Mittwoch, 18.10.1972
Im Nationalrat verhärtet sich die Auseinandersetzung zwischen
der Oppositionsparteien und der Regierungspartei ganz bedeutend.
Die ÖVP hat eine heissen Herbst angekündigt und auch die FPÖ
schwenkt ganz auf diese Politik ein. Da wir mit der Vorlage unseres
Globalabkommen mit der EWG nicht fertig wurden, musste eine
zweite Sitzung anberaumt werden. Die ÖVP hat dem im Präsidium
zugestimmt. Es wurde deshalb vereinbart, dass die erste Sitzung
mit einer Fragestunde beginnt und eigentlich dies die alleinige
Tagesordnung ist. Die zweite Sitzung sollte dann ohne Frage-
stunde die Budgeterklärung des Finanzministers sein. Die ÖVP
nützt nun die erste Sitzung dazu, um zwei dringliche Anfragen
einzubringen. Die erste befasste sich mit der Inflation die zweite
mit dem Bundesheer. Die letztere wurde sogar von der FPÖ gebracht.
Die Taktik der Oppositionsparteien lag darin, vor dem Finanz-
minister seiner Budgetrede die entsprechenden Möglichkeiten eines
Angriffes auf die Regierung wegen ihrer Politik zu haben. Formal
war alles in Ordnung und durch die Geschäftsordnung gedeckt.
Andererseits reagierte der Klubvorstand damit, dass man erklärte,
man werde nicht in die Behandlung dieser dringlichen Fragen sofort
eingehen, sondern die Minister werden erklären, dass sie wohl
auf die Anfragen antworten, doch wie auch in der Geschäftsordnung
vorgesehen, ebenfalls formell in Ordnung, im Laufe von zwei
Monaten. Allerdings kündigten die Minister sofort an, dass sie
nach der Budgeterklärung des Finanzministers, d.h. in der nächsten
Sitzung die Frage beantworten werden. In der Diskussion sollte
nur Klubobmann Gratz sich melden und eine diesbezügliche Er-
klärung abgeben, dass es unfair ist und bis jetzt unüblich war,
dass bevor der Finanzminister seine Budgetrede gehalten hat, eine
Art Vorbudgetrede der Oppositionsparteien Platz greift. Die
Inflationsanfrage begründete nämlich Koren und erhielt als ehe-
maliger Finanzminister, wenn man so sagen will, eine eigene
Budgetrede. Hart attackiert wurde Lütgendorf, der ebenfalls er-
klärte, er wird erst nach der Budgetrede des Finanzministers
Stellung nehmen. Hier brüllte die Opposition, dass er kein unabhän-
giger Minister ist, sei, sondern dass er eben die Weisung von
Bundeskanzler oder der soz. Partei erhalten habe. Was die ÖVP
erreichen wollte, ist ihr gelungen, der Finanzminister kam mit
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seiner zweieinviertelstündigen Budgetrede erst um 1/2 8 Uhr zu
Wort. Am Rande bemerkt war die ÖVP und die FPÖ in einem grossen
Vorteil, weil sie von 11 Uhr vormittags bis 1/2 7 Uhr allein
den Plenumssaal und das Fernsehen und damit die Öffentlichkeit be-
herrschte. Heinz Fischer hatte noch im Klubvorstand und dann auch
im Klub berichtet, dass eine andere Möglichkeit noch bestanden
hätte, nämlich dass der Finanzminister das Wort gleich nach
der Fragestunde verlangt hätte und dann seine Budgetrede gehalten
hätte. Nach § 31 muss der Präsident dem Minister das Wort jederzeit
geben. Die Geschäftsordnung gibt eben den Ministern eine stärkere
Möglichkeit, sich Gehör zu verschaffen als den Abgeordneten. Dieses
Übergewicht der Minister hat auch dann die ÖVP und die FPÖ veran-
lasst, bei der zweiten Sitzung zu erklären, nachdem es im Präsidium
nicht geglückt ist, über die weitere Vorgangsweise eine Einigung
zu erzielen, das-s sie den Saal verlassen werden, wenn die Minister
nach der Budgetrede die Anfragebeantwortung vornehmen. Nach Auf-
fassung der Opposition ist dieser Tagesordnungspunkt bereits mit der
vorhergehenden Sitzung erledigt und sie anerkennen nicht, dass
der Minister sich einen Punkt aussuchen kann, wann er die dringliche
Anfrage beantwortet. Wenn im Nationalrat in Hinkunft noch mehr
Geschäftsordnungsstreitigkeiten auftauchen werden, wenn also die
Geschäftsordnung strapaziert wird, um überhaupt den Verhandlungs-
ablauf einigermassen zu ermöglichen, dann betrachte ich dies als
ein sehr böses Zeichen. Ich habe immer schon die Erkenntnis ge-
habt, dass wenn erst eine Organisation nach Geschäftsordnungen vor-
geht und nicht mehr im Geiste der Zusammenarbeit und vor allem der
gemeinsamen Lösung arbeitet sondern eben die Geschäftsordnung über-
haupt braucht, um weiter existieren zu können, dann ist dies in
meinen Augen ein ganz schlechtes und böses Zeichen.
