Die Bundeskammer hatte mir vor einigen Wochen einen Brief ge-
schrieben, in dem sie ihre Auffassung über die zukünftige Ost-
handelspolitik festlegte. Ich hatte der Bundeskammer versprochen,
eine Besprechung mit ihnen abzuhalten. Zuerst allerdings versuchte
ich innerhalb des Hauses eine gemeinsame Auffassungn zu den einzelnen
Punkten herzustellen. Da dieses Problem im Rahmen der preisdämpfenden
Massnahmen zur Diskussion kam, musste ich jetzt eine diesbezügliche
Besprechung abführen. Es war kein anderer Termin als Samstag vormit-
tag möglich. Mussil erschien etwas früher und ich konnte daher mit
ihm zuerst das Problem Beteiligung der Handelskammer an der Grund-
satzgruppe besprechen. Er sagte mir zu, dass die
Bundeskammer in Zukunft wieder an den Besprechungen der Grundsatz-
gruppe teilnehmen wird, er wünscht nur, dass wir vorher die Tages-
ordnung festlegen. Diese Zusage konnte ich umso leichter machen,
als sowieso beabsichtigt ist, jedesmal jede Sitzung mit einer be-
stimmten Tagesordnung abzuführen. Bei dieser Besprechung für die
Tagesordnung wollte noch Klose anwesend sein, d.h. Meisl, Klose
und Wanke würden die Tagesordnung immer für die nächste Sitzung
festlegen. Dann wird die Bundeskammer bestimmen, wer vom Haus aus an
dieser Sitzung teilnehmen wird. Ich habe den Eindruck, dass es
innerhalb der Bundeskammer gerade um dieses Problem eine heftige
Diskussion gegeben hat, niemand will scheinbar, dass Klose
ein Superinformationsmann wird. Die internen Streitigkeiten inner-
halb der Beamtenführung in der Handelskammer dürften der ausschlag-
gebende Moment gewesen sein, dass sie vor allem gegen die Grundsatz-
gruppe grosse Bedenken geäussert hat. Während dieser Aussprache kam
meine Sekretärin herein und sagte, draussen sei ein Mann, der wollte
auch zu dieser Sitzung hereinkommen, den Namen hätte sie aber nicht
verstanden. Ich war natürlich sofort überzeugt, dass dies Sallinger
ist, stürzte hinaus und entschuldigte mich tausendmal, dass die
Sekretärin ihn nicht erkannt hat. Ich weiss, dass Sallinger in der
Beziehung wahrscheinlich nicht so angerührt ist aber man und für sich
war dies eine sehr peinliche Situation. Ich versuchte dies sofort
auszugleichen, indem ich den Gag von Johnson erzählte. Bekannt-
lich war Johnson einmal als Präsident in einer ähnlichen peinlichen,
Situation, sein Sekretär hatte auch einen bedeutenden Mann nicht
vorgelassen und Johnson kam auch in eine ähnliche Situation wie ich.
Die Reaktion Johnsons war nur die, dass er dem Sekretär erklärte,
dass er wenn er das nächste Mal diesen Mann nicht sofort herein-
lässt, so tritt er in ihn den Arsch, dass er bis Texas fliegt.
Sallinger kam auf diesen Zwischenfall noch einige Male zu sprechen
und erklärte immer wieder, er würde das bei der nächsten Vollversamm-
lung ganz gross herausstreichen. Allerdings war dies – so hoffe ich
zumindestens nur per Hetz gemeint, den Anschein hatte es ja auch,
und er benützt die Gelegenheit, um hier einigermassen gegen mich
sticheln zu können. Nach der Sitzung begleitete ich ihn bis zum
Tor, um diesen fauxpas auszugleichen und er versicherte mir, dass
selbstverständlich dieser Vorfall längst vergessen wäre.
