Um der ÖVP im Parlament die Angriffsmöglichkeiten zu nehmen, hatten
wir – Kirchschläger und ich – eine Pressekonferenz betreffend Inte-
gration vereinbart. Bekanntlich hat ja die ÖVP als einen meiner schwa-
chen Punkte entdeckt, dass ich die Kompetenz, die mir auf Grund des
Nationalratsbeschlusses von 1966, d.h. das Kompetenzgesetz von der
damaligen Zeit, zusteht, nicht entsprechend wahrnehme. Nach diesem
Gesetz hätte ich in Brüssel Erklärungen abgeben müssen. Koppe meinte,
nachdem wir auf recht schwachem Fuss stehen, müssten wir propagandistisch
und optisch sofort einen entsprechenden Gegenangriff starten. Die
Pressekonferenz wurde von einer grossen Anzahl ausländischer aber
auch inländischer Journalisten besucht, niemand von uns hatte an-
genommen, dass so viele und bedeutende Journalisten kommen würden.
Von der Prawda bis zur New York Herald Tribune war alles vertreten.
Nach einer Erklärung meinerseits, wo ich insbesondere darauf hin-
wies, dass wir jetzt die Vorbereitungsarbeiten für das Interimsab-
kommen in Arbeitsgruppen ganz hervorrangend vorbereitet haben, begann
nach einer kurzen Erklärung Kirchschlägers die Diskussion. Vorerst
allerdings hatte ich noch die Delegationsführung, Botschafter Leitner
und auch die anderen Herren, die bei den Vorbereitungsarbeiten
und hier insbesondere bei der Delegation sein würden, vorgestellt.
Bei dieser Gelegenheit verwies ich insbesondere auf die Büroführung
des Vorbereitungskomitees, die Dr. Michitsch anvertraut wurde. Reiterer
hat bekanntlicherweise – zumindstens wurde mir dies mitgeteilt – bei
Michitsch bis jetzt ziemlich abgemauert, obwohl er ein sehr tüchtiger
Mann ist. Schon allein aus diesem Grund hatte ich ihn der Presse
entsprechend präsentiert. Die Fragen bewegte sich zuerst in einem
ziemlich ausgefahreren Geleise und es wollten insbesondere viele
Detailinformationen haben, die ich soweit es irgendwie möglich war,
ohne unsere Verhandlungsposition allzu sehr preiszugeben, auch ent-
sprechend beantwortete. Bald wäre unser Hauptgrund, warum wir die
Pressekonferenz einberufen hatten, untergegangen. Im letzten Moment
hat nicht zuletzt durch die Intervention von Koppe, Koll. Frank
eine Presseredakteurin der Arbeiterkammer, die Frage über die
Angriffe der ÖVP an uns gestellt. Kirchschläger antwortete mir gleich
bei der Fragestellung, indem er mir ins Ohr flüsterte, na endlich !
Ich hatte jetzt Gelegenheit, durch entsprechende humorvollle Ausfü-
hrungen auf die Argumentation der ÖVP einzugehen. Ich wiederholte, was
ich bereits im Ausschuss gesagt hatte, dass ich jeden Beistrich des
03-0829
Kompetenzgesetzes wahrnehmen werde, ich aber wirklich keinen Grund
gesehen hatte, nach Brüssel zu fahren. Ich fragte, ob wir vielleicht
gemeinsam hätten die Erklärung der Bundesregierung vorlesen, oder
ob vielleicht Kirchschläger einen Satz und ich einen zweiten Satz
hätte vorlesen sollen. Die Erklärung war im Ministerrat abgestimmt
und letzten Endes festgelegt worden. Wenn ich sie verlesen hätte,
sagte ich, hätte ich vielleicht eine andere Betonung auf die einzelnen
Wörter gelegt. Kirchschläger selbst stellte ebenfalls seinerseits
fest, dass es sich um eine aussenpolitische Erklärung gehandelt hatte,
die wohl natürlich Integrationsfragen betraf und deshalb voll-
kommen richtig von ihm in Brüssel abgegeben worden war. Wir
werden ja sehen. ob die ÖVP im Parlament diesen Angriff zurück-
nehmen wird. d.h. auf ihn verzichten wird.
