Mittwoch, der 23. September 1970

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Von der Elin kam Direktor Schedl und von der Firma Siemens
Direktor Zeleny, um mir mitzuteilen, dass sie als Bietgemeinschaft
bei der GKT, das ist ? Kernkraftgesellschaft, auftreten
wollen. Sie haben jetzt ein neues Projekt von 640 MW, welches 2 –
2 Mia S kosten wird, erstellt. Insgesamt stellt sich aber die kWh-
Stundenpreis auf 19 – 20 Groschen und liegt damit wesentlich höher
als seinerzeit angenommen wurde – 14 Groschen. In dieser Kalkula-
tion ist Afa mit 17 Jahren angenommen, während die Wasserkraft-
werke eine 15-jährige Abschreibung haben. Die Verzinsung wurde mit
Null in Rechnung gestellt. Das Projekt beinhaltet, dass vom Preis
70 % Österreichanteil sein wird. Diese Bietgemeinschaft will auch
jetzt bereits österreichische Firmen auf die Kernkraftwerksproduk-
tion vorbereiten und hat deshalb im Jahre 1969 und 1970 für die
AEG und Siemens-Kraftwerksunion, das ist der deutsche Verband,
230 Mill. S Teile nach Österreich gebracht. Meine Frage, wie weit
die derzeitige Konstruktion der Tullner Kraftwerksgesellschaft
überhaupt eine wirkliche Entscheidung herbeiführen kann, wurde sehr
negativ – wie ich erwartet hatte – beantwortet. Seinerzeit war die
KKPG – die Kernkraftwerksplanungsgesellschaft – welche mit der tech-
nische und finanziellen Planung beauftragt wurde, bereits eine Un-
glückskonstruktion und die derzeitige GKPT ist ebenfalls sehr handlun
unfähig. Der Vorstand besteht nicht aus starken Persönlichkeiten und
der Aufsichtsrat setzt sich aus einem Proporz zwischen Ländern,
Verbundgesellschaft, Landesgesellschaften und sonstigen Interessenten
zusammen, die divergierende Meinungen immer wieder vertreten. Zwischen
Elin und Siemens dürfte nun tatsächlich eine echte Gemeinschaft
bestehen, um die schwedische Firma ASEA aus diesem Geschäft heraus-
zudrücken. Elin und Siemens haben einen Vertrag abgeschlossen,
dass die Schwermaschinen, deren rotierender Teil insbesondere von
der Firma Elin in Weiz gefertigt werden soll und Weiz hat deshalb
schon Aufträge von 400 Mill..aus diesem Vertrag bekommen, anderer-
seit hat die Firma ASEA sich jetzt versucht, in ein ausgesprochen,
bis jetzt der Elin vorbehaltenes Geschäft hineinzuarbeiten. Mit
Hilfe der Finanzgruppe Donaufinanz eine Versicherung, will ASEA jetzt
im Leasing-Verfahrn 5 Loks zu je 14 Mill., ca. 70 Mill. S an die
ÖBB liefern. Ich wurde ersucht, bei Frühbauer diesbezüglich zu
intervenieren, dass dieses ausschliesslich von der Elin gelieferte
Geschäft auch wieder an die Elin gehen soll.
ANMERKUNG: Bitte, Frühbauer verständigen !



