Donnerstag, der 3. September 1970

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Ein Gespräch mit Kirchschläger ergab, dass auch er der Meinung ist,
dass es zweckmässig ist, dass ich bevor ich nach Bulgarien und Russ-
land fahre, mit der Schweizer Bundesregierung, d.h. dem Vertreter des
Volkswirtschaftsdepartements Brugger Kontakt aufzunehmen.

Im Bundesparteivorstand wurden nur formelle Beschlüsse über Umbesetzun-
gen in einigen Gesellschaften gemacht und einige Orgnisatorische Fragen
besprochen, das politische Referat wurde vom Parteivorstand ohne Dis-
kussion zur Kenntnis genommen. Es zeigt sich immer mehr, dass wenn eine
Partei festgefügt ist und keinerlei politische Differenzen innerhalb
ihrer Organisation bestehen, dass solche Sitzungen natürlich fast zur
Routinesitzung werden. Allerdings ist dieser Zustand wesentlich ange-
nehmer als vor etlichen Jahren, wo die Sozialistische Partei
noch sehr stark zerstritten war und unter Auseinandersetzungen, wie sie heute
in der ÖVP gang und gäbe sind zu leiden hatte. Da zu diesem Zeitpunkt
die Ausstellung "Alles für den Gast" im Österr. Bauzentrum eröffnet
wurde, an der ich sehr gerne teilgenommen hätte, fuhr ich anschliessend
nach der Parteivorstandssitzung um 1/2 2 Uhr zu dieser Ausstellung.
Es war natürlich niemand mehr anwesend, nur der Archtiekt Frisch, der
die Ausstellung gestaltet hat. Ich konnte dabei feststellen, dass es
sich hier um eine ganz zweckmässige Ausstellung handelt, um den Hotel-
und Gastgewerbebetrieben zu zeigen, wie zweckmässig Betriebe eingerich-
tet werden können. Allerdings glaube ich sind die APreise in einem der-
artigen Missverhältnis zu der eventuell zu erwartenden Rentabilität
dass sich hier wirklich nur A- oder B-Betriebe dies werden leisten können
Wenn dort in der Ausstellung auch gezeigt wird, welche Sportinstrumente
und Freizeitbeschäftigungsmöglichkeiten jeder Betrieb seinem Gast
bieten müsste, dann kann ich nur sagen, dass wir selbst in den Luxus-
kategoerien weit davon entfernt sind dies zu tun.

Generaldirektor Hecke von der Österr. Siemens Gesellschaft wollte einen
Anrittbesuch machen, hatte allerdings bei dieser Gelegenheit die Ab-
sicht mir mitzuteilen, dass er in drei Jahren in Pension geht und sein
Nachfolger Dr. Wolfsberger, der seinerzeitige Aussenstellenmann der
Bundeswirtschaftskammer in Moskau werden sollte. Er will noch in den
letzten drei Jahren den Konzern, der derzeit auch sieben Betrieben
besteht und teilweise sehr schlechte Betriebe wie z.B. die Firma NORMA