Da das zweite Budgetüberschreitungsgesetz nun im Finanzausschuss ge-
nehmigt wurde, hatte ich grünes Licht, um endlich auch die ent-
sprechenden Mitteln im Hause zu vergeben. Die einzelnen Abteilungen
hatten deshalb entsprechende Vorschläge nach ihrer Meinung vorberei-
tet. Dr. Renner, der die Abteilung führte, welche bisher über die
Gelder des gewerblichen Forschungsfonds verfügte, wollte ebenfalls
2 Mill. S, die im Budget für ihn gar nicht vorgesehen waren, aus
der Wirtschaftsförderung, um weitere Mittel Firmen zuzuleiten. Er
stellte sich vor, dass wir der Firma Piler in Gleisdorf, für eine
Vertikalförderung, die dort entsprechend in Entwicklung stand
und vor allem Seibersdorf je eine Million geben sollten. Seibersdorf
hätte ein Projekt damit finanziert, um das radioaktive Wasser wieder
zu reinigen. Ich lehnte nicht nur aus Budgetmangel sondern aus prinzipi
ellen Gründen es ganz entschieden ab, da wir den Fonds an das Wissen-
schaftsministerium abgetreten hatten und jetzt aus unserem Budget für
einzelne Projekte Finanzierungen durchführen, die gar nicht mehr in
unsere Kompetenz fallen. Bei der Abteilung Wohlgemut hatten Min.Rat
Thun-Hohenstein zwei Firmen, u.zw. Schukra und Landmann die ebenfalls
einen Kredit – wie er sich ausdrückte – bekommen sollten. Jede dieser
Firma hätte eine halbe Million Schilling bekommen sollen, um Betriebs-
mittel für die entsprechende Entwicklung zu besitzen. Ich halte eine
solche Vorgangsweise ebenfalls nicht für möglich. Denn ich kann mir
nicht vorstellen, dass es mit rechten Dingen zugeht, wenn man einer
Firma einen Kredit gibt und einer anderen nicht. Die Fa. Schukra
z.B. ist vielleicht ein echtes Erfinderschicksal, das zwar sehr gute
Erfindungen liefert, aber kaum einen Finanzier findet. Hier habe ich
03-0830
bereits vor etlichen Wochen gesagt, man sollte sich den Kopf zer-
brechen, wie man wirklich über eine Erfindungsverwertungsgesellschaft
Firmen, die kein Kapital haben, irgendwie unterstützen könnte. Um
der Fa. Schukra diesen Kredit zu geben, müsste meiner Meinung nach z.B.
die Bank , die angeblich die Liquidität und Passivität der Firma herbei-
geführt hat, ein Arrangement finden, wie sie die entsprchenden Kredite
entweder langfristig saniert oder vielleicht überhaupt streicht. Bei
dem anderen Förderungsprojekt hat man am gewerblichen Sektor versucht,
womöglich alle Förderungen, die in irgendeiner Weise parteipolitisch
oder gewerkschaftlich uns nahestehen, entsprechend höher zu dotieren,
Ohne dass ich einen diesbezüglichen Auftrag gegeben hatte. Ich konnte
deshalb die Forderungen, die meiner Meinung nach nicht real sind, z.B.
hat das BFI 6 Mill. S Projekte eingereicht, auf ein vernünftiges Ausmass
zurückführen. Im Fremdenverkehr hat Poppinger wieder einmal nur ganz
vage Ziffern vorgelegt und sie vor allem nicht von den Ansätzen des
Budgets abgelassen. Ich versuchte deshalb am Ende der Sitzung Marhold, er
sollte unverzüglich jetzt eine entsprechende Zusammenstellung mir für
die nächsten Tage machen, dann würde ich die endgültige Entscheidung
treffen. Vor allem aber hatte ich durchgesetz, dass wir nicht mehr,
so wie das früher der Fall war, jedem irgendwie, der
sich dafür klassifiziert, nach seiner Auffassung klassifiert, der Gelder
will, diese ihm automatisch, wenn auch mit einem entsprechenden Abstrich
gebe. In Zukunft werden wir von den Subventionsempfängern entsprechende
Projekte verlangen und es wurden wirklich entsprechende Einzelprojekte
vorgelegt. Für einzelne Projektanten, wie z.B. das ÖPZ, planen wir
überhaupt ganz konkrete Leistungen, die für das Haus erstellt werden
müssen.