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Um den Rumänen in ihren Kreditbedürfnissen entgegenzukommen,
ersucht ich Haschek von der Österr. Kontrollbank, nachdem ich
mit Apfhalter von der VÖEST ein Finanzierungsgeschäft verhandelt
habe. Haschek erklärte sich sofort einverstanden, dass er mit den
Rumänen in konkrete Verhandlungen eintritt um einen gebundenen
Finanzkredit ihnen zu gewähren. Allerdings kann dieser Kredit
nicht zinsenfrei gegeben werden, da wir ansonsten die Konditionen
in allen anderen Oststaaten verderben würden. Die Russen hatten
für das Pipeline-Geschäft 6 1/2 % Zinsen mit einer 7-jährigen Lauf-
zeit, bei der DDR steht eine erste Tranche bereits vor Abschluss
und eine zweite Tranche ist zu erwarten bei einem 8 1/2 %-igen
Kredit mit 7 Jahren Laufzeit. Das Volumen der DDR wird 900 Mill. S
betragen-. Die VÖEST selbst beabsichtigt eine Verzinkungsanlage
mit einer Grössenordnung von 200 Mill. S zu errichten. (in Rumänien).
Davon würden 130 Mill. auf Österr. Lieferungen entfallen, 65 Mill.
davon hat ca. die VÖEST zu liefern. Der gebundene Finanzkredit
wäre Haschek lieb, wenn die Österr. Kontrollbank direkt mit der
rumänischen Bank abschliessen könnte. Dadurch würde Österreich
keine Bundeshaftung direkt den Rumänen geben und auch keinen Staats-
kredit nötig haben. Ich teilte dieses Konzept sowohl Sallinger
als auch Mussil mit und machte sie darauf aufmerksam, dass ich un-
verzüglich ihre Stellungnahme bräuchte, wenn sie gegen das Projekt
eines gebundenen Finanzkredites wären. Bei dieser Gelegenheit urgier-
te ich auch die dringendst notwendigen Verhandlungen über die Ge-
werbeordnung und sowohl Sallinger als auch Mussil, ich musste dies-
mal getrennt mit ihnen verhandeln, sagten mir zu, dass sie einver-
standen wären, dass Christian ad personam mitarbeiten könnte, aber-
dass dadurch nicht gesagt werden dürfte, dass die Bundeshandels-
kammer mitgewirkt hat, sie wollen sich also ihre Stellungnahme
vorbehalten. Ich glaube am zweckmässigsten ist, wenn ich gar nicht
mehr mit Christian darüber spreche, sondern dass Sekt.Chef Habel oder
Frau MR Mache Dr. Christian einladen, um ihn jetzt bei der Mitar-
beit inoffiziell heranzuziehen.

Die Weihnachtsgratifikation, die Schipper von mir einige Male
schon urgierte, und wo wir uns nicht dazu entschliessen konnten,
dass wir eine Abänderung der von ihm vorgeschlagenen Ansätze machten,
soll nun auf meinen Wunsch mit der Personalvertretung besprochen
werden. Schipper selbst hat vorgeschlagen, dass wir den Amtsrat


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Schubert als Personalvertreter zu dieser Frage beiziehen.
Schipper und Heindl werden nun mit Schubert das Problem
durchbesprechen.

Die ÖSPAG, die Porzellanfabrik aus Wilhelmsburg, hatte mich
zu einer Jubilarehrung eingeladen. Ich hatte zuerst abgelehnt,
weil ich auf dem Standpunkt stand, dass ich mit Jubilarehrungen
ansonsten überschüttet werde. Auf dringende Urgenz sowohl des
Genossen Fischer vom Klub der SPÖ als auch vom Betriebsrat und
der Gewerkschaft stimmte ich letzten Endes der Firmenleitung zu
und hatte Gelegenheit, im Rathauskeller den Aufsichtsratvorsitzen-
den Bundesrat Eckert zu treffen. Prof. Lester, dessen Vater die
Porzellanfabrik so in die Höhe gebracht hatte und der derzeit
der entscheidende Mann in dieser Gesellschaft ist, erklärte, dass
ja eigentlich alle unter einer politisch kritischen Zeit gelebt
hatten. Er selbst konnte nur im letzten Moment fliehen und als
ich dann darauf hinwies, dass auch ich im Konzentrationslager
war, sagte Eckert dass er Dachauer gewesen sei. Er meinte, dass
sei doch eigentlich einGrund, dass wir per Du sein könnten, was
ich sofort akzeptierte. Ich habe nun die Möglichkeit, einen wirk-
lichen Bruder inder ÖVP-Wirtschaftsbundspitze zu besitzen und er
sagte mir auch sofort zu, er wird meine Idee, wonach ich auch
in der Handelskammer und im Wirtschaftsbund entsprechende Referate
halten kann, als sehr lobenswert überall vertreten. Die Begriffe,
die diese Gesellschaft von meiner Zeit hat, geht daraus hervor,
um elf Uhr war die Feier angesetzt bereits um 1/2 12 Uhr natürlich
hinter uns gebracht hatten und dann bis 1 Uhr warten sollten, bis
das Essen aufgetragen wird und Conrad erscheint. Ich verabschiede-
te mich deshalb schleunigst.

