Das Parlamentspräsidium hatte vereinbart, dass heute zwei NR-Sitzungen
stattfinden, und zwar eine Einbringungssitzung und eine Zuteilu g-
sitzung. Dies verlangt die Geschäftsordnung. Aus diesem Grunde
war klar, dass mindestens zwei Fragestunden starten würden. Ich wurde
mit 4 Fragen in die erste Fragestunde aufgenommen. Ich hatte mir
von den Abteilungen ein entsprechendes Material kommen lassen.
Leider war die Unterlage sehr unbefriedigend. Insbesonderedie An-
frage von Abgeordneten Peter, ob ich beabsichtige, das Berggesetz
1954 zu novellieren und den Ländern einen grösseren Einfluss
zu geben, erkannte ich als eine entsprechende Einleitungsfrage.
Die Oberste Bergbehörde hatte mich aber nicht darauf aufmerksam
gemacht, welche Fallstricke diese Frage beinhalten kann. Ich ver-
langte deshalb, nachdem ich mir die Unterlagen einigermassen ange-
schaut hatte, den Leiter der OB und hatte eine entsprechende deut-
liche Aussprache mit ihm ,d.h. ich erklärte ihm, dass ich unbedingt
in Zukunft eine Unerlage benötige, wo bereits auf die zu erwartenden
Zusatzfragen hingewiesen wird. Ich werde dieses verlangen und die
Kritik bei der nächsten Sektionsleiterbesprechung ganz deutlich zum
Ausdruck bringen. Bei der ersten Frage von Abg. Meisl, ob ich be-
absichtige, den aMTLICHEN Stimmzettel einzuführen, hatte ich mich
vorher nicht nur über die Details der bisherigen Verhandlungen
genau informiert, sondern Sallinger auch angerufen und ihm mitge-
teilt, dass ich eine solche Frage nur positiv beantworten könnte.
Er selbst sagte mir, ich sollte sehr zurückhaltend sein, weil die
endgültigen Verhandlungen seiner Meinung nach noch nicht abgeschlos-
sen sind. Ausserdem verlangte ich um Mitteilung, ob es irgendwo
eine Beanstandung der Wahlen von Seiten der Freiheitlichen gegeben
hatte. Da Sallinger diese Details nicht wusste, hatte er mich
dann nachher mit Mussil verbunden. Mussil selbst teilte mir mit,
dass nur im Burgenland und in Tirol von Seiten des Freien Wirt-
schaftsverbandes Beanstandungen der Wahl vorgebracht wurden und zwar
weil dort einzelne Mitglieder oder Wähler des FWV nicht FWV sondern
SPÖ auf den Stimmzettel geschrieben hatten. Doch seien diese Fälle
vereinzelt gewesen und auch in den örtlichen lokalen Wahlbehörden
bereinigt worden. Die zweite Frage war von Kostroun über die Ab-
sicht in der Gewerbeordnungsnovelle und hatte eigentlich nur den
Sinn auch einen Sozialisten den Handelsminister fragen zu lassen.
Dieskonnte ich dadurch entnehmen, dass Kostroun mir vorher im
Klub mitteilte, dass er nicht beabsichtigt, eine Zusatzfrage
zu stellen. Ich erwiderte spontan, dass ich diese Vorgangsweise
für vollkommen verfehlt halte. Er sollte unter allen Umständen
fragen, gegebenenfalls sogar sehr hart fragen, damit ja nicht der
Eindruck entsteht, dass hier bestellte Fragen nur zum Abdecken
des Ministers gestellt wurden. Solche Vorgangsweise wurde gerade
von mir in der abgelaufenen Legislaturperiode immer wieder kriti-
siert. Er war darüber sehr erstaunt und hatte mit mir wollen die
Zusatzfragen besprechen. Da antwortete ich ihm, dass ich auch diese
Vorgangsweise nicht für sehr zweckmässig halte, da nur aus der
spontanen Frage unvorbereitet auch die spontane Antwort kommt
und dann der Eindruck entsteht, dass es sich hier nicht um ein
abgekartetes Spiel handelt. Beim seinerzeitigen Sozialminister
Proksch ist es einmal passiert, dass er die Zusatzfragen durch
Verlesen einer vorbereiteten Antwort beantwortet hat. Es war damit
vollkommen klar, dass mit dem Anfragesteller nicht nur die Frage
sondern auch die Zusatzfragen vorher im Detail besprochen hat. Ich
halte eine solche Vorgangsweise natürlich für den Parlamentarismus und
für die Fragestunde vollkommen abträglich. Die Frage Mitterer be-
treffend die Ministerbürobesetzung konnte ich ohne dass ich Details
sagen musste, glaube ich zu unseren Gunsten entscheiden. Ich nehme
aber an, dass Mitterer dieses Thema weiterspinnen wird und es ist
daher sehr gut, dass wir noch die wichtigsten Argumente zurückhalten
konnten. Die Frage Peters bezüglich der Bergwerksgesetzes-Novelle war
für mich eine Gelegenheit, ihm zu versichern, dass selbstverständ-
lich die OB wie ich mich ausdrückte, von mir ersucht wurde, alle
an einem Verfahren bezüglich des Bergwerksrechts Beteiligten
aber auch die Nichtbeteiligten entsprechdn zu informieren. Dies bezieh
sich sowohl auf die Landesregierungen als auch auf die Gemeinden.
