Freitag, 10. September 1971
Fritz Mauthner erklärte mir, warum er die Panther-Brotfabrik
mit Ende des Jahres stillegt. Er hat 1971 ein ausgeglichenes
Budget gehabt. 1972 aber hat er in jedem Monat fast 100.000,––
Defizit und er ist nicht mehr gewillt, dies länger aus seinen
anderen Importgewinnen und seinen anderen Firmen zu bezahlen.
Er hat deshalb mit der Ankerbrotfabrik vereinbart, daß sie den
Betrieb mit November, d.h. seine Kunden übernehmen. Die 145
Arbeiter und die 30 Angestellten könnten, wie er sich ausdrückte,
ebenfalls teilweise übernommen werden. Da die ersten 20 Ange-
stellten am Anfang Oktober gekündigt werden müssen, wollte er
mich vorher verständigen. Er hat zwar in Hasenleiten einen Grund
mit 20.000 m² gekauft und wollte dort gemeinsam mit Schweizer
Unternehmern einen neuen Betrieb errichten. In der letzten Minute
sind aber jetzt die Schweizer durch die Firma Barkle aufgekauft
worden, so daß auch, wie er sich ausdrückte, in der Schweiz der
Konzentrationsprozeß auf die großen, teilweisen internationalen
Firmen fortgesetzt wird. In Personalfragen wird Dr. Siebenaller von
der Kanzlei Broda abwickeln. Ich habe Kurt Blümel, den Zentral-
sekretär der Gewerkschaft, sofort mit Mauthner zusammengebracht,
damit sie die Details besprechen, denn scheinbar war Mauthner
daran interessiert, ein gutes Klima mit mir aufrecht zu erhalten
und ist sicherlich bereit, einige Wünsche der Belegschaft zu
erfüllen.
Dr. Fritsch, der Präsident der Wirtschaftstreuhänder, wollte von
mir eine prinzipielle Stellungnahme zu einer wartenden Honorar-
erhöhung. Die Wirtschaftstreuhänder hätten so lange schon keine
Erhöhung durchführen können und hätten gebeten, daß sie einen
perzentuellen Zuschlag zu ihren derzeitigen Honorarsätzen bekommen.
Ich erklärte sofort, daß ich dazu entsprechende Unterlagen be-
nötige und daß eine perzentuelle Erhöhung auf gar keinen Fall in
Frage kommt. Es könnte sich nur darum handeln, daß wenn, wie
Fritsch meinte, ein Buchprüfer heute noch einen Stundensatz von
S 65,–– hat, daß man vereinzelt laut Nachweis gewisse Einzel-
positionen nachzieht. Aber auch hier habe ich keine Zusagen ge-
macht, sondern ganz im Gegenteil.erklärt, es ist heute doch so,
07-1019
daß gerade viele Gewerbetreibende über die hohen Sätze, die
sie bezahlen müssen, stöhnen. Außerdem wies ich darauf hin,
daß derzeit die Tarifordnung ununterbrochen, insbesondere bei
den größeren Ansätzen unterfahren werden. Als zweites frug er
an ob ich bereit bin, beim Verkehrsministerium zu unterstützen,
daß österreichische Schiffe am Meer unter österreichischer
Flagge fahren. In der BRD gibt es die Afrika-Linie
und wie ich später von Herrn Dr. Haas, dem Vorsitzenden des
Aufsichtsrates der Quelle in Österreich, erfuhr, eine Hauptbe-
sitzerin dieser Linie Frau von Rantzau in Graz ihren Sitz hat.
Diese Afrika-Linie will nun Schiffe, die unter libanesischer
Flagge fahren, nach Österreich, d.h. unter österreichischer
Flagge fahren.lassen. Insgesamt meinte Fritsch handelt es sich
um 60 Schiffe mit ca. je 5.000 t. In Wirklichkeit meinte aber
Haas, keinesfalls kämen so viele in Frage. Das österreichische
Seeflaggengesetz sieht nun vor, daß 75 % Österreicher an der
Gesellschaft an der Gesellschaft beteiligt sein müssen. Es
gibt allerdings eine Möglichkeit, daß die Bundesregierung Aus-
nahmen davon zuläßt. Fritsch meint nun, es könnte eine Ges.m.b.H.