Bei der Klubsitzung spät abends – bei der Unterbrechung - erklärte
Kreisky, dass gegenüber der ÖVP eine harte Politik gemacht werden
wird und dass vor allem einmal ihre Wünsche alle abgelehnt werden.
Dies bezieht sich auch insbesondere auf die Erstattungswünsche,
die sie jetzt haben. Ich hatte vorher Kreisky informiert, dass
Schleinzer mir gegenüber erklärt hat, dass dies Gefahr besteht,
wenn die Erstattungsfrage nicht für sie akzeptabel gelöst wird,
sie den Zeitplan bezüglich des Beschlusses des Globalabkommens
nicht einhalte werden. Schleinzer hat vorsichtigerweise ja
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nicht davon gesprochen, dass sie das Globalabkommen ablehen.
Kreisky meinte nur, so sollte diese Politik versuchen, mir
gegenüber hat er sogar gesagt, keinen Schilling bekommen sie.
Die Regierung müsste hier hart bleiben.
ANMERKUNG FÜR WANKE: Bitte stelle mir Min.Rat Meisl neuerdings fest,
dass keine wie immer geartete Unterstützung des Finanzministers für
irgendwelche Ausfallhaftungen oder sonstige Subventionen von uns zu-
gestanden wurden. Diese Wünsche der Handelskammer und der Landwirt-
schaftskammer haben noch nicht die Zustimmung der AK und des ÖGB ge-
funden und ich bin überzeugt, sie werden sie auch nicht finden.
Meisl soll nun in einer neuerlichen Sitzung festhalten, dass ich
mich um eine Lösung bemühen werde, wobei festgestellt wird, dass un-
sererseits keinerlei Zusagen gemacht werden können. Ich möchte näm-
lich nicht haben, dass irgendwo ein Zweifel daran besteht, dass
vielleicht zwar ich mich gegen eine solche Lösung ausgesprochen ha-
be, dass aber dann vielleicht Beamte, wenn auch nicht Meisl, so
vielleicht Schwarz oder irgend ein anderer Beamter des Hauses hier
irgendwelche Hoffnungen für die Landwirtschafts- und die Handelskam-
mer durch passives Verhalten gezeigt hat. Auch die Beamten, insbe-
sondere Meisl als Verhandlungsführer, sollten sich nicht verschwei-
gen.
Kreisky hat neuerdings darauf hingewiesen, dass eine breite Informa-
tion unserer Genossen und der Öffentlichkeit jetzt erfolgen muss.
Er meinte, man müsste besonders auf die klassischen VErsammlungen
wieder zurückgreifen. Im Ortstafelkrieg ist Kreisky bereit, mit jeder-
mann zu sprechen, auch mit dem Heimatdienst. Er meint auch über das
Gesetz könnte man mit einer Novelle noch einige Änderungen xornehmen,
doch vorher müsste klargestellt sein, dass das Gesetz eben wie es
jetzt beschlossen wurde respektiert werden muss. Broda machte zu
mir die treffende Bemerkung, dass mit den Ortstafelgesetz letzten
Endes das Handelsministerium befasst wird und wenn man so will,
schuld daran sein wird. Die Ortstafeln gelten als Verkehrsschilder,
sie begrenzen die Ortschaft und haben gewisse Geschwindigkeits-
nfolge für den Kraftfahrer, ressortieren daher auf Grund der
Trassengesetzgebung in der Vollziehung wohl bei den Ländern,
doch in der Gesetzgebung bei mir. Als Ironie des Schicksals
ist auch der Geschäftsordnungsstreit durch die Forderung meiner-
seits eine zweite Sitzung an dem Tag zu verlangen, auf das Handels-
ministerium zurückzuführen. Niemand wollte und wusste, dass es so
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kommen wird, man könnte ohne weiteres jetzt konstruieren, dass
ein weitreichender Plan von der ÖVP hier vorgelegen ist und deshalb
die Übersetzung nicht zeitgerecht vor einer Woche fertig wurde.
Abg. Pölz war mit der ganzen Entwicklung nicht einverstanden, er
meint, dass man zuerst das Ortstafelgesetz so schnell beschlossen
hat und man jetzt zugibt, dass man einzelne Gemeinden durch eine
Novelle vielleicht wieder herausnehmen wird, nur um Kärntens Wunsch
insbesondere Simas zu erfüllen. Andererseits aber nehmen wir zur
Kenntnis, dass die Ärzte demonstrieren, die Studenten und die Bauern
demonstrieren und wir überhaupt nicht auf der Strasse in Erscheinung
treten, auch nicht in den Jahren 1966 bis 1970. Er schlug vor, der
1. Mai sollte zu einer mächtigen Demonstration nicht nur der Wiener
sondern mit Unterstützung der Bundesländer durch einen Marsch über
die Ringstrasse gestaltet werden. Die Abgeordnete Herta Winkler
dagegen hat irgendwo aufgeschnappt, dass man eigentlich der ersten
Fragestunden hätte sofort den Finanzminister seine Budgetrede an
setzen sollen und dann in einer zweiten eben der Zuweisungssitzung nur
eine weitere Fragestunde machen, dann wäre dieses ganz Debakel nicht
gewesen und hat deshalb diesbezügliche Anfragen an Heinz Fischer ge-
richtet. Dieser aber auch Klubobmann Gratz haben sogar im Hohen
Haus bekannt gegeben, dass sie sich hier von der ÖVP insofern haben
reinlegen lassen, als sie nicht angenommen haben, dass eine solche -
wie sie sich ausdrückten – unfaire Gangart bei der Budgeterklärung von
seiten der ÖVP gespielt werden wird. Am meisten erschüttert aber glaube
ich war Kreisky von dem Verhalten der FPÖ. Er meinte auch, er hätte
zwar Verstanden, dass die FPÖ die Regierung hart attackieren wird,
aber dass sie sich dem Trick mit der Geschäftsordnung anschliessen
würden, war für ihn überraschend. Peter hat auch im Hohen Hause
ganz deutlich und sehr aggressiv diese neue Politik begründet.
Androsch hat in der Fragestunde vielleicht auch aus Verärgerung
die Fragen der ÖVP-Opposition entweder gar nicht oder so beantwortet,
dass er Unterstellungen der Beamten ganz einfach brüsk zurückwies
und damit die Zusatzfrage als erledigt betrachtete. Dies hat
Mitterer wieder veranlasst, mir auf der Regierungsbank zu sagen,
ein so arrogantes Verhalten kann die ÖVP nicht akzeptieren. Er
meinte dann scheinheilig, ich hätte noch niemals ihn angegriffen
und er hat auch daher mich jetzt als Oppositionsredner niemals per-
sönlich attackiert. Da ich in dieser ganzen Angelegenheit keine
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Diskussion mit Mitterer wünschte, habe ich auch ihn nicht auf-
merksam gemacht, dass er wohl bei jeder Gelegenheit in nicht
sehr fairer Art und Weise über meine Politik herfällt, wenn es
eine reine sachliche Auseinandersetzung wäre, würde ich darüber kein
Wort verlieren. Doch gibt es darin auch Bemerkungen, wie: Man musste
ihn mit dem Nasenring nach Brüssel ziehen, in Rom könnte ich von
ihm aus in Blue Jeans erscheinen, lauter Gags, die meiner Meinung
nach aber nur aus der Verärgerung Mitterers zu erklären sind. In
diesem Fall kann man eben über solche Bemerkungen hinweghören resp.
