Dienstag, 4. Juli 1972
Turnauer verspricht, sich die Stillegung von Schlöglmühl noch einmal
genau zu überlegen. Die Zusicherungen, die die NÖ. Landesregierung ge-
macht hat sind anders als NR Samwald in Schlöglmühl den Betriebsräten
und mir mitgeteilt hat. Keinesfalls wird also ein Millionen-Schilling-
Betrag als Verlustabdeckung a fonds perdu zugeschossen. Die Landesre-
gierung gibt nur durch 5 Jahre jeweils 2 Mill. S Kredit zu einem 4 %-igen
Zinssatz. Min.Rat Anreiter und Dr. Haffner haben dies in der Landes-
regierung festgestellt. Andererseits kann ich nach einer Rücksprache
mit Direktor Holzbach von Waldheim-Eberle feststellen, dass diese
Firma nicht daran denkt, von Schlöglmühl abzugehen und den Papierbezug
auf die Schweiz zu übertragen. Die Schweiz bietet allerdings anstelle
von 7.50 S um 1.– S die Papiersorte billiger an. Holzbach, mit dem ich
spreche, ist bereit, einen längeren Vertrag für den Bezug von gestriche-
nem Papier mit der Neusiedler abzuschliessen. Direktor Dauscha wird
diesbezüglich mit Dir. Holzbach verhandeln. Niemand glaubt allerdings,
dass die Papierpreise sich in der nächsten Zeit durch Erhöhungen wesent-
lich die Ertragslage von der Papierindustrie und damit auch von der Neu-
siedler verbessern würde. Nur Häuser ist bereit, aus der produktiven
Arbeitslosenfürsorge einen entsprechenden Betrag von 3 Mill. S a fonds
perdu zu geben. Eine Stillegung von Schlöglmühl lässt sich vielleicht
unter diesen Umständen noch einige Monate hinauszögern.
Im Entlastungsausschuss werden die Vorschläge der Leder- und Schuhindustrie
durchbesprochen. Die Schuhindustrie hoffte, dass sie aufgrund der
vorgelegten Unterlagen unverzüglich bereits die Zustimmung der Arbeiter-
kammer und des ÖGB bekommen wird, weil sie im Herbst bereits ihre Kollek-
tion fix verkaufen muss und daher gerne bereits jetzt die Genehmigung
zur Entlastung haben würde. Das Problem der Kapitalkosten ist aber
noch nicht endgültig geklärt. Für diesen Anteil hat die Handelskammer
keine entsprechenden Entlastungsanteile berücksichtigt. Seidl hat in
seinem Memorandum festgehalten, dass dadurch das Preisniveau um 2–3 %
höher ausfällen würde, als wenn man die Abschreibungen und die Verzinsung
hier berücksichtigt. Solange also eine solche Grundsatzentscheidung noch
nicht gefallen ist und damit die Entlastungssätze, die die Handelskammer
auch für die anderen Produkte vorschlägt zu gering sind, kann nicht damit
gerechnet werden, dass die Arbeiterkammer und der Gewerkschaftsbund
eine endgültige Zusage zu Entlastungssätzen gibt. Dies wird ein
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äusserst schwieriges Problem. Bei der Sitzung stellt Zöllner mit
Recht fest, dass gerade auf dem Schuhsektor es sich um verschiedene
vertikal organisierte Betriebe handelt, und es schwer sein wird, einen
einheitlichen Entlastungssatz zu finden. Humanic als total integrierter
Betrieb wird am wenigsten entlasten und damit eigentlich die höchsten
Schuhpreise verlangen müssen. Selbst dann, wenn die Kapitalkosten berücksich-
tigt sind. Demgegenüber wird ein Kaufhaus, welches Schuhe zusätzlich
erworben hat und führt, eine höhere Entlastung haben. Am meisten aber
wird ein kleiner Schustermeister die grösste Entlastung verzeichnen und
dann eigentlich den billigsten Preis verrechnen müssen. Dies ist
natürlich rein theoretisch, denn in der Praxis wird er sich natür-
lich nach den grösseren Firmen richten und sofort die Preise nach oben
anpassen. Gerade bei den kleinsten Betrieben wird man dies kaum kontrol-
lieren können. Auf dieses grundsätzliche Problem wird man bei den
nächsten Entlastungssitzung, wo wir uns mit den generellen Fragen neuer-
dings beschäftigen werden, zurückkommen müssen.
