Mittwoch, 3. November 1971
Der Wirtschafts- und Währungspolitische Ausschuss hat sich in der
Zeit der US-surcharge-Einführung sehr bewährt. Damals wurde im
Handelsministerium ad hoc das Finanzministerium, Aussenministerium,
Innenministerium und vor allem die Interessenvertretungen zusammen-
gerufen, um Massnahmen zu besprechen, resp. zumindestens über die
Informationen, die man von Amerika bekam, zu diskutieren. Meisl hat
nun in der Zwischenzeit mit Min.Rat Heller die Details über eine
Fortführung dieses Ausschusses besprochen. Min.Rat Heller war einver-
standen, dass dieser Ausschuss bei uns weitergeführt wird und musste –
wie Meisl sagte – mehr oder minder gezwungen werden, dass er gegebenen-
falls auch den Vorsitz übernehmen wird. Der grösste Teil der Tagesord-
nungen, die in Hinkunft dort abgewickelt werden, fallen eigentlich in
die Kompetenz des Finanzministeriums, und ich hatte Angst und habe sie
noch immer, dass früher oder später die Ministerialbürokratie in der
Himmelpfortgasse wird feststellen, dass dies eigentlich ihre allei-
nige Kompetenz ist und sie auch für den Ausschuss zuständig wären.
Heller hat sich nun bereit erklärt, dass aber bei uns diese Arbeit
geleistet werden soll. Ich habe mir deshalb vorgenommen an den
Sitzungen dieses Ausschusses teilzunehmen. Leider ist die Minister-
ratsvorbesprechung dazwischengekommen, sodass ich nur einleitend
auf die Bedeutung des Ausschusses hinweisen konnte und dann, was
die zwei Tagesordnungspunkte betrifft: Schillingfakturierung und
dänische Importabgabe, grundsätzliche Erklärungen abzugeben. Bezüglich
der Schillingfakturierung äusserte ich mich sehr positiv, d.h. ich
wies darauf hin, dass dies eigentlich von allen Staaten heute weitest-
gehend akzeptiert ist und selbst die Sowjetunion sich mit der Zeit
wird durchringen. Vielleicht sollten wir mit Moskovics einmal
Besprechungen führen, damit wir erfahren können, was die Exporteure,
resp. die Transiteure erwarten können. Moskowitsch hatte ich am Welt-
spartag in der Raiffeisenkasse getroffen und er hat gesagt, er möchte
sowieso in der nächsten Zeit einen Termin bei mir haben.
Anmerkung für Wanke: Bitte diesbezügliche Vorbesprechungen mit Moskovics
einleiten.
Die dänische Importabgabe wird im Rahmen der EFTA-Tagung in Genf
zur Sprache gebracht und ich konnte gleich mitteilen, dass ich an
dieser Sitzung teilnehmen werde. Falls parlamentsmässig irgendetwas da-
zwischenkommen sollte, dann habe ich zumindestens in aller Öffent-
lichkeit und vor den zuständigen Interessensvertretungen meine Ab-
sicht bekundet, nach Genf zu fahren. Ganz besonders wies ich aber auf
die gute Zusammenarbeit zwischen den Ministerien hin. Ich erklärte, dass
es hier keinen Kompetenzkonflikt gebe, was sehr erfreulich und sicher-
lich gegenüber der vorhergehenden Zeit ein Novum darstellt und dass
dies auch die Auffassung der Minister sei. Ich bin wirklich überzeugt,
dass sowohl Androsch als auch ich uns sehr wenig um die Kompetenzabgren-
zung kümmern, solange die beiden Bürokratien uns nicht gegenseitig
ein Problem servieren, wo sie unbedingt an einer Kompetenzentscheidung
verlangen. Wichtig ist andererseits, dass immer wieder, ich habe dies
z.B. bei der Studie über die industriepolitische Sektion, klar und
deutlich gesehen, von unserer Seite die Kompetenz von anderen Mini-
sterien, insbesondere vom Finanzministerium, abgeknabbert wird.
