Samstag, 6. November 1971
Beim ÖMV-Wirtschaftsjournalisten-Forum am Semmering hatte ich Ge-
legenheit, mit dem gesamten Vorstand unsere Politik zu besprechen.
Zuerst nützte ich einen längeren Spaziergang mit Kurt Meszaros,
um mich über die Besprechung, die Vormittag zwischen den Direktoren
stattgefunden hat, zu informieren. Die ÖMV muss mit dem Ausbau ihrer
Raffineriekapazität jetzt sehr vorsichtig vorgehen. Die nächste Aus-
baustufe auf 10,5 ist vor dem Abschluss und wird nächstes Jahr fertig
werden und in Produktion gehen. Eine weitere Ausbaustufe wird aber
dann noch von seiten der ÖMV durch Computerdurchrechnung erst geklärt
werden, ob und zu welchem Zeitpunkt diese zweckmässig sein wird.
Gedrängt wird die ÖMV derzeit durch die Gas-Zulieferungen. Es stimmt
aber keinesfalls, dass die ÖMV die Gaseinfuhr drosseln will, nur er-
klärt die ÖMV – und dies wahrscheinlich zurecht – dass sie doch auch
ihre inländische Produktion mit den Importen abstimmen muss. Ich setzt
Meszaros auseinander, dass in Hinkunft die Gasimporte immer gössere
Bedeutung bekommen werden. Die Italiener, die die Gasleitung, wie
mir die Techniker am Semmering versicherten, ganz unmöglich zum
1.1.1973, ja nicht einmal zum 1.1.1974 die Gasleitung fertig haben
werden, dann muss italienisches Gas wahrscheinlich von Österreich
für den österreichischen Konsum und Verbrauch übernommen werden. Die
Sowjetunion beharrt nach wie vor auf der Übernahme des italienischen
Gases mit 1.1.1973. Meszaros bestätigte mir, dass die ersten Erdgas-
verträge für die ÖMV einen zusätzlichen Bruttonutzen von 3 % gebracht
haben. Da aber damals mit dem steigenden Energiebedarf keine Konkurren-
zierung ihrer Ölprodukte erfolgte. Sie haben deshalb auch zu diesem
Zeitpunkt eine Differenzierung des Gaspreises für die Niederösterrei-
cher und die Wiener akzeptiert. Für die anderen Bundesländer, d.h. für
die dort gegründeten Erdgasgesellschaften mussten sie dagegen 45 Groschen
ca. verrechnen und an diesem Preis wird sich nichts ändern, im Gegenteil.
er wird sogar noch stiegen. Trotzdem – und hier bin ich ebenfalls der
Meinung der ÖMV-Direktoren – wird in Hinkunft mit steigendem Lebens-
standard die Bevölkerung aber auch die Industrie auf Gaskonsum sich
umstellen. Jederzeitige Lieferung, keine notwendigen Lager, wie dies
bei Heizöl z.B. der Fall ist, noch eine Umweltverschmutzung, die in
Hinkunft den Betrieben auferlegt wird werden, veranlassen die Konsumenten
auf Gas von Heizöl umzusteigen. Dadurch verliert natürlich die ÖMV ihre
Ölkunden. Wesentlich mehr aber wird wahrscheinlich von dieser Gaswelle
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Koks resp. Kohle ersetzt werden. Sowohl beim Hausbrand als auch bei der
Industrie. Das Ofenheizöl, insbesondere Extra Leicht, wie es die Kon-
sumenten vor allem verwenden, stinkt derzeit sehr noch nach dem freien
Schwefelmolekülen, die in Spuren vorkommen. Dies zu bekämpfen gibt es
technisch zwei Möglichkeiten, die eine Neufiltrierung kommt aus kosten-
mässigen Gründen nicht in Frage. Deshalb hat die ÖMV wie mir die
Techniker erläuterten, eine neue Anlage geschaffen, die die Moleküle
bindet und die – wie sich der Techniker ausdrückte – nicht viel kosten
durfte. Diese Anlage wird sehr bald in Produktion gehen, doch wird
durch die vorhandenen Heizöl-Leicht–Lager kaum mit dem Abstellen
dieses Gestankes von Ofenheizöl gerechnet werden können. Im nächsten
Jahr wird es dann nur mehr gestankfreies Heizöl geben. Eine Deodora-
tion wie dies von gewisser Seite vorgeschlagen wird, also ein Fichten-
nadelparfum dem beizusetzen, kommt nicht in Frage, weil es erstens sehr
viel kostet und zweitens aber überhaupt nicht zielführend die Schwefel-
verbindungen überdeckt. Für mich war nur wichtig zu erfahren, dass auch
das Binden der Schwefelelemente nicht dazu führen müssten, den Heizöl-
Preis Extra Leicht zu erhöhen. Trotzdem glaube ich, dass wir ihnen
heuer unter gar keinen Umständen eine Heizölpreiserhöhung von 10 Gro-
schen, wie sie es sich vorgestellt haben, für Extra Leicht zuge-
stehen sollten und werden. Über die anderen Preise habe ich nicht mit
den Direktoren gesprochen, ich habe ihnen nur immer wieder gesagt, dass
wir jetzt mit der Kraftfahrverbänden und Interessensvertretungen sehr
konkrete Verhandlungen aufnehmen werden.