Bei der Eröffnung des Philips Center Service im Philips-Haus
in Favoriten hatte ich Gelegenheit, viele Funktionäre der
Handelskammer wieder zu treffen. Der Burgenländische Handels-
kammerpräsident NR Graf teilte mir bei dieser Gelegenheit mit,
dass er derzeit sehr zurückhaltend leben muss, da er bereits nur
mehr 1/3 Magen hat und auch sonst gesundheitlich nicht so gut
beisammen ist, wie man nach seinem Aussehen annimmt. Er sagte,
es wünschen ihm ja viele, dass er womöglich schon krepiert,
allersdings schränkte er das – was sehr humorvoll sein sollte –
auf seine Parteimitglieder ein. Ich glaube aber trotzdem, dass


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dann wenn Koren jetzt die Obmannstelle für sich gegen ihn erobern
konnte, dass er im Wirtschaftsbund einer der kommenden Leute
ist. Auf den Generladirektor der Philips-Gesellschaft hat glaube
ich inbesondere mein damaliger Besuch einen guten Eindruck gemacht,
da ich erstens das Präsent nicht genommen habe und zweitens
jetzt neuerdings verlangt habe, wo denn die langfristige Pla-
nung bezüglich des Zollabbaues und des wirklichen Schutzes
der Elektroindustrie bleibt.

In der Paritätischen Kommission kam es vor Eingang in die
Sitzung zu einer kritischen Situation. Mussil hat erfahren,
dass die Soz. Partei in Inseraten-Aktionen ihn als Preistreiber
Nr. 1 hinstellen wird. Er verlangte deshalb, dass Kreisky bei
seiner Zusage bliebe, wonach er als Vorsitzender dieser Kommis-
sion soweit es in seiner Macht steht, die Paritätische Kommis-
sion aus dem Wahlkampf herauszuhalten. Sallinger und Mussil
verlangten, dass er als Parteivorsitzender die Inserate zurück-
ziehen sollte, was Kreisky glattweg ablehnte. Darauf verlangte
die Bundeskammer und Landwirtschaftskammer eine Unterbrechung
und Mussil, Sallinger, Brandstätter und der Präsident der
nö. Kammer Bierbaum zogen sich zurück. Ich schlug deshalb Kreisky
unverzüglich vor, dass wir eine Erklärung abgeben sollten, womit
er einverstanden war, daß ich mich sofort auch mit den Vieren
zurückziehen konnte und ihnen vorschlug zur Lösung dieser kriti-
schen Situation insbesondere da Benya nicht hier war, dass die
Paritätische Kommission eine Erklärung abgeben sollte. Sallinger
hatte mir und insbesondere Mussil drängte sehr stark darauf,
bereits erklärt, dass er die kritische Situation nicht mehr durch-
stehen kann und er doch in Erwägung ziehen müsste gegebenenfalls
die Paritätische Kommission zu verlassen. Brandstätter betätigte
sich sofort als Formulierer und wollte eine sehr scharfe Er-
klärung aufsetzen. Ich konnte aber doch letzten Endes durchsetzen,
dass eine sachliche Erklärung formuliert wurde in der festge-
stellt wird, dass Mussil als Generalsekretär und damit als geschäfts
führende Stelle des Preis- und Lohnunterausschusses in der Pari-
tätischen Kommission die Anträge zu vertreten hat und dass
diese Funktion mit seinem ÖVP-Mandat nichts zu tun hat.
Nach einigem Hin und Hergehen konnte ich dann beide Gruppen
auf eine Formulierung festlegen, wobei mir allerdings ein