Die Besprechung, an der nicht nur die Bundeskammer mit Sallinger, Mussil
Gleihsner und Deuring, der Ostreferent der BHK, teilnahmen. sondern
auch die Industriellenvereinigung mit Mayer-Gunthof, Dr. Fetzer, Ge-
schäftsführer, Dr. Kottulinsky, Geschäftsführerstellvertreter, und
Dr. Marquet, der Aussenhandelsreferent, teilnahmen. brachte als einiziges
Ergebnis, dass wir eine kleine Kommission einsetzen werden, die die
konkreten Fragen noch einmal durchdiskutieren wird. Im Prinzip sind
die Weichen für die Multilateralisierung längst gestellt und auch
die Liberalisierung muss bis Mitte der Siebzigerjahre abgeschlossen
sein. Natürlich wird man versuchen, einige Hard-core-Fälle zu er-
reichen, wo die Liberalisierung dann gegenüber dem Osten nicht wirksam
wird. Dass dies 80 Positionen sein können, wie z.B. die EWG beabsichtigt
gegenüber dem Osten festzulegen, halte ich für vollkommen absurd, nie-
mals werden die Oststaaten einer solchen Hard-core-Liste zustimmen.
Da nun die Tschechen und Polen GATT-Mitglieder sind und auch die
anderen sehr bald GATT-Mitglieder sein werden, werden sie garantiert
verlangen, dass alle Liberalisierungen, die im Rahmen des GATT sind gatt-
konform durchgeführt werden müssen. Derzeit greifen sogar die Polen
die gattkonformen und mit einem waiver ausgestatteten Entliberalisierungs
posttionen wie z.B. Braunkohle, Filme und Antibiotika, die Österreich
im GATT bereits erreicht hat, an. Natürlich müssen wir bei dieser Ent-
liberalisierung äussert vorsichtig vorgehen. Da die Oststaaten Staats-
handelsländer sind, können sie jederzeit verhindern, dass Waren von
Österreich in ihr Land exportiert werden, auch dann, wenn es keine
mengenmässigen Beschränkungen mehr gibt. Denn die Staatshandelsländer
bestimmen ja letztne Endes über ihre Firmen, welche Waren und in welcher
Menge sie eingeführt werden. In Österreich ist dies natürlich anders,
wir können natürlich die Osthandelstaatsstellenfirmen gewinnen, sei
es durch günstige Konditionen, sei es, dass sie sich selbst solche
Firmen hier gründen und alle Waren, die sie irgendwo in Österreich ab-
setzen können, nach Österreich einführen. Gibt es nun Hard-core-Fälle,
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d.h. Waren die nicht mengenmässig befreit eingeführt werden können,
dann kann Österreich mit diesen Hard-core-Fällen
Handelspolitik betreiben, indem es eben auch hier noch mengenmässige
Beschränkungen festlegt.
Die Bezirkskonferenz in Leoben hatte für mich eine Terminschwierig
keit. Ich versuchte deshalb so schnell wie möglich, dort als erster
Referent auf die Tagesordnung zu kommen. Natürlich musste ich die
Begrüssung und die Ehrung vorlassen. Bei der Begrüssung konnte ich
feststellen, dass eine wirklich sehr sehr starke Falkengruppe in
Leoben scheinbar existiert. Denn diese bestritt mit Volkstänzen
und Liedern einen Grossteil der Begrüssung. Auch waren dort wesentlich
mehr ältere Falken als eigentlich Falken sein sollten. Ich war
überzeugt, dass dies dieselbe Situation in Leoben ist, wie sie früher
in Wien in der 1. Republik gewesen ist. Auch damals wo ich noch Falke
war, wollte keiner von dieser Organisation weggehen und die SJ hatte immer
Schwierigkeiten, die Falken in die SJ zu übernehmen. In Leoben gibt
es, wie man mir mitgeteilt hat, überhaupt keine SJ-Gruppe, weil alle
lieber bei den Falken bleiben. In dem Referat ging ich auf das
Problem Alpine nicht ein, machte aber natürlich die entsprechenden
Bemerkungen zu unserer Wirtschaftspolitik. Ich erwähnte allerdings
und zitierte sogar Baumann, den Betriebsrat der Alpine, der bei der
Konferenz auch als Delegierter anwesend war, indem ich darauf hinwies
dass die Bundesregierung z.B. weitere 20 Mill. S durch ein
Budgetüberschreitungsgesetz für die Alpine nämlich den Kohlenbergbau
für die GKB bereitstellt. In der Diskussion meldete sich Baumann als
einziger und verwies auf die bekannten Tatsachen. Seiner Meinung nach
hätte die Alpine 6 Milliarden Schilling in den vergangenen Jahren
durch sogenannte verbilligte Inlandspreise für das Vaterland geopfert.