Die Bekanntschaft mit Prof. Hacker ist sehr interessant, weil er ein
charmanter Plauderer und wirklich humorvoller Mensch ist. Auch sein
Vortrag lag letzten Endes auf dieser Linie. Frau Brandis vom ÖAMTC
von der Frauenbeilage, besser gesagt, die Mitarbeiterin die die Frauen-
probleme vom ÖAMTC oder Autofahrer tätig ist, war schwer enttäuscht
über den geringen wissenschaftlichen Gehalt des Vortrages. Ich selbst
finde, dass wenn ein Wissenschaftler eine Stunde für einen Vortrag
hat, er durch so charmantes Plaudern eigentlich viel mehr Erfolg
bei Journalisten hat, als wenn er sich einer wirklichen systematischen
wissenschaftlich einwandfreien Analyse eines Problems hingibt. Natür-
lich hätte mich auch wesentlich mehr eine konkrete Aussage über die
Aggression in der Industrie und der Wirtschaft interessiert. Da ich
aber insbesondere nur das Seminar von der ÖMV dazu benützen wollte,
damit wir dort wieder ein bisschen unseren Fuss zwischen deren Tür
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stellen können, war der Vortrag für mich ja nur der Aufhänger, um
hinkommen zu können. Im letzten Jahr hat Koppe bei der Umweltschutz-
diskussion unsere Interessen zumindestens durch die Anwesenheit und
durch private Diskussionen dokumentiert. Heuer wurde er nicht mehr
eingeladen. Erst als ich mich selbst eingeladen habe, musste auch
Bauer dann Koppe neuerdings zu diesem Seminar laden. Ich glaube,
wir sollten die Gelegenheit nützen, um immer wieder durch unsere
Präsenz, wie Bauer sich ausdrückte, den Vorstand sehr auszeichnet,
dazu benützen, um unsere Interessenpolitik dort doch dokumentieren
zu können. Prof. Hacker hat mich auch aufmerksam gemacht, dass ein
Freund von ihm, ein amerikanischer Regisseur ca. 2 Mill. Dollar für
einen Johann-Strauss-Film, den er in Österreich drehen will, zur
Verfügung stellen würde. 1 Mill. Dollar würde von österreichischer
Seite und zwar durch Sacheinlagen, Studios. Komparsen usw. zur
Verfügung gestellt werden müssen. Hacker hat bisher mit den Wien-Film-
Leuten, insbesondere Prof. Dürer, verhandelt und kommt aber nicht viel
weiter. Jetzt hat er sich mit Antel vereinigt und dieses Projekt
eines Johann-Strauss-Filmes mit ihm besprochen. Antel selbst sei
im Prinzip sehr daran interessiert, erklärt nur, dass auch er
dafür kein Geld hat. Ich versprach Hacker, der wissen wollte, wann
endlich eine staatliche Filmförderung kommt, dass wir uns mit Antel
wegen des Johann-Strauss-Films ins Einvernehmen setzen werden.
Auf eine staatliche Filmförderung brauchte Hacker gar nicht zu
warten, denn auch da würde nur eine Ausfallhaftung von seiten des
Staats übernommen werden und keinesfalls irgendwelche Zuschüsse als
erste Phase sofort gegeben werden.
ANMERKUNG FÜR HEINDL: Bitte mit Antel über dieses konkrete Filmprojekt
sprechen, damit ich Hacker dann einen entsprechenden Brief schreiben
kann.
Bei der Martini-Feier traf ich Staatssekretär Veselsky. Ernstl erzählte
mir, dass er mit den Alten vereinbart hätte, dass auch über die Konjunk-
turlage am Dienstag in der ganztägigen Regierungssitzung gesprochen
wird werden. Kreisky hätte ihm mitgeteilt, dass er über dieses Problem
reden wird und er möchte mich deshalb jetzt bereits aufmerksam machen.
