Donnerstag, 19. Oktober 1972
Dr. Kienzl von der Nationalbank hat Benya neuerdings auf die
zu erwartenden Preissteigerungen aufmerksam gemacht. Kienzl
meinte, daß unbedingt die Wirtschaftskommission aktiviert
werden muß. Diese Wirtschaftskommission wurde seinerzeit als
die SPÖ noch in der Opposition war, als Koodordinierungsstelle
zwischen Partei, Gewerkschaft, Arbeiterkammer, Konsumgenossen-
schaft als Koordinierungsstelle sehr aktiv. Vorsitzender war
immer der Parteiobmann. Als Kreisky dann Bundeskanzler wurde,
hatte er diese Institution vollkommen vernachläßigt. Als Ersatz
hatten wir unverzüglich nach der Regierungsbildung unsere wirt-
schaftspolitische Arbeitsgemeinschaft geschaffen, die aber nicht
zuletzt, weil die anderen Wirtschaftsminister nicht daran teil-
nahmen, insbesondere der Finanzminister, ist ein einziges Mal
gekommen, nie die Ersatzlösung für die wirtschaftspolitische
Kommission sein können. Daß eine Koordination aber notwendig ist
ist eigentlich jetzt gerade aus der wirtschaftspolitischen Si-
tuation deutlich sichtbar dringendst notwendig. Ich verspreche
mir zwar von der verhältnismäßig sehr großen Kommission nichts
besonderes. Die wirkliche Koordination müßte in einen kleinen
Kreis erfolgen. Da Kreisky jetzt mit Benya einen sehr guten
Kontakt hat, damit eigentlich der ÖGB und die Partei weitest-
gehend Koordiniert, hat Benya sicherlich auch kein besonderes
Interesse, daß diese wirtschaftspolitische Kommission aktiviert
wird. Nur so kann ich erklären, daß diese Forderung von Dr. Kienzl
solange unberücksichtigt blieb. Kienzl erhofft sich, daß in dieser
Kommission dann die Finanzpolitik, die Geldpolitik, die Preis-
politik usw. nicht nur besprochen wird, sondern auch entsprechende
Richtlinien erarbeitet werden. Ich glaube, daß dies eine Illusion
ist. Natürlich wird man in den einzelnen Gebieten Diskussionen
durchführen und Vorschläge vielleicht sogar erarbeiten an der Durch-
führung wird es aber dann hapern. Der große Vorteil dieser Regierung
ist, daß der einzelne Minister in seinem Sachgebiet unverhältnismäßig
viel allein entscheiden und allein die Politik durchführen kann.
Niemand redet dem Finanzminister oder auch nur einem anderen
Minister drein. Nur Kreisky hat die Möglichkeit und nützt sie auch
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reichlich, besonders, sicherlich wenn er gefragt wird, seine
Meinung dann den einzelnen Ministern, aber immer im bilateralen
Gesprächen auseinanderzusetzen und sicherlich auch durchzusetzen.
Ich erinnere mich noch sehr genau, wie ich z. B. seinerzeit über
die Vorkommnisse in Oberndorf bezüglich des Kupferbergbaues noch
den Fehler machte, bei einer Besprechung zu berichten, sofort
Kreisky entschied, daß jetzt das Berggesetz neu gemacht werden
muß.
Kienzl meinte, daß die Preissituation und die Preissteigerung
primär durch unsere Budget- und Finanzpolitik ausgelöst wird.
Die Kreditexpansion von 17 % Steigerung und mehr pro Monat wie
die expansive Budgetpolitik geben der Nationalbank keine Chance
gegenzusteuern. Androsch verlangt von Philipp Rieger, daß eine
ausl. Kredite für die Unternehmungen hereinläßt. Da aber alles
liberalisiert ist, meinte Kienzl, Rieger hätte gar keine Möglich-
keit, sich dagegen zu wehren. Kienzl erhofft noch und wenn es zu
dieser Wirtschaftskommissionsaktivität wieder kommt, dort diese
Probleme besprochen werden. Andererseits gibt Kienzl zu, daß z.B.
