Mittwoch, 6. Oktober 1971
Eine Aussprache mit Häuser zeigte mir, dass er in der Verstaatlichungs-
frage und vor allem in seinen Erklärungen falsch interpretiert wurde,
man wird nach den Wahlen das Interviewband vom ORF verlangen. Dieses
Interview hat er mit Bock gehalten und wurde nicht gesendet, weil
es so aggressiv ablehnend gewesen ist. Häuser meint mit Recht, es
hat gewissen Massenmedien, Zeitungen und Rundfunk,. nicht ins Konzept ge-
passt, wie er dieses Problem wirklich dargestellt hat und deshalb
wurde seine Meinung manipuliert. Eine Richtigstellung war dann sehr
schwer möglich, da nicht einmal die AZ seine Erwiderungen gebracht
hat. Das Grundübel besteht in meinen Augen darin, dass er keinen
Presse- oder PR-Manager besitzt wie bei uns Fritz Koppe. Er wird
sicherlich jetzt davon überzeugt sein, dass sein bisheriges negatives
Verhalten zu den Massenmedien berechtigt ist, denn wenn man mit diesen
zu tun hat, wird man nur reingelegt. Sicherlich wäre hier eine Aus-
sprache zwischen Kreisky und ihm. sehr klärend gewesen und hätte
wahrscheinlich dann auch einen Weg gezeigt, wie mit den Massenmedien
richtig zu verfahren wäre. Ob es zu dieser Aussprache wegen Zeitmangels
nicht gekommen ist, kann ich nicht feststellen. Dem Arbeitsstil
Kreiskys entsprechend werden bei diesen Aussprachen die grossen
politischen Linien von ihm doziert. Da man aber von vornherein nicht
weiss, welches Problem in der nächsten Zeit vom Gegner aufgegriffen
wird, müsste man eigentlich, wenn der erste Angriff erfolgt, sofort
eine Besprechung machen, um die Taktik der Abwehr festzulegen. Viel-
leicht kann man auf eine so enge Tuchfühlung während der normalen
Regierungszeit verzichten. Im Wahlkampf, insbesondere der der letzten
Phase, müsste sie allerdings unbedingt vorhanden sein. Diese Arbeit
müsste die Priorität I haben und bei jeder Intervention oder Aussprache
mit einzelnen oder kleinen Gruppen rangieren. Werden wir aus diesen
Fehlern lernen?
Ich selbst interessanterweise, vielleicht ohne dass ich es wusste,
vorsichtiger geworden. Als deshalb Poschacher für die Agrarpost ein
Interview von mir verlangte, vereinbarte ich sofort mit ihm, dass
die Aussendung erst am Montag erfolgen sollte. Das Interview erstreckte
sich über die Verhältnisse Österreichs zur EWG und deren Verhandlungen.
Da ein Teil des Interviews auch in der Agrarischen Nachrichteninformation
kommen sollte, terminmässig aber nicht gebunden war, vereinbarten
wir eben, dass es erst nach den Wahlen erscheinen wird. Was mich
seit meinem Ministeramtsantritt immer so ärgert ist, dass ich
früher in den Interviews vollkommen frei, weg von der Leber ent-
sprechend geantwortet hatte und jetzt beginne ich jeden Satz zuerst
geistig zu analysieren, stottere natürlich daher entsprechend herum
und bin ausserstande, diese frische Art der Interviews, wie ich sie
früher immer gegeben habe, zu halten. Ich hätte früher nie geglaubt,
dass man unter dem Druck der Verantwortung und unter der Tatsache,
dass ein gesprochenes Wort eines Ministers doch wesentlich anders
zu beurteilen ist als das eines Kammersekretärs meine Interviews-Art
so ändern würde. Daß dies nicht zu meinen Gunsten ist, brauche ich
glaube ich nicht besonders zu erwähnen. Am deutlichsten kam mir dies
zu Bewusstsein bei zwei Rentnerversammlungen, einem Referat am
Vormittag bei Bergarbeitern und vor einmal bei der Wählerversammlung
in Hietzing. In diesem mir vertrauten Milieu habe ich mich insbesondere
nicht anzunehmen war, dass Rundfunk oder sonst wer mitschnitt, wirklich
nur von der Stimmung der Versammlungsteilnehmer leiten lassen. Heinz
Fischer, der sein erstes grösseres Referat als Kandidat der Hietzinger
hielt, war sichtlich nervös, hat sich sehr gut vorbereitet und auch
phantastisch gut in seiner Art gesprochen. Natürlich kam meine
Rede wesentlich besser bei den Leuten an und er meinte zum Schluss:
Stari, Du bist eine Kanone. Er war sehr erstaunt, von mir zu er-
fahren, dass auch eine solche Darstellung einer ziemlich Vorbe-
reitung bedarf und dass ich vor allem einmal erst im Laufe von
Dutzenden von Versammlung die Gags richtig herausgearbeitet hatte
und dann natürlich, wenn ich sie anbringe die Lacher immer auf meiner
Seite habe. Andererseits setzte ich ihm auseinander, dass auch ich
genauso wie er, vor jedem Referat ein gewisses Bauchweh verspüre.