Der Betriebsrat von der Eisenerz erzählte vor einigen Tagen, dass
dies 5 Milliarden S wären. Man sieht also, dass auch die Betriebs-
räten sich nicht abgestimmt haben, mit welchen Ziffern sie herumwerfen
würde ich fast sagen. In meinem Schlusswort erwiderte ich auf die
Anfrage Baumanns, dass ich ja wirklich ressortmässig nicht zuständig
sei, deshalb aber dieses Problem natürlich aus meiner früheren Tätig-
keit sehr genau kenne. Die Voraussetzung, um ein endgültiges Urteil
über die Investitionen der Alpine aber abgeben zu können, wäre, dass
ich die Unterlagen im Detail besitzen würde, die ich erst dann genau
studieren müsste. Auf alle Fälle machte ich ihnen keine wie immer
gearteten Zusagen, sondern erwiderte nur, dass wir als Sozialisten
alles daran setzen werden, um Arbeitsplätze in diesem Raum zu schaf-
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fen. Ich erwiderte also glaube ich, sehr eindeutig, dass es uns
primär darauf ankam, diesen obersteirischen Industrieraum als Industrie-
raum zu erhalten und keinesfalls aber von vornherein festlegte, dass
die Vorschläge der Alpine die richtigen und einzig mögliche seien.
Die Behauptung von Baumann, dass wenn diese Investitionen in der
Höhe von 3,3 Mia S, er sagte allerdings diesen Betrag nicht, nicht
genehmigt werden, dann die Alpine in fünf Jahren am Hand ist, d.h.
zusperren muss, kann man glaube ich wirklich nicht unwidersprochen
lassen.
Bei einem Treffen im Hueberhaus, dem ehemaligen und derzeitigen Bundes-
verstandsmitglieder des ÖGB hatte ich Gelegeheit, mit Benya über dieses
Problem zu reden. Benya selbst fragte gleich, hoffentlich hast Du
ihnen nicht zu viel versprochen. Ich konnte ihm daher mit ruhigem
Gewissen antworten, dass ich ganz im Gegenteil nur dieses Problem,
nämlich die Beschäftigungslage im obersteierischen Raum berührt hatte
und keinesfalls auf die Idee der Alpine eingegangen bin. Benya selbst
sagt nämlich, die Alpine hätte nicht nur falsche Ziffern geliefert,
sondern sei auch in der Argumentation vollkommen daneben. um die Umsatz-
ziffern der Berechnung zu erreichen, wird der ganze inneralpinische
Verkehr vom Erzberg weg bis zum Haldenbergprodukt oder womoglich sogar
Fertigprodukt immer wieder als Fremdleistung betrachtet und deshalb
wird eine Umsatzziffer erreicht, die nicht annähernd der tatsäch-
lichen Umsatzziffer entspricht. Ausserdem dürfte es innerhalb der
Metallarbeitergewerkschaft eine heftige Diskussion und Konkurrenzkampf
in dieser Frage geben, da irgendwie Benya nicht einmal auf eine Anfrage
der Neuen Zeit in Graz geantwortet hatte, die seine Stellungnahme zu
diesem Problem haben wollte. Da ich um zwei Stunden zu spät zu dieser
Veranstaltung kam, wurde mir die kalte Platte nachserviert und während
dem ich gerade begann zu essen, kam Weigl zu mir zum Tisch, um mich
zu begrüssen. Ich war wirklich sehr beschämt und setzte mich dann
sofort zu ihm und Berka. Wir plauderten über die gute alte Zeit in
