Mittwoch, 23. Mai 1973
Dr. Binder von der Österr. Kreditinstitut Bank hat angerufen, ob auch er
die rumänische Investitionsliste bekommen könnte. Die Mitteilung bei
unserem Pressefrühstück hat sich also insofern bezahl gemacht, als Krei-
se darauf aufmerksam wurden, die früher wahrscheinlich kaum etwas davon
erfahren hätten. Da jetzt neben der Creditanstalt auch die ÖCI sich
dafür interessiert, wird es vielleicht gelingen, die finanziellen kredit-
mässigen BEdingungen zu verbessern, um den rum.-österreichischen Aussen-
handel zu vergrössern.
Die Verhandlungen mit der DDR konnten erfolgreich abgeschlossen werden.
Es gelang eine Formulierung zu finden, die sowohl die Handelskammer als
auch die DDR-Delegation akzeptierte. Die Handelskammer hat insbesondere
verlangt, dass in irgendeiner WEise auf die Schillingfakturierung im
vertrag bezuggenommen wird. Da die DDR keine solche Ermächtigung hatte,
ist Gen.Dir. Meyer nach Berlin zurückgeflogen, um dieses Problem noch
einmal zu besprechen und ist dann mit Direktiven zurückgekommen, die
einen Abschluss ermöglichten. Bezüglich der Export-Importlisten für das
Jahr 1974 konte eine Einigung erzielt werden. Insbesondere gelang es,
eine Stahlposition mit 370 Mill. festzulegen. Edelstahl hat eine
Steigerung von 182 Mill. auf 280 Mill. erreicht. Beim Import aus der
DDR wurde auf dem Möbelsektor von der DDR 15 Mill. S verlangt. Die
derzeitigen Importe betrugen 4,6 Mill., das Kontingent konnteauf 10
Mill. aufgestockt werden. Da auch für das Jahr 1973 noch 3 Mill. S zu-
sätzliche Lizenzierung vorgenommen wurde und wahrscheinlich diese 3 Mill.
gar nicht im Jahre 1973 ausgeliefert werden können, wurde vorgesehen,
dass sie auch ins Jahr 1974 hinübergezogen werden können. Damit sind alle
zufriedne und ich hoffe auch, dass die Arbeiterkammer – die ständig auf
eine weitre Lizenzierung drängt – damit ihren Wunsch erfüllt hat.
Kreisky hat ausser Androsch Veselsky und mich alle Interessensvertre-
tungen aber vor allem das ERP-Büro zu einer BEsprechung über die Fonds-
gebarung im Zuge der Stabilisierung zusammengerufen. Da kien konkretes
Arbeitspapier dafür vorlag, handelt es sich doch mehr um Berichte.
Insbesondere hat Veselsky über den ERP-Fonds berichtet. Von den
150 Mill. S für den Fremdenverkehr, wo wir nur mehr 24 Mill. frei haben,
gab er zu, dass es die Situation erfordert, dass auch diese unverzüglich
freigegeben werden. Ursprünglich wollte Veselsky von mir unbedingt eh
ZUgeständis, dass wir auch hier restriktiv vorgehen. Da wir aber ein
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Überhangsangebot von 700 Mill. S bei der Hoteltreuhand haben, sah
ich mich ausserstande im laufenden Jahr eine entsprechende REduzierung
vorzunehmen. Genau dasselbe dürfte auch bei den 60 Mill. S der FAll
sein, die das Verkehrsministerium als Quote hat, hier ist auch nur mehr
ein REstbetrag, der für Seilbahnen restlos ausgegeben werden soll.
Insbesondere über die Fremdenverkehrsausgaben hat sich dann Dr. Lachs
vom ÖGB sehr aufgeregt. Er meinte, dass in der Industrievergabe grösste
Zurückhaltung auferlegt wurde. Von den 600 Mill. sind 500 Mill, beab-
sichtigt zu sparen. Diese 500 Mill. verfallen nicht, sondern werden
für das nächste Jahr gutgeschrieben. Allerdings sollen auch dort entspre-
chende ZUrückhaltun-g geübt werden, d.h. die vorgesehenen BEträge sind
erst im zweiten Halbjahr des Wirtschaftsjahres 1973/74 zu verwenden.
Mussil interessierte sich besonders für die vorgesehenen 200 Mill. S
für Grenzlandförderung. Ähnlich wie der Kohlenfonds mit 5-jähriger
Tilgungsfreiheit und 1 % Verzinsung sollen 200 Mill – bis jetzt waren
100 Mill. nur für die Kohlengebiete – neu für die Grenzlandförderung
bereitgestelltwerden.