Im Gemeinderatsklub wurde mit dem Wiener Ausschuss über das Budget der
Gemeinde Wien debattiert. Ich kam zu spät und musste dann auch zur
Ministerratsbesprechung früher weggehen. In der Diskussion selbst
aber konnte ich bereits feststellen, dass sich im Prinzip nichts geändert
hätte, jeder zählte seine Wünsche, die er glaubte, dass sie im Budget
noch untergebracht werden sollten, auf. Es wurde meiner Meinung nach
viel zu wenig die Taktik angewandt, die auch wir in der Regierung so
erfolgreich angewandt hatten, nämlich es sollten meiner Meinung nach
zuerst Schwerpunkte gebildet werden. Diese waren aber auch tatsächlich
im Gemeindebudget vorgesehen, nur war halt jetzt der Wunsch der Vater
der einzelen Diskutanten, der veranlasste, noch mehr Mitteln für ihre Über-
legungen und Projekte bereitzustellen. Wahrscheinlich spielt aber dabei
eine grosse Rolle, dass wir in der Gemeindestube so stark vertreten sind,
03-0831
dass ein jeder ohne die grosse Linie zu gefährden, glaubt, seine Wünsche
präsentieren zu können. Vizebürgermeister Sandner beschwerte sich deshalb
bei mir und meinte, sie hätte so viel für den Sport und für den ASKÖ in
den letzten Jahren getan und noch immer seien sie sehr sehr unzufrieden.
Ich hatte zu diesem Zeitpunkt noch nicht gewusst, dass sie mit dem Gemeinde-
rat Fröhlich von der ÖVP liiert ist und ja bekanntlicherweise – wie ich auch
jetzt weiss – im nächsten Jahr heiraten wird. Für mich zeigten die Nachreden,
dass man doch innerhalb der SPÖ noch nicht so weit ist, um hier die
sachlichen von den persönlichen Problemen zu trennen. Meine Frau, eine
kleine Funktionärin innerhalb der Partei, meint, dass dies eine Mesalliance
ist und deshalb nur zur linken Hand geheiratet werden dürfte. Der kleine
Funktionär kann und wird es glaube ich nicht verstehen, dass sie hier
diese Verbindung aufgenommen hat. In meinen Augen wäre das eine Revolu-
tion innerhalb der Partei und eine Entwicklung zum wahrlich Besseren, wenn
es möglich wäre, dass ein Funktionär der SPÖ wirklich in seinem Privat-
leben mit einem ÖVP-Funktionär verbunden sein könnte. Ich glaube aber, dass
die breite Masse unserer kleinen Funktionäre dies niemals akzeptieren wird.
Bei der Ministerratsvorbesprechung schlug Kreisky vor, dass wir im Frühjahr
1971 wieder Konferenzen mit den Experten machen sollten. Wir wollen den
Leuten, die am Wirtschaftsprogramm. Kulturprogramm, Humanprogramm und
Schulprogramm und den vielen anderen Programmen mitgearbeitete haben,
bei diesen Konferenzen die Möglichkeit geben, die Berichte, die die ent-
sprechenden Minister zu erstatten hätten, zu kritisieren und gegebenenfalls
neue Anregungen zu machen. Ausserdem schlug er vor, dass wir dann ein kon-
tinuierliches Komitee aus jeder dieser Konferenz herausbilden sollten.
Die Wirtschafter hatten ein solches Komitee ja bereits konstituiert und
ich es auch gelegentlich einberufen. Ich hatte sowieso die Absicht, in
der nächsten Zeit im Parlament wieder eine solche Sitzung zu machen und
ich freute mich daher, dass auch die anderen zu einer solchen Konfrontierung
mit unseren Experten gezwungen werden sollten. Ich glaube nämlich auch, dass
das schlechteste ist, wenn sich die Mitarbeiter nachher vernachlässigt
fühlen, weil sie den Eindruck haben, dass man sie jetzt nicht mehr braucht.
Kreisky regte weiters an, man sollte ein Spendenkomitee schaffen. In Schwe-
den z.B. gibt es dieses Komitte und wenn jemand irgendwelche Sammlungen oder
Spenden haben will, dann muss er von diesem Komitee autorisiert sein. Auch
in der BRD gibt es eine ähnliche Regelung. In Amerika sollen caritative
Vereine überhaupt in einer zentralen Stelle vereinigt sein und die Ver-
teilung der Mittel, die zufliessen, erfolgt dort schlüsselmässig.
