Donnerstag, 9. September 1971
Die Budgetbesprechungen waren wesentlich anders als sich sie mir
eigentlich vorgestellt habe. Am Vorabend hatte ich doch Gelegenheit
mit unseren Leuten die einzelnen Posten noch einmal durchzugehen
und die waren informiert, daß Waltersdorfer in den strittigen Punkten
Bergbauförderungen der gewerbl. Wirtschaft, bereit wäre, etliche
Millionen noch dazuzugeben. Wir hatten unser Budgetentwurf nach
den Richtlinien des Finanzministeriums erstellt und daß wird von
der Finanzbürokratie hoch anerkannt. Mit offenen Fragen werden des-
halb verhältnismäßig bei uns, wie Marhold sich ausdrückte, keine
Schwierigkeiten mehr geben.
Vor den Verhandlungen mit der Bürokratie dann beginnen ist es üblich,
daß der Finanzminister mit dem Ressortminister eine Vorbesprechung
hält. Ich erging bei dieser Vorbesprechung natürlich von dieser An-
nahme aus, daß tatsächlich das Finanzministerium bereit wäre, unsere
offenen Fragen in unserem Sinne noch zu lösen. Ein gutes Gefühl hatte
ich dabei deshalb nicht, weil ich die gesamte Budgetsituation ja kenne.
Androsch soll ein Budget erstellen, das max. 10 Milliarden S Defizit
hat, er muß deshalb den Ausgabenrahmen entsprechend reduzieren, da in-
folge der Wahl nicht an eine Erhöhung von z.B. Sozialversicherungsbei-
trägen oder von Briefregulierungen gesprochen werden soll. Ausgaben-
rahmen von 122 Milliarden auf 120 Milliarden zu senken. Amtsdirektor
Schütz, der bei uns in Wirklichkeit das Budget macht, erkennt es aus
dem ff , selbstverständlich ein B-Beamter, meinte, daß wir überall noch
wesentliche Polster haben. Ich kämpfte deshalb um die Positionen, die
wir noch um etliche Millionen erhöhen wollten, wirklich nur mit halbem
Herzen. Ich bin überzeugt, daß in den anderen Ressorts es nicht viel
anders ist. Sicherlich gibt es einige kritische Ausgabenposten
bei der Bundesbahn und vor allem beim Militär, die wesentlich höher
angesetzt werden müssen oder müßten. Auch bei der Landwirtschaft und
im Wissenschaftsministerium soll es diesbezüglich Schwierigkeiten geben.
Hauptproblem ist bei mir die Bergbauförderung. 68 Mio. S 1971, wovon
9,8 Mio. S auf den Metallsektor fallen, die 100 %-ig der Kupferbergbau
Mitterberg zuerkannt werden. Mitterberg hat allein heuer schon 16,6
Mio. S beantragt. Unsere Leute rechnen damit, daß wir ein Nachtragsbudget
brauchen werden, während die Finanzfachleute, sie sind in einem solchen
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Überprüfungskomitee vertreten, erklären, man könnten mit 9,8 Mio. S
das Auslangen finden. Am Kohlenbergbausektor sollen wir mit 58,2 Mio.
unseren Budgetansatz heuer durchkommen, die GKP, die bereits 42 Mio.
bekommen hat, hat nach diesem Verteilungsplan mit 47 Mio. zu rechnen.
Antrag lautet auf 61,5 Mio. die Sakog soll 8,2 Mio. bekommen, Dies hat
sie auch beantragt und die WDK soll 3 Mio. erhalten, obwohl sie 51,7 Mio.
beantragt hat. Wir haben richtlinienmäßig auch diesen Ansatz verkürzen
müssen. Der Finanzminister meinte, er ist sich klar darüber, daß damit
keinesfalls das Auslangen gefunden werden kann und wenn es zu einer
Stillegung von Fohnsdorf kommen sollte, würden mindestens 200 Mio. S
notwendig sein, die in einem Budgetüberschreitungsgesetz sofort von
ihm bereitgestellt werden. Androsch fürchtet, wenn wir nun den Ansatz
erhöhen, dann würde nicht nur die Begehrlichkeit der Unternehmungen
wachsen, sondern es würde wahrscheinlich die Stillegung noch weiter
hinausgezogen werden, da Unternehmungen, insbesondere die GKP natürlich
eine höhere Subvention bekommen würde. Nach Auffassung des Finanz-
ministeriums werden wir nämlich heuer mit den 58,2 ohne weiteres durch-
kommen. Eine der Wirtschaftsförderung, wo wir heuer rund 72 Mio. S
bekommen werden, sind natürlich auch richtlinienmäßig Absprechungen vorge-
nommen. Ich aber für den Fremdenverkehr eine wesentliche Erhöhung in
meinen Förderungsausgaben durch das 10 Jahres-Programm erreichen konn-
te, unter anderen wurde z. B. die Komfortzimmeraktion mit allen Ansätzen
100 %-ig im Budget aufgenommen, gibt sich eine Steigerung von 47 Mio. auf
103 Mio S. Androsch meinte nun ich sollte die Fremdenverkehrsansätze
entsprechend reduzieren, um die notwendige Erhöhung des Wirtschaftsför-
derungsansatzes zu ermöglichen. Die beiden Ansätze habe ich, wie mir
Schütz vorher bereits versicherte, entsprechende Reserve. Außerdem
konnten wir dem Finanzminister noch eine Erhöhung unserer Einnahmen
anbieten, da wir bei den Montangebühren mindestens um 10 Mio. mehr
einnehmen, wahrscheinlich sogar auf 15 Mio. Über die schon erhöhten
Mehreinnahmen der Montangebühren kommen werden. Wir einigten uns
letzten Endes dahingehend, daß wir für die Wirtschaftsförderungsan-
sätze im selben Ausmaß belassen wie im Vorjahr, damit auch wieder
die 20 Mio. S Industrieförderung haben, obwohl wir eigentlich eine
wirklich konkrete Verwendung bis jetzt noch nicht gefunden haben,
daß wir einen Teil der Fremdenverkehrsförderungsansätze kürzen und
aber doch aus den Mehrerträgen, die wir angeboten haben, die teil-
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weise Bedeckung übernehmen. Nur bei der Bergbauförderung, wo er
richtlinienmäßig Abstriche vornehmen wollte, blieben wir ebenfalls
den heurigen Ansätzen, müssen allerdings hinzufügen, daß, wenn es
zu einer Regelung der Bergbauprobleme kommt, bereits jetzt genau
wissen, daß wir eine wesentliche Erhöhung der Ansätze brauchen.
Selbst wenn es nicht zur Stillegung von Fohnsdorf kommen sollte,
da brauchen wir ja 150–200 Mio. S, dann würden wir wahrscheinlich
doch ein Budgetüberschreitungsgesetz notwendig haben.
Die Beamten arbeiteten anschließend sofort die Detailziffern aus
und als sie in mein Ministerium zurückkamen fragte ich Marhold und
Schütz, wieso sie sich mit ihrer gestrigen Prognose so geirrt haben.
Sie erklärten mir, daß auch die Beamten, als die Minister noch sprachen,
bereits von den Finanzleuten, es sagte ihnen glaube ich Heiligensetzer,
oder Waltersdorfer, daß sich die Situation wesentlich verschärft hätte.
Seit den ersten Besprechungen mit dem BKA und Inneres würde scheinbar
noch rigorosere Budgeteinschränkungen bei den gewünschten zusätzlichen
Ansatzpunkten notwendig werden. Zum Glück habe ich vorher mit Androsch
die Fremdenverkehrsaktion gestartet, denn ich glaube es wäre sonst
bei unserem Budget sehr sehr schwer gewesen, zu einer Einigung zu kommen.
Bei Unterzeichnung des österr.-poln. Wirtschaftsabkommens hatten wir
Gelegenheit, einigen anwesenden Redakteuren Bedeutung dieses Vertrages
zu erklären. Olszewski wies darauf hin, daß gerade die Kooperation
einen stabilen Aussenhandel zwischen den Staaten ermöglicht. Die poln.
Seite diesen Vertrag als den besten, den Polen mit dem Westen abge-
schlossen hat, bezeichnet, mußte ich doch versuchen zu erklären, daß
trotzdem auch für uns dieser Vertrag ein ausgesprochen positiver und
guter ist. Insbesondere wies ich darauf hin, daß die Argumentation von
Mussil in einer Pressekonferenz, daß das Handelsministerium die Import-
flanke, wie er sich ausdrückte, aufreißt und damit die österr. Wirtschaft
dem Verderben, d.h. der Weltkonkurrenz ausliefert, konnte durch die
Preisklausel die letzten Endes auf Vorschlag der Handelskammer so in
dem Vertrag aufgenommen werden konnte, leicht widerlegt werden.
Beim Mittagessen des poln. Botschafters, der auch Vizekanzler Bock
und NBP Schmitz eingeladen hat, war natürlich wieder Mayer-Gunthof
anwesend. Scheinbar hat Sallinger und Mussil abgelehnt, oder sich
entschuldigen lassen, weil sie ja in der Bundesparteileitung die
große Preissitzung haben. Ich diskutierte mit Mayer-Gunthof, was
er zu dieser Entwicklung auf dem Preisalarmsektor sagt. Er meinte,
man solle ihm am besten nicht mehr fragen. Es war klar und deutlich
zu sehen, wie er sich überhaupt über die gesamte Politik der ÖVP
ärgerte. Als ich ihn mit meiner These konfrontierte, daß eine kon-
servative Partei ,die zweifelsohne auch in Österreich notwendig ist,
wenn ist ihr Image so ändern will wie die ÖVP jetzt doch nur Schiff-
bruch erleiden kann, hat er vollauf bestätigt. Ich bin nämlich wirklich
neugierig und habe dies auch Sallinger und Mussil gesagt, die über
diese Entwicklung auch nicht glücklich sind, daß am 10. Oktober,
darüber wird auch abgestimmt werden, ob eine konservative Partei eine
sozialistische Partei links überholen kann und dies von den Wählern
geglaubt wird oder ihnen durch Stimmenzuwachs honoriert wird. Beim
Essen teilte mir MR Heller vom Finanzministerium mit, daß die Ungarn
jetzt große Schwierigkeiten machen mit der Einführung der Multilatera-
lisierung mit 1. Jänner 1972. Er meinte zwar er hätte vom ungar.
Präsidenten der Nationalbank neuerdings die positive Bestätigung er-
halten, doch hilft uns dies herzlich wenig, wenn die Verhandlungsde-
legation beim Finanzministerium versucht, auf dem Warensektor weitere
Liberalsisierungspositionen zu bekommen, bevor sie der Multilaterali-
sierung zustimmen.will. Der bilaterale Zahlungsvertrag mit 30.9.
gekündigt werden müßte, bleibt nur wenig Zeit über. Ich einigte mich
mit Heller dahingehend, daß er andeuten soll, daß wir gegebenenfalls
im September tatsächlich den Vertrag kündigen werden, damit wir nicht
in Zeitverzug kommen. Es blieben dann immerhin noch drei Monate über,
um sich endgültig für die Multilateralisierung mit l. l. 1972 zu ent-
scheiden. Ich informierte auch Marquet über diese Entwicklung und er
wird mit Kirchschläger noch sprechen, weil dieser am Sonntag in Eisen-
stadt den ungar. Aussenminister trifft. Bei dieser Gelegenheit ent-
wickelte sich auch eine Diskussion zwischen Mayer-Gunthof und mir über
die Qualität von Marquet. Ohne daß Marquet es hörte, sagte ich Mayer-
Gunthof, es sei ein Verbrechen gewesen, diesen Mann vom Handelsministerium
weg zu lassen. Gunthof meinte, ja es sei richtig, denn daß er wirklich
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unser bester Mann und er hat dies nachher auch Frau Marquet,
so viel ich bemerken konnte, mitgeteilt, Mayer-Gunthof meinte dann
allerdings, er hätte auch sehr kämpfen müssen, um einen weiteren tüch-
tigen Mann, nämlich Reiterer ins Ministerium zu bringen und insbesondere
in die jetzige Position. Der CV hätte sich dagegen sehr gewehrt, ins-
besondere weil Reiterer einige Male verheiratet ist. Ich erklärte so-
fort, daß für meine Entscheidungen niemals irgendwelche persönliche
Verhältnisse eine Rolle spielen, sondern daß ich immer bestrebt war,
den tüchtigsten und den Besten auf den richtigen Platz zu bringen.
Dies sei auch meine Politik jetzt und da Mayer-Gunthof immer wieder
anspielt, daß man doch mit Sozialisten Politik betreiben sollte,
konnte ich ihn davon überzeugen, daß wich wirklich nur den besten
Mann suche und auf die entsprechende Position bringen werde und dies
auch in der Vergangenheit so gehalten habe. Dies wird nur von Seiten
der Personalvertretung mir als eine Beruhigung der Beamten ausgelegt
und ich werde mich aber trotzdem von dieser Politik nicht abbringen
lassen.
Da der poln. Außenhandelsminister nicht die Absicht hatte sich
stundenlang auf der Messe aufzuhalten, habe ich die Halle der
Nationen, d.h. die ganzen ausl. Aussteller besucht und Olszewski
selbst hat einen allgemeinen Messerundgang gemacht. MR Wagner
hat ihn dabei mit einem Vertreter der Presse begleitet. Er absolvierte
alle ausländischen Aussteller, wurde dort überall freudig begrüßt
und auch entsprechend bewirtet, daß man wirklich nur mit einem
guten Magen überstehen kann. Die verschiedensten Getränke, Alkohol
lehne ich ja prinzipiell ab, d.h. ich laß zwar, wenn es nicht anders
geht einschenken, trinke aber keinen Schluck, die verschiedensten
Kostproben die man essen muß, einmal süß, einmal sauer, einmal Wurst
einmal Käse, einmal Mayonnaise, einmal andere Kostproben. Hoover ,
die zum erstenmal ausgestellt haben, mußte ich sogar ein unbekanntes
Produkt, nämlich Mango trinken. Dies erfordert nicht nur einen guten
Magen, sondern auch sehr viel Zeit. Zum Schluß mußte ich dann auch
noch die deutsche Nahrungsmittelausstellung besuchen. Bekanntlich
versucht die BRD ihre Produkte mit viel Aufwand in den ausl. Staaten
zu propagieren und Halle 22 wurden deshalb von diesen Firmen mit einer
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Gemeinschaftsausstellung belegt. Die deutsche Ernährungsgesellschaft
wendete dafür 200.000 DM auf. Die Firmen selbst, wie mir der Leiter
selbst mitteilte, zahlen höchstens 12.000 DM zurück. Insgesamt hat
diese Gesellschaft, die auch den Osten von Österreich behandeln soll,
ein Budget von mindestens 1 Mio. DM. Obwohl diese Produkte teilweise
sehr teuer sind, waren einzelne Stände bereits am Donnerstag fast aus-
verkauft.
Der Empfang am Abend im poln. Pavillon hat mir der Außenhandelsminister
noch mitgeteilt, daß er wichtige Frage vergessen hat. Im Rahmen der
nächsten GATT-Sitzung wird Polen sich gegen die bestehende Dis-
kriminierung einiger GATT-Staaten wenden. Es hat mit den meisten
Staaten die Volliberalisierung vereinbart und nur einige Hardcore-
Fälle erwartet, daß gegebenenfalls zur Anwendung kommen würden. Nun
stellt sich heraus, daß viele Staaten große Anzahl von Hardcore-Fällen
haben und Polen fühlt sich dadurch diskriminiert. Es erwartet nun,
daß Österreich, wenn es diese Frage im GATT zur Sprache kommt, die
poln. Vertreter wenn man sie nicht unterstützen kann, so doch zu-
mindestens neutral dieser Frage gegenübersteht, d.h. nicht gegen
Polen das Wort ergreift. Anhänger für diesen Wunsch war der amerik.
10 %-ige Importzuschlag. Ich versuchte den poln. Vertretern zu erklären
warum die Gründe Amerika zu dieser Maßnahme, die zweifellos GATT-wid-
rig waren gegriffen haben und meinte, daß er sie doch nur zeitlich
temporär begrenzt ist. So nebenbei ließ ich einfließen, daß ich für
die poln. Forderungen persönlich Verständnis hätte. Ich glaube es
ist sehr gut, daß wir uns nicht ebenfalls auf eine Art Corliste mit
Polen festgelegt haben, sonder mit der eskape closed wesentlich besser
fahren werden. Diese Schutzklausel hilft uns jetzt nicht nur im innerpolitischen Kampf sondern wird uns sicherlich auch im Rahmen des GATT
leichter mit den Polen auskommen lassen.
Die Sensation des ORF Prämiere "LOVE STORY" – Ergebnisse für Kampf
den Herztod ist nicht nur eine gute Reklame für den ORF und seine
Aktionen, sondern auch in Wirklichkeit ein einmal geschickter Pro-
pagandafeldzug für den Film "LOVE STORY" und mich wundert, daß nicht
andere auf ähnliche Propagandagecks verfallen. Bei der Premiere werden
doch meistens alles Karten verschenkt und man braucht doch nur eine
Organisation finden, die irgendwo einen caritativen Zweck als Grundlage
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angibt, daß sie die Karten für diese Premiere teuer verkauft
und hat dann einen caritativen Propagandaeffekt für den Film,
der Verein oder die Gesellschaft die man gegebenenfalls selbst
schnell gründen muß, kann sich auch noch ein Federl auf den Hut
stecken und das Ganze nennt man dann caritative Aktion für irgend-
einen guten Zweck.
Anmerkung für KOPPE
Warum sind wir eigentlich noch nicht auf eine solche Idee gekommen?
Anschließenden Empfang habe ich mir geschenkt, denn wenn man be-
denkt, daß ich heute um 4.00 früh angefangen habe und dann erst
ca. um 12.00 ins Bett gekommen bin, glaube ich habe ich wirklich
mein Tagespensum erfüllt.
Wanke, der mit mir über dieses Problem, nämlich die irrsinnig lange
Arbeitszeit schon gesprochen hat, meint, man müßte nach dem Oktober
uns zusammensetzen, um eine andere Lösung im wahrsten Sinne des
Wortes zu finden. Er sagt mit Recht, daß meine Arbeitsbelastung
in dem Punkt dazu zu groß ist und andererseits wir uns überlegen
müßten, welche wir in der Frage der Repräsentation des Auftretens
der Vertretung nach Aussen, andererseits aber auch Anknüpfen von
Verbindung mit wichtigen Leuten eingeschlagen werden soll.
Tagesprogramm, 9.9.1971