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aufgekauft hat, dass dieser Konzern jetzt vereinheitlicht wird
und eine einheitliche alleinige Konzernspitze kriegt und die
Unternehmungen ihre Selbständigkeit aufgeben sollten. Er hat
derzeit ca. 10.000 Beschäftigte und einem Umsatz von 3 12 Mia S.
Nach seiner Mitteilung werden die einzelnen Landesgesellschaften,
oder wie sie im Konzernbetrieb heissen,den Landesfürsten vollkommen
freie Hand gewährt und sie werden als Weltmarktfabriken aufgebaut.
Es wird daher sowohl in Deutschlandsberg als auch in Villach eine
modernste Produktion aufgerichtet, wobei die Absicht besteht, dass
der Grossteil dieser Produkte der Siemensbetriebe von anderen Staaten
exportiert wird. Er selbst bezeichnete sich nicht nur als ein gebore-
ner Österreicher, sondern auch als bestrebt, unter allen Umständen, die
österreichische Selbständigkeit der Siemensbetriebe zu erhalten und
sagte, wenn es zu diesem Arrangement mit der Deutschen Siemens nicht
gekommen wäre, WSW wahrscheinlich finanziell und technisch vor die
Hunde gegangen wäre. Um den ausländischen Einfluss zurückzudrängen,
glaubt er, wäre es zweckmässig, wenn in der Mitbestimmungsfrage vor
allem die Sicherheit für das Management geschaffen wird, nämlich zu
verlangen, dass in ausländischen Unternehmungen, so wie das in der
Schweiz und anderen Staaten der Fall ist – mindestens die Hälfte der
Vorstandsmitglieder und der Aufsichtsratmitglieder aus österr.
Vertretern bestehen müsste. Ich selbst erklärte ihm , dass die Frage
der Mitbestimmung sowieso in der nächsten Zeit aufs Tapet kommen wird,
wobei allerdings ich mir von solchen Bestimmungen nicht allzu
viel verspreche, denn letzten Endes kann man immer wieder feststellen,
dass es auf die Persönlichkeiten ankommt, ob sie sich gegen die ausländische
Konzernspitze durchsetzen kann oder ob sie in Wirklichkeit nur
reine Befehlsempfänger dieser Kapitalgesellschaft und Kapitalgeber
sind. Er selbst teilte mir mit, er hätte, 4 mal in seiner 10-jäh-
rigen Laufbahn in Österreich bereits den Vorsitzenden des Aufsichts-
rates, der ihm entsprechende Weisungen geben wollte, erklärt, dass
er unter gar keinen Umständen bereit ist, dies durchzuführen und diese
Ablehnung hätte ihm weder im Konzern noch in seinem beruflichen

Fortkommen geschadet.

Mit Ing. Riedl von der Fa. Manner habe ich bezüglich der Schokolade-
preisverordnung eine Aussprache gehabt. Riedl erklärte mir, dass es
derzeit leider nicht möglich ist, die Erhöhung des Füllgewichtes von
80 gr auf 100 gr mit einer Preisgleichheit von S 5.- für den Riegel
unverändert zu lassen. Wir kamen deshalb überein, dass die VO die
90 gr-Packung nicht vorsehen wird, ich halte eine solche Gewichts-


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klasse für international nicht üblich und daher auch lächerlich,
dass aber wir erstens einen langfristigen Übergangzeitraum vorsehen
d.h. die VO frühestens mit 1.7.1971 in Kraft tritt, dass anderer-
seits er aber sich sofort mit der Fa. Suchard ins Einvernehmen
setzen wird, dass sie bereit ist, bei einem derzeitigen Verbraucher-
preis von S 5.- diesen Preis zu belassen, aber dafür das Füllge-
wicht nur von 80 auf 90 gr zu erhöhen. Auf meinen Hinweis, dass
jetzt in der Süsswarenindustrie doch eine entsprechende Änderung
Platz greifen wird, dass z.B. morgen die Firma De Beukelaer
in Amstetten zwei Keksstrassen errichten wird, hat er eigentlich
nicht sehr negativ reagiert sondern darauf hingewiesen, dass die
ausländische Konkurrenz hier eben einen Markt nützt, der von der
österr. Süsswarenindustrie vernachlässigt wurde. Ausser Zach in
Feldbach, Steiermark, gibt es keine wirklich leistungsfähige Be-
triebe, die irgendwelche Backwaren oder Salzbackwaren in grösserer
Menge erzeugt und die Fa De Beukelar und viele andere werden sich
daher auf diesen österreichischen Markt stürzen. Er selbst sagte,
die Fa. Manner hat durch den Kauf von Napoli die ausl. Konkurrenz
von diesem Betrieb abgehalten und er glaubt daher, dass es zweck-
mässig ist, weitere Konzentrationen noch durchzuführen.

Mit Sekt.Chef Römer hatte ich eine Besprechung, da die Abteilung
Schleifer versuchte, den Bericht über die Verhandlungen mit den
Interessenvertretungen, die zu keinem positiven Ergebnis geführt
haben, betreffend Änderung der Wirtschaftsgesetze, eine Intention
des MR Schleifer, wo er glaubt, dass die Vermittlung notwendig
und möglich wäre, in den Bericht aufnehmen zu müssen. Wir erklärten
dem Sektionschef, warum sowohl Wanke, Meisl als auch ich auf dem
Standpunkt stehen, dass dies unzweckmässig ist, da es ja nicht ge-
glückt ist, einen Akkord mit der Interessenvertretung herbeizu-
führen und deshalb eben die einzelnen Ministerien jetzt ihre Ge-
setzentwürfe ausarbeiten würden. Das ist ja gar keine Frage,
dass die sozialistischen Regierungsmitglieder sowohl Broda, als auch
Rösch im Preistreibereigesetz und im Preisregelungsgesetz nun wei-
testgehend die Vorschläge des Gewerkschaftsbundes und der Arbei-
terkammer aufnehmen werden. Wenn dann Mussil oder Sallinger sich
bei mir darüber beschwerten, dann werde ich ihnen eben sagten,
man hätte eben schauen müssen, zu einem Akkord im Handelsmini-
sterium zu kommen. Römer benützte diese Gelegenheit, um einige
Wünsche bezüglich der persönlichen Besetzung seiner Abteilung