Über das Kompetenzproblem hat Kreisky auch mir einen Brief ge-
schrieben, wo er sich bitter beschwert, dass über das grosse Kompetenz-
gesetz auf Ministerebene bereits Einigung erzielt und jetzt bei der
Stellungnahme der einzelnen Ministerien die Vereinbarung wieder ange-
knabbert wird. Leider gehöre ich auch in den Kreis derjenigen und
insbesondere Weihs hat – wie mir Kreisky versicherte – seiner
Bürokratie hier freien Lauf gelassen. Wanke sagt jetzt, wir haben
in diesem Brief, den ich persönlich unterschrieben habe, nur verlangt,
Klarstellungen, resp. ganz unbedeutende Änderungen, die sich auf Grund
von genauen Begutachtungen der Gesetzesstellen ergeben haben. Selbst
wenn dies das Fall ist, kann jetzt mit Recht der Eindruck entstehen,
dass doch die Bürokratie sich bei uns durchgesetzt hat und damit eigent-
lich die politische Willensbildung auch in unserem Hause sich nicht rest-
los durchsetzt. Ich habe zwar Kreisky in einer launigen Weise auf die
Fehlinterpretation unserer Stellungnahme aufmerksam gemacht und vorge-
worfen, er hätte den Brief von Loebenstein Verfassungsdienst unter-
schrieben, ohne ihn im Detail genau zu lesen. Kreisky war sich nicht
sicher, ob meine Interpretation oder seine stimmt und hat deshalb so-
fort darauf hingewiesen, dass andere Minister insbesondere Weihs, der
neben mir stand, allen Vereinbarungen widersprechend seine Kompetenz
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wieder zurück haben will. Kreisky hat zwar immer erklärt, dass ihm
alle Stellungnahmen der Ministerien vollkommen gleich sind und die
Bürokratie ruhig ihre Meinung zu seinen Gesetzentwürfen sagen kann.
Wir haben uns dagegen auf den Standpunkt gestellt, dass alle Gesetz-
entwürfe, die negativ von uns begutachtet werden, dann in den Ver-
handlungen im Parlament, nachdem die Stellungnahmen diesem zugeleitet
werden müssen, eine Waffe gegen die Regierung bilden können. Scheinbar
hat Loebenstein dies jetzt sehr deutlich erkannt und hat Kreisky einen
solchen Briefentwurf vorgeschlagen. In Hinkunft müssen wir bei der Ab-
gabe von Stellungnahmen und Begutachtungen von Gesetzentwürfen doch
glaube ich vorsichtiger sein.
In der Ministerratsvorbesprechung erörterte Gratz als Klubobmann das
Arbeitsprogramm des Nationalrates bis Ende des Jahres. Gratz meinte,
er hätte mit Koren und Peter besprochen, dass nur Gesetze, die sonst
einen gesetzlichen Notstand bedingen, bis Jahresende beschlossen werden
sollten. Dies gilt insbesondere für das Budget und die daraus erfliessen-
den Steuergesetze. Kreisky wehrte sich gegen eine solche Auffassung und
meinte, das Parlament müsste seine Arbeit einteilen wie es glaubt, wir
aber als Regierung müssten freie Hand haben und alle Gesetze, die
uns notwendig erscheinen, ins Parlament hinüberbringen. Ob sie dann
bis Jahresende beschlossen werden, sei eine Angelegenheit des Parlament.
Z.B. würde er auf alle Fälle die Politikerbesteuerung hinüberbringen.
Häuser wieder einte, er würde, damit der § 94 Ruhensbestimmungen nicht
wirksam wird, auf alle Fälle termingemäss einen Gesetzentwurf ins Par-
lament bringen und wo eine Inkrafttretung mit 1.1.1973 verschoben wird.
Eine längere Diskussion entwickelte sich, was mit den Wirtschaftsgesetzen
geschehen sollte. Kreisky will vor allem an der Koppelung des Marktord-
nungsgesetzes, an dem die Landwirtschaft nach wie vor wie er mit Recht
glaubt, grosses Interesse hat, mit anderen Gesetzen festhalten. Deshalb
wird das Marktordnungsgesetz auf alle Fälle nur ein Jahr wirksam werden.
