Mittwoch, 8. September 1971
Bei der ÖGB-Fraktion und dann im Bundesvorstand wurde der
Gewerkschaftskongreß, die techn. Abwicklung, und vor allem
die Resolutionen besprochen. Das wirkliche Problem aber
bei jedem Kongreß ist, wer in Hinkunft in die Leitungsorgane
gewählt wird. Für uns als sozialistische Fraktion gibt es
Gott sei dank überhaupt kein Problem, da Benya nach wie vor
als Obmann und Häuser und Böck von den Bauarbeitern als Vize-
präsidenten kandidieren werden. Die christl. Gewerkschaften
sind noch nicht einige, ob sie Altenburger neuerdings, der
sich um dieses Mandat bewirbt, als Vizepräsidenten wieder
wählen sollen, oder ob der Obmann der öffentl. Bediensteten,
BR Gasperschitz, in diese Funktion nachrücken soll. Das
Letztere ist eine Forderung des ÖAAB und es gibt deshalb
noch sehr heftige Kämpfe zwischen ÖAAB und den christl. Ge-
werkschaftern. Der öffentliche Dienst, der immerhin fast l/3
unserer Gewerkschaftsmitglieder stellt, hat die Forderung auf-
gerichtet, daß auch er im Präsidium vertreten sein möchte.
Der letzten Fraktion, an der ich nicht teilnehmen konnte, weil
Regierungssitzung war, hat die christl. Fraktion schon den
Beschlüssen der Sozialisten, nämlich daß, wenn die ÖVP Gasper-
schitz in das Präsidium als christl. Gewerkschafter entsendet,
dann unbedingt auch ein Sozialist, nämlich Weisz, der Sprecher
des öffentl. Dienstes in das Präsidium kommen müßte, unmittelbar
nach Ende der Fraktion erfahren. Altenburger wehrt sich nun
natürlich gegen eine solche Überlegung und auch Häuser meint,
man müßte sich einen solchen politischen Schritt natürlich noch
genau überlegen. Die Fraktion ist deshalb übereingekommen, noch
keine endgültigen Beschlüsse zu fassen, sondern abzuwarten, ob
die christl. Fraktion Gasperschitz, der Obmann des öffentl.
Dienstes ist, als Vizepräsident nominiert wird. In diesem Fall
müßte auf alle Fälle Weisz, der der Sprecher der öffentlich
Bediensteten ist und gleichzeitig Obmann der Gemeindebediensteten,
in das Präsidium gewählt werden. Ich stimme mit Benya, mit dem
ich über dieses Problem allein gesprochen habe, vollkommen über-
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ein, daß in Wirklichkeit das Präsidium im Gewerkschaftsbund
verstärkt gehört. Derzeit haben vier Personen oft große fin-
anzielle Transaktionen zu beschließen, ohne daß sie nachher
eine Deckung durch den Bundesvorstand bekommen. Die endgültige
Deckung erfolgt erst im nächsten Kongreß, wenn dem Präsidium
die Entlastung durch Vorlage des Finanzberichtes erteilt wird.
Eine weitere Frage war, ob wir einen Zentralsekretär, d.h.
Gewerkschaftsbund, einen Generalsekretär wählen sollen und
überhaupt einen bestellen. Ich selbst habe mich bereits vor
dem letzten Kongreß als wir wieder die vier leitenden Sekretäre
seit dem sie im Gewerkschaftsbund anstelle eines Generalsekretärs
bestellt wurden, habe ich sie immer als leidende Sekretäre be-
zeichnet, weil sie gerade unter Olah keine leichte Arbeit gehabt
haben. Ich habe bereits bei der Vorbesprechung zum letzten Kongreß
mich ganz klar und deutlich für die Bestellung eines General-
sekretärs ausgesprochen, weil ich auf dem Standpunkt stehe, in
jeder Organisation muß einem Büro ein einziger in der Spitze
verantwortlich sein. Natürlich kann er nachher mit entsprechender
Einfühlung sich mit seinen engsten Mitarbeitern in ein Team ver-
wandeln und es muß nicht unbedingt immer der erste als der Tyrann
in einer Organisation wirken. Ohne aber eine einzige verantwortlich
der letzten Endes auch, wenn es Differenzen gibt, die Entschei-
dung zu treffen hat, dann ist keine gute Organisation gegeben.