Im Ministerrat berichtet der Bundeskanzler über die Vereinbarung zwischen
der Volkspartei und der Bundesregierung im Zuge der Verhandlungen über
das Preisbestimmungsgesetz und über die zu erwartende Bauerndemonstration.
Die Demonstration wird eine ganz harte Auseinandersetzung, da Dr. Lanner
vom Bauernbund einen entsprechenden Aufmarsch von Bauern, die tiefe Renten
und damit nach Auffassung der Landwirte ein zu geringes Einkommen haben,
demonstrieren will, wie schlecht es den Bauern geht. Kreisky vergleicht
das intern mit dem in der Dreigroschenoper organisierten Bettleraufmarsch.
Ob er dies dann auch den Demonstranten gesagt hat, resp. den Delegierten
die er empfangen hat, weiss ich nicht, da ich am Anfang dieser Verhand-
lungen die Pressekonferenz im Concordia gehabt habe.
Über die Finanzierung von Altenwörth und Malta, wo der Bund jeweils
600 Mill. S Kapitalaufstockung bei den Draukraftwerken und den
Österr. Donaukraftwerken vornimmt, sowie für die Mehrzweckanlage an
der Donau 1.000 Mill. bereitstellt, weil es erst im Jahre 1974
macht Androsch den Vorbehalt, dass dies nur nach Massgabe der Budget-
möglichkeiten erfolgen könnte. Ob dies tatsächlich eine entsprechende
Möglichkeit gibt, von den Zusagen Abstand zu nehmen, wenn die Ertragslage
des Bundes so schlecht sein sollte, kann ich momentan nicht prüfen.
De facto glaube ich, dass damit eine endgültige Zusage von 2,4 Mia. S
erfolgt ist. Ich hoffe, dass diese budgetäre Situation für 1974 nicht
eintreten wird, dass wir infolge von Fehleinschätzungen des Finanzmini-
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sters oder von Rückschlag in der wirtschaftlichen Entwicklung die
Budgetmitteln nicht bereitstellen könnten. Die E-Wirtschaft hat ca.
den doppelten Betrag als notwendig zuerst errechnet. Daraus ersieht
man, dass eine wirklich exakte Kalkulation in keinem Fall scheinbar
vorliegt. Kreisky will insbesondere wissen, was bei der Gewerbeordnung
Präsentation von uns vorgeklärt ist, da alle anderen immer im Minister-
rat bei einigermassen bedeutenden Gesetzen viel länger referieren
als ich dies tue. Vielleicht war es wirklich von mir ein Fehler, ein
so bedeutendes Gesetz auch im Ministerrat, d.h. in einem Kreis,
wo man ja niemanden anagitieren sollte, nur ganz kurz ich bitte um
Zustimmung, zu referieren.
Die Pressekonferenz im Concordia ist verhältnismässig nicht gut
besucht und noch viel weniger mit Spitzenreportern. Hier bewahrheitet
sich, was ich immer wieder vermutet habe, dass dort nur verhältnismäs-
sig viele Kosten entstehen und nur ausländische Korrespondenten eigent-
lich als für sie von Neuigkeitswert erscheinen. Die österreichischen
Zeitungen sind durch unsere Montagrunde besser informiert und kommen
deshalb eigentlich nur mit der zweiten Garnitur zu dieser Presse-
konferenz. Dabei ist, glaube ich, es das erste Mal, dass von einem
Minister bei so einem bedeutenden Gesetzeswerk nicht nur die
Spitzenbeamten, also der Sektionschef und eventuell ein Abteilungs-
leiter, sondern bei uns wirklich jetzt alle davon betroffenen Beamten
der Presse vorgestellt werden. Dies müsste eigentlich im Handelsmini-
sterium bei den Beamten eine gewisse Befriedigung auslösen, da doch
damit mein Motto öffentlich dokumentiert ist, wer arbeitet, soll auch
in Erscheinung treten.
ANMERKUNG FÜR KOPPE: Es wäre interessant, ob dies ein positives
Echo im Ministerium ausgelöst hat.