Kreisky hofft das Bodenrecht, das wir für die Assanierung und für den
Wohnbau dringend brauchen, damit koppeln zu können. Broda selbst
stellte die Frage, ob sein Preistreibereigesetz unverändert oder vielleicht
doch mit Verbesserungsvorschlägen zur Begutachtung ausgeschickt werden
sollte. Kreisky meinte, man müsste doch jetzt ein besseres Preisgesetz
machen und war natürlich sofort für neue Gesetzesvorschläge. Rösch hatte
allerdings, wie er mir später versicherte, nach Rücksprache von seinen
Leuten mit unserem Haus eine unveränderte Verlängerung des Preisregelungs-
gesetzes für ein Jahr zur Stellungnahme ausgeschickt. Kreisky wollte
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dann von mir wissen, wie in Hinkunft die Preisgesetze aussehen
sollten. Ich wies darauf hin, dass wir in der Handelskammer ent-
sprechende Vorbesprechungen führen müssen, denn nachdem es Ver-
fassungsgesetze sind, würden wir sonst von der ÖVP niemals eine Zu-
stimmung bekommen. Die Optik, dass die Bundesregierung sich aber
jetzt schon bereit zeigt, eine Änderung der Preisgesetze bemüht zu
sein, einigten wir uns dahingehend, dass Rösch trotz der Aussendung
nur für eine Verlängerung in einer Regierungsvorlage dann die ur-
sprünglichen Vorschläge wieder aufnehmen wird. Da diese Vorschläge
aber bereits in der Begutachtung waren, könnte Rösch noch durch ein
Schreiben die Stellen verständigen, dass er sie nicht neuerdings
zur Begutachtung ausgeschickt hat. Seinen Leuten fiel aber dann eine
bessere Lösung ein, nämlich dass die Arbeiterkammer und der Gewerk-
schaftsbund mit ihren Gutachten auf die seinerzeitige Verschärfung
des Preisregelungsgesetzes hinweisen werden und dies dann als
Anlass genommen werden kann, ein verschärftes Preisregelungsgesetz dem
Parlament zuzuleiten. Hoffentlich ist die ÖVP in dieser Frage stur
genug und stimmt nicht einer Änderung zu. Dann nämlich würden wir
zwar nur auf ein Jahr bedingt einen entsprechenden Gesetzentwurf haben,
mit dem man allerdings auch nicht allzu viel anfangen würde können.
In der Regierungserklärung wollte Kreisky wissen, ob er sie in der
vollen Länge halten soll. Sein jetzigen Entwurf kommt schon auf
eine Stunde und fünfzig Minuten. Broda meinte und bekam die Zustimmung
auch aller anderen, dass auf alle Fälle die einzelnen Wünsche der
Ministerien in die Regierungserklärung aufgenommen werden sollten,
weil dies doch ein Dokument sei, das für die nächsten Jahre für die
Regierung Anhaltspunkt und Richtlinie sein wird und deshalb
auch dem Haus in voller Länge mitgeteilt werden soll. Häuser sicher-
te sich nur insoferne ab, dass er meinte, es sollten keine konkreten
Forderung in die Regierungserklärung für sein Ressorts aufgenommen
werden, insbesondere nicht was die soz. Rentnerorganisation an For-
derungen gestellt hat. In der alten Regierungserklärung war konkret
nur von der Richtzahländerung, von den neutralen Zeiten und von der
Witwenpension die Rede. Häuser befürchtete, dass zu konkrete Bestimmun-
gen ihn in seiner Sozialpolitik binden würden. Ich persönlich – ohne dass
ich es sagte – ging noch einen konkreten Schritt weiter, ich glaube näm-
lich, dass es für mich zumindestens ganz wurscht ist, ob in der Re-
gierungserklärung etwas gesagt ist oder ob in der Regierungserklärung
gar nichts gesagt wird, ich werde mich auf alle Fälle nicht binden.
Als ich am Klubabend dann mitteilte, brauche ich in der Regierungs-
erklärung nur ein paar und oder und Beistriche und an die kann
ich mich dann jederzeit anhängen und irgendwo dann meine Wünsche
zu interpretieren, dass dies in der Regierungserklärung ja doch
schon mehr oder minder gesagt wurde. Da die anderen aber auf dem
Standpunkt standen, wenn es zu Streichungen käme, dann würde dies ja
doch nur konkrete Vorschläge sein, die gestrichen werden. Blieb man
bei der Auffassung, es sollte die Regierungserklärung alle Punkte
der Ministerien, soweit es Kreisky noch vertreten kann, umfassen.