gegründet werden. Österreich könnte einen Anteil von z.B. 100.000,-
bekommen und die Schiffe würden verhältnismäßig billig einge-
bracht werden. Ich erklärte sofort, daß ich alles erst mit dem
Finanzminister, aber vor allem auch mit dem Aussenminister be-
sprechen müßte, und werde ihnen dann Bescheid sagen. Der Grund,
warum sie sich um die österreichische Flagge bemühen, konnte
mir zwar Fritsch nicht beantworten, aber Haas gestand dann, daß
es sich um Fragen der Berufsgenossenschaften und vor allem aber
um Bemannungsfragen handelt. In der BRD wurde ein neues Gesetz
geschaffen, wo Schiffe verhältnismäßig eine große Anzahl von
Bemannungen geschrieben bekommen. Haas hat sich auch, wie er
mir mitteilte, 1965/66 um die Staatsbürgerschaft bemüht und da-
mals hätte die österreichische Bundesregierung in wissen lassen,
daß dies nicht in Frage kommt. Ich habe ihn zwar nicht zugesichert
ob es jetzt möglich sein wird, doch erklärte ich ihm, wir würden
den Akt nicht nur ausheben, sondern die Bundesregierung ist aufge-
schlossen, wenn sich Leute um die Staatsbürgerschaft in Österreich
bewerben. Der Betriebsrat von der Firma Quelle hat mich sogar aus-
drücklich auf diesen Wunsch aufmerksam gemacht. Haas hätte vielleicht
07-1020
selbst gar nichts gesagt und legt größten Wert darauf, wenn
sein Chef österr. Staatsbürger werden könnte, da er sich
als sehr sozial herausgestellt hat.
Anmerkung für HEINDL:
Bitte den Akt sofort ausheben lassen und Haas ist damit einver-
standen, die weiteren Amtshandlungen durchführen.
In der Fraktionsbesprechung der Arbeiterkammer versuche ich
natürlich die Genossinnen und Genossen zu informieren und
andererseits doch zu neutralisieren, d.h. wenn sie von mir
erfahren, daß doch verhältnismäßig sehr viel für die Land-
wirtschaft geschieht, z.B. jetzt die neue Aktion, wo 300 Mio.
pro Jahr zusätzlich für die Bergbauern gegeben werden oder
wo ich jetzt die Fremdenverkehrsaktion gestartet habe, nicht
allzusehr das Gefühl haben, daß vielleicht nur etwas für die
anderen Interessensvertretungen geschieht. Trotzdem hat Kripeck
darauf aufmerksam gemacht, daß wir viel zu wenig für die
Arbeitnehmer derzeit machen, oder daß zumindestens zu wenig
optisch diese Lage in den Vordergrund gestellt wird.
Anmerkung für KOPPE
Ich glaube man müßte wirklich jetzt für die Arbeiterkammer
und Gewerkschaftsbund versuchen, nicht nur allein in allge-
meinen Aussagen, daß diese Bundesregierung als sozialistische
Regierung sich natürlich für die Arbeitnehmer einsetzt, sondern
auch ganz konkret die Maßnahmen stärker propagandistisch heraus-
streicht. Vielleicht könnte man sogar Detailinformationen, d.
müßte allerdings Häuser tun, da bevor die Budgetziffern bekannt-
gegeben werden, unseren Genossen zur Verfügung stehen.
Vom Verwaltungsgebäude der VÖEST war ich angenehm überrascht.
Ich hatte nicht angenommen, daß derartig modern und großzügig
dort gewirtschaftet wird. An und für sich halte ich gar nichts
von Repräsentationsräumen und vor allem nichts von großem Aufwand
an Ausstattung. Ich war zwar schon lange nicht mehr bei der Alpine,
aber vor etlichen Jahren habe ich im Zentralgebäude in Wien fest-
07-1021
stellen können, daß dies alles sehr verstaubt und veraltet
gewirkt hat. Ganz zum Unterschied von der VÖEST! Ich glaube
auch hier drückt sich tatsächlich ein anderer Geist aus. So
glaube ich, muß dies durch das Unternehmen und den Unternehmens-
erfolg bedingt sein und nicht allein durch den Willen, als
modern und fortschrittlich zu gelten. Ich hatte einmal Gelegenheit
bei Hutter & Schrantz als Aufsichtsratsvorsitzender einen Direktor
nämlich Willibald Geber und den zweiten aus irgendeiner Positionen
durch einen neuen Generaldirektor abzulösen. Der neue General-
direktor hat mir erklärt er könnte im Direktionszimmer nicht
arbeiten und hat sich ebenfalls ganz moderne Möbel angeschafft.
Er hat damit scheinbar seinen modernen Geist dokumentieren wollen.