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zu besprechen. Er sagt, dass wenn Mühlberger schon in das Wissen-
schaftsministerium geht, wir unter gar keinen Umständen einen zwei-
ten Mann abgeben sollten. Da aber, bevor Mühlberger sich entschlos-
sen hat, dorthin zu gehen, Dr. ? auch in das Forschungs-
ministerium gehen wollte, ich habe nachdem Min.Rat Böhm mir dies
mitgeteilt hatte, entschieden, dass jeder, der vom Ministerium gehen
will, ruhig gehen kann. Da wir auch, wenn zwei von uns gehen, dann
eine grössere Chance haben, im BKA einen Dienstposten für einen
Chemiker zu kriegen, werden wir an dieser Taktik festhalten. Der
Hinweis von Römer, dass die Fachreferate ganz sinnlos sind, solange sie
der Sektion I und nicht ihm als Industriesektion unterstehen, konnte
ich nur bestätigen, dass er eben Verhandlungen einmal mit Reiterer
führen sollte, damit die Möglichkeit einer eventuell anderen Dienst-
unterstellung in Erwägung gezogen wird. Sicher ist, dass seinerzeit
Augenthaler, der ein mächtiger Sektionsleiter der Handelssektion
gewesen ist, sich diese Fachreferate geschaffen hat, um sein
Imperium gross zu halten und niemand mehr in der Nachfolge imstande
war, eine zweckmässigere Geschäftseinteilung durchzuführen. Zum
Schluss entschuldigte sich Römer noch betreffend des Aktes, der
in der Stellungnahme zum Unlauteren Wettbewerbsgesetz kritisiert
hatte, dass das HM in ein Konsumentemministerium umfunktioniert
wird. Er hat ja diesen Ausdruck nicht gebraucht und sagte mir, dass
er sich zuerst über die Kritik von Wanke, der darauf hingewiesen hat,
dass eine solche Stellungnahme, auch wenn sie nur hausintern schrift-
lich abgegeben wird, unzweckmässig ist, dass er aber dann am nächsten
Tag von Seiten der Bundeskammer – Mussil – diese Kritik an dem Mini-
sterium gelesen hatte, dass er sich Gedanken gemacht hat, dass man
jetzt sofort glauben würde, dass er der Urheber dieser Kritik gewe-
sen ist. Ich versicherte ihm, dass ich es als selbstverständlich noch
immer für richtig halte, dass jeder Mann im Haus mir gegenüber seine
Meinung sagt, dass aber gerade in der Frage der Novelle des Unlaute-
ren Wettbewerbsgesetzes einen Akkord zwischen der Bundeskammer und
mir bereits erzielt worden war und dass in diesen Fragen es nach
Meinung der dafür verantwortlichen kompetenten Stelle auch der BK
eine diesbezügliche Novelle zweckmässig ist. Er entschuldigte sich für
dieses Vorgehen und sagte, er würde in Zukunft nicht mehr in Fettnäpf-
chen treten. Ich beruhigte ihn insofern, dass ich wohl volles Ver-
ständnis dafür hätte, dass so etwas passieren kann, umso mehr als ja
Min.Rat Anreiter, der die Stellungnahme verfasst hat, mir als ein
ausgesprochen tüchtiger Jurist bekannt ist, der ja insbesondere auch

in einer einmaligen Art und Weise die Stellungnahme des Ressorts


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zum Kompetenzgesetz festgelegt hat und gezeigt hat, dass er nicht
nur vom juristischen Standpunkt, sondern auch vom politischen Stand-
punkt ein sehr gutes Gefühl hat, was möglich und damit auch notwendig
ist.

Prof. Hochreiter von der Fa. Danubia kam, um uns mitzuteilen, dass die
4 Gasmesserbetriebe, die 200 Beschäftigte ca. haben, wobei die Fa. Danubia
die grösste ist, jetzt von Seiten polnischer Gasmessereinfuhren kon-
kurrenziert werden. Die Firma Schweda-Straga hat Zapfsäulen nach Polen
exportiert und als Gegengeschäft Gasmesser hereingebracht, die um 5 %
billiger und qualitätsmässig einwandfrei sind. Ich erwiderte, dass es
unmöglich ist, dieses Geschäft abzubiegen und dass man vor allem ja
doch Gasmesser von der öffentlichen Hand kauft und er sollte mir einen
Brief schreiben und wir werden uns an die Öffentliche Hand wenden,
um sicherzustellen, dass die österreichischen Gasmesser auch weiter
von diesen Kommunalgemeinden usw. gekauft werden. Bei dieser Gelegenheit
und ich glaube, das war in Wirklichkeit der Hauptgrund, kam er auf
seine Idee zu sprechen, dass man ein Forschungsinstitut der Verstaat-
lichten Betriebe oder gegebenenfalls der Privatindustrie aufrichten soll-
te, und er, der ja sich auf der Technik habilitiert hat, würde dann
sehr gerne ein solches Forschungsinstitut führen. Ich verwies ihn auf
die Frau Minister Firnberg, resp. für die verstaatlichten Betriebe
an Gen.Dir. Kothbauer, mit dem er gleichzeitig als Vizepräsident
im elektronischen Verein, wie er mitteilte, bestens bekannt ist.
Er selbst sagte nur, dass er als Genosse grosse Schwierigkeiten auf
der Technik gehabt hat und deshalb ja auch die akademische Laufbahn auf-
gegeben hätte. B

Bei einem Referat des Klubs der Kaufleute, wo ich von Präsident Ebert
eingeladen wurde, gab es eine beinharte Diskussion, wobei ich aller-
dings auf Grund glaube meiner Wiener Art Schmäh zu führen, auch die
Leute dort insofern neutralisieren konnte, als der Vizepräsident und
auch der Präsident zum Schluss sagten, dass sie politisch zwar im an-
deren Lager stünden, dass sie aber mir doch ein grosses Vertrauen ent-
gegenbringen und obwohl ich von der anderen Seite auch gewerkschaftlich
komme, mit ihrer Unsterstützung rechnen könnte.

Anschliessend besuchte ich noch eine Wahlveranstaltung der Sektion 32
und der Gegensatz dazu ist wie Hölle und Himmel. Dort wird von unseren
Genossen man nicht nur unterstützt sondern beängstigend derart liebevoll,
behandelt, dass man nur sagen kann, hoffentlich enttäuscht man diese
Genossen nicht.

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Tagesprogramm, 3.9.1970


Tätigkeit: GD Siemens
GND ID: 1066448612


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: Außenminister, Bundespräsident
    GND ID: 118723189


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: Beamter HM


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: SChef HM
        GND ID: 12195126X


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: Gen.Sekr. HK, ÖVP-NR-Abg., später AR-Präs. Verbund


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: Personalvertreter HM


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: MR HM


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: Wr. ÖVP-GR-Abg., Obmann Sekt. Handel Wr. HK, Vizepräs. VKI


                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: Ministerialrat, Leiter Grundsatzabteilung


                  Einträge mit Erwähnung:
                    Tätigkeit: Beamter HM; evtl. Falschidentifikation


                    Einträge mit Erwähnung:
                      Tätigkeit: Sektionschef HM, Diplomat, Verteter bei der EG


                      Einträge mit Erwähnung:
                        Tätigkeit: Schweizer BR f. Wirtsch.


                        Einträge mit Erwähnung:
                          Tätigkeit: Innenminister bis 1977, danach Verteidigungsminister


                          Einträge mit Erwähnung:
                            Tätigkeit: GD Siemens Österreich


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                              Tätigkeit: Personalvertretung HM


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                                Tätigkeit: Handelskammer-Präsident


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                                  Tätigkeit: Justizminister


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                                    Tätigkeit: Wissenschaftsministerin
                                    GND ID: 11869104X


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