Gegen dieses Konzept hatten einige Bedenken, da sie dann befürchteten,
dass die ÖVP sofort kritisieren würde, dass wir auch nun vorschreiben,
wer Spenden entsprechend empfangen darf. Die Diskussion über dieses Problem
wird noch fortgesetzt.
Die vorhergehende Regierung hat den ÖBB am Schwarzenbergplatz der Akademie
für Musik und darstellende Kunst gewidmet, um dort eine Dependence zu
errichten. Ohne dass man die ÖBB davon verständigte, ja nicht einmal
nachdem die ÖBB jetzt zu diesem Zeitpunkt damals ein eigener Wirtschafts-
körper war, die Zustimmung zu haben, muss nun die jetzige Bundesregierung
dieses Vorhaben durchführen. Eine Reanimierung dieses Beschlusses er-
schien der ganze Bundesregierung unmöglich. Es wird deshalb die ÖBB auf
diesen Baugrund verzichten müssen. Androsch machte nur darauf aufmerksam,
dass wir in den teuersten Gebieten unsere Universitäts- und Hochschulpro-
jekte verwirklichen. Unter anderem haben wir jetzt das ehemalige Semperit-
Haus für die Rechts- und staatswissenschaftliche Fakultät aufgekauft. Die
Technik hat am Karlsplatz entsprechende Ausweitungen vorgenommen und jetzt
beginnt auch die Musik- und darstellende Kunst-Akademie auf dem teuersten
Baugrund zu bauen. Er hätte sich vorstellen können, dass man an die Peri-
pherie geht, wo es wesentlich billigere Gründe gibt. Sein Vorschlag aller-
dings, eine zentrale Hochschule irgendwo zu errichten, fand auf Grund der
Erfahrungen, die man in Frankreich aber auch letzten Endes in Linz gemacht
hat, nicht die Zustimmung. Die ÖBB schätzt das Grundstück auf 73 Mill. S,
bei einer Ausschreibung wurde dieser Betrag auch genannt. Geschätzt aber
für die Vertragsverhandlung resp. Grundabtretung wurde das Grundstück mit
34 Mill. S. Die ÖBB wollte es im Baurecht an eine private Firma vergeben
und dann für die Generaldirektion 3/5 des Gebäudes mieten.
Figl hatte seinerzeit König Leopold von Belgien in Tirol einen Pachtver-
trag mit einer 15.000 ha Jagd zu S 2.- pro ha angeboten und abgeschlossen.
In dieser Gegend werden jetzt für die Jagden 30 – 40.- S pro ha von den
Bundesforsten verlangt. Deshalb hat sich jetzt seine Frau, die die Jagd
in der Zwischenzeit übernommen hat, Lilian, ganz entschieden gegen eine
Aufwertung des Pachtzinses ausgesprochen und erklärt, dass nur sie im-
stande ist, diese alte kaiserliche auf Kaiser Maximilian vor etlichen
hundert Jahren zurückgehende Jagd entsprechend zu betreuen. Der Land-
wirtschaftsminister wurde aber aufgefordert, unverzüglich Verhandlungen
aufzunehmen und eine Revision des Pachtschillings herbeizuführen.
Der Klimt-Fries über Beethoven gehört einem Emigranten namens
Lederer, der derzeit in Genf sitzt. Dieser kann den Fries nicht
ausführen, weil das Bundesdenkmalamt dagegen ist. Andererseits
aber will ihn auch des Bundesministerium für Unterricht nicht kaufen.
Lederer verlangt dafür allerdings für 1 Mill. $ und hat nach Auf-
fassung von Gratz und Firnberg sich gegen eine verünftige Regelung
ganz entschieden ausgesprochen. Auf alle Fälle wurde jetzt bei Kreisky
interveniert und Kreisky versucht nun oder will ein entsprechendes
Arrangement zwischen Lederer und der österr. Bundesregierung herbei-
führen. Wir werden ja sehen, wie wir über diese Schwierigkeit hinweg-
kommen.
Tagesprogramm, 23.11.1970