Ich glaube, ich habe irgendwo einmal gelesen oder gehört, dass
nur ein Schmierenkomödiant ohne irgendein Lampenfieber auftreten kann.
Kreisky, der als letzter sprach hat dann – es war auch gar nicht
anders möglich – einige Probleme angeschnitten und sie auf seine Dar-
stellungsart Versammlung expliziert. Ich glaube, dass diese Beispiele
an dem Abend mir gezeigt haben, dass jeder seinen eigenen Stil hat,
dass man diesen Stil unter allen Umständen beibehalten muss und
dass das Schlechteste wäre, wenn man in eine andere Stilrichtung
hinüberwechselt. Ich erklärte deshalb Heinz Fischer, er sollte unter
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gar keinen Umständen meine Methode sich aneignen, so wie ich
mich aber hüten muss, die gelehrige und lehrende Art von Kreisky
oder die sehr – sachlich sehr gut vorbereite, inhaltlich sehr viel
aussagende Art – von Heinz Fischer übernehmen sollte. Leider kann
ich in vielen Ansprachen, die insbesondere formellen Charakter haben
und wo womöglich der Bundespräsident anwesend ist, meine Art und
Methode der Darstellung nicht voll wirksam werden lassen. Dies
gibt mir zwar sicherlich ein besseres Image als seriöser Minister,
geht mir aber gegen den Strich und bedingt in Wirklichkeit das grosse
Unbehagen bei mir bei solchen Veranstaltungen.
Die Handelsdelegierten der afrikanischen Länder ohne arabische Staaten
hatten eine Besprechung in der Handelskammer, da sie bereits einige
Wochen in Österreich weilten. Da ich immer zu diesen Besprechungen
eingeladen wurde, war ich sehr erstaunt, dass diesmal die Herren
zu mir kamen. Es handelt sich aber nicht u-m eine neue Methode
sondern nur um ein scheinbares Versehen der BHK. In einigen afri-
kanischen Staaten sind die ehrenamtlichen Handelsdelegierten ent-
weder in Pension gegangen oder gestorben. Die BHK will aber keinesfalls
mehr ehrenamtliche ernennen, sondern entweder hauptamtlich bestellen
oder diese Staaten anderen Handelsdelegierten zuteilen. Die Schwierig-
keit besteht nur darin – ich habe mich allerdings in dieser Hinsicht
nicht geäussert – dass das Zuteilen von Staaten zu anderen Handels-
delegierten in Afrika wegen der grossen Distanzen äusserst problema-
tisch ist. Andererseits kann man sich kaum leisten, in jedem afrikani-
schen Staat einen eigenen Handelsdelegierten zu haben, da die Wirt-
schaftsbeziehungen zwischen manchen Staaten und Österreich äusserst
gering sind. Sicher ist der afrikanische Raum ein kommender Wirt-
schaftsraum von allergrösster Bedeutung, doch ist die Frage, wie hoch
der Aufwand im Verhältnis zum Erfolg steht zu berücksichtigen. Es
kam bei dieser Diskussion auf die Frage auf die südamerikanischen
Handelsdelegierten. Dort hat mir Meisl seinerzeit schon mitgeteilt,
dass einige von ihnen nicht einmal die Möglichkeit haben, mit den
Wirtschaftsbehörden entsprechenden Kontakt zu pflegen, geschweige
denn die Exporteure Österreichs entsprechend unterstützten zu
können.Auch der südamerikanische Raum ist von allergrösster Be-
deutung und wird wahrscheinlich durch seine explosive Entwicklung
in Hinkunft – wieder nordamerikanische Raum – für uns kaum wirt-
schaftsentscheidend sein. Ich meinte zu Wakolbinger, da müsste man
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eine andere Methode und einen anderen Weg sich überlegen, wie
man dort die Handelsdelegierten besser einsetzt, Wakolbinger
selbst meinte, wenn man so wenig Erfolg hat, wäre es zielführend,
sogar diese Handelsdelegierten abzuziehen. Im afrikanischen Raum
muss man streng unterscheiden, ob es sich um eine frankophile oder
anglophile Zone handelt. Wo die Engländer ihre Mandatsgebiete hatten,
wurden die Staaten verhältnismässig doch wärmend der Kolonialzeit