Lachs, Reithofer und Lacina von der Arbeiterkammer haben mir nach der
Sitzung zu erkennen gegeben, dass man doch hätte sollen im Fremdenver-
kehrssektor ein bisschen zurückhaltend sein. Lachs meinte, dass Benya,
wenn er dies erfährt, das nur die Industrie sozusagen im ERP- ein
Stabilisierungsopfer gebracht hat, diese Haltung von Veselsky und der
Regierung nicht verstehen wird. Kreisky allerdings hat bereits in der
Sitzung darauf hingewiesen, dass die Industrie ja auch die grösste Quote
besetzt und deshalb die grössten Einsparungen durchführen muss. Ich bin
überzeugt, dass das verspätete Ausgehen der ERP-Quote in den einezlnen
Sparten eine Dämpfung kaum herbeiführt. In Wikrichkeit wird eine ent-
sprechende Zwischenfinanzierung gesucht und auch gefunden und ist nur
kostenverteuernd für die Kredite resp. für die VOrhaben.
Bei der Frauenkonferenz der Lebens- und Genussmittelarbeiter waren
zwar die vorgesehenen Delegierten anwesend, doch habenwird durch den
Wechsel unserer Frauenleiterin keine sehr aktive Frauengruppe. INter-
essant ist, dass eine einzige Forderung daraus resultiert, es ollte
eine Frauenleiterin hauptamtlich angestellt werden. Abgesehen davon,
dass wir gar keine wirkliche Funktionärin haben, die wir sofort anstellen
könnten und die das entsprechende Format mitbringt, ist es eine Illussion
dass man nr jemanden,d.h. eine Sekretärin haben muss und dann ist die
Frauenarbeit schon besser. Die Obmännin der Frauen im ÖGB, Abgeordnete
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Metzger hielt ein Referat insbesondere über die Frauenprobleme in der
Gewerkschaftsorganisation, ganz besonders die Probleme der Teilzeit-
beschäftigung, Ganztagsschule und Kindergartenfrage. In der anschliessen-
den Diskussion für dne Bericht und das Referat meldeten sich nur zei
Teilnehmerinnern. Bei unseren Frauenkonferenzen war es allerdings immer
so, dass entweder aus Schüchternheit oder aus sonst mir unbekannten
Gründen eine Diskussione kaum zustandekommt. Das nächste Mal werde ich
auch versuchen, hier eine lebhaftere Diskussion zu organisieren.
Bei der Staatswappenverleihung an die Firma Bender im Palais Schwarzen-
berg war ich überrasxcht, welche Prominenz an Wissenschaft und Wirtschaft
zu dieser 25-jährigen BEstandjubiläumsfeier eingeladen war und kam.
Bender ist heute ein Teil einer grossen deutsche pharmazeutischen Firma
und ein typisches Beispiel wie auf diesem GEbiet eine Initaitve, das
Unternehmen wurde vor 25 Jahren von einem Apotheker und einem kleinen
Industriellen gegründet, und natürlich früher oder später in deutschen
BEsitz überging. Das deutsche Stammhaus beschäftigt 15.000 Arbeitnehmer
und hat für die Forschung sehr viel übrig. Sie spendete aus diesem An-
lass auch 1,5 Mill. S in 10 Jahrenraten für die österr. Universität,
d.h. die von ihr besonders benötigten Institute. Nach einem aufschlussrei-
chen, aber natürlich nur heruntergelesenen Vortrag des Vorstandsvor-
sitzenden aus der BRD und einer Ansprache an Stelle Sallingers natür-
lich ebenfalls verlesen, war mein mit reichlichem Schmäh gespickte
Rede eine willkommene Abwechslung und wurde daher durch entsprechenden
Applaus honoriert. Vorteil war noch, dass ich vorher genug Zeit hatte,
um bei der Vorstellung der diversen Firmengründer und Abnehmer der Pro-
dukte die Möglichkeit hatten, mir Detailinformationen zu verschaffen.
Bei dieser Gelegenheit hat Bundesinnungsmeister Steffel von den
Bäckern ersucht und ich habe es ihm auch versprochen, dass wir so schnell
wie möglich die Vereinbarungen über die Lehrlingsausbildungsmöglichkeiten
das Berufsbild usw. erlassen werden.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte bei Kinscher drängen, dass so schnell wie
möglich diese VEreinbarung, die in eine Verordnung
gekleidet sein muss, erlassen wird.
Mussil erschienmit Präs. Menardi von der HK Tirol, einem Transportunter-
nehmer, um gegen die beabsichtigte Regelung in der Gewerbeordnung, dass
Hotel- und Gastgewerbebetriebe ihre Gäste mit eigenen Kraftfahrzeugen
transportieren könnten, zu protestieren. Menardi meinte, dass sie auf
Grund des Gelegenheitsverkehrsgesetzes bezüglich der Sitzplätze und
Wagen beschränkt sind, d.h. ihr Hauptrecht in der Gewerbeordnung damit
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stark eingeschränkt ist. Bei den Gast- und Schankbetrieben udn den
Hotels soll in Hinkunft aber das Nebenrecht lockerer und leichter
und bedeutender Sein als der Hauptrecht im Verkehrsgewerbe. Das könnten
sie nichtakzeptieren. Wir einigten uns aber dann, dass in die Gewerbe-
ordnung aufgenommen werden kann, dass die nächste Aufnahmestelle des
öffentlichen Verkehrs vom Hotel- und Gastbetrieben sehr wohl mit
eigenem PKWs betrieben werden darf und dies als Nebenrecht verankert
wird, Menardi und Mussil waren damit einverstanden. Damit ist
auch dieses schwierige Problem einvernehmlich gelöst.