In Wirklichkeit war er aber dann nicht im Stande, den Betrieb
wirklich zu organisieren. Vielleicht allerdings hat er dafür
nicht die notwendigen Geldmittel gehabt. Ich glaube, daß eine
Ausstattung eines Beleuchtungskörpers mit modernen Möbeln und
eine moderne Geschäftsführung nicht unbedingt von aussen aufge-
zwungen werden sollten und könnten. So etwas entwickelt sich,
wie dies bei der Alpine und VÖEST zeigt, entweder aus sich her-
aus, oder es bleibt von aussen aufgetropft .
Mit Apfalter, dem Finanzdirektor der VÖEST besprach ich die Mög-
lichkeiten der Kurssicherung. Mayer-Gunthof hat mir gesagt, daß
die Nationalbank ein neues Gentlemen's Agreement vorbereitet, um
die Kreditkosten um 1 % zu senken. Dies würde aber immer unbe-
friedigt sein, denn nach seiner Aussage betragen sie 10 %. Dieser
Prozentsatz stimmt auf gar keinen Fall, denn wahrscheinlich wird
man heute für Dollarkursabsicherung 8,5 % zu zahlen haben. Natürlich
könnte, wenn das Risiko jemand eingeht, über die DM–Absicherung
eine wesentlichere geringe Zinsenbelastung entstehen. Apfalter
selbst meinte, daß dies ein großes Risiko wäre, da man ja nicht
genau weiß, wie die Relation Dollar, DM und österr. Schilling
sich verhalten werden. Die Schwierigkeit besteht ja nur darin,
daß kleinere Betriebe und auch mittlere Betriebe oder Betriebe
die keinen geschickten Finanzdirektor haben, zu Kursverlusten
kommen. Apfalter: die VÖEST hat sogar bei jeder dieser Werbungsmanipulation noch ein Geschäft gemacht. Er hat nämlich, wenn
er bemerkt hat, daß der Dollar gefährdet ist und er in Dollar
07-1022
abschließen mußte, dieses Dollargeschäft sofort durch eine
Dollarverpflichtung mit irgendeinen Dritten kompensiert, so
daß sich terminmäßig sein Dollarverbindlichkeit mit den
Dollarguthaben ausgeglichen haben.
Da ich in Karlstein die nächste Versammlung erst um 18.00
Uhr hatte, allerdings mit einer Anreise von 2 Std. von Linz,
schlugen wir der Linzer Parteiorganisation vor, sie könnten
über mich mindestens über 2 Std. verfügen. Die Linzer legten
größten Wert darauf, daß ich das Versandhaus Quelle besichtige.
Bei dieser Gelegenheit lernte ich den Aufsichtsratsvorsitzenden
Dr. Haas kennen, der sich ebenfalls für dies österreichische Schiff-
fahrtsflagge sehr interessiert. Die Quelle ist das größte österr.
Versandhaus mit 1,6 Milliarden Schilling Umsatz. Hart betroffen
wurde es durch die Einfuhr der sogenannten Mehrwertsteuer 6,1 %
Umsatzsteuer und sie hoffen, daß mir der Mehrwertsteuer dann
eine bessere für sie finanzielle Situation herausschauen wird,
denn nach Auskunft des Direktors haben sie nur 3 % Bruttogewinn.
Sie versenden über Post und vor allem aber für ihre Kaufhäuser
auch sogar über die Bahn. Auf meine Frage, warum sie dies
nicht mit ihren eigenen Fuhrpark bewältigen, meinte er, daß
die Spitzenausgleiche für sie viel zu teuer kämen. Im Oktober
wäre der größte Versandmonat und daß dieser Spitzenausgleich
eben vom öffentlichen Verkehr sprich ÖBB durchgeführt werden
muß. Vielleicht müßte man die Annahmepflicht der österr. Bundesbahn
abändern. Ich kann mir nicht vorstellen, daß ein privates Unter-
nehmen bereit wäre, mit einem anderen Unternehmer einen Vertrag zu
schließen, wo dieser nur den Spitzenausgleich der im Unternehmen
überträgt und ansonsten die normalen Transportleistungen durch
eigene LKW bewältigt. Die ÖBB hat die Verpflichtung, zu den un-
günstigsten Zeitpunkten und vor allem zu den von der Wirtschaft nach
ihren Interessen zur Verfügung gestellten Frachtgut die Transport-
leistung zu erbringen. Wenn hier ein entsprechender kommerzieller
Gesichtspunkt möglich wäre und wenn was ich nicht prüfen kann,
die Bundesbahn wirklich eine kommerzielle Leitung hat, dann müßte
sie darauf dringen, daß sie mit den Unternehmungen im Einzelfall
07-1023
über die konkreten Geschäfte, d.h. Transportabschlüsse ver-
handelt.