Um auch in Hinkunft zu verhindern, daß ein Präsident diese lei-
tenden Angestellten und insbesondere den Generalsekretär nicht
als seinen reinen Angestellten behandeln kann, habe ich auch
vollstes Verständnis dafür, daß Benya beabsichtigt, die General-
sekretäre und seinen Stellvertreter auf dem Kongreß wählen zu
lassen. Dadurch wird es eine politische Funktion und der Be-
treffende kann sich gegen etwaige Übergriffe seiner Funktionäre
leichter zur Wehr setzen. Man hofft zwar, und ich bin überzeugt,
daß in absehbarer Zeit für die nächsten Jahrzehnte nicht so bald
wieder ein Olah im Gewerkschaftsbund Präsident werden kann und
wird, aber man sollte vorbeugen und deshalb bin ich für eine
Funktionsstärkung des Generalsekretärs. Da die zwei leitenden
Sekretäre Zak, der die Finanzen geführt hat und Senghofer, der die
Bildung gemacht hat, aus Altersgründen ausscheiden und zwischen
Hofstetter und Ströer ein gutes Einvernehmen besteht, müßte es
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möglich sein, Hofstetter zum Generalsekretär und Ströer
zu seinem Stellvertreter am Kongreß wählen zu lassen.
Die kommunistische Gewerkschaftsfraktion ist bekanntlich
sehr gespalten. Die jetzt im Bundesvorstand Sitzenden und
auch Kodicek als Sekretär bestellt Vertreter der
Gewerkschaftlichen Einheit haben sich von der KP losgesagt.
Deshalb wurde jetzt die kommunistische Fraktion von der KP
neu aufgebaut. In der Gründungsurkunde ist vorgesehen, daß
die Minderheitsfraktionen, die damals die entsprechende
Gründung des überparteilichen Gewerkschaftsbundes ermöglicht
haben, nämlich die christliche Fraktion und die kommunistische
Fraktion, zwei Vorstandsmandate auf alle Fälle abgesichert
haben. Wie diese in Hinkunft besetzt werden, kann nur letzten
Endes der Kongreß entscheiden. Wir haben aber jetzt bereits
die Schwierigkeit, daß früher im Tagungspräsidium selbstver-
ständlich ein Vertreter der kommunistischen Gewerkschaftlichen
Einheit gesessen ist. Es hätten nun die Bundesvorstandsmitglieder
eine diesbezügliche Forderung und es erhebt die neue KP-Gruppe
einen Anspruch. Wir werden deshalb wahrscheinlich in das Tagungs-
präsidium überhaupt keinen Kommunisten nehmen, wenn sie sich ,
was unwahrscheinlich ist, auf eine Person einigen können.
Über die Resolution betreffend die Familienpolitik konnte mit
der christlichen Fraktion keine vollkommene Übereinstimmung
erzielt werden und es wurde deshalb ein Mehrheitsbeschluß ge-
faßt, der aber keinerlei Kampfabstimmungen am Gewerkschafts-
kongreß bedeuten werde. Ich glaube, daß es uns gelingen wird,
trotz des Wahlkampfes am Gewerkschaftskongreß die Überparteilich-
keit zu dokumentieren und hoffe nur, daß es in der Diskussion
nicht allzusehr heftige Angriffe der einzelnen Fraktionen geben
wird. Der überparteiliche Gewerkschaftsbund ist neben der kath.
Kirche, die sich jetzt auch aus dem Wahlkampf heraushält, der
einzige Garant in meinen Augen, daß wir nicht wieder in eine
Entwicklung der ersten Republik hineinschlittern. Ich habe es
daher als meine Hauptaufgabe seit eh und je betrachtet, die
Überparteilichkeit des Gewerkschaftsbundes und auch der Lebens-
mittelarbeitergewerkschaft unter allen Umständen zu erhalten
und jederzeit bereit zu sein, durch entsprechende Kompromisse
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Minderheitsfraktionen entsprechend zu berücksichtigen, damit
es nicht zu einer Aufspaltung des Gewerkschaftsbundes kommt.