Wir vereinbarten auch eine Ministerratssitzung, d.h. es wird dann sofort
heissen, eine Klausurtagung, am 9. November ganztägig in Vöslau.
Dies war für mich ein guter Aufhänger, um mit Scheer einige Probleme
zu besprechen. Scheer ist ein äusserst loyaler Kollege und begnügt
sich vollkommen mit dem Kammeramtsdirektor-Stellvertreter. Trotzdem
habe ich grosse Angst, dass früher oder später, wenn wir jetzt doch
jahrelang von der Arbeiterkammer wegbleiben, der Kammeramtsdirektor-
posten gegebenenfalls von einem Dritten vielleicht auch ausgelöst durch
einen Präsidentenwechsel nach Ablauf der Periode durch Hrdlitschka
besetzt werden könnte. Da ich auf dem Standpunkt stehe, dass
der wirklich einzige dafür in Frage kommt, Scheer sein sollte,
der sich auch verdient hat und der ein äusserst tüchtiger Mann
ist, habe ich ihm vorgeschlagen, er sollte sich den Kopf zerbrechen,
wie wir dieses Problem lösen können. Ausserdem habe ich von Tommy
Lachs gehört, dass die Meinung jetzt bei den Wirtschaftern geht,
dass sie in der Direktion schlecht vertreten sind. Es war nämlich
früher zumindestens ein stellvertretender KAD ein Wirtschaftsmann.
Da, wie Wanke sich ausdrückt, der Ast Kammeramtsdirektor sowieso
zu tief ist für mich, habe ich Scheer erklärt, dass ich bereit wäre,
selbstverständlich auch in Pension zu gehen. Scheer wieder meinte,
er wird sich dies alles noch überlegen, glaubt aber dem Wunsch der
Wirtschaftler dadurch entsprechen zu können, dass er einen weiteren
Stellvertreter, d.h. einen dritten Kammeramtsdirektorstellvertreter
vorschlagen möchte. Ich weiss nicht, ob dies zielführend ist, aber
er wird noch entsprechende Vorschläge mit mir besprechen. Auf alle
Fälle hat er in der Wirtschaftsabteilung jetzt die Absicht und er
fragte mich um Rat, den Kollegen Blaha als Nachfolger von Gamperling
auch entsprechend dienstrechtlich zu installieren. Weiters wird er
die Abteilung durch die Ergänzung der Preiserhebungen, Kreidl ist
dafür vorgesehen, versuchen, zu ergänzen. Auf alle Fälle ist Scheer
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ein so feiner Kollege, das es mir sehr leid tun würde, wenn er
in seiner selbstlosen Art dann dort irgendwann einmal nicht den
berechtigten Kammeramtsdirektorposten erlangen würde. Ich teile
deshalb nicht die Meinung von Koppe, der meint, ich sollte mir
den Ast nicht absägen. Hier glaube ich hat Wanke wirklich recht,
wenn er meint, man müsste schon aus Loyalität gegenüber Scheer eine
Lösung suchen.
Der Staatssekretär im schwedischen Handelsministerium Bengt Dennis
hat einen Vortrag in der schwedisch-österreichischen Gesellschaft
er wollte unter vier Augen von mir wissen, wie wir uns zum Wunsch
der schwedischen Delegation betreffend die Ursprungszeugnisse
stellen. Da er nur Englisch sprach, hatte ich zwar grosse Schwierig-
keiten, mich auszudrücken, erklärte ihm aber, dass der Vorschlag, der
Schweden, dass wir den EWG-Staaten aufzwingen können ein System, das
sie nicht kennen oder wollen, nicht zielführend sein kann. Er meinte
zwar, dass wenn wir ein solches System der EWG als ultimative Forderung
unterbreiten und sie das ablehnt, dann müsste sie uns einen entsprechen-
den Vorschlag machen. Mein Einwand, dass die Zeitkomponente eine
grosse Rolle spielen würde, hat ihn aber lezten Endes aber doch
auch sehr beeindruckt. Wie ich anschliessend in einem Gespräch mit
dem schwedischen Botschafter erfahren konnte, ist er über die Stellung-
nahme seines Landes in der EWG-Frage nicht sehr glücklich. Er meint,
dass wir als Österreicher hier wesentlich besser wahrscheinlich durch
unsere jahrelangen Verhandlungen vorgehen. Er glaubt nämlich auch, dass
der Zeitfaktor eine grosse Rolle Spielt und dass insbesondere die schwe-
dische Stellungnahme, wonach sie mit aller Gewalt ihre Ideen durch-
setzen wollen bei der EWG kaum Aussicht auf Erfolg haben wird.
Im Klub wurden die neuen Organe einstimmig beschlossen und gewählt.
Der Vorschlag wurde vom Klubvorstand gemacht und nicht einmal dis-
kutiert. Benya wird 1., Probst wird 3. Präsident und für die Ordner
wurde Skritek anstelle von Weikhart vorgeschlagen. Schriftführer bleiben
Haberl und Winkler. Ins Klubpräsidium wurde Kreisky als Klubobmann
und Gratz aber als der geschäftsführende gewählt. Haberl, der in der
Genossenschaftsbewegung jetzt eine bedeutende Position erreicht hat,
scheidet aus. Dafür wird Wielandner, Weisz und für den Bundesrat
Skotton bestimmt. Weisz dürfte sich – ich habe mit ihm zwar
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nicht darüber gesprochen, über diese Berufung sehr gefreut
haben, denn er war den ganzen Tag sehr aufgeräumt. Als Kontrollor
wurde an Stelle von Weikhart Zankl gewählt und eigentlich nur als
Stellvertreter kam Lanzer das erste Mal zum Zug. Das Sekretariat
wird nach wie vor von Fischer Heinzi geleitet, nur zur admini-
strativen Abwicklung wird ihm Robert Fischer, der seinerzeit von
Pittermann von der verstaatlichten Industrie in den Klub mitgenommen
wurde, beigestellt. Ich habe eigentlich angenommen, dass dafür Fredi
Reiter vorgesehen wird. Reiter versichert mir aber, dass er sich im
Klub sehr wohl fühlt und deshalb auch nicht unbedingt eine Änderung
seiner Position durch Berufung in der Bürges anstrebt. Natürlich
möchte er aber, wenn es dort eine Möglichkeit gibt, sehr gerne
arbeiten. Ich habe mit Mühlbacher neuerdings über dieses Problem ge-
sprochen und vorgeschlagen, dass selbst wenn der Freie Wirtschaftsver-
band jetzt in konkreten Verhandlungen mit der Handelskammer die For-
derung nach Einführung eines Vertrauensmannes in die Geschäftsführung
der Bürges verlangt, dann sollten sie, wenn z.B. die Handelskammer
einen Prokuristen anbietet, diesen interimistisch akzeptieren, wo-
bei sie gleichzeitig aber einen Termin zur Bestellung des Geschäfts-
führers z.B. in einem Jahr vereinbaren könnten und sollten. Ich glaube,
dass es nämlich ein bisschen Schwierig ist, gleich einen Geschäfts-
führer einzusetzen, solange noch Korinek so rüstig werkt. Reiter
sagt mir allerdings, dass der Wirtschaftsbund, Busek, ihm mitgeteilt
hat, dass Korinek ein sehr unabhängiger und selbstherrlicher Manager
sei, der auch nicht das Vertrauen der Handelskammer und schon gar
nicht des Wirtschaftsbundes mehr geniesst.
Die Klubfinanzen sind verhältnismässig sehr gut bestellt, es bestehen
3 Einnahmequellen, erstens die Klubbeiträge, die wieder mit 10 %
festgesetzt wurden und die bis 30.9. 3,7 Mill. Einnahmen gebracht haben,
der Dotierungsfonds aus Budgetmitteln, 302.000 S pro Monat, die 2,7
Mill. erbracht haben, und die Öffentlichkeitsarbeit mit 202.000 S pro Monat
aus dem Budget, die 1,8 Mill. erbracht haben. Die Ausgaben waren haupt-
sächlich 3 Mill. S für den Wahlfonds, 1 Mill. f. d. Bundespräsidenten-
wahl, 2 Mill. für den Nationalrat, die der Partei überwiesen wurden,
und 220.000 S und 120.000 S für Drucksorten, wo Regierungspropaganda
vom Klub ausgemacht wurde. Insgesamt hat die Klubkasse einen Stand
von 3,6 Mill., der dotierte Fonds von 758.000 und für Öffentlichkeits-
arbeit steht 1,2 Mill. zur Verfügung, insgesamt ein Aktiv-Stand von
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5,7 Mill. S, wie Weikhart berichtete.