sie nicht erwidern, mit gleicher Münze, was eine ungeheure Geduld
voraussetzt, oder man zahlt mit gleicher Münze heim, was natür-
lich dann eine persönliche Fehde bedeutet. Vielleicht ist es Feig-
heit, dass ich nicht anders reagiere, aber ich stehe halt auf dem
Standpunkt, dass es unter meinem Niveau wäre, mich auf so kleinliche
Weise mit Mitterer auseinanderzusetzen. Ich kann und will es nicht
verstehen, dass die politische Auseinandersetzung mit den Gegnern,
ob nun von der ÖVP oder FPÖ, ja sogar von der SPÖ-Seite auf eine
solche Weise erfolgen muss. Ich kann und will es nicht glauben, dass
das Zusammenwirken des vergangenen Vierteljahrhunderts zwischen den
staatstragenden Parteien besser gewesen ist als das jetzige System.
Immer mehr verdichtet sich bei mir die Überzeugung, dass Österreich
wahrscheinlich als kleiner Staat und, um nicht im politischen
Spannungsfeld der grossen Parteien grossen Schaden zu leiden, wahr-
scheinlich das Schweizer Proporzsystem als idealere Lösung zu be-
trachten ist. Die idealste Lösung ist es sicherlich auch nicht, aber
es verhindert doch entsprechende Auseinandersetzungen, die vielleicht
früher oder später einmal zum grösseren Bruch führen könnten.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass die grosse Mehrheit der österr.
Bevölkerung nicht lieber eine Zusammenarbeit auf irgendeiner Basis
möchte als die harte Konfrontation, die – wie sich ja jetzt immer
deutlicher zeigt – nur noch weiter eskalieren kann.
Da Kreisky durch die Anfragen an die Minister, die auch an ihn als
Bundeskanzler gerichtet waren, eine Delegation aus Weissenbach-St.
Gallen nicht empfangen konnte, hat Teschl mich ersucht, ich sollte
diese Genossen, die entweder BRO von der Neusiedler oder die
Bürgermeister und Vizebürgermeister waren, empfangen. Ich habe mich
mit ihnen stundenlang unterhalten, weil sie das Gefühl hatten,
die ÖVP würde für ihr Gebiet jetzt stärker eintreten als die soz.
Seite. Ich versicherte ihnen, dass alles unternommen wird, um Betriebe
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in diesen Raum zu bringen, wenn Weissenbacher Zellulose sperrt.
Was im März sicher der Fall sein wird. Wenn die Landesregierung tat-
sächlich das Starlight-Projekt jetzt unterstützt, so konnte ich mit
Zustimmung von Kreisky ihnen erklären, dass auch die Bundesregierung
diesbezügliche Massnahmen ergreifen wird. Sie waren über die Aus-
sprache sehr befriedigt und wie sie mir erklärten, auch sehr beruhigt.
Ich habe ihnen allerdings keine konkrete Zusage gemacht, und dies
auch ausdrücklich festgestellt, da ich erklärte, wir würden trachten,
irgendwelche Arbeitsplätze in diesen Raum zu bringen. Dies müsste
sich nicht ausschliesslich auf die Starlight-Firma beschränken.
Ausserdem erklärte ich, könnte ich die konkrete Hilfe, die
letzten Endes der Bundeskanzler mit dem Finanzminister festlegen
würde, noch nicht sagen.
Wirlandner als Vorsitzender ERP-Kommission hat nämlich mit mir und
dann auch mit Veselsky, der dazukam, gesprochen, dass Poppovic und
auch erst selbst gegen eine Finanzierung aus ERP-Mitteln für die
Firma Starlight sei. Er meinte, dass Ansuchen für über 1,5 Mia. S
hat und nur 500 Mill. zur Verfügung stehen. Wenn die Fa. Starlight
dann um ERP-Mittel ansuchen würde, wäre sowieso schon das ganze
Geld für andere Firmen ausgegeben. Wirlandner ist gekommen, um um
eine Entscheidung zu bitten, wer in den Mittelkreditunterausschuss
kommen soll. Zu meiner Zeit war noch Kienzl vom ÖGB unser Vertreter.