Ich glaube, dass diese Fragestunden an uns gegangen sind, ich weiss
allerdings noch nicht, ob die öffentliche Meinung, d.h. die Presse
und die Massenmedien, auch diesenEindruck vermitteln werden.
Die ÖVP hatte ganz überraschend für mich eine dringliche Anfrage
eingebracht betreffend den Artikel, den Kreisky im Spiegel wegen
der verbrannten Akten gegeben hat. Zum Glück hatte ich seinerzeit
als dieses Problem bei uns bekannt wurde, veranlasst, dass eine
Untersuchung angestellt wurde und die Stücke. die gesichert wurden,
auch entsprechend den dafür zuständigen Sektionschefs zur Kenntnis
gelangten. Die Untersuchungen haben damals ergeben, dass angeblich
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nur persönliche Akte des Ministers verbrannt wurden. Dabei handelt
es sich aber nicht nur um Akte, die von Handelsminister Mitterer
stammen, sondern insbesondere von seinem Vorgänger Bock. Die Vor-
gangsweise des Verbrennens war auf alle Fälle unzweckmässig, das
sie erstens unvollständig gewesen ist, es kamen durch diese Methode
angesengte vertrauliche Berichte und Geheimberichte, die nur unter
Verschluss gehalten werden durften, in die Öffentlichkeit und
zweitens war es unserer Meinung überhaupt unzweckmässig, solches
Material zu verbrennen, sondern das hätte man unbedingt zu den
Akten geben sollen, auch dann wenn es sich – wie Mitterer behauptete-
- nur um Zweit- und Drittschriften handelt, damit die dann entsprechend
skartiert werden können , wenn die Zeit abgelaufen war.
Durch die lange Dauer der Nationalratssitzung konnte ich an der
Eröffnung des Konsummarktes nicht teilnehmen, ebenso nicht das
Vorstandsmitglied Waldbrunner und vor allem der Aufsichtsrats-
vorsitzende Benya, der die Leute alle begrüssen sollte. Ich war
darüber gar nicht sehr unglücklich, denn sicher hätte ich die Ge-
legenheit gehabt, auf die Wettbewerbssituation neuerdings hinzu-
weisen, doch darf man nicht vergessen, dass es in der Öffentlichkeit
sicher nicht einen sehr guten Eindruck gemacht hätte, wenn ich als
erste Eröffnung einer Konsumfiliale eines Grossupermarktes aufge-
treten wäre. Ich hatte anschliessend eine Aussprache mit VÖEST
Generaldirektor Koller und Verkaufsdirektor Mattes waren zu mir
gekommen, da ich sie aufmerksam gemacht hatte, dass die Kohlensituation
d.h. inbesondere die Kokssituation für das laufende Jahr den kommenden
Winter äusserst kritisch werden würde. Koller versprach, sich unver-
züglich mit der deutschen Ruhrkohle ins Einvernehmen zu setzen, wenn
ich ihm mitteile, mit wem Hannes Androsch bei dem SPD-Parteitag gespro-
chen hat. Denn er behauptete, dass die deutschen Manager von Ruhrkohle
absolut unansprechbar sind, wenn man nicht ihnen mitteilen kann,
dass z.B. ihr Möller, Hart oder Schillir mit uns gesprochen hat und
uns ersucht hat. mit dem und dem betreffenden Herren ins Einvernehmen
zu setzen. Ich habe diese Aussprache persönlich nicht geführt und
deshalb Androsch ersucht, sich unverzüglichst mit den deutschen Ge-
nossen ins Einvernehmen zu setzen, damit Mattes dann von ihm die
Namen bekommen könnte, an die sich die VÖEST wenden sollte.
