Donnerstag, der 24. September 1970

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Reiterer, Fälbl, Meisl, Römer, Wanke waren bei der Besprechung
über die zukünftige Osthandelspolitik anwesend. Die Notwendigkeit,
die Osthandelspolitik zu liberalisieren, steht ausser jeder Dis-
kussion. Selbst Reiterer, der bis jetzt sehr retartierend gewirkt
hatt, dürfte sich schön langsam zu dieser neuen Politik durchringen.
Vom österreichischen Standpunkt aus glaube ich wäre eine liberalere
Handhabung sehr zweckmässig. Natürlich kann es bei der Ostlibera-
lisierung zu ähnlichen Entwicklungen kommen wie dies auch bei der
Westliberalisierung der Fall war. Es können selbstverständlich einzel-
ne Firmen oder einzelne Branchen dabei unter die Räder kommen, da
sie jetzt nur auf Grund von bilateralen Kontingenten imstande sind,
ihre Geschäfte mit dem Osten zu tätigen. Wenn ich aber bedenkt, welcher
Korruptionsherd bei solcher Geschäftspolitik besteht, dann müsste
alles daran gesetzt werden, zu einer anderen Abwicklung der Geschäfte
zu kommen. Ich habe vertrauliche Briefe gesehen, in denen glattwegs
1,75 % für Leistungen an Dritte angegeben sind, Verdächtigungen
über Korruption tauchen immer wieder auf und können allerdings nicht
bewiesen werden. Ausser diesen Verdächtigungen kommt dann noch dazu,
dass ein schrecklich bürokratischer Apparat aufrechterhalten werden
muss, um die Geschäfte im Einzelnen zu registrieren und kontrollieren.
Schliesslich wird man wahrscheinlich, wenn man dem Osten in dieser
Frage entgegenkommt, auf anderen Gebieten entsprechend Konzessionen
von ihm erhalten und dadurch eine Entwicklung, die ansonsten zwangs-
läufig früher oder später sowieso eintritt, jetzt dafür aber irgendwel-
che Kompensationen bekommen können.

Besprechung mit Sekt.Chef Schipper und Römer ergab, dass sie bezüglich
der Besetzung der Fachreferenten sich von dem Gesichtspunkt haben
leiten lassen, es sind im Hause erstens keine entsprechenden Fachleute
vorhanden und zweitens, die jetzt Berufenen erfüllen ihre Aufgabe,
soweit sie das können für die handelspolitische Sektion ganz gut und
deshalb könnten sie auch Industriepolitik betreiben. Dies führt dazu,
dass z.B. Min.Rat Peschke für 6 bedeutende Fachgruppen die Verant-
wortung als Fachreferent derzeit eingesetzt ist. Wenn wir wirklich
Industriepolitik betreiben wollen, ist es unmöglich. dass ein Mann
alle diese Agenden wahrnehmen kann. Ich ersuchte deshalb, beide Herren


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neuerdings sich zu überlegen, ob und inwieweit nicht auch jüngere
Kräfte für diese Arbeit herangezogen werden könnten. Voraussetzung
für eine solche Tätigkeit ist aber, dass der Betreffende freiwillig
diese Mehrarbeit, die ihm dadurch erwächst, er bekommt ja diese
Arbeit zusätzlich zu seiner bisherigen Tätigkeit, auch zustimmt.
Auf die Überlegung der beiden Sektionschefs bin ich dadurch gestossen,
dass Römer mir vorgeschlagen hat, er meinte, dass wir diese Leute
vielleicht jetzt erst durch Schulung im Institut für Wirtschafts-
forschung zu ihrer neuen Tätigkeit heranbilden könnten. Wanke dagegen
sagte glaube ich zu Recht, es müsste zuerst den neuen Leuten ein
Dekret ausgehändigt werden, dass sie diese Funktion zu erfüllen haben,
ansonsten würde im Haus sich überhaupt nichts ändern. Ich bin einer
Schulung vonBeamten nicht abgeneigt, glaube allerdings, dass das
Institut für Wirtschaftsforschung doch nur eine theoretische Aus-
bildung garantieren würde. Ausserdem steht kaum die notwendige Zeit
zur Verfügung. Es müsste halt eine Kombination zwischen Schulung,
zwischen praktischer Arbeit mit den Fachverbänden der Industriellen
und vor allem durch initiative Schritte vorwärts der Betreffenden er-
reicht werden.

Die Schweizer Wirtschaftsbesprechungen über die Vorgangsweise bei
der EWG sind jetzt langsam angelaufen. Von Schweizer Seite war Jolles
und Weidenauer nach Wien gekommen und Reiterer ersuchte sie zum Essen
ins Sacher einladen zu dürfen. Ich stimmte dem selbstverständlich sofort
zu und habe mir nur vorgenommen, dort zu erscheinen, um mit den Herren
einen ersten Kontakt aufzunehmen. Reiterer bot mir sofort den Vorsitz
bei diesem Essen an, er sagte sehr elegant und geschickt, darf ich
ihnen meinen Platz überlassen, was ich selbstverständlich ablehnte,
da ich auf dem Standpunkt stehe, er hat das Essen gegeben und er soll
daher natürlich auch weiterhin präsidieren. Wir besprachen das Programm,
wenn ich zu Brugger in die Schweiz fahre und wir konnten drei Punkte
festlegen, l. die Integationsfrage, 2. die Ostpolitik und 3. eventuelle
welthandelspolitische Überlegungen. Ich lege besonderen Wert darauf,
dass die Osthandelspolitik mit den Schweizern besprochen wird, da die
Schweizer ja bekanntlicherweise z.B. mit Russland 1947 einen Handels-
vertrag geschlossen haben, der die Bezahlung in jeweder Währung vorsieht
und deshalb seit diesem Zeitpunkt keinerlei Besprechungen zwischen der
Schweiz und der Sowjetunion stattgefunden haben. Da mir diese Regelung
als Ziel vorschwebt, werde ich versuchen, bei den Schweizern herauszu-
kriegen, wie sich ein solcher freier Verkehr, wie er sonst normaler-


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weise nur gegenüber dem Westen existiert, ausgewirkt hat.

Zur Gewerkschaftsvorstandssitzung konnte ich nur ganz kurz
gehen, um insbesondere einen Bericht über die Paritätische
Kommission zu geben. Ich glaube, dass wir wirklich in unserer
Lohnpolitik den wirtschaftspolitischen Erfordernissen Rechnung
tragen. Es hat Nemschak nämlich bei der wirtschaftspolitischen
Aussprache der PK festgestellt, dass eine Stärkung des privaten
Konsums dringend notwendig ist. Andererseits aber hat er natür-
lich von zu grossen Kostensteigerungen gewarnt. Diese Politik
hätte er uns gar nicht erörtern müssen, denn die Gewerkschaften
haben sie insbesondere 1967 , als die wirtschaftliche Rezession
in Österreich festzustellen war, auch zum richtigen Zeitpunkt und
im richtigen Ausmass gemacht. Unsere Lohnbewegungen werden sich
maximal in der Höhe von 12 % bewegen. Trotzdem wird es sicher
in einzelnen Gruppen wie z.B. bei Milch und Brot zu grossen Schwie-
rigkeiten kommen. Die Kolleginnen und Kollegen in meiner Organi-
sation haben für meine neue Lage glaube ich vollstes Verständnis,
zumindestens habe ich noch keine einzige negative Stimme gehört
und wenn sie existieren würde, hätte man sie mir sicher schon
mitgeteilt, die über die verhältnismässig wenig Zeit, die ich
jetzt für die Organisation aufwenden kann, unzufrieden wären.
Voraussetzung allerdings ist, wie das bei uns in der Gewerkschaft
der Fall, dass man ein wirkliches Team besitzt, wo insbesondere der
Zentralsekretär, der wie ich ja immer behaupte, die Seele der
Organisation ist, absolut zum Obmann steht. Da ich aber überall
eine Politik mache, dass unverzöglich ein Nachfolger meine Arbeit
übernehmen könnte, so war es in den vergangenen Jahren ja immer
schon so, dass Blüml in Wirklichkeit all die Arbeit geleistet
hat, er bestreitet dies zwar und sagt, dass ich einen wesentlichen
Anteil daran habe, aber ich glaube, dass meine Tätigkeit in dieser
Organisation seit eh und je nur darin bestanden hat. dass ich
die grosse Linie festlegte und mit Diskussion bei den einzelnen
Sekretären und auch Funktionären versuchte durchzusetzen. Ich habe
niemals versucht, als der starke Obmann zu sein, der ganz einfach
diktiert und dann meistens sowieso einen Blödsinn macht, sondern
der durch Aussprache und vor allem durch Initiative, die die
einzelnen entwickeln eine Teamführung auch hier zu erreichen.



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Die Häuserblockdiskussion mit Muliar in unseren beiden grössten
Höfen Hanuschhof und Wildganshof ging insofern daneben, als im
ersteren 120 und im zweiten maximal 150 Personen anwesend waren.
Dies ist für eine Versammlung eine ganz schöne Zahl, aber für einen
riesigen Hof in Wirklichkeit blamabel. Wir werden deshalb versuchen,
die nächsten Diskussion auf einem offenen Lastauto durchzuführen, damit
wir gegebenenfalls uns in belebtere Strassen begeben können, wo
zweifelsohne mehr Menschen Muliar sehen und hören werden. Denn wenn
nur unsere Genossen und insbesondere Genossinnen, Pensionistinnen
zu der Veranstaltung kommen und sich hier eine halbe Stunde ganz
gut amüsieren, so ist dies zwar auch nicht schlecht aber verfehlt
natürlich den Zweck. Aufgabe müsste es ja sein, an Indifferente
heranzukommen, die wenn sie überzeugt sind, dass Muliar für die
Sozialisten Propaganda macht, dass dies eine wirkliche Empfehlung auch
für sie ist, den Sozialisten wohlwollender gegenüberzutreten und
vielleicht sogar am 4. Oktober sozialistisch zu wählen.

Vor der Vertragsunterzeichnung hatte ich noch Gelegenheit, mit
Ing. Zifar von der Fa. Bauer über ein im Rahmen des Kooperationsa-
abkommens mögliches grosses Projekt von Bewässerungsanlagen in
Rumänien zu sprechen. Zifar zeigte mir die Unterlagen und ersuchte
mich, ich sollte dieses Projekt, das bereits zwei Jahre von ihm
bearbeitet wird und fix und fertig ist, den Rumänen anbieten. Ich
hatte den Eindruck, dass er sehr viel Arbeit in das Ingeneering
Planung hineingesteckt hatte und mit Hilfe von Schweizer Unternehmungen
Sulzer war daran massgeblich beteiligt – aber auch französischen
Unternehmungen doch ein Milliardenprojekt hier vorgelegt hatte.
Ich versprach ihm, mein Möglichstes zu tun und er war auch sehr er-
staunt, als er nach Abschluss des Vertrages mitgeteilt bekam, dass
er morgen um 9 Uhr mit Apfhalter für die VÖEST – die VÖEST hat ein
Verzinkungsprojekt für 300 Mill. und Dr. Haschek von der österr. Kontroll-
bank. der die Finanzierung durchführen wird – in der Kontrollbank mit
drei leitenden rumänischen Herren zusammenkommen
kann. Meiner Meinung nach hat noch niemals jemand sich so konkret und
so effektiv für Projekte eingesetzt. Dies ist mir deshalb sehr angenehm,
weil Dipl.Ing. Zifar war einer der Leute, die vom Kainachtal gekommen
sind und gegen die Raffinerie Lannach ganz entschieden Stellung ge-
nommen haben. Allerdings bin ich ja sehr bald darauf gekommen, dass
er dort ein grösseres landwirtschaftliches Gestüt besitzt und deshalb
gegen die Raffinerie Sturm gelaufen ist. Nach der Vertragunterzeichung
ersuchte ich den Aussenhandelsminister unter vier Augen mit der