die jährlichen Lohnforderungen der Handelsangestellten und Arbeiter
auch vom ÖGB abgelehnt werden müßten. Benya steht aber auf dem
Standpunkt, daß dies die Funktion der Unternehmer wäre uns einfach
zu erklären, es können nicht alle Jahre Lohnbewegungen durch-
geführt werden. Da die Handelsangestellten und Arbeiter aber nur
eine gute Verhandlungszeit nämlich vor Weihnachten haben, hat
sich dieser jährliche Rhythmus eingeführt. Gegenüber den anderen
Gewerkschaften, die doch immerhin 14 bis 16, manche sogar 18
Monate zuwarten, ein ungeheurer Vorteil der Handelsangestellten
und Arbeiter. Allerdings haben sie deshalb verhältnismäßig ge-
ringere Lohnsätze abgeschlossen. Diesmal hätten sie aber neuerdings
15 % gefordert. Kienzl befürchtet, daß sich die Preisentwicklung
dadurch eskalieren wird und 10 % der Anfang nächsten Jahres sicher-
lich erreicht werden kann. Ich selbst getraue mir keine Prognose
zu machen, obwohl ich zugeben muß, daß die Berechnungen von Krämer,
der auch auf solche 10 % kommt, sehr viel Wahrscheinlichkeit be-
sitzen. Trotzdem weiß ich nicht, ob nach der Einführung der Mehr-
wertsteuer ein gewisser Käuferschock eintritt und die Anschaffungen,
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die er jetzt vor Weihnachten auf alle Fälle tätigt, dann
eine gewisse Dämpfung des Einkaufens mit sich bringt und damit
vielleicht dann die Preissteigerungen einigermaßen wieder auf-
hören. Die Unternehmer haben sicherlich bereits die Preiserhöhungen
weitestgehend vorweggenommen. Allerdings kann dann eine 10 %-ige
Indexsteigerung dazu führen, daß die Leute befürchten, daß jetzt
wirklich in eine galoppierende Geldwertschwundentwicklung kommen
und neuerdings wie irrsinnig zu kaufen beginnen. In diesem Falle
würde meine Theorie vom Käuferschock und Rückhaltung vollkommen
falsch sein. Das erste Mal in meiner 25-jähr. Berufstätigkeit,
wo ich mir eine Prognose zu stellen getraue und wo ich eine
Situation überhaupt nicht mehr überblicke. Wanke würde in dem
Fall sagen, ein typischer Fall von Inflationswirkung, wie sie
auch jedes einzelne Unternehmen und jeder einzelne Käufer vor-
findet und dann irrational handelt. Die Berechnungsgrundlagen
und die rationellen Überlegungen werden eben durch die
Inflation zerstört.
Bei der Gesamtvorstandssitzung, die wir sehr gründlich über drei
Tage erstrecken, hat zuletzt der Jugendsekretär Demler über die
Arbeiten berichtet. Er hat ein Papier vom Wirtschaftsbund gehabt,
wo ersichtlich ist, daß er diese ÖVP-Organisation, um sich jetzt
mit Lehrlingsfragen neuerdings beschäftigt und moderne Züge an-
nimmt. So ist in diesen Unterlagen vorgesehen, daß die Unternehmer
d.h. die kleineren Meister, die nicht im Stande sind, die Lehr-
lingsausbildung zu garantieren, auf ihre Kosten den Lehrling in
Institutionen, wie z. B. das WIFI, schulen lassen müssen. Ich
habe diese Unterlagen sofort an Jagoda weitergeleitet. Es wäre
interessant zu erfahren, ob unsere zuständige Abteilung dieses
Material schon besitzt.
Anmerkung für WANKE:
Bitte recherchiere bei 11a so wichtiges Material hat und warum
darüber nicht berichtet wird.
Mussil, der dringend eine Aussprache verlangte, erschien zu meiner
Verwunderung nicht allein, sondern hat Dr. Hecke mitgehabt. Ich
habe deshalb auch sofort Wanke zugezogen. Mussil hat größte Be-
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denken, die Entlastungssätze für das Fuhrwerksgewerbe nach den
tatsächlichen Umsatzsteuerentlastungen, die 35–40 % betragen,
vorzunehmen. Er befürchtet darin eine so starke Konkurrenzierung
der Bahn, daß er sich sagt, es wird in kürzester Zeit entweder
ein Fahrverbot oder zumindestens ein neuerliche steuerliche Be-
lastung eingeführt werden müssen. Er schlägt deshalb vor, daß
je nach den Güterklassen 12, 14, 16, 18 % nur entlastet wird.
Auch für Mineralöl glaubt er mit 18 % das Auslangen zu finden.
In Wirklichkeit ist dieser Vorschlag auch nicht die Lösung, denn
es werden jetzt zwar geringere Entlastungssätze, als ich auf
Grund der Umsatzsteuervorbelastung tatsächlich ergibt festgelegt,
doch werden die Unternehmer dann, wie sie dies jetzt schon teil-
weise machen, die Tarifsätze unterbieten. Wehsely von der AK
hat mich verständigt, daß sie sich über die Entlastungssätze doch
nicht endgültig geeinigt haben und saß die Bundesbahn eigentlich
einverstanden ist, wenn der Entlastungssatz 20 % beträgt.
Anmerkung für WANKE:
Bitte mit dem Verkehrsministerium Koordinierung herstellen.
Bezüglich der Erstattungsregelung, wollte Mussil unbedingt von
mir eine Zusage, daß die Regierung doch bereit ist, wenn sie
schon nicht das Wort er Datum verwendet, dann doch de facto Sub-
vention zu akzeptieren. Ihm schwebt vor, daß wir bei Zucker die
entsprechende Ausfallhaftung übernehmen und damit wenn der Welt-
marktpreis sinkt, die Differenz eben vom Budget aus ausgleichen.