Der tansanische Minister für Fremdenverkehr Makami ist zu einer
Sightseeing-Tour in Österreich. Natürlich war ich bereit, ihn zu
empfangen und wir haben uns über die Möglichekiten, den Tourismus
in ihrem Land zu verbessern unterhalten. Da hier in Wirklichkeit
das Hauptproblem, die Transportfrage gelöst werden müsste, hat
Würzl auch eine Vorbesprechung mit der AUA und dieses Fremdenverkehrs-
ministers organissiert. Die AUA wird, wenn es Chartermöglichkeiten
gibt, und ihre Maschinenbeschränkung dies ermöglicht, über Ägypten
zum Kilimandscharo eine Charterlinie eröffen. Dr. Papousek von der
AUA meinte, dass sie jetzt wohl einen internationalen Flughafen
haben, aber dass damit noch nicht sicher ist, dass sie nicht die ganze
Aufbauarbeit in kürzester Zeit zerstören.
Mit Würzl habe ich dann seinen Wunsch. eine Organisation für Sprach-
kurse im Fremdenverkehrsgewerbe aufzuziehen besprochen. Würzl
meint, dass er dafür 500.000 S benötigt, aber glaubt auch mit 250
oder sogar noch weniger auskommen zu können. Ich erklärte ihm rundweg
dass ich zwar die Idee gut finde, seine Vorarbeiten begrüsse, dass
ich mich aber beim besten Willen nichteinlassen kann, auf drei
Jahre – solange müsste es mindestens dauern – 250.000 S Jahr für Jahr
vorzusehen. Ich setzte ihm auseinander, dass im Finanzministerium
grösste Anstrengungen notwendig sein werden, um die notwendigen Mittel
für den Fremdenverkehr für die Aufrechterhaltung der jetzt laufenden
Aktionen zu bekommen. Neue Aktionen können deshalb von uns nur vorberei-
tet, aber keinesfalls finanzier werdden. Da das Sozialministerium in
der Arbeitsmarktförderung ungeheure Mittel noch frei hat, wird Würzl
versuchen, dort mit Sekt.Chef Lenert eintsprechende Vereinbarungen
zu schliessen. Angeblich hat z.B. die Gewerkschaft erklärt, dass sie
bereit ist, jederzeit die Kurse durchzuführen und sogar zu bezahlen.
Das letztere kann ich mir zwar nicht vorstellen, denn Gewerkschaft
Hotel und Gastgewerbe kann maximal die Kollegen aufforern, aber sicher-
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lich nicht die Mittel aufbringen, um diese Kurse zu starten. Würzl
meinte, es käme uns ja nur primär darauf an, dass von uns nur die
notwendige Prämierung für die Teilnahme an den Kursen bezahlt werden
müsste. Ihm schwebt vor, dass man z.B. dem Kellner einen 8-tätigen
Aufenthalt in England bietet. Da wir keinerlei finanzielle Mittel
für diese Aktion haben, wird Würzl versuchen, auch diese BEträge vom
Sozialministerium zu bekommen.
Würzl teilte mir mit, dass er das Gefühl hat, dass sowohl Stockinger
von der Sparkasse Salzburg, als auch Wirlandner von der Investkredit
die sich beide um das Rauriser Projekt, insbesndere die Erhaltung des
Sesselliftes bemühen, gegenseitig das Risiko zuschieben wollen.
Hendl hat mit dem BKA – Reiter – ausgemacht, dass weitere 3 Mill. der
Finanzminister zur VErfügung stellen sollte. Mit den 5 Mill. Zinsenzu-
schuss, die Weihs zugesichert hat, müsste es jetzt egelingen, eine
finanzielle Lösung aus dieser Krise zu finden. Im Juli sind die
Wechsel fällig und die Firmen haben erklärt, sie haben Eigentumsvorbe-
halt und werden den Sessellift wieder abmontieren. Meiner Meinung nach
eine total verfahrene Angelenheit. Der Finanzminister wird wahrschein-
lich dann letzten Endes nicht bereit sein, 3 Mill. zuzuschiessen, auch
bei dem Zinsenzuschuss von Weihs von den 5 Mill. werden sich grosse
Schwierigkeiten ergeben. Das ganze Projekt steht auf sehr wackeligen
Beien und deshalb will sowohl Wirlandner als auch Stockinger immer einen
anderen finden, der das Risiko übernimmt und letzten Endes die Verant-
wortung für dieses ganze Projekt.
ANMERKUNG FÜR HEINDL: BItte sie äusserst vorsichtig, damit nicht Du
oder das Handelsministerium letzten Endes übrig
bleibt.
Bei dem Abendessen für die ausländischen Gäste der Lebensmittelarbeiter
zu ihrem Kongress hatte ich Gelegenheit, mit dem bayrischen