Die Diskussion mit der ÖVP-Delegation im BKA wurde auch auf den Ball-
hausplatz übertragen und ich kann bereits bei meiner Ankunft dort
feststellen, dass Kreisky, wenn er spricht, viel zu leise ist und
deshalb unten kaum verstanden wird. Ich mache ihn auf diesen Umstand
aufmerksam, Koppe vermutet aber, dass sogar die Arrangeure dieser
Übertragung die Lautstärke nur bei den ÖVP-Rednern entsprechend regu-
lieren und bei den Regierungsmitgliedern gedrosselt hätten. Dies
glaube ich nicht, denn ich spreche sofort ganz laut, was Lehner
nachher veranlasste, mich zu fragen, warum ich denn so geschrien
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hätte. Weihs, der rückwärts von der Demonstration gestanden ist, teilt mir
mit dass meine Auskünfte sofort eine entsprechende Aufmerksamkeit rein
durch die Lautstärke erzielt haben. Lehner selbst wollte von mir wissen,
was ich gegen die Liberalisierung von Bruchreis bis jetzt geschehen ist,
Ich liess mich auf eine sachliche Diskussion erst gar nicht viel
ein, sondern attackierte meine Amtsvorgänger, die die Liberalisierung des
Reises eingeführt hätten und wir sollten dies jetzt in Ordnung bringen.
Ebenso wendete ich mich ganz entschieden gegen die Auffassung von Lanner,
der erklärte, dass bei den EG-Verhandlungen die Molkereiprodukte, die von
der Landwirtschaft von grösster Bedeutung sind, unberücksichtigt bleiben.
Kreisky spielte ihr Argument zurück, indem er erklärte, dass sie eine
entsprechende ungeschickte jetzt in der Öffentlichkeit bekannte Tatsache
dass die Bauernvertreter eine von ihm im Integrationsausschuss vertraulich
gegebenen Mitteilung der Öffentlichkeit jetzt bekanntgegeben haben. Lanner
replizierte darauf, dass ich bereits im Parlament erklärt hätte, dass
die österreichischen Bauern keine positive Lösung in Brüssel erwarten könne,
behauptete das Stenographische Protokoll darüber in der Tasche zu haben.
Kreisky meinte, dann sollte er es herausgeben und als er dies nicht hatte,
war er sehr blamiert. Obwohl jedermann erkennen konnte, dass Kreisky sehr
froh war, dass er diesen Schlag Lanner versetzen konnte und er damit die
Sache als erledigt betrachtet und keinesfalls auch die materielle Frage ein-
gehen wollte – ich hatte nämlich in einem Zwischenruf festgestellt, dass
ich niemals erklärt hätte, die Interessen der Bauern seien damit für die
Bundesregierung uninteressant, sondern ich habe mich nur dagegen ausge-
sprochen, dass wir erwarten können, dass die Regelung im Rahmen des EG-
Vertrages erfolgen kann – meinte Kreisky, es gäbe hier eben kein Protokoll
das Bundeskanzleramt hätte keines, als er darum ersucht wurde, ging Sekt.
Chef Jiresch dann doch eines holen. Für jedermann war es klar ersichtlich,
dass er hier die ÖVP unterstützen wollte, obwohl ich ihm zugutehalte, dass
er vielleicht gar nicht überlegt hat, was er damit anstellte. Vielleicht
wollte er wirklich nur beweisen, dass das BKA selbstverständlich
die Protokolle d. NR besitzt, in Wirklichkeit war es ein ungeheurerer
Affront gegen die Aussage des Bundeskanzlers, der ihm erklärte, er besitze
ein solches Protokoll am Ballhausplatz nicht. Für mich war das Protokoll
aber dann deshalb wertvoll, weil ich tatsächlich zitieren könnte, dass
ich ausdrücklich erklärt hätte, wir würden die Interessen der Landwirt-
schaft auf diesem Sektor nicht vernachlässigen oder gar aufgeben, wenn es
im Laufe der Verhandlungen noch etwas im autonomen Regelung zu erreichen.