Gratz als neugewählter geschäftsführender Klubobmann meinte, man
müsste zur Kenntnis nehmen, dass ja die Regierung nicht durch vier
Jahre nur Erfolge wird haben können und wir müssten uns dann als
Klub mit der Regierung identifizieren und wirklich als die Regierungs-
partei auftreten. Er baute schon vor, dass wenn die Regierung Schnitzer
macht oder Fehler ihr passieren, dass dann nicht der Klub über die
Regierung herfallen wird. Er meinte ander darüber hinaus, dass wir nicht
denselben Fehler machen sollten wie die Volkspartei als sie
die absolute Mehrheit gehabt hat. Damals hätten sich die Diskussionen
zwischen der Opposition und der ÖVP derart angespielt, dass nur die
Regierungsmitglieder und die Beamten auf Angriffe der SPÖ-Opposition
geantwortet hätten und resp. bei Verhandlungen über Gesetze nur die
in die Diskussion eingegriffen hätten. Wir wären und müssten es
bleiben eine Parlamentspartei und wir werden deshalb auch der Opposi-
tion grössere Chancen durch Änderung der Geschäftsordnung einräumen.
Bei den Ausschüssen gab es dann noch einige Wünsche von NR-Mitgliedern,
die insbesondere neugewählten wollten in verschiedene Ausschüsse
noch kommen. Hella Hanzlik, wie ich nachher feststellen, wollte bei
den Frauen überhaupt Propaganda machen, dass doch so viele tüchtige
Frauen jetzt im Nationalrat sind und man müsste deshalb zumindest
Schriftführer oder gar vielleicht Obleute oder Obleute-Stellvertreter
mit Frauen besetzen. Ich erklärte Hella, dass ich zwar sehr viel
für die Gleichberechtigung übrig habe und Frauen auch in Positionen
kommen sollten, aber es sollte doch nicht der Fehler passieren, dass
wir nur deshalb jemanden als Obmann oder Obmannstellvertreter
nominieren, damit eine Frau in Position kommt. Bei Schriftführern hätte
ich an Stelle von Gratz wesentlich mehr Frauen eingeteilt.
Beim geselligen Beisammensein des Klubs hat Kreisky, der wesentlich
später kam, weil er an der Regierungserklärung arbeitete,
wurden die Ausgeschiedenen gewürdigt, insbesondere Waldbrunner.
Waldbrunner bekam zu seinem 65. Geburtstag von Heinz Fischer ange-
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regt, ein Jubiläumsbuch, wo viele, die Waldbrunner kannten und ressort-
mässig jetzt damit zu tun haben, über sein Werk berichten. Fischer
ärgerte sich sehr, wie er mir gestanden hatte, dass er auf mich ver-
gessen hatte. Er meinte als Obmann des dritten Bezirkes hätte ich auch
in der Festschrift aufscheinen sollen. Pittermann wurde von Kreisky
ersucht, er sollte eine Geschichte des österreichischen Parlamentes
schreiben. Pittermann kündigte an, dass er als Parteivorstandsmitglied
das Recht hat, an den Klubsitzungen teilzunehmen und er wird dies auch
tun und ausserdem wird er auf das Nationalratsgeschehen noch immer
in dem Pensionistenklub der Abgeordneten Einfluss nehmen. Reiter meinte
während Waldbrunner, der bisher als verbitterterer sphinxhafter Mann
gegolten hat, in Frieden mit der Partei von seiner Arbeit scheidet,
ist Pittermann eigentlich jetzt viel mehr verbittert und will sich
nicht damit abfinden, dass seine Zeit um ist.
Richtigstellung: Oskar Weihs kommt nicht als Obmann-Stellvertreter in
den Vorstand, sondern nur als Beisitzer.
Der Klubobmann-Stellvertreter nach Gratz, Wielandner ist Robert Weisz
von der sozialistischen Fraktion.
Tagesprogramm, 3.11.1971
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)
Tagesordnung 75. Ministerratssitzung, 3.11.1971