Aus diesem Grund plädiere ich auch für eine Erweiterung der
Vorstandssitze, die am Gewerkschaftskongreß nicht gewählt
werden, sondern die dann entweder kleinere Gruppen wie in
der Vergangenheit z.B. Sommerauer, für die christl. Arbeiter-
bewegung und Vogel für die parteifreie Gruppe auch für die FPÖ
eine Möglichkeit der Kooptierung zu schaffen. Die soz. Fraktion
ist gut beraten, wenn sie jedwedige Gruppen im Gewerkschaftsbund
aufnimmt, da sie damit die Überparteilichkeit dokumentiert und
wahrscheinlich irgendwie aufkommende gewerkschaftsfeindliche
Bestrebungen in Parteien oder in Gruppen, die von einigermaßen
von Bedeutung sind, zurück nimmt.
Arbeitsbesprechungen mit dem Aussenhandelsminister Olszewski
waren, wie ich zugeben muß, für mich sehr überraschend. Ich
hatte angenommen, daß wir auf Grund der Tagesordnung, die sie
uns übermittelt haben, kaum zu konkreten Ergebnissen kommen
würden. Zu meiner größten Verwunderung wurde über die Schilling-
Fakturierung gleich am Anfang gesprochen und Olszewski teilte
mit, daß aufgrund unserer diplomatische demarge Polen bereit
wäre, auf Schillingbasis, d.h. Schilling-Fakturierung, umzu-
steigen. Die Verrechnungsdollarfakturierung haben einigen Firmen
einen beträchtlichen Verlust erlitten. Hat die Elin 1,6 Mio. Dollar,
Schoeller-Bleckmann 1 Mio. Dollar, Voith 940.000 Dollar, Büschl
417.000 Dollar, Schrack 200.000 Dollar, Müller 220.000 Dollar,
Nasser & Teurer 242.000 Dollar und Stollack 200.000 Dollar,
Investitionsgüter geliefert, die jetzt zu entsprechenden Ver-
lusten bei den Firmen führen. Die Bundeshandelskammer hat
deshalb beabsichtigt, eine Kommission zu den einzelnen Staaten
zu schicken, um neuerdings auf die Schilling-Fakturierung
zu drängen. Mussil erhoffte sich dadurch eine publizistischen
Erfolg und insbesondere im Hinblick auf die bevorstehenden Wahlen
den Beweis, daß die österreichische Bundesregierung viel zu
wenig macht und er aber mit der Handelskammer die Unternehmer
entsprechend vertritt und diese Probleme auf Handelskammerebene
zur Lösung bringt. Ich war deshalb über die Zusage sehr erfreut
und fragte an, ob wir dies auch jetzt bereits publizistisch
verwerten können. Da die poln. Delegation nichts dagegen ein-
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zuwenden hat, ließ ich sofort ein entsprechendes Presse-
kommuniqué herausgeben. Meisl meinte zwar, man sollte
dies dann im Zusammenhang mit der allgemeinen Schlußkommuniqué
am nächsten Tag nach Unterzeichnung des Vertrages erst
machen. Da ich befürchtete, daß in diesem Fall die Bundes-
handelskammer vorher in Erscheinung treten würde, habe ich
ganz im Gegenteil sogar Koppe von seinem Tagesurlaub holen
lassen, damit er durch entsprechende Interventionen in den
Blättern diese Politik herausstreichen läßt. Er hat dann so-
gar noch und dies mit großem Erfolg, können den Blätter ein-
reden, daß auch bei den Tschechen zu erwarten ist, daß sie
auf Schilling-Fakturierung umsteigen. Nach einem unbestätigtem
Gerücht sollen meines diesbezügliche Zusage auf der Brünner
Messe bei der Unterzeichnung des Kooperationsvertrages ge-
macht werden. Tatsächlich konnte ich dann am Abend nach der
Staatsoper bei einem kleinen Essen im Cogteau , wie sich
Heindl ausdrückte, den polnischen Aussenhandelsminister
mit seiner Delegation schon einen Kurier geben, wo ganz groß
dieser Erfolg herausgestrichen wurde. Koppe hat volle Arbeit
geleistet. Daß uns Heindl ins Cogteau vermittelt hat ist aus
diesem Grund auch noch nachträglich zu entschuldigen, denn
ich habe dadurch Gelegenheit gehabt, den Polen diesen Erfolg
selbst noch zu präsentieren. Daß dort aber ein kleiner Imbiß,
wie Heindl versprochen hat, serviert wird, sondern ein voll-
kommenes Essen, hat alle Teilnehmer wahrscheinlich in Wirklichkeit
sehr belastet. Für mich persönlich bedeutete es, daß wir zwei
Stunden dort verbracht haben und in Wirklichkeit wahrscheinlich
niemand die vorgesetzten Speisen, die sehr gut gekocht waren,
beachtet.
