Sonntag, der 2. Juli 1972

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Sonntag, 2. Juli 1972

Die Besprechungen mit den Chemieminister Olszewski ergaben, dass
die Polen grosse Investitionen am petrochemischen Sektor vorhaben.
Vorigen Samstag hätten sie mit der italienischen Firma Snam Progetti
einen Generalkontrakt über die Errichtung einer Raffinerie unter-
schrieben. Hier sehen sie für die VÖEST grosse Möglichkeiten in An-
lagelieferungen einzusteigen. Aus-diesem Grund hat er auch gebeten,
dass man ihm die Möglichkeit gibt, am Montag die Raffinerien in
Schwechat zu besichtigen. Polen hat mit der englischen Firma Symogust
bei der Anlagelieferung ganz grosse Schwierigkeiten. Bei einem Wärme-
austausch in der Ammoniaklinie seien die Rohre geplatzt und das
Endergebnis seien zwei Tote gewesen, die Untersuchungen durch die
Firma Veritas in Oslo hätten nun ergeben, dass 60 % der Schweissungen
schlecht ausgeführt seien. Trotzdem hätten Zertifikate vorgelegen,
wonach die Schweissnähte einwandfrei gewesen sind. Diese Zertifikate
müssten in dem Fall falsch ausgestellt worden sein. Die Anlagen, die die
VÖEST aber bis jetzt nach Polen geliefert hat, sind absolut einwand-
frei. Aus diesem Grund möchte Polen von England weg und sich wieder
mehr österr. Anlagen heranziehen. Mit den Stickstoffwerken könnte
eine Kooperation versucht werden. Solche Kooperationen sind der-
zeit mit Frankreich, der BRD aber auch mit Japan in Polen auch mit
Drittländern in Arbeit oder sogar schon wirksam. Insbesondere könnte
es jetzt zu einem positiven Abschluss über eine Melaminproduktion
kommen, die die Polen jetzt endgültig zu finalisieren gedenken.
Mit einem Seitenhieb erwähnte Olszewski allerdings, dass sie seiner-
zeit mit den ÖSW einen Ammoniak-liefervertrag gehabt haben, von dem
sie dann feststellen mussten, dass diese Ammoniaklieferungen aus Ungarn
über die ÖSW geliefert wurden. Polen hat derzeit mit Frankreich einen
chemischen Komplex über die Soda in Indien in Aussicht, mit Frankreich
gleichzeitig eine in der Türkei und mit Frankreich einen weiteren in
Syrien und hofft sogar, für Marokko und Tunesien entsprechende Liefer-
möglichkeiten zu haben. Für die VÖEST käme aber eine Kooperation auf
Drittland Kongo und die Türkei mit den ÖSW gemeinsam in Frage. Aller-
dings müsste in diesem Fall die Finanzierungsfrage gelöst werden und
sie erhoffen sich bessere Bedingungen als sie sie derzeit bei Frankreich
und in Italien bekommen können. Ich liess sofort keinen Zweifel, dass
mir eine bessere Bedingung unmöglich erscheint. Sowohl Gen.Dir. Koller
VÖEST, als auch Gen.Dir. Buchner, ÖSW, deren Namen ich vor allem auch dem


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minister Olszewski eingeladen habe, sind zu dem Essen am Abend gekommen
und haben grössten Wert darauf gelegt, dass dieser Gast jetzt von ihnen
die zwei Tage betreut wird und eventuelle konkrete Geschäfte abgeschlossen
werden können. Sekt.Chef Gatscha, den ich dann nach Hause führte, meinte,
er hätte aus Bemerkungen von Sekt.Chef Loebenstein entnehmen können,
dass zwei dringliche Anfragen im nächsten Parlament zu erwarten seien.
Auch hier sieht man den Unterschied, wie bei uns im Handelsministerium,
zwischen dem Blabla der Sektionschefs, den Cocktailparty-Informationen,
die nichts sagen und nichts bringen, auf der einen Seite und den sehr
konkreten Vorstellungen, Verhandlungen und Wünschen der Unternehmungen auf
der anderen Seite. Wahrscheinlich kann die Ministerialbürokratie gegenüber
den Oststaaten überhaupt nur deshalb so stark in Erscheinung treten, weil
man von dort noch immer gewohnt ist, dass auch die Ministerien viel
zu reden haben und daher die Generaldirektoren, die ja auf der drüberen
Seite mitgenommen werden, teilweise Befehlsempfänger der staatlichen
Stellen sind. Nebenei erörterte ich auch Olszewski unsere Verhandlungen mit
der EG in Brüssel, damit wir einmal erklären können, wir hätten alle
Oststaaten bei jeder Gelegenheit informiert. Ich erwartete mir natürlich
keine Reaktion von ihm, was auch prompt eintraf.

Tätigkeit: Chemie Linz


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        Tätigkeit: GD VÖEST


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          Tätigkeit: (ehem.) poln. Außenhandelsminister


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