der Arbeiterkammer, als er noch Kammeramtsdirektor war und ich konnte
ihm immer nur wieder meine Meinung sagen, dass ich in Wirklichkeit
nur zwei Vorbilder in der Gewerkschaft und auch in der politischen
Partei hatte, der eine war der Gewerkschaftsbundobmann Böhm und der
zweite er. Wenn ich mir so überlege, was Weigl wirklich für die Arbei-
terbewegung, insbesondere für den Aufbau der Arbeiterkammer geleistet
hat, so kann man dies nicht hoch genug einschätzen. Berky ersuchte
mich dann, unter vier Augen sprechen zu können und teilte mir mit, dass
er so gerne, den Johann-Böhm-Orden kriegen würde. Da er in diesem Monat
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70 wird, ging ich sofort zu Benya und Häuser und ersuchte, dass sie
uns diese Möglichkeit noch eröffnen. Beide sagten mir zu und ich
werde unverzüglich alle Schritte einleiten. Bei dieser Gelegenheit
konnte ich feststellen, dass Häuser Rudi auch mir sagte, er hätte voll-
stes Verständnis, dass sich die Genossen um die Viktor-Adler-Plakette
oder dem Böhm-Orden bemühen, denn die seien zwei Auszeichnungen, die
er hochhält und die er selbstverständlich auch sehr gerne einmal an-
nehmen wird. Ich muss sagen, diese Inkonsequenz verstehe ich eigentlich
nicht. Wenn man – wie Häuser sich schon einmal dazu durchgerungen hat,
den ganzen Ordens- und Auszeichnungsklimbim nicht mitzumachen, dass man
dann doch einen Unterschied macht, das kann ich nicht verstehen.
Da der Bundespräsident zugesagt hat, dass er wieder zum Martinifest
der Burgendländischen Mannschaft kommt, ging Häuser ebenfalls zu dieser
Veranstaltung. Wir waren beide, als wir hinkamen, sehr erstaunt, dass
fast die gsamte Landesregierung von Wien anwesend war. Wie uns Kery mittei
te , wurde der Bundespräsident vor 5 Jahren, als er dort erschien, noch
ausgepfiffen und deshalb war er auch jetzt jahrelang nicht mehr bei dieser
Veranstaltung. Das Bild hat sich jetzt wesentlich geändert. Sowohl der
Bundespräsident als auch selbstverständlich der Landeshauptmann aber auch
die Mitglieder der Bundesregierung wurden lebhaftest akklammiert. Ich
hatte angenommen, dass ich in spätestens einer halben Stunde wieder die
Veranstaltung verlassen könnte, doch musste ich feststellen, dass dies
fast bis Mitternacht dauerte, bis wir endgültig fortgehen konnten. Eine
sinnlose Zeitverschwendung, das einzig Positive dabei war, dass ich allen
meinen Nachbarn sagen konnte, es muss für die wenigen ÖVP-Mandatare
es war nur der LH-Stv. vom Burgenland und die Frau Stadtrat Schaumayer
und Peutscher und Kessner von Wien anwesend, ein ungeheuer ungutes Gefühl
sein, jetzt auf diesem riesigen Tisch nur lauter Sozialisten vorzufinden.
Früher war diese Martini-Feier eine ausgesprochene Angelegenheit der
ÖVP, vom Burgenland angefanngen über die Wiener Regierung bis natürlich
zur Bundesregierung.
Tagesprogramm, 7.11.1970
hs. Notizen
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