mehr von eigenen Leuten zumindestens in den unteren und mittleren
Stellungen regiert. Dadurch kann man jetzt auch in der
Verwaltung der Staaten weitestgehend Eingeborene finden. Anders
ist es in der frankophilen Zone. In diesen ehemalig französischen
Mandatsgebieten gibt es heute noch immer den technischen Berater
und in manchen Staaten sind heute wesentlich mehr Franzosen oft
bis zu zehnfachen in leitenden Stellungen als Berater als dies
zur Zeit der Kolonialherrschaft der Fall gewesen. Die Eingeborenen
wurden nicht so wie in der englischen Zone durch Schulung und
durch Instellungbringen mit zukünftigen Aufgabe vertraut gemacht,
sondern haben in Wirklichkeit immer nur untergeordnete Positionen
gehabt. Jetzt müssen sie, um nicht die ganze Verwaltung und Wirt-
schaft zusammenbrechen zu lassen, eben von Beratern aus Frankreich
unterstützt werden. In einzelnen Staaten an der Westküste gibt es einen
reinen Neokolonialismus, wie sich die Handelsdelegierten ausdrück-
ten.
Dir. Flemmmer von der Briko beschwerte sich, dass VÖEST-Vertreter
Matthes in Ungarn bei Lingnimpex interveniert hat, da die Ungarn
die Kokskohle um 4 $ billiger abgeben als wie er sich ausdrückte
in Österreich möglich wäre zu erzielen. Er hätte deshalb den
Ungarn eine Kooperation auch in dieser Frage vorgeschlagen. Die
VÖEST verhandelt derzeit um eine Kooperation auf ihren ursprünglichen
Stahlbaugebiet. Flemmer hat nun eine Exklusivvertrag bis 1980
und die Ungarn können beim besten Willen gar nicht aus dem Geschäft
aussteigen. Die Ungarn allerdings sind jetzt mit der Preisvorgangs-
weise der Briko nicht einverstanden und beschweren sich bei ihm,
dass er – Flemmer – so geringe Preise in Österreich für den ungari-
schen Koks verlangt. Insgesamt soll die Briko 30.000 t übernehmen,
hat aber bis jetzt erst 15.000 verkaufen können. Der Koksmarkt näm-
lich stagniert. Um die Vereinbarten Mengen auch der anderen Staaten
absetzen zu können, hat sowohl seine Firma als auch Polkarbon
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versucht, die Preise zu senken. Polkarbon allerdings hat die
Kursdifferenzgewinne, die sich durch die Abwertung des Dollars
ergeben, nicht an die Letztverbraucher weitergegeben, sondern
macht nun eine Schleuderpreispolitik mit der Handelspanne. So
hätte Rosenstrauch, der Direktor von Polkarbon den grossen Ab-
nehmern wie Löw von der Gaskoks oder Steidl bis zu 200.– S
Rabatt gegeben. Überhaupt befürchtet Flemmer, dass eine Preis-
senkung unterbleibt, sondern nur die Händler durch höhere Spannen
für den Absatz dieses Produktes interessiert werden sollen. So
werden die Rekord-Briketts aus der DDR gegenüber den Union-Briketts
immer im Preis differenter, während es bis jetzt üblich war, dass
zwischen den beiden Sorten 80.– bis 90.– S Differenz pro t be-
standen hat, hat sich diese Differenz auf 170.– bis 180.– erhöht
Die Rekordbriketts sind im Preis heruntergegangen, die Union-Briketts
sind durch die DM-Aufwertung teilweise sogar gestiegen. Trotzdem
glaubt Flemmer, dass es ihm unmöglich ist, einen grösseren Absatz-
markt in Österreich zu erobern, da die Händler scheinbar – so
glaubt er, bei Union-Briketts wesentlich mehr verdienen als bei
Rekord-Briketts. Ansonsten ist es seiner Meinung nach unerklärlich,
dass sein Anteil am Brikettverkauf stagniert und sogar teilweise
abnimmt. Die Polkarbon wieder hat bei Hausbrandkohle, wo sie
200.000 t auf den Markt bringt., mit 24 $ noch einen überhöhten
Preis und möchte sogar noch einen Winterzuschlag von 1 $ dazu
einheben. Da Flemmer gleichzeitig auch bei der Polkarbon Funktionär
ist, kennt er deren Geschäftspraktiken sehr genau. U.a. hätte die
Polkarbon um 20.000 t Koks verkaufen zu können, 4 Mill. S eingesetzt.