Nach anfänglichen Schwierigkeiten ist es dann sogar auch ge-
glückt auf der Landstraße und zwar auf dem verkehrsreichsten
Punkt, so daß teilweise die Polizei zu tun hatte und den Verkehr
abwickeln zu können, eine Diskussion mit Straßenpassanten einzu-
leiten. Die KP hatte irgendwie von dieser Absicht erfahren und
war mit einer ganz starken Gruppe von ausgesprochenen Diskutierern
erschienen. Mich störte dies überhaupt nicht, nur der Sekretär
der SPÖ, der die Diskussion leitete, war ein bißchen erschüttert.
Der Rundfunk war anwesend und hat die ganze Diskussion mitge-
schnitten. Weihs , der immer, wenn er Möglichkeit hat, sich auch
die Versammlungen und Diskussionen anhört, meinte, so hart war
es in der Landstraße im AEZ noch niemals. Zum Glück hatte ich
den Lohnstreifen in meiner Westentasche, so daß ich auf diese
Frage nicht nur herumdrückend antwortete sondern eben sofort
die Ziffern vorlies und erklärte, bitte sehr, hier können sie es
genau kontrollieren.
In Karlstein, wo wir im Freien diskutierten, d.h. eine Wahlver-
sammlung abhielten, hat mir der Bürgermeister versichert, daß wir
an eine Gruppe herangekommen sind, die ansonsten niemals einem
sozialistischen Mandatar gehört hätten. Karlstein befindet sich
die Berufsschule für die Uhrmacherlehrlinge von ganz Österreich
und es war dort eine Gruppe erschienen, die vor allem zuerst Unter-
schrift auf mein Bild wollten und natürlich dann sagten, eine
Freibier würden sie sich schon erwarten. Vielleicht machte ich
den Fehler S 100,–– für das Freibier vorher zu geben, denn kaum
hatten sie dies erreicht, war ein Großteil von ihnen verschwunden.
Das nächste Mal wird es sicherlich zielführender sein,
erst nachher zu spendieren. Die Lehrer waren ebenfalls erschienen,
wie wir eine Genossin aus der Ortschaft mitteilte und als vollkommen
schwarz verschrien haben sie natürlich im Hintergrund bei ihrer
Schule aufgehalten und natürlich immer hämische Bemerkungen gemacht.
Leider hat es dort keine Diskussion gegeben, sondern es wurde nur
einige Worte zur Einleitung und dann hat Abg. Haas, der Nationalrats-
abgeordnete des Wahlkreises, und ich gesprochen.
Die nächste Versammlung war für 18.45 Uhr in Groß-Siegharts
Wir erreichten diese Ortschaft zeitgerecht, doch wurde zu meiner
größten Verwunderung mitgeteilt, daß wir ja nicht um 18.45
sondern erst um 19.45 mit der Versammlung beginnen können.
Wenn ich mich da eingelassen hätte, den poln. Handelsminister
in Wien zu verabschieden, wären wir ganz schön zu spät gekommen.
Gut daß ich alles abgesagt habe für dieses Wochenende, denn die
Überlegung, daß ich dort nur kurzfristig diskutieren könnte,
wurde mir erklärt, wäre ganz unmöglich gewesen, sie waren be-
reits Streifen drucken lassen, wo sie über die Plakate die Ab-
sage mitteilen wollten, Durch meinen schnellen Entschluß, auf
alle Fälle die Versammlungen abzuführen, haben sie Gott sei Dank,
diese Absage nicht mehr starten müssen. Verloren wäre zwar
sicherlich nicht sehr viel gewesen, denn in der Brauhaussaal
waren, wie mir der LAbg. mitteilte, ausschließlich soz. Wähler
und überhaupt sozialistische Parteimitglieder. Auch zwei Bauern
waren anwesend, die aber ebenfalls der sozialistischen Partei an-
gehörten. Nur ein einziger NDP-ler war anwesend. Ich halte
von diesen Parteiveranstaltungen für die Wahlen überhaupt nichts,
aber scheinbar läßt sich hier nichts ändern. Obwohl ich dies seit
Jahrzehnten der Partei predige, daß wir andere Formen finden
müssen. Wir haben solche in der Landstraße schon gefunden, um ab
die neutralen oder sogar unentschlossenen Wähler heranzukommen
und ihnen vielleicht, auch wenn nichts anderes so doch die An-
wesenheit von soz. Mandataren nahzubringen.
Tagesprogramm, 10.9.1971