Im Klubvorstand, wo Leodolter und ich aufgefordert wurden zu erscheinen,
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hat sich Pansi sehr beschwert, dass er über die wie er vermutet ständigen
Besprechungen zwischen Leodolter und mit über das Lebensmittelgesetz
nicht ja sogar von Koppe falsch informiert wurde. Ich erklärte, dass
ich nach wie vor dazu stehe, dass wenn der Klub beschliesst, dass
das Handelsministerium keine Kompetenz bekommen sollte, wie dies auch
in der Regierungsvorlage vorgesehen ist, darauf keinen Krieg oder auch
nur einen Anspruch erheben würde. Ich machte nur darauf aufmerksam, dass
das Lebensmittelgesetz, so wie die Regierungsvorlage es vorsieht, schwer
administrierbar sein wird. Leodolter, die mir im Grund recht, dort
sich aber überhaupt nicht zu Wort meldete, hat nachher gemeint, wir müssten
Pansi gemeinsam versuchen zu beruhigen. Wertvoll war im Klub die Unter-
stützung von Häuser, der rundwegs zugab, dass dieser Gesetzentwurf inner-
halb von 8 Tagen erstellt werden musste, und daher niemand auch das
Handelsministerium nicht die Möglichkeit hatte, seine begründeten Ein-
wendungen dem Sozialministerium zu sagen. Leodolter hat jetzt Dozent
Petuely den Auftrag gegeben, mit Dozent Barfuss, der von der ÖVP als
Experten immer wieder bei den Sitzungen erscheint, über Details zu
sprechen, um einen neuen Entwurf vorzulegen und diese Mitteilung hat
sie dem Klubvorstand vorenthalten, da Gratz in Wirklichkeit nur wollte,
dass wir uns formell verpflichten, vorher d.h. in der Fraktion alle
unsere Wünsche den Genossen mitzuteilen und erst dann im Unterausschuss
die entsprechenden Abänderungsanträge zu stellen. Eine Aussprache zwischen
Petuely, Koppe, Leodolter und in weiterer Folge Pansi und mir zeigt mir
deutlich, dass Petuely von dem Standpunkt ausgeht, im Handelsministerium
ist bis jetzt nur ein ÖVP-Minister gesessen der alle Wünsche der Sozial-
u. Gesundheitsminister abgelehnt hat und in Hinkunft könnte dies auch so
sein, deshalb die entsprechenden Gesetze und Verordnungen ebenfalls unter
Mitwirkung des Handelsministerium gemacht werden sollen. Dies führt so
weit, dass man uns sogar die Mitkompetenz bei der Einfuhr, die wir aller-
dings derzeit auch nicht haben, keinesfalls geben will, wohl aber dem
Finanzminister. Ich erklärte, dass die seinerzeitigen Vereinbarungen
zwischen Sozial- und Handelsministerium unter meiner Führung so gelautet
haben, dass die Täuschung und Kennzeichnung, soweit sie das Geldbörsel
betreffen vom Handelsministerium, soweit sie die Gesundheit betreffen
vom Sozialministerium getroffen werden sollten. Leodolter wollte von
uns unsere konkreten Wünsche haben und sie wird sich dann dafür einsetzen
und so hoffe ich auch durchsetzen, diese im neuen Entwurf, resp. in den
Abänderungsanträgen zu berücksichtigen.
Im Klub selbst berichtete Gratz über die Regelung der Bezüge der
Abgeordneten und dass durch die erholten Bruttobezüge auch der
Klubbeitrag um 10 % auf 7 % herabgesetzt werden kann und damit
dieselben Einnahmen des Klubs gesichert sind, ca. 2,5 Mill. S wie
bisher. Anstelle der 1.850.– S pro Monat wird jetzt die Staffelung
1.535.– bis 1.977.– je nach der Dauer der Angehörigkeit zum NR
für dein einzelnen Angeordneten betragen. Die Herabsetzung des per-
zentuellen Klubbeitrages war deshalb möglich, weil natürlich dieser
Beitrag vom Bruttobezug gerechnet wird und der durch den Abzug der Steu-
ern ja in Hinkunft wesentlich erhöht wird. Wenn tatsächlich der
Klub nicht mehr einnimmt, dann wäre wirklich die Regelung wie sie
jetzt kommt, für die Abgeordneten einkommensneutral. Dies glaube ich
allerdings nicht. Dies trifft sicher nur zu, wenn doch bedeutende
Nebeneinkommen wie z.B. eben bei Beamten Gehaltsbezug Un damit
im Zusammenlegen mit dem 50 %-igen Nationalratsbezug eine höhere
Progression sich ergibt. Auch die gilt glaube ich nur für die
höheren Beamtengruppen. Ich fürchte, dass die Zeitungen dann letzten
Endes doch die Einzelfälle durchrechnen werden und dies wird in der
Öffentlichkeit kein gutes Bild geben. In meiner Forumdiskussion werde
ich deshalb hart attackiert werden.