Information über unsere EWG-Verhandlungen wurde von den Polen
mit Dank zur Kenntnis genommen. Polen ist an dieser Entwicklung
ganz besonders interessiert, da sie neben Ungarn der einzige
Oststaat sind, der die EWG-Länder Lebensmittel, aber auch
Industriegüter exportiert. Andere Oststaaten haben hauptsächlich
Rohstoffexporte. Polen hat nun mit den Weststaaten bis 1974
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langfristige Verträge, fürchtet aber, daß nach diesen Auslaufen
große Schwierigkeiten insbesondere auf dem landwirtschaftlichen
Sektor haben werden. Polen ist nicht bereit die EWG offiziell
anzuerkennen, aber sie sind Realisten genug und sie müßen mit
dem Modus Vivendi, wie Olszewski sich ausdrückte, leben. Polen
befürchtet, daß insbesondere, wenn Großbritannien jetzt beitritt,
der größere Handel, den sie mit Großbritannien haben, sehr leiden
wird. Ich gab Polen dieselben Erklärungen, die ich bereits allen
anderen Oststaaten und auch in der Sowjetunion Kossygin und
Patolitschew, aber insbesondere Semjonow geben konnte.
Polen wollte auch dann noch eine Erklärung, wie wir die Währungs-
krise derzeit beurteilen und welche Maßnahmen wir getroffen haben
und ich gab einen verhältnismäßig detaillierten Bericht, der
selbst den Finanzministervertreter MR Heller zu keinerlei
Ergänzungen veranlasste.
Olszewski berichtete dann, daß Polen bis 1956 aus der UdSSR
und seit 1956–58 auch aus Amerika Kredite bekommen hat, die
eine Gesamthöhe von 1,500.000.000 Dollar umfaßt. In letzter
Zeit haben sie auch von Japan, Frankreich, Großbritannien und
Italien Kredite genommen. Sie wollen sich in den nächsten
Jahren insbesondere des Ausbaues der Koks-Kohlen-Produktion,
der Kupfer, der Zink und der chem. Industrie, wie der Rohstahl,
Walzwerke in Schlesien, der Baustoffe, Lebensmittel, Maschinen
und Elektronik und sogar die Autoindustrie aufbauen, widmen.
Österreich käme einen Lizenz für Schrauben, Armaturen, wohl für
die Großindustrie als für den Haushalt, als auch für Pumpen und
Motoren in Frage. Mit der Bundesrepublik Deutschland, Großbritannien,
Frankreich, Schweden und Finnland gibt es derzeit sehr gute
industrielle Kooperationen. Die Polen hoffen, daß nach Abschluß
unseres Vertrages auch her eine wesentliche bessere Entwicklung
mit Österreich verzeichnet werden wird. Der österr.-poln. Aussen-
handel ist sehr passiv. Im Jahre 1970 betrugen die Exporte 1,5
Milliarden Schilling und die Import 1,1 Milliarden S, so daß
ein Passivum von 350 Mio. S zu verzeichnen ist. Auch im ersten
Halbjahr 1971 haben wir 76 Mio. S Passivum. Auf Grund des bi-
lateralen Verrechnungsverkehrs in den letzten Jahren hat sich bis
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31. Juli 1971 ein Aktivum Österreichs von 2,522.000.000 Ver.Doll.
entwickelt. Polen würde nun, wenn es möglich ist, im Laufe der
nächsten Jahre im Hinblick auf unsere Kooperationsabsichten und
langfristigen Lieferwünsche einen Kredit von 50 Mio. Dollar in
Österreich aufnehmen. Ich erklärte, daß ich an einem Ausbau der
Wirtschaftsbeziehungen und insbesondere auf einen Abbau des Zahlungs-
bilanzaktivums sehr interessiert wäre, daß aber die Kreditbe-
dingungen resp. die Aufnahme von Krediten nur über die Österr.
Kontrollbank erfolgen könnte. Diesbezügliche Verhandlungen müßten
von poln. Seite mit diesem Institut geführt werden. Ich selbst
habe mich aber bereit erklärt, dieses Institut über die ent-
sprechenden Wünsche zu informieren.
Die von Polen gewünschte Aussprache über die Zentralhütte in
tschechisch Dochau und in der Raffinerie Nord bei Danzig, mir
nur schwache Hoffnung, daß österreichische Firmen daran wesentlich
beteiligt werden können. Die Polen haben mit BP einen Koopera-
tionsvertrag beschlossen, was diese eine Raffinerie im Norden
eben in Danzig, mit 3 Mio. t Jahreskapazität in der ersten Phase
erstellen wird. Es soll dann noch eine zweite und gegebenenfalls
dritte Phase mit jeweils weiteren 3 Mio. t dazu kommen. Die VÖEST
hat seinerzeit nach Plotzk, wo ebenfalls eine Raffinerieanlage
ist, die Kreckanlage geliefert. Ob die VÖEST eine Chance hat
auch hier bei der Kooperation mit BP einzusteigen, kann ich
noch nicht beantworten. Die Polen erzeugen derzeit 12 Mio.
Rohstahl in Kakowagebiet 5 Mio. und im tschechisch Dochau und
Schlesien, wo alte Anlagen sind. Es soll nun eine zentrale
Hütte in der Nähe von tschechisch Dochau errichtet werden.
Dies ist erst in Planung und wahrscheinlich erst für die nächsten
Jahre interessant.
Die gemischte Kommission wird auf Grund des Vertrages nächste
Woche in Warschau zu arbeiten beginnen und dort werden die ein-
zelnen Wünsche, u.a. hat auch der Handelsdelegierte Dr. Leitl
gewünscht, daß die österr. Firmen oder zumindestens sein Büro
die Ausschreibungen früher und detaillierte bekommen könne. Der
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Vertreter des Finanzministeriums hat bezüglich der Details
bei der Schilling-Fakturierung bis zum Übergang auf die Multi-
lateralisierung Änderungswünsche im Zahlungsabkommen in Detail
festgelegt werden.
Sallinger und Mussil, Mayer-Gunthof waren beim von mir ge-
gebenen Mittagessen. Sie waren bei meiner Tischrede, wo ich
die Schillingfakturierung ankündigte, sehr positiv berührt. Bei
Anschließende Aussprache mit Sallinger und Mussil wollte ersterer
wissen, ob ich gegen einen Kauf dieses alten Schlosses in
Lofer Einspruch erheben würde. Ich erklärte, daß wenn der
Rechnungshof schriftlich mir zusichert, daß dies möglich ist
ich keinerlei Einspruch erheben würde. Ich warnte aber den
Präsidenten ein so altes Schloß zu kaufen, oder sich daran
zu beteiligen, weil dies eine große finanzielle Belastung
und viel Ärger mit sich bringen würde. Mussil teilte meine
Meinung und wies darauf hin, daß er als niederösterreichischer
Handelskammersekretär mit den alten Gebäuden, die sich Nieder-
österreich erworben hat, auch ganz, ganz große Schwierigkeiten
hatte. Sallinger ersuchte mich noch, daß wir den Konsumenten-
beirat, d.h. das Konsumentenforum, welches Mitte September
einberufen werden soll, verschieben sollten. Ich erklärte,
daß ich dies jetzt nicht zusagen könnte, weil ich nicht weiß,
ob nicht schon die Einladungen erfolgt sind und ob es über-
haupt noch möglich ist, die Veranstaltung zu verschieben.
Sallinger meinte dann, er müßte in diesem Fall die Delegierten
der Bundeshandelskammer vom Konsumentenforum zurückziehen.
Ich glaube, wir sollten es uns wirklich überlegen, ob wir
unter diesen Umständen auf eine Abhaltung des Konsumentenforums
bestehen sollen. Heindl meinte, wir könnten dann dokumentieren,
daß hier aus politischen Gründen dieser Veranstaltung fernbleiben.
Ich fürchte, daß dies politisch nicht allzu viel bringt und
die Beziehungen zwischen uns und der Handelskammer nur sehr
verschlechtern würden. Vor allem bin ich nicht sicher, ob in
diesem Fall dann nach den Wahlen ein so gute Zusammenarbeit
gerade in diesen wichtigen Forum zwischen Handelskammer und
Ministerium noch möglich wäre.
In der Nachmittagsbesprechung wurde mir eine Frauendelegation
angemeldet. Die Kriminalbeamten, die sie begleiteten, wollten,
da sie nicht angemeldet waren, sie überhaupt nicht vorlassen.
Heindl hat Gott sei Dank entschieden, daß selbstverständlich
nach Ende der Verhandlungen ich bereit wäre, mit der Delegation
zu sprechen. Da dies eine ÖVP-Frauendelegation von ca. 1 Dtz.
Frauen, die Transparente mitführten, auf dem stand, 1 Ei im
Konsum kostet S 1,76 und auch die Kartoffeln sind im SPÖ-Konsum
so teuer. Geführt wurde die Delegation von einer Frau Dr. Flemming,
einer jungen Juristin, die sehr sprachgewandt auftrat.
Ich erklärte, daß ich in der gestrigen Belangsendung die SPÖ
die Wirtschaft angegriffen habe und daß man dort erklärt hätte,
80 Groschen bekäme der Bauer für ein Ei und der Konsument müßte
S 1,60 dafür bezahlen und dafür sei nicht die Regierung verant-
wortlich und dies sei nicht die Schuld der Regierung, sondern
der Wirtschaft. Einleitend erklärte ich sofort, daß ich die
Sendung nicht gesehen habe und deshalb auch keine wie immer
gearteten Detailinformationen darüber besitze. Ich nehme aber
von vornherein an, daß alles, was die Damen über diese Sendung
sagen, der Wahrheit entspricht und stelle mich selbstverständ-
lich jetzt zur Diskussion. Die Forderung, daß im Konsum z.B.
obwohl, wie Dr. Flemming erklärte, bei ihrem Greißler die
Eier um 1,40 kaufen kann, bei ihrem Fleischhauer um 1,60 und
im Konsum 1,78 kosten, doch nur zeigt, daß der sozialistische
Konsum zu teuer ist. Ich erwiderte, daß sie dann nicht bei mir
vorsprechen müßten, sondern daß sie in die Wolfganggasse zum
Konsum gehen sollten, daß aber die Genossenschaftsbewegung ganz
entscheiden ablehnt, mit einer politischen Partei identifiziert
zu werden. Die Genossenschaftsbewegung ist in der Nachkriegszeit
aus den ursprünglich seinerzeitigen Arbeiterkonsumverein, die
sozialistisch waren, aber auch aus den bürgerlichen Vereinen
die christl.-sozial geführt waren, zusammengewachsen und stellte
eine überparteiliche Organisation dar. In den Führungsgremien
sind auch ÖVP-Funktionäre, die ganz entschieden verbäten hätten
als Sozialisten bezeichnet zu werden. Der Prominenteste, den ich
ihnen sagen konnte, war der ehemalige Finanzminister Margarétha
der mir selbst sagte, er selbst sei, da er in einem bürgerlichen
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Konsum seit der Monarchie einkauft, eigentlich noch immer
Genossenschaftsmitglied. Eine Delegationsteilnehmerin wollte
eine diesbezügl. Aufstellung, wo ÖVP-Funktionäre in dem Kon-
sum tätig sind. Der vom ÖVP-Pressedienst mitgehende Redakteur
wollte mir unbedingt einreden, daß ich mich erklären müßte
mit ja oder nein, ob die Schuld für diese Teuerung bei der
Regierung liegt oder bei den kleinen Gewerbetreibenden. Ich
erklärte, daß ich keine Schuld zu suchen habe, ich bin kein
Richter, sondern daß meine Aufgabe darin besteht, ein System
einzuführen oder einem System zum Durchbruch zu verhelfen,
welches die beste Versorgung, die preiswerteste Versorgung
des Konsumenten auch im Interesse des Handels ermöglicht.
Die Delegation selbst kann ja den Tatbestand in der Belang-
sendung, daß nämlich der Bauer 80 Groschen bekommt und der
Konsument 1,60 bezahlt, nicht bestreiten, denn sie wehren
sich ja ganz besonders, daß der Konsum noch einen höheren
Betrag von 1,78 für das Ei verlangt, währenddem es eben
einen Lebensmittelhändler, ich verwahrte mich gegen die
Bezeichnung Greißler, als diskriminierend, einen Lebens-
mittelhändler selbst gibt, der die Eier um 1,40 verkauft.
Ich wies allerdings darauf hin, daß es zwischen den Eiern
verschiedene Qualitätsklassen und Güteklassen gibt und daß
man daher von vornherein klassifizieren kann, ob dieses Ei
preiswert war oder preiswerter ist gegen ein anderes Ei.
Auf alle Fälle war ich nicht bereit, mich von der Belang-
sendung zu distanzieren, was die Delegierten gerne hatten,
resp. zu Schuldurteilen zu kommen, daß z.B. die Wirtschaft
daran schuld sei.oder daß z.B. die ÖVP daran schuld sei.
Sondern ich erklärte immer wieder nur ich müßte als Handels-
minister versuchen, einen entsprechenden gerechten Ausgleich
zu erreichen und insbesondere aber die notwendigen Maßnahmen
zu setzen, daß ein gutes, faires, gerechtes Verteilungssystem
geschaffen wird. Ich konnte auf die immer wieder drängende Frage,
ob ich mit dieser Preispolitik des Handels und der Wirtschaft
einverstanden sei oder nicht einverstanden sei, und welche
Änderungen es dann in der Genossenschaft notwendig wäre zu
treffen, darauf hinweisen, daß auch am Sonntag bei der Messe-
07-1008
Eröffnung ich Gelegenheit hatte, über dieses Problem mit
Landwirtschaftsvertretern zu diskutieren. Dort hatte LR
Bierbaum, der Präsident der Landwirtschaftskammer bei der
Weinmesseeröffnung auf einen Zustand hingewiesen, daß nämlich
der Erzeuger 5,–– f. den Liter Wein bekommt und daß der Ver-
braucher, allerdings wollte er damals erklären primär durch
die Steuerbelastung, 26,–– bezahlen muß. Ich erklärte nun,
daß ich auch diesen Zustand für nicht richtig finde und
Bierbaum gefragt habe, ob auch wenn die Genossenschaft ein-
geschaltet wird, genau dasselbe Ergebnis zu verzeichnen ist.
Dort hatte Bierbaum sich gewunden und erklärt, daß hier ins-
besondere die steuerliche Belastung geändert werden müßte.
Er hat aber nicht klar und deutlich gesagt, wer hier die
Schuld von dieser Verteuerung von 5,–– auf 26,–– zu tragen
hat. Eine der Frauen war an einer Passage-Diskussion, die
ich vor den Wahlen im Jonas-Reindl geführt habe, anwesend
und hat mich erinnert, daß ich damals versprochen habe, wenn
die SPÖ zum Zuge kommt, würde es auf dem Preissektor eine
andere Entwicklung geben. Anhand von einigen Ziffern ver-
suchte ich der Delegation zu erklären, warum damals die SPÖ
und die sozialistischen Frauen mit Recht die Bundesregierung
angegriffen haben und warum jetzt diese Bundesregierung glaubt
doch alles erdenkliche gemacht zu haben. Der ÖVP-Redakteur
wies darauf hin, daß die ÖVP-Vorschläge zu einer besseren
Preisgestaltung gemacht hat und ich konnte ihm anhand der
10 Punkte beweisen, daß keine neuen Gesichtspunkte in diesem
Elaborat vom Juli der ÖVP zu finden ist. Die Bundesregierung
hat alle diese Maßnahmen schon längst ergriffen. Der Redakteur
meinte, es hätte keinen Sinn, wenn wir jetzt über diese Details
weiter diskutieren, aber er würde sehr gerne einmal mir mit
eine diesbezügliche Aussprache haben, die ich natürlich sofort
zugesichert hatte. Als ich im Jonas-Reindl damals nur ein Gast-
spiel gegeben habe, mein ständiger Diskussionsort aber das
AEZ ist, erklärte ich den Frauen, daß ich sie gerne einmal
zu einer Diskussion empfangen würde, resp. zu einer Versammlung
von ihnen kommen würde. Das letztere wurde von der Leiterin
nicht akzeptiert, aber wenn ich sie zu einer Diskussion ins
07-1009
AEZ einlade, werden sie gerne kommen. Ich bin überzeugt davon
und ich glaube wir sollten sie wirklich verständigen, wenn das
nächste Mal die Diskussion im AEZ von mir gehalten wird.
Anmerkung für KOPPE
Bitte mit der Jungen Generation besprechen, damit dann doch
auch einige Diskutanten von uns dort, damit ich nicht aus-
schließlich die Fragen der ÖVP-ler beantworten muß. An und für
sich begrüßte ich diese Möglichkeit, denn dadurch wird es sicher-
lich zu einer sehr hitzigen Debatte im AEZ kommen.
Die Budget-Vorbesprechungen, die ich mit Schipper, Marhold
und insbesondere dem Mann, der das Budget im Einzelnen aus-
arbeitet, und auch im Detail sehr gut kennt, dem B-Beamten
Schütz, waren wir uns sehr bald einig. Schipper vertritt
in der Personalpolitik im Bundeskanzleramt immer vernünftige
Grundsätze und hat deshalb verhältnismäßig gut abgeschnitten.
Ich habe im Vorjahr den Herren gezeigt, daß es zielführender
ist, sich mit dem Finanzminister im Prinzip in Vorbesprechungen
schon zu einigen, so daß dann auf Beamtenebene nicht allzu-
große Differenzen mehr zu bereinigen sind. Ich habe deshalb
selbstverständlich den Auftrag gegeben gehabt, daß nach den
Richtlinien entsprechend das Budget zu erstellen ist. Einzelne
Ministerien, so wurde mir mitgeteilt, haben sich nicht an die
Richtlinien gehalten, w. z.B. das Verteidigungsministerium
und deshalb gibt es jetzt große Schwierigkeiten mit dem Finanz-
minister. Die Beamten haben nun, da diese Richtlinien durch
eine starke Kürzung für die Gewerbl. Förderungsmaßnahmen
mit sich bringen würden, in Erfahrung gebracht, daß der Finanz-
minister, zumindestens werden ihm seine Beamten diesbezügliche
Vorschläge unterbreiten, bereit wäre, hier entgegen den Richt-
linien gewisse Konzessionen zu machen. Ich werde deshalb in
der Vorbesprechung mit Androsch versuchen, diese einzelnen
Ansätze noch zu verbessern.
Ich teilte den Herren auch mit, daß wir beschlossen haben,
10 % unserer Wagen einzusparen. Moser hat über diesen Be-
schluß noch nichts mitgeteilt, aber gleichzeitig auch zu
erkennen gegeben, daß ein Chauffeur der jetzt in Pension
geht, nicht mehr ersetzt werden soll. Da das Handelsministerium
und das Bautenministerium einen gemeinsamen Wagenpark haben,
fragten sie, ob ich dieser Regelung zustimmte. Ich erklärte
sofort, daß auch auf unserem Sektor, wenn Chauffeure wo anders
hingehen, oder wenn es also zu einer Pensionierung kommt, wir
haben allerdings derzeit meistens junge Chauffeure, daß diese
nicht mehr ersetzt werden sollen. Bei dieser Gelegenheit kam
auch von Meindl die Frage des Wochenendnachhauseführens nach
Graz von MR Gasser und die tägliche Fahrt vom Patentamts-
leiter nach Baden zur Sprache. Nach einem schriftlichen Er-
laß ist dies nämlich nur mit ausdrücklicher Genehmigung des
Ministers möglich und ich habe eine solche Genehmigung niemals
erteilt und auch mein Vorgänger hat eine solche Zustimmung
nicht gegeben. Ich ersuchte Schipper entsprechend den Anord-
nungen des Finanzministeriums die entsprechenden Zustände in
unserem Hause zu überprüfen und zu regeln. Ein interessantes
Detail bei den Budgetbesprechungen am Rande: die Bürokratie
ist über die neue Methode unserer Budgeterstellung glaube ich
sehr erfreut. Sie kann heute doch wesentlich früher ihre Arbeit
abschließen. So hat z.B., obwohl wir noch gar nicht endgültig
abgeschlossen haben, Schütz bereits das Detailheft in allen
Einzelheiten gesetzt und gedruckt vorliegend und ist überzeugt,
daß sich nur mehr ein oder zwei Zahlen ändern werden. So sehr
ich erfreut bin, daß mindestens die Budgetabteilung sofort
auf den letzten Stand alle Unterlagen vorbereitet hat, sosehr
muß ich eingestehen, daß die Beamten doch überzeugt sind, daß
sie die hauptsächlichste Arbeit nicht nur leisten, sondern auch
entscheiden, denn sie haben, wie gesagt das Budget schon fertig,
bevor der Minister eigentlich entschieden hat.
Tagesprogramm, 8.9.1971