-
lich sein müsste, trotzdem grössere Mengen nach Schweden und in die
norditschen Länder zu verkaufen.
Bei einer Besprechung mit Gesandten Leitner, er wurde bekannt-
licherweise nach Österreich zurückberufen, um einerseits Bericht
zu erstatten, der wirkliche Grund war aber, dass seine Schwieger-
mutter schwer erkrankt ist und er deshalb mit seiner Frau bei der
Operation in Wien anwesend sein wollte. Leitner erzählte uns,
dass jetzt doch die Möglichkeit bestünde, dass Österreich vor
der Verhandlung mit den beitrittswilligen EFTA-Ländern, England usw.
durchgeführt wird.werden. Die Arbeitsgruppe Österreich wird dem
Ministerrat am 8. bis 9. Juni einen Abschlussbericht geben, damit
eine Mandatserteilung für 29.6. von Seite der Ministerratssitzung
an die Kommission erfolgen könnte. Um die Gattkonformität zu wahren
wird in dem Vertrag vorgesehen sein, dass die Handelshemmnisse
abgebaut werden sollte, und dass der erste Schritt in ca. 5 Jahren
eine 30 %-ige Zollsenkung Platz greifen wird. Um die anderen Schweiz
insbesondere nicht zu präjudizieren, Schweiz hatte bei den EFTA-
-Verhandlungen in Genf ausdrücklich den österr. Aussenminister Kirch-
schläger darauf aufmerksam gemacht, wird weder über eine Freihan-
delszone noch über eine Zollunion gesprochen werden, sondern es
wird nur angedeutet, dass im Rahmen des Art. XXIV 5 c GATT eine
solche Handelshemmnisse beseitigendes Arrangement gefunden werden
soll. Die seinerzeit in Diskussion gestandene Phase von einem
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40 – %-igen Zollabbau kommt deshalb nicht zum Tragen, weil in der
ersten Pahse der EWG Harmonisierung auch 30 % Zollsenkung vorgesehen
war, ohne dass irgendwelche Ausnahmen oder Harmonisierungsverhand-
lungen im einzelnen geführt werden mussten. Dieses Präjudiz wirkt
jetzt auch auf Österreich und es wird daher nur eine 30 %-ige
Zollsenkung geben. Bezüglich der Ausnahmen, die die italienische
Regierung verlangt hat, sie wollte nämlich Papier aus dieser Re-
geleung heruasgenommen haben, ist die Möglichkeit, dass auf diese
Ausnahme verzichtet wird. Insbesondere wird die Wettbewerbsabteilung
IV der EWG, deren Generaldirektion schon mitgeteilt hat, dass die
die ÖPA als nicht gegen die Wettbewerbsbeschränkungen des EWG-
Vertrages ausgerichtet sieht. Schwierigkeiten wird es auch bezüglich
der landwirtschaftlichen Produkte bei Käse und Wein nicht geben,
allerdings wird bezüglich der Rinderexporte ein ganz grosser Wider-
stand von seiten Frankreichs geleistet werden. Das wäre für uns
fast unerträglich, da die Agrarpolitik unserer Meinung nach nur
überhaupt nur im Rinderexport in Österreich Zukunft haben und des-
halb alle Wege freigekämpft werden müssen, um diesen Rinderexport auch
tatsächlich dann in die EWG durchzuführen. Die seinerzeit gewünschten
Ausnahme vonStahl , Aluminium und Ferrolegierungen wurden in der Zwi-
schenzeit von der Kommission in den Vorbesprechungen fallengelassen.