Es ist rührend wie Veselsky versucht, bei mir und das nicht nur bei
mir sondern bei allen den Eindruck zu erwecken, dass er noch Chancen
hat, mir Kreisky irgendwelche Probleme zu besprechen oder gar eine
Richtung zu bestimmen. Für jedermann ist es ganz klar, dass – wenn wir
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einen ganzen Tag zusammen sind wir dann selbstverständlich wir dann
über die wirtschaftliche Lage Besprechungen abführen werden.
Viel wichtiger war mit ein längeres Gespräch mit dem Mann von Frau
Vizebürgermeister Sandner, die nachdem ich für die Bundesregierung
sprechen musste, für die Stadt Wien die Begrüssung abgab, nämlich
Komm.Rat Fröhlich vom Gastgewerbe über die Gewerbeordnung zu diskutieren.
Fröhlich erklärte mir, dass sie nach wie vor gegen die Aufhebung des
Lokalbedarfes sind, weil dadurch der Wert der einzelnen Gaststätten,
doch sehr leiden wird. Durch den Lokalbedarf haben sie eine gewisse
Standortrente beim Verkauf erhalten. Er selbst ist überzeugt, dass
1974 kaum mehr eine Chance hat, als Funktionär tätig zu sein und er
sieht sich deshalb jetzt schon um eine grössere private Betätigung um.
So hat er durch die Ankündigung allein, dass durch die Gewerbeordnung die
Abschaffung des Lokalbedarfes durchgeführt werden soll, festgestellt,
dass die Preise entsprechend von den Käufern, er selbst ist ein solcher,
gedrückt werden. Formell wird deshalb unter allen Umständen an der Bei-
behaltung des Lokalbedarfes drängen, doch weiss er ganz genau, dass
dies selbst von der Bundeskammer nicht mehr vertreten wird. Wir einigten
uns aber, dass dafür die Befähigungsnachweise zielführend und zukunfts-
weisend ausgestattet werden soll. Zu diesem Zweck hat er mich eingeladen,
dass ich mit ihm im nächsten Jahr im Frühjahr nach Schaffhausen fahre,
wo eine Prüfung stattfindet, die wir uns gleichzeitig anhören sollten,
und mit dem Schweizerischen Gastwirten eine diesbezügliche Erfahrungs-
austausch tätigen sollten. Ich erklärte sofort, dass ich persönlich jetzt
noch keine Zusage machen kann, ob ich wirklich fahre, doch würden
wir auf alle Fälle einen Beamten mit ihm mitschicken.
ANMERKUNG FÜR HEINDL: Bitte, vormerken, vielleicht wäre es wirklich ziel-
führend, einmal sich in der Schweiz dieses Verfahren anzusehen, wenn es
dann um diesen Zeitpunkt bereits im Parlament eine Gewerbeordnung und der
Lokalbedarf eingebracht ist. Ich könnte damit auch den Gastwirten dokumen-
tieren, dass ich mich sehr wohl ihrer Interessen sehr lebhaftest annehme.
Die Martini-Feier hat nun eine wesentlich Änderung in den letzten Jahren
erfahren. Kery erzählte mir, dass vor ungefähr noch 6 Jahren der Bundes-
präsident Jonas ausgepfiffen wurde und jetzt man wirklich feststellen
kann, dass die Leute sich mit den sozialistischen Ehrengästen sich
bereits abgefunden haben, sogar viele von ihnen dies freudig begrüssten.
Unmöglich fand ich nur die Situation, dass wir auf der Balustrade nach
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der festlichen Übergabe von Wein und Brot und Nüssen, anschliessend ein
jeder eine Martini-Gans-Portion serviert bekamen. Die Gäste, die vorüber-
tanzten hatten natürlich ihre Augen auf die essenden Ehrengäste gerichtet
und das erinnerte mich so ungefähr an die Salzburger Jedermann-Aufführung
wo oben geprasst wird und unten sitzen die Zuschauer. Da mich Sinowatz
aufgefordert hatte, ich sollte unbedingt zur Martini-Feier kommen, was
ich nicht zuletzt wegen ihm und um dem Burgenland meine Reverenz und
meine persönliche Bekanntschaft und Freundschaft zu Sinowatz zu be-
kräftigen, zu dieser Feier gegangen. Rösch wäre allerdings auch dort
gewesen, hat aber abgelehnt, als Regierungssprecher zu fungieren. Sinowatz
selbst musste aber eine Theater-Premiere besuchen und so kam er mit
seiner Frau zu spät. Als ihm das Gansel dann serviert wurde, hatte er
kaum zwei Bissen gemacht, legte die Gabel weg und erklärte, wenn mir
die Leute so zuschauen, obwohl ich einen Riesenhunger habe, nicht weiter
essen.