Ich habe ihm dies neuerdings abgelehnt und erklärt, daß ich mit
Schleinzer bei dem Donaueuropäischen Instituts-Empfang eine solche
Aussprache geführt hätte und dort dezidiert erklärt, daß ich
kein Verhandlungspouvoir in dieser Richtung besitze. Mussil gab
zu diesem Zeitpunkt durch ein Versprechen, wie ich deutlich dann
bemerkte, zu erkennen, daß ihn Schleinzer ja geschickt hat, damit
er doch auf unserer Ebene noch eine Lösung versucht wird, weil an-
sonsten die ÖVP keine Möglichkeit sieht, dem Globalabkommen zu-
zustimmen. Gerade im richtigen Zeitpunkt kam Koll. Wiesinger und
teilte mit, daß vom Bundeskanzler angerufen wurde, um 11.00 nächsten
Dienstag finden im Nationalrat Parteienverhandlungen über dieses
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Mussil selbst selbst sich natürlich unbedingt für eine stärkere
Subvention ein. Nach seinen Berechnungen müßte für die Binnener-
stattung 23 Mio. S bereitgestellt werden. Derselbe Betrag, der auch
für die Aussenerstattung notwendig wäre. Demgegenüber hat man bei
uns im Hause, wie Wanke mitteilte, von 20 Mio. für die Binnen- und
Aussenerstattung gesprochen.
Anmerkung für WANKE:
Vielleicht wäre es zweckmäßig, so schnell wie möglich konkrete
Ziffern zusammenzustellen.
Bei der Zentralwerkstätteneröffnung in Bruck/Leitha von der
Fa. Rella, Dir. Kraus und Dr. Nemetschke, Gespräch für die VIBÖ,
d.h. den Fachverband für Bauindustrie, der gegründet werden soll,
neuerdings aufmerksam gemacht, daß ich noch immer keine Unterlagen
über rationellere Baumethoden bekommen habe. Ich habe dort bei
aller Anerkennung der Baugewerbeinnung doch erklärt, daß eine
Fachverbandorganisation für die industriellen Bauunternehmungen
notwendig ist und der Bundeskammerpräsident dem auch mehr oder
minder zugestimmt hat. Solange dieser Fachverband nicht gegründet
ist, kann ich mir vorstellen, daß die Bauindustrie großes Inter-
esse hat mit mir gut auszukommen und vielleicht doch jetzt ent-
sprechende Unterlagen liefert. Direktor Kraus meinte, ob man einen
Termin bei mir bekommen könnte, um dieses Problem eingehend zu
diskutieren und entsprechende Vorschläge zu besprechen, die sie
bringen wollen. Ich habe natürlich sofort zugesagt.
Anmerkung für HEINDL:
Bitte Deinem Freund Kraus mitzuteilen, daß ich aber nur dann be-
reit bin mir auch wenn notwendig stundenlang Zeit zu nehmen, wenn
entsprechende Unterlagen mitgebracht werden.
Im 5. Verbraucherparlament der soz. Frauen haben als konkrete An-
regung von Peter Zelka, Konsumgenossenschaft, Werbeausschuß die
Anbote von Diskontern mit den sogenannten Listenpreise vergleichen
möge. Nach Mitteilung Peter Zelka werden dort falsche Preisangaben
gemacht und damit der Konsument irregeführt. Natürlich hätte und
ich habe ihm dies auch sofort geantwortet, die Konsumgenossen-
schaft die Möglichkeit als Mitbewerber auf Grund des UWG-Gesetzes
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zu klagen. Dies hat sie in der Vergangenheit nicht gemacht und
wird sicherlich auch hüten, in Zukunft diesen Weg zu beschreiten.
Ich glaube deshalb, daß es wirklich zweckmäßig ist, einmal im
Werbeausschuß zu prüfen, ob hier eine irreführende Werbung vorliegt.
Anmerkung für KOPPE:
Bitte mit Prof. Mittag besprechen.
Als 2. Anregung wurde mit Recht kritisiert, daß wir in unserer
Konsumentenfibel den Hinweis haben, daß beim Bezirksgericht
auch ohne Anwalt geklagt werden kann. In diesem Falle begibt
sich der Fall aber in eine nachteilige Situation, wenn er ohne
Anwalt seine Begehren vertritt und dann verliert, muß er auf
alle Fälle die Anwaltskosten des Klägers, d.h. des Händlers
bezahlen, andererseits, wenn er durch einen Anwalt besser ver-
treten ist und automatisch dann vielleicht den Prozeß gewinnt,
entstehen ihm ja keine Kosten, weil die unterliegende Partei
seine Kosten des Anwaltes übernehmen muß. Hier wurde wirklich
weil wir nicht sehr darauf achteten, für den Konsumenten ein
gewisser Nachteil, der zwar rechtlich vollkommen einwandfrei
ist, dargestellt und wird manche Konsumenten veranlassen, doch
keinen Anwalt zu nehmen. Ich habe allerdings darauf hingewiesen
daß es mir zielführender erscheint, bevor an den Rechtsweg betre-
tend, auf gütigem Wege über die Interessenvertretungen oder
auch des Handelsministeriums eine Einigung versucht.
Tagesprogramm, 19.10.1972
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)