Rösch wurde von Dr. Nussbaum, ORF, aufgefordert, an einer Live-Dis-
kussion über die Preisdiskussion und über das Preisbestimmungsgesetz mit
Mussil und Lachs vom ÖGB sowie einem Universitätsprofessor und einem
Praktiker teilzunehmen. Rösch erklärte sofort, er hätte vorgeschlagen,
dass ich diese Diskussion übernehmen sollte, weil er ja letzten
Endes bei dieser ganzen Gesetzesregelung nur mehr die Überwachung,
bis das grosse Kompetenzgesetz in Kraft tritt, durchzuführen hätte.
Rösch meinte dann noch zu mir, er wollte diese Materie nicht auf
mich abschieben und vor allem mich nicht in die Live-Diskussion
beim Fernsehen hineinhetzen, aber er fühle sich wirklich dafür nicht
zuständig, obwohl diese Materie sicherlich nicht lustig wird im
Fernsehen zu behandeln, habe ich trotzdem selbstverständlich
sofort zugesagt.
Bei meinem Bericht im Klub der Mandatare auf der Landstrasse konnte
ich feststellen, dass natürlich ein Teil der Genossinnen und Genossen
die Preisregelung bei Fleisch so aufgefasst wissen wollte, dass man eben
nicht Höchstpreise nach den höchsten häufigsten Preisen, sondern womöglich
nach den tiefsten Preisen bestimmt. Für uns war es daher direkt ein Glücks-
fall, dass die Fleischindustrie erklärte, zu diesen Preisen die Produk-
tion einstellen zu müssen, was niemand allerdings ernstlich erwartet.
Dadurch, dass einzelne Fleischhauer unter den Höchstpreisen bis
jetzt Wurst und Fleischwaren verkauften und ich hoffe auch in Hinkunft ver-
kaufen werden, glaubt die Bevölkerung und vor allem auch unsere Funktio-
näre, man hätte den Preis eben nach dem tiefsten Preis als Höchstpreis
festsetzen müssen. Schon daraus ergibt sich, dass jede Preisfestsetzung
d.h. einfang von Marktpreisen in eine Regelung auf die Kritik zumindestens
eines Teil auch unserer Funktionäre stosst. Wenn nun im Laufe dieser
Preisfestsetzung in den nächsten Monaten z.B. durch die zu erwartende
Lohnbewegung der Fleischereiarbeiter eine entsprechende Korrektur wird
erfolgen müssen, wird dies neuerdings in der Öffentlichkeit zu unangeneh-
men Diskussionen führen. Andererseits zeigte ich aber, dass gerade die Preis-
festsetzung und damit die scheinbare Eindämmung von Preiserhöhungen das Echo
in den Massenmedien ergibt, dass die Regierung jetzt endlich etwas
macht, Nach meiner Meinung könnte man dies propagandistisch am besten da-
durch auswerten, dass man der Industrie, dem Handel und Gewerbekreisen
erklärt, die ÖVP hätte ja immer behauptet, die Regierung sollte eben die
Preisregelung für Fleisch anwenden. Wenn man dies aber sagt, dann kommt die-
se Massnahmen der ÖVP zugute.
Beim Empfang für den polnischen Minister Olszewski teilte mir dieser und
insbesondere Gen.Direktor Lachowski mit, dass sie grosses Interesse
daran haben, dass die VÖEST einen grossen Auftrag für die neu zu ver-
gehende Raffinerie bekommen soll. Sie stellen sich vor, dass dies eine
Grössenordnung von 10–12 Mill. $ haben könnte. Sie werden den General-
kontrakt, Manprozeti, ersuchen, auch die VÖEST zur Anbotsstellung heranzu-
ziehen. In Wirklichkeit konnte ich dann unter sechs Augen feststellen, dass
die Möglichkeit der Lieferung an den finanziellen Bedingungen hängen
wird. Die Italiener, vor allem aber die Franzosen werden derartig günstige
finanzielle Konditionen bieten, sodass ich fürchte, dass die VÖEST schwer
wir mitkommen können. Ähnliches gilt wahrscheinlich auch bei der Melamin-
anlage, welche die ÖSW gemeinsam mit der VÖEST nach Polen liefern möchte,
der Fall sein. Wenn allerdings eine Firma imstande ist, eine entsprechende
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finanzielle Konstruktion zusammenzubringen und dem Zuschlag zu er-
halten, so ist dies nur die VÖEST.
Tagesprogramm, 4.7.1972
Tagesordnung 33. Ministerratssitzung, 4.7.1972
11_0854_03hs. Notizen (TO Ministerratssitzung Rückseite)