Jetzt möchte sowohl Dr. Lachs vom ÖGB als auch Abt vom FWV, beide
Mitglieder der Kreditlenkungskommission oder ERP-Kommission diesen
Platz bekommen. Veselsky hat ungeheuer geheimnisvoll getan, hat die
Lösung auf ein Blatt Papier aufgeschrieben gehabt, hat es Wirlandner
nur gezeigt und meinte, dies sei die Entscheidung des Chefs, die
ganze Situation war für mich äusserst peinlich. Wenn ich Wirlandner
nicht so lange kennen würde und er wahrscheinlich auch Veselsky
kennt, müsste er von einem solchen Verhalten äusserst verwundert
sein. Die Entscheidung des Chefs bestand nämlich nur drin, dass
das Präsidium sich mit dem Problem beschäftigen wird. Auch hier
habe ich so wie immer eine Entschuldigung für ein solch komisches
verhalten. Veselsky ist derzeit scheinbar im BKA der Prügelknabe
für alles, was danebengeht. Auch dann wenn er in vielen Fällen
sicherlich überhaupt nichts dafür kann. Er bewegt sich deshalb
äusserst vorsichtig und natürlich unsicher und dies ergibt ein so
komisches Gehaben.
Kirchschläger hat mir mit eine längere freundschaftliche Aus-
sprache geführt. Er selbst möchte den Sitz des Kakao-Abkommens,
wenn es keinerlei Schwierigkeiten gibt, d.h. wenn wir nicht dabei
in der Minderheit bleiben, wenn es zu einer Kampfabstimmung kommen soll-
te, den Vorschlag Deutschlands, Hamburg zu nehmen, zustimmen. Er meint
allerdings, dass wir vorher doch uns nicht aktiv einschalten sollten,
sondern abwarten, wie die Mehrheitsverhältnisse sich herauskristalli-
sieren. Wenn sich herausstellt, dass dies eine riesige Niederlage
für Deutschland wird, dann sollte man dem deutschen Vertreter
zu erkennen geben, dass wir sehr wohl für Hamburg gestimmt hätten,
dass es aber eigentlich aussichtslos ist. Der Grund, warum Kirchschlä-
ger für Hamburg ist, ist, dass er den Deutschen hiermit eine kleine
Geste für ihr Verhalten in der EWG-Verhandlung zeigen möchte.
In der DDR-Verhandlung möchte er, dass das Aussenministerium feder-
führend wird. Er meint, und dies glaube ich mit Recht, dass es hier
nicht um eine wirtschaftspolitische Frage geht, sondern um die
Etablierung des Staates in Österreich. Ich habe ihm natürlich sofort
zugesagt, so dass das Aussenamt hier als federführend auftreten
kann und soll, weil ich ach auf dem Standpunkt stehe, dass es sich
hier um ein aussenpolitisches Problem handelt. Der Handelsvertrag
ist ja nur, wenn man so sagen darf, der Aufhänger, der nachher
abgeschlossen wird. Gegen Besprechungen zu Zusammenkünfte von
DDR-Beamten und meinem Haus z.B. auch mit Dr. Heindl sei gar nichts
einzuwenden, nur sollten wir uns unter gar keinen Umständen in die
Mission der DDR begeben. Dieser formelle Schritt ist ungewöhnlich
und folgt normalerweise nur zu irgendwelchen festlichen Anlässen
resp. gesellschaftlichen Veranstaltungen.
ANMERKUNG FÜR HEINDL: Vielleicht kannst Du zu einem späteren Zeit-
punkt mit Rey einmal essen gehen.
Bezüglich der Bestellung von Reiterer in Brüssel und damit der Abbe-
rufung Leitner meint Kirchschläger sei bereits die Entscheidung ge-
fallen. Reiterer könnte auch von mir nun offiziell verständigt
werden. Ich glaube aber, dass doch noch einige Details zwischen dem
Aussenamt und unserem Haus diesbezüglich geklärt werden sollten.
Heindl hat mir nämlich mitgeteilt, dass Hinteregger, der derzeitige
Kanzler des Aussenministers noch keinerlei Vorstellung über die
technische Durchführung dieses Beschlusses hat. Natürlich hatte
ich ja vor längerer Zeit schon offiziell in einem Schreiben die Abbe-
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rufung von Leitner mit Jahresende beantragt, doch glaube ich, dass
noch einige technische Fragen vorher zwischen unseren beiden Häusern
gelöst und geklärt werden müssten.
ANMERKUNG FÜR HEINDL: Bitte die einzelnen Etappen schrittweise genau
festlegen und vor allem mit Hinteregger abbesprechen.
Tagesprogramm, 18.10.1972