Dr. Denk vom Fachverband hat deshalb auch dem Gesandten Leitner
erklärt, dass unter allen Umständen jetzt eine 100 %-ige Annahme
diese Arrangements eintritt. Obwohl sich jetzt hier auch ein Spezial-
problem ergibt, da die CEKA-Produkte, die mit den einzelnen 6 Parlamen-
ten verhandelt werden müssen, kann es dazu führen, dass die erst
zu einem späteren Zeitpunkt in Kraft treten als dies für die anderen
EWG-Produkte der Fall sein wird. Dadurch würde unsere weiterverar-
beitende Industrie auf den Eisen- und Stahlsektor ihre
Vorbprodukte nach wie vor zollbelastet bekommen, währenddem die
Fertigewaren bereits über die EWG mit einer entsprechenden Zollsen-
kung von 30 % ins Inland kommen könnten. Da die CEKA-Produkte aber
im Export nur 10 % ausmachen, die Land- und forstwirtschaftlichen
Produkte, die reinen EWG-Produkte aber 84 % wird er fraglich sein,
ob man wirklich mit den 84 % zuwarten soll, bis die sechs Parla-
mente den Vertrag ratifiziert haben.
In der Sektionssleiterbesprechung, wo ich das erste Mal auch
Min.Rat Meisl als Leiter der Grundsatzabteilung zugezogen hatte,
kam die Diskussion neuerdings auf die Tätigkeit der Grundsatz-
abteilung. Ich hatte Gelegenheit, bei der ersten Sitzung der Gu
Grundsatzabteilung anwesend zu sein und hatte dort erklärt, dass
sie nicht als Superabteilung im Sinne des Befehlsgebers zu ver-
stehen sind und die Sektionen nicht die Angst haben müssen, dass
sich alles das auszuführen haben, was die Grundsatzabteilung
erarbeitet, sondern dass die Grundsatzabteilung eben die Aufgabe
hat, grundsätzliche Frage zu koordinieren, zu überlegen und im
Gesamtzusammenhang zu besprechen, und dann entsprechend mit den
Sektionen abzustimmen.Das Beispiel war die Kohlen- und Kokssituation
wo es bis jetzt nicht gelungen war, wirklich einen einheitlichen
und integrierten Informationsbericht zu erhalten. Es muss deshalb
noch viel stärker als dies in der Vergangenheit der Fall gewesen
ist, zwischen den einzelnen Sektionen , der Obersten Bergbehörde
der Grundsatzabteilung und allen davon betroffenen Anteilungen
Einvernehmen hergestellt werden, damit ein wirklich integrierter
Bericht und integrierte Massnahmen vorgeschlagen werden. So legte
ich fest, dass die Budgetabteilung des Präsidiums über finanziellen
Obligationen informiert werden muss, damit sie sich doch ein ent-
sprechende Bild machen könnte über die nächsten fonanziellen Aus-
gaben und andererseits entsprechende Berichte an mich abgehen lassen,
wenn hie irgendwelche finanziellen Engpässe drohen. Der Hinweis,
der automatisch kam, dass insbesindere das Reisebudget nicht ausreichen
würde konnte ich dahingehend entkräften, dass ich sagte, man müsste
eben entsprechende Einsparungen auf diesem Sektor vornehmen. Hier wurde
mir aber mitgeteilt, dass insbesondere die anderen Ministerien gar
nicht daran denken, Einsparungen vorzunehmen, insbesondere der in
Vertretung des Finanzministeriums immer bei ausländischen Sitzungen
anwesend, wo sie gar nichts verloren hätten. Ich ersuchte um einen
genauen Bericht, da ich dies mit Androsch besprechen würde. Ausserdem
wurde mir mitgeteilt, dass auch die Polizeidirektion Wien bei
Strassenverkehrsfragen imAusland sehr stark vertreten ist, obwohl
auch da keine Notwendigkeit dazu besteht, auch hier versuchte ich,
mich entsprechende zu informieren, um das mit dem Innenminister
anzustimmen.
Tagesordnung 5. Ministerratssitzung, 19.5.1970
01_0131_02hs. Notizen (Rückseite TO Ministerratssitzung)
Tagesordnung Sektionsleitersitzung
Information für den Herrn BM betr. TOP 17
Nachtrag
Information betr. TOP 15
Information für den Herrn BM betr. TOP 17