Tatsache ist, dass die VÖEST, nachdem der Vertrag 1969 abgelau-
fen ist, keinen wie immer gearteten Anspruch hat auf Lieferung von
Koks oder Kohle, denn die Ruhr hat ihnen die sonst 750 oder 800.000 t
beziehen, nur 400.000 zugesagt, von denen sie aber bis jetzt schein-
bar nur 200.000 liefern wollen. Mattes hat darauf hingewiesen, dass
in Deutschland am besten zu erkennen ist, wie schwierig dort auch
die Kohlensituation ist, dass die Eisen- und Stahlwerke ihre Kapa-
zität um 8 – 10 % nicht ausnützen können, weil sie keine Kohle zur
Verfügung waren.
Abend war ich das erste Mal im Parteivorstand und ich habe genau
das bestätigt gefunden, was ich ja infolge meiner langjährigen
politischen Tätigkeit schon kenne, dass in diesem Gremien in Wirk-
lichkeit nur mehr Vollzugsbeschlüsse gefasst werden, die Probleme
werden wo anders besprochen und die Entscheidungen auch wo anders
vorbereitet. Ich hatte z.B. natürlich schon gewusst, dass der ÖIG-
Vorstand abgebaut wird und dass insbesondere von der Verbund Dr. Koth-
bauer als Generaldirektor eingesetzt werden soll. Dieser Bericht
war mir deshalb überhaupt nicht neu, genau so wenig wie die Beschluss-
fassung über die Arbeitsgruppe, die jetzt das Problem der ÖSW-ÖMV
Fusionierung bepsrechen und lösen soll. Die anderen Beschlüsse
waren vollkommen formeller Art über den Parteitag, über die Bücher
und sonstigen organisatorischen Kram wie ich es eigentlich bezeich-
nen würde. Der Bundesparteivorstand musste auch noch das Problem Land-
wirtschaftsminister lösen und Kreisky konnte mitteilen, was ich auch
schon gewusst habe, da Weiss mit mir nachmittag bereits mit mir über
seine Politik gesprochen hat, dass Öllinger ihn ersucht hat, ihn
von dem Posten zu entheben auf ausdrückliches Anraten seiner Ärzte
und dass er Kreisky vorschlägt, jetzt den Dipl.Ing. Dr. Weihs von
der Arbeiterkammer Graz zum neuen Landwirtschaftsminister zu be-
stellen. Ich war über diese Entscheidung sehr froh, denn ich war
überzeugt, dass Öllinger auch vom Standpunkt unserer Partei eine
Agrarpolitik vertreten hätte, die sich ausschliesslich nach den
Bedürfnissen des Bauernbundes weitgehend gerichtet hätte. Ich hätte
ja nichts dagegen, dass er im engsten Einvernehmen mit dem Bauern-
bund vorgegangen wäre. Aber die Gefahr besteht ja, wie Pleschiutsch-
nig uns mitgeteilt hat, dass der Bauernbund ja schon in der
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Bürokratie zu erkennen gegeben hatte, dass er auch mit diesem
Minister seine bisherige Politik fortsetzen wird und keine wie
immer geartete Änderung eintreten würde. Weihs hat hier eine ganz
andere Auffassung, für meine Begriffe glaube ich geht er sogar
zu radikal vor. Bei der ersten Aussprache, die ich mit ihm hatte,
sagte er, dass er nicht nur den Getreidefonds auflösen will und
die Getreidepreisstützung abbauen – ein Vorschlag der ja auch von
mir seit Jahren bereits propagiert sind – sondern dass er auch
den Viehverkehrsfonds auflösen wird, denn er bräuchte auch diese
Institution keinesfalls. Bezüglich der Treibstoffverbilligung
und der Düngemittel würde er unter allen Umständen auch auf das
Auslaufen der derzeit bestehenden gesetzlichen Bestimmungen be-
stehen. Auf alle Fälle werden wir sehen, wie Weihs diese Fragen an-
packt, eines ist sicher für mich, dass er sie nicht nur besser
lösen wird, sondern dass er auch – da er die Materie aus dem Effeff
beherrscht die Bürokratie wirklich auf diese Linie bringen wird.
Da er Dipl.Ing. Agraringenieur ist kann man ihm kaum vorwerfen,
dass er nicht vom Fach ist, da er zweifellos die Leute jahrzehnte-
lang kennt, bring-t er die besten Voraussetzungen für dieses Amt mit.
Er hat zwar auch vor Jahren einen Herzinfarkt gehabt, aber mir
versichert, dass ihm sein Arzt bereits vor längerer Zeit gesagt
hat, dass er diesen vollkommen überwunden hat und deshalb keine
wie immer geartete Schwierigkeiten auf diesem Sektor zu erwwarten
sind.