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Dometscherin über seine Wünsche bezüglich einer Kreditgewährung
zu sprechen und offerierte ihm die oben angegebenen Projekte.
Ich erklärte, das wir selbstverständlich auch jedwede Art andere
Projekte, die sie wünschen in Angriff nehmen können, glaube aller-
dings, dass diese beiden – die Verzinkungganlage und die Gross-
anlage für die Bewässerung, die in Milliarden Schillinge gehen, als
einziges Projekt derzeit abschlussreif wäre. Meinem Dafürhalten nach
würden diese beiden Projekte ca. 1 Mia S gebundenen Finanzkredit
ausmachen, die Ziffer allerdings sagte ich ihm nicht, da besonders
das Bewässerungsprojekt, wenn es in voller Grösse durchgeführt wird,
ein Vielfaches dessen betragen würde. Wenn aber die erste Ausbaustufe mit
ca. 700 Mill. S und die Verzinkungslage mit ca. 300 Mill. zum Zug
kommt, wovon 130 Mill. S österreichischer Anteil sind, dann würde
ca. der derzeitige gebundene Finanzkredit in Rumänien verdoppelt werden.
Er nahm diese Erklärung, soviel ich den Eindruck hatte, sehr psotivi
zur Kenntnis und hat drei Herren – wie gesagt – für 9 Uhr in die
Kontrollbank delegiert. Da mir Zifar erklärte, dass es Strömungen
gibt, die sich gegen dieses Projekt aus unerklärlichen Gründen wenden,
versuchte ich noch gestern Burtica dafür zu gewinnen, dass vielleicht
morgen die Punktation abgeschlossen werden könnte, sodass der Vertrag
vielleicht noch im Schluskommunique erwähnt werden könnte. Dies wäre
doch ein sehr guter Aufputz für das Kommunique. Abend beim Empfang
berichtete ich Kreisky von dieser Absicht und er bot sofort an, dass
man gegebenenfalls aus den ERP-Fonds Zinszuschüsse gewähren könnte.
Da Koller bei diesem Gespräch anwesend war, fürchte ich, dass unverzüg-
lich jetzt von Seiten der VÖEST auf diese Zinszuschüsse hingearbeitet
wird, da die sich dadurch irgendwelche Erleichterungen erhoffen können.
Ich glaube allerdings nach den Verhandlungen, die ich mit den einzelnen
Stellen geführt hatte, dass ein solcher Zinszuschuss primär gar nicht
notwendig ist und dass wir zweitens gegebenenfalls die 3 Mill. S, die
wir zur Exportförderung in unserem Budget haben, der Kontrollbank in
irgendeiner Weise zur Verfügung stellen könnten.

Bei der Einladung zum Galadinner im Palais Palavicini hat sich wieder
einmal bewährt, wie blöd das Protokoll ist. Ich musste unbedingt zur
rechten Hand von Aussenhandelsminister Burtica sitzen, die Frau
Aussenminister Kirchschläger zu meiner rechten Hand, er spricht franzö-
sisch und sie spricht französisch konnten aber sich nicht verständigen,
weil ich dazwischen gesessen bin und vis a vis und rundherum um Burtica


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sassen Firnberg und Freihsler, die phantastisch englisch könnten, auch
ich könnte doch einige Wörter wechseln können, aber Burtica selbst kann
leider nur französisch. Weiters habe ich es als absolut sinnlos empfun-
den, dass bei diesem Gala-Empfang alles aus Rumänien sein musste. Das
Geschirr, die Weine, das Essen, alles wurde entweder mitgebracht oder
hier von rum. Köchen und Bäckern erzeugt und selbstverständlich von
rum. Kellnern serviert. Ich werde das Protokoll nie begreifen. Im
übrigen stelle ich fest, dass ununterbrochen – selbst von Leuten, die
das Protokoll lieben und achten – dagegen verstossen wird. Vielleicht
war mein Grundsatz deshalb gar nicht so schlecht, ich bin von allem
Anfang so wie ich bin und versuche erst gar nicht, mich dem Protokoll
unterzuordnen. Ich hoffe, deswegen nicht rüpelhaft zu erscheinen, sondern
eine ganz natürliche Verhaltensweise an den Tag zu legen.

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Tagesprogramm, 24.9.1970


Tätigkeit: Schweizer BR f. Wirtsch.


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    Tätigkeit: Schweizer Diplomat


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      Tätigkeit: SChef HM
      GND ID: 12195126X


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        Tätigkeit: GD VÖEST


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          Tätigkeit: LUGA-Zentralsekretär


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            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: GD Kontrollbank
              GND ID: 170084094


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                Tätigkeit: Bundeskanzler
                GND ID: 118566512


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                  Tätigkeit: Personalvertreter HM


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                    Tätigkeit: Ministerialrat, Leiter Grundsatzabteilung


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                      Tätigkeit: Beamter HM


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                        GND ID: 1054705003


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                              Tätigkeit: Sektionschef HM, Diplomat, Verteter bei der EG


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                                Tätigkeit: Wissenschaftsministerin
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