Bei der Ministerratsvorbesprechung wurde von Kreisky ersucht,
dass einzelne Bundesminister nicht bereits Genehmigung von Ver-
folgungen von Verspottungen oder irgendwelche Anklagen gegen einzelne
Gruppe oder Personen erheben sollen, ohne dass es nicht vorher in der
Regierungsfraktion besprochen wird.Auslösender Faktor war, dass das
Bundesheer bei einer Demonstration in NÖ angeblich mit Bezeichnungen,wie
Scheisse, Dreck, Teuer, usw. verspottet wurde. Ich glaube auch, dass
es vollkommen falsch ist, wenn die Regierung oder einzelne Mitglieder
sich dagegen Beleidigungen wehrt, ich halte es nur für zweckmässig,
wenn tätliche Angriffe auf Personen erfolgen, dass man dann einer
Verfolgung in irgendeiner Weise zustimmt. Kirchschläger, der neben
mir sass und mit dem ich über diese Frage auch sprach, ist genau
derselben Meinung. Kreisky wies auch darauf hin, dass die familien-
politischen Massnahnen, die wir jetzt anStelle der Erhöhung von
Kinderbeihilfe um 50.- S anstreben wollen, doch noch entsprechend
in der Öffentlichkeit publizistisch und propagandistisch gefördert
werden müssten. Er sieht darin eine grosse Erziehungsaufgabe. Ausserdem
könnten wir die Gemeinden entsprechend entlasten, da doch der Bund
in der letzten Zeit für die Gemeinden grössere Belastungen gebracht
hat. Wenn man den Gemeinden jetzt für Arbeiten, die sie wie Z.b. von
Errichtung von Kindergärten, für Transportmöglichkeiten für ihre
Kinder, gibt, dann müsste es möglich sein, dass diese Gemeinde als
befriedigt abziehen, weil sie ja ansonsten aus dem eigenen Budget
allein diese Aufgaben übernehmen müssten.
Kreisky wies auch darauf hin, dass der Freie Wirtschaftsverband ihn
ersucht hatte, dass er in Wirtschaftsfragen zu hören sein. Ich hatte
mich sofort gemeldet und erklärt, dass das sowieso der Fall ist
und konnte feststellen, dass Kreisky dies auf die anderen Ministerien
wie z.B. Sozialministerium und sonstige Ministerien, die wirtschaft-
liche Aktivitäten entfalten, gemünzt hatte.
Die Soz. Frauen verlangen nach wie vor, einen Frauenbericht um über
die Lage der Frauen entsprechend die Öffentlichkeit zu informieren.
Häuser erwiderte, dass 1967 und 1968 der sogenannte Rote Bericht
nicht an den Nationalrat gegangen ist, dass aber jetzt l969-Bericht
an den NR geht und dort auch über die Frage der Frauen schon im
02-0557
Gesamtbericht über die soziale Lage der Bevölkerung entsprechende An-
merkungen gemacht werden können. Ich – da ich den Finanzminister vertrat –
konnte mit umso grösserer Vehemenz darauf hinweisen, dass jeder Bericht
bis jetzt noch entsprechende finanzielle Mittel gekostet hat, nämlich
nicht die Erstellung des Berichtes, sondern die Forderungen des Berichtes,
die auf Grund eines solchen Berichtes ergeben. Ich sagte als Beispiel
den Bericht der Land- und Forstwirtschaft, der letzten Endes im nächsten
Jahr im Grünen Jahr 810 Mill. S den Bund kostet. Firnberg wollte – und
auch Wondrack – mir erklären, dass es primär eine Aufgabe der Auf-
zeigung der Nachteile der Frauen ist, dass sie in dem Bericht entsprechend
verlangen, doch ich erklärte, dass letzten Endes es auch auf die finanziel-
len Aufwendungen hinausläuft, die man dann infolge eines solchen Berichtes
für die Frauen zusätzlich wird erbringen müssen. Diese Meinung fand auch
die Zustimmung von Häuser und auch andere Genossen nickten zumindestens
zu meinen Ausführungen. Kreisky allerdings ist der Meinung, es müsste
unbedingt auf diesem Sektor etwas geschehen und er verlangte deshalb,
dass ein Komitee jetzt noch inonffiziel, bestehend aus Bundeskanzler,
Wissenschaftsministerium, Sozialministerium, Finanzministerium und Staats–
sekretär Wondrack gebildet werden soll. Kirchschläger wies darauf hin,
dass das öster.-spanische Sozialabkommen unterzeichnet werden sollte
und fand auch die Zustimmung. Von New York berichtet er, dass er mit der
EWG-Vertretern Besprechungen geführt hat, u.a. hat er mit Luns, Nieder-
lande, über die Erweiterung der EWG gesprochen und dort eine 100 %-ige
Zustimmung für diese Erweiterungswerber festgestellt. Bezüglich des
Interimsabkommens von Österreich wurde von Luns ausgeführt, dass er
dem positiv gegenübersteht. wenn es gattkonform ist. Betreffend des
Vertreters Schuhman, Frankreich, konnte er feststellen, dass dieser
ein Interimsabkommen eigentlich sehr negativ um nicht zu sagen ablehnend
gegenübersteht. Betreffend unsere Kandidatur im Sicherheitsrat sind
derzeit die Karten sehr gut verteilt, da die Gegner bei uns nicht kandi-
dieren können, glauben, dass wir viel mehr Stimmen auf uns vereinen, als
die s tatsächlich der Fall ist. ? stellte fest, dass der
Klub die Regierungsmitglieder neuerdings gefragt hat, welche Tätigkeit
sie entfaltet haben und entfalten werden und kamen überein, dass dies
der Bundeskanzler, der ja das gesamte Material in den letzten Tagen be-
kommen hat,gemeinsam für alle beantworten wird.
Freihsler teilte mit, dass die amerikanischen Streitkräfte in West-
deutschland um Genehmigungen ansuchen, dass sie Transportmaschinen
mit Sanitätsmaterial über Österreich führen dürfen. Dies ist eine
02-0558
alt eingesessene Übung und widerspricht nicht der Neutralität,
weil sie ja Ansuchen um Überfliegung unseres Hoheitsraumes stellen
und gleichzeitig eigentlich nur Sanitätsmaterial befördern.
Demgegenübers stellte allerdings Kirchschläger ergänzend fest,
dass er dem US-Botschafter zu sich gebeten hatte, um ihm mitzu-
teilen, dass nicht der Fehler von 1959 wiederholt werden soll und
sie unser Hoheitgebiet bei Operationen, die sie gegebenenfalls im
Nahen Osten durchführen, ohne unsere Genehmigung – und eine solche
könnten sie für Kriegsmaterial nicht bekommen – überfliegen werden.
Frühbauer wehrte sich dagegen, dass ihm auch für Fernsprech-
investitionen-Gesetz 20 Mill. S gesperrt werden sollten und
er wies darauf hin, dass ihm doch mit Wien jetzt erst gelungen ist,
eine Arrangement zu erreichen, wo er mit Hilfe der Vorfinanzierung
der Stadt Wien in Höhe von 82 Mill. S die ca. 48.000 Telefonan-
schlüsse versuchen wird, frühzeitig zu bauen. Ich erwiderte sofort,
dass dies in der letzten Zeit einige Male besprochen wurde und
diesbezüglich sogar ein Beschluss gefasst wurde, zumindestens kann
ich mich daran erinnern und Rösch selbst bestätigte meine Aus-
sagen. Kreisky machte darauf aufmerksam, dass er im Ministerrat
den Antrag stellen wird, für die Mountains Club of Kenia für die
Rettung des Österreichers Harmann eine entsprechenden Antrag auf
finanzielle Unterstützung des Klubs zu stellen. Ihm schwebt ein
Betrag von höchstens 25.000 S vor. Es soll aber nicht jetzt bereits
konkret beschlossen werden, in welcher Form dieser Zuschuss gegeben
wird, sondern Ing. Morawec soll als Berater der Regierung entsprechen-
de Vorschläge erstatten. Da ich als Vertreter des Finanzministers
versuchen musst, womöglich keine Belastungen ihm zurückzulassen,
auch dann, wenn es sich nur um unbedeutende Beträge handelt, hatte
ich mich zwar nicht dagegen ausgesprochen, aber sowohl der Innen-
minister als auch das Äussere erklärte, dass sie ca. 5 – 10.000 S
freimachen können für diesen Zweck, der, und das muss ich bestätigen
von Kreisky eine sehr gute propagandistische Wirkung auslösen wird.
Ich muss überhaupt zugeben, dass soweit Kreisky auch Massnahmen
setzt, die ja gesamtwirtschaftlich wahrscheinlich nichtgeraede sehr
zielführend sind und wie ich z.B. bei der Bergbauernhilfe mit den
36 Mill. doch glaube, dass es hier nicht um eine wirkliche Lösung
des Problems handelt, dass er trotz alledem aber alle diese Mass-
02-0559
nahmen mit einem ungeheuren G'spür setzt und dadurch dokumentiert
ein phantastischer Politiker zu sein.
ANMERKUNG: Bitte, den Sachbericht aus der Ministerratsvorbesprechung,
für Androsch fertigmachen.
In der Arbeitsbesprechung mit Ceausescu und seinen Herren wurde zuerst
über die bilateralen Fragen mit Österreich und Rumänien gesprochen.
Hauptsächlich wollte Ceausescu die Wünsche, die bereits der Aussen-
handelsminister in der Arbeitbesrepc hung mir mitgeteilt hat. Als
einzige Ziffer erwähnte Ceausescu, dass die österr. Zollbelastung sehr
hoch sei, sie beträgt bis zu 60 % und er der Meinung ist, man müsste
doch die Zölle auch zwischen unseren Ländern so weit wie möglich senken
um sie in kürzester Zeit ganz abzubauen. Kreisky ging auf die wirt-
schaftlichen Argumente sehr geschickt ein, ohne sich irgendwie zu
binden, bestritt allerdings die 60 %-ige Zollhöhe, meinte, dass dies
nur bei Agrarprodukten, wo man eine besondern Schutz benötige, der
Fall sein könnte. Ich schwieg natürlich dazu, allerdings machte ich
ihn nachher darauf aufmerksam, dass bei einigen Textilien durch die
absoluten spezifischen Zollsätze solche perzentuelle Belastungen
möglich sind. Da Kreisky mich aufforderte, seine Ausführungen zu er-
gänzen, musste ich das Wort ergreifen und habe mich ausschliesslich
auf die Besprechungen mit Burtica berufen, wo wir einvernehmlich fest-
gestellt haben, dass erstens wir die technischen Komitees arbeiten
lassen sollten, um zu klären, wie weit Zollsenkungen im Rahmen unserer
internationalen Verpflichtungen möglich sind und dass wir zweitens
im Hinblick auf die notwendige Kooperation der österreichischen Firmen
eine Regierungsdelegation einsetzen werden, die unter Führung der
Minister stehen wird. Veselsky wollte ebenfalls unbedingt das Wort
ergreifen und zeigte Kreisky UNterlagenmaterial, von dem Kreisky der
Meinung war, es sollte nicht diskutiert werden. Trotzdem meldete
er sich zu Wort, um nichtssagende Aussagen und Bemerkungen zu machen.
Ich verstehe dieses Verhalten von Ernstl nicht, denn er muss doch bemerken
dass er mit dieser Art sich in den Vordergrund zu drängen in Wirklich-
keit auf grösstenWiderstand und entsprechenden Missmut seines einzigen
Protegés, nämlich Kreiskys, stosst und er letzten Endes doch mit
dieser Art und Weise in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten ja
auch in seinem Freundeskreis entsprechende Ablehnung gefunden hat.
Bei der Sektionsleiterbesprechung musste ich das Verhalten der
Obersten Bergbehörde und insbesondere der Berghauptmannschaft
Innsbruck zur Sprache bringen und ich glaube, dass alle Anwesenden
mit mir einer Meinung waren, auch dann, wenn sie aus Solidarität
gegenüber einer andere Sektion nichts dazu sagten, dass diese
Vorgangsweise unmöglich gewesen ist. Ich komme überhaupt darauf, dass
in dieser Sektionsleiterunde nicht diskutiert wird sondern maximal
von mir Wünsche vorgetragen werden, die zwar zur Kenntnis genommen
und ich hoffe mit der Zeit auch wirklich durchgeführt werden. Ich
muss eben vielleicht doch noch mehr Zeit aufwenden, um mit Einzelbe-
sprechungen der Sektionen oder zumindestens des Sektionsleiters
zu erreichen, dass hier ein neuer Arbeitsstil durchbricht. Ich bin
mir allerdings vollkommen klar, dass letzten Endes nicht eine solche
Debattierrunde werden soll, wie dies bei den Dienstbesprechungen
unter dem seinerzeitigen Kammeramtsdirektor Dr. Borkowetz im der
Arbeiterkammer der Fall gewesen ist. Auch hier ist es furchtbar
schwierig, eine mittlere Linie zu finden.
Der Redakteur des ORF in Bonn, Klaus Emmerich, wollte eine Aussprache,
wo er mir mitteilte, dass Österreich überhaupt nicht darauf vorbe-
reitet ist, mit Brüssel Verhandlungen zu beginnen. Er hätte mit den
verschiedensten Stellen, sei es staatlicherseits in meinem Ministerium
oder in anderen Ministerien als auch der politischen Parteien Be-
sprechungen geführt und auch in der Handelskammer hat er nicht den
entsprechendenWiderhall gefunden, dass nämlich Österreich sich im
Detail auf die Verhandlungen vorbereiten müsste. Ich konnte ihn
ohne dass ich hier wirklich etwas verraten habe oder gar ihm unbe-
dingt irgendwie recht geben wollte, mitteilen, dass ich diese Mei-
nung seit eh und je besitze. Ich musste ihm zugestehen, dass ich
bis jetzt noch keinen Erfolg gehabt habe, weder bei den Interessens-
vertretungen im Wirtschafts- und Sozialbeirat oder in Direktgesprächen
mit der Handelskammer zu erreichen, dass entsprechende Vorarbeiten
geleistet werden, obwohl ich dies seit Jahren verlangte. Die einzige
Arbeit, die geglückt ist seinerzeit im Wirtschafts- und Sozial-
beirat durchzusetzen, waren die Branchenstudien, die allerdings jetzt
bereits ziemlich überaltertt sind und neu überarbeitet werden müssten.
Er verwies auch darauf, dass wir uns personell erst durch Ausbau
der Fachreferate im Hause die notwendigen Stellen schaffen, um überhaupt
02-0561
in den einzelnen Branchen mitreden zu können. Emmerich wies
auch noch darauf hin, dass die Mission vollkommen unfähig sei,
die Vorarbeiten oder gar dann die Verhandlungen im Einzelnen zu
führen und der einzig positive Mann ist Raushofer , der allerdings
sehr verärgert ist, weil er jetzt angeblich letzten Endes von
seiner Dienststelle – er ist bei Veselsky in der Wikord – wieder
zurückgerufen werden soll. Wanke konnte Emmerich erwidern, dass
er mit Kraushofer bereits Besprechungen geführt hat, weil wir -?
diesen tüchtigen Mann in unser Ministerium ziehen wollen und dass
Kraushofer damals noch nicht so weit war, er glaubte noch immer
dass er bei Wikord eine bessere Aufstiegschance hat, Wir hoffen
allerdings, erklärte ich Emmerich, der ihm dies sicher ausrichten
wird, dass er letztenEndes bei uns im Ministerium landen wird, weil
wir glaube ich die einzigen sind, die seine Arbeitskraft richtig
einschätzen und ihn auch dringend benötigen.
Die Festveranstaltung in der Staatsoper war eine ausgesprochen
durchschnittliche Aufführung und zu meiner Schande muss ich geste-
hen, dass ich teilweise sogar geschlafen habe.
Tagesprogramm, 22.9.1970
hs. Notizen
02_0555_03Notizen betr. Konsularvertrag mit Rumänien
Tagesordnung 22. Ministerratssitzung, 22.9.1970
02_0561_02