Natürlich würden jetzt alle Händler, die die 200.– S Rabatt kriegen,
versuchen, jetzt Kohle zu verkaufen.
Matthes erklärte mir telefonisch, dass die Behauptung von Briko
Flemmer nicht stimmt. Die VÖEST wäre sehr interessiert, wenn die
Kokspreise entsprechend sinken würden, denn dann könnte sie auch
für ihre Kokskohle, wo sie bekanntlicherweise einen Vertrag bis
31.12.1971 hat, und daher für das nächste Jahr neu verhandeln, muss,
entsprechende Preisreduktionen verlangen. Derzeit sind nämlich die
Lieferstaaten noch sehr stur, sie senken zwar die Kokspreise, wie
Matthes mir bestätigte, damit machen sie natürlich der Koksproduktion
der VÖEST in Österreich gewisse Konkurrenz, aber sind nicht bereit
ihren Koks-Kohlenpreise für die VÖEST zu senken. Ich ersuchte Matthes,
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sich mit Flemmer ins Einvernehmen zu setzen, um die Probleme zu
besprechen.
ANMERKUNG FÜR WANKE: Ich glaube, dass es zielführend ist, wenn man
diese Kohlen- und Kokssituation insbesondere hinsichtlich der Preis-
rabatte untersuchen würde. Man sollte versuchen, dass Hruby von der
AK mit Herren des Ministeriums vielleicht unter Zuziehung von Marsch
eine diesbezügliche Preisuntersuchung anstellt.
Am meisten überrascht hat mich, als ich zu Hause von meinem Sohn
Wolfgang erfuhr, dass er sich die Versammlungen angehört hat. Er
meinte, dass bei allen anderen Rednern – selbst bei Kreisky – einige
weggingen, die Versammlung war bummvoll, es musste deshalb nach aussen
mit Lautsprechern übertragen werden und es war empfindlich kalt,
doch bei mir die Leute stehen blieben. Natürlich haben ihm die Gags
auch sehr gut gefallen, er charakterisiert das allerdings anders,
er meinte, so oft ich bemerkt habe, dass die Zuhörer unruhig wurden
oder dass ich eine zu lange sachliche Passage hatte, dann sofort
wenn ich diese Unruhe bemerkte oder bemerkte, dass scheinbar jetzt
ein neuer Gag fällig war, ich tatsächlich auch einen brachte.
Ich glaube, dass er mich da sehr überschätzt, denn man kann sich dies
kaum so genau einteilen. Es wird in Wirklichkeit eine Rede im
Grunde genommen von der Stimmung der Versammlung getragen. Wenn
man dann darüber hinaus noch imstande ist, seinen angeborenen
Dialekt zu verwenden und wenn die Stimmung so gut war, wie gestern
in allen Versammlungen, dann hat man es natürlich sehr sehr leicht.
Leider wird aus diesen Versammlungsergebnissen kaum ein Schluss
auf die Wahlergebnisse zu ziehen sein. Wenn dies der Fall wäre, dann
wäre dem überfüllten Hietzinger Lokal und dem Andrang auf der Strasse
die Versammlung von Schleinzer gegenüberzustellen, wo vor drei
Tagen insgesamt 120 Personen anwesend waren. Kreisky machte mich
allerdings darauf aufmerksam, dass Schleinzer jetzt in seinem
Pressegespräch erklärt hat, dass sie die relative Mehrheit anstreben
und grösste Wahrscheinlichkeit besteht, dass sie auch erreichen
zu können. Ich glaube, dass diese neue Welle, die zweifelsohne bei
der ÖVP vorhanden ist, nicht zu ihrem Vorteil sich auswirken muss.
Es kann nämlich tatsächlich dann eintreten, dass sich einige Wähler,
die sonst auf alle Fälle ÖVP gewählt hätten und auch zur Wahl gegangen
wären, jetzt wieder erklären, es ist doch nicht so notwendig, dass
wird uns einsetzen und Wahlenthaltung üben. Ich möchte jetzt noch
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nicht prophezeien, aber wenn die Meinungsvorhersagen stimmen,
hätte ja die ÖVP mit 98 % Wahlbeteiligung ihrer sicheren Wähler
und wir mit 95 % Wahlbeteiligung unserer sicheren Wähler, dies
war das Umfrageergebnis vor etlichen Wochen, die grössere Chance
günstiger abzuschneiden.
Tagesprogramm, 6.10.1971