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grosser Fehler passierte: Ich verhandelte Anfangs nur mit Kreisky
über denWortlaut und dies fand nicht die wohlwollende Anerkennung
von Seiten der Arbeiterkammer- und Gewerkschaftsvertreter. Skritek,
der den Präsidenten Hrdlitschka vertrat, meinte, na Staribacher
macht halt was er will und ich kümmere mich nicht mehr um sie.
Und auch Hofstetter meinte er müsste doch zu dieser Sache auch
etwas sagen, da Benya ebenfalls nicht anwesend war. Letzten Endes
kamen sie aber doch zu der Überzeugung, dass die Formulierung
die ich mitgebracht hatte, die einzig mögliche ist und stimmten
ihr auch zu. Für mich war dies eine heilsame Lehre, dass ich doch
versuchen muss, intern viel mehr auf die persönlichen Meinungen
und vielleicht auch auf die persönliche Gekränktheit unserer Funk-
tionäre Rücksicht zu nehmen. Wenn ich mit ihnen spreche, so
geben sie mir unumwunden zu, dass dies die einzige Chance ist,
die Bundeskammer zu befrieden und das Klima einigermassen zu erhalten
wenn ich allerdings irgendwelche Etikett-Fehler mache, dann ist die
Gefahr, dass sie diese Überzeugung nicht mehr vertreten. Ich bin
deshalb sehr froh, dass ich mich entschlossen habe, zu allen Frak-
tionssitzungen des ÖGB aber auch der AK zu gehen.

Die Opernpassage-Diskussion war so wie vor den Wahlen ganz im Gegen-
teil vielleicht noch leichter für mich, weil ich als Abgeordneter
viel härter attackiert wurde als das jetzt als Minister der Fall
ist. Am Abend hatte die Bezirksorganisation Döbling eine Versammlungs-
welle, wo ich in drei Versammlungen zu sprechen hatte, ich halte
diese Methode aber für falsch, da man keine Gelegenheit hat,wirklich
mit den Leuten zu diskutieren und ihre Wünsche und Anregungen zu
hören, sondern in Wirklihckeit in jeder Versammlung nur
halt eine halbe Stunde oder weniger oder ein bisschen mehr über
die Regierungstätigkeit spricht.

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Tagesprogramm, 23.9.1970


Tätigkeit: Wirtschaftsbund, ÖVP-BR [sollte sicher sein, deshalb Schreibung im Text angepasst]


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: GD Kontrollbank
    GND ID: 170084094


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: nö. ÖVP-LR, Präs. LWK NÖ


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: Dir. Elin


        Einträge mit Erwähnung:
          GND ID: 125942052


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: Verkehrsminister, LH-Stv. Ktn.
            GND ID: 12053536X


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: Gen.Sekr. HK, ÖVP-NR-Abg., später AR-Präs. Verbund


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: 1970-1973 Büro Staribacher, SPÖ-NR-Abg., stv. Vors. SPÖ-Landstraße
                GND ID: 102318379X


                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: GD VÖEST


                  Einträge mit Erwähnung:
                    Tätigkeit: HK


                    Einträge mit Erwähnung:


                      Einträge mit Erwähnung:
                        Tätigkeit: Beamter Bautenministerium


                        Einträge mit Erwähnung:
                          Tätigkeit: Leitender Sekretär ÖGB, SPÖ-NR-Abg.
                          GND ID: 136895662


                          Einträge mit Erwähnung:
                            Tätigkeit: ÖGB-Präs., NR-Präs.
                            GND ID: 119083906


                            Einträge mit Erwähnung:
                              Tätigkeit: -obmann


                              Einträge mit Erwähnung:
                                Tätigkeit: SPÖ-NR-Abg., Sekr. GPA


                                Einträge mit Erwähnung:
                                  Tätigkeit: Finanzminister, ÖVP-NR-Abg., OeNB-Präs.


                                  Einträge mit Erwähnung:
                                    Tätigkeit: AK, ÖIAG
                                    GND ID: 128336552


                                    Einträge mit Erwähnung:
                                      Tätigkeit: Beamter HM? Falschschreibung?


                                      Einträge mit Erwähnung:
                                        Tätigkeit: Bundeskanzler
                                        GND ID: 118566512


                                        Einträge mit Erwähnung:
                                          Tätigkeit: Handelskammer-Präsident


                                          Einträge mit Erwähnung:
                                            Tätigkeit: GS Präs.konf. LWK AR Verbund
                                            GND ID: 12906288X


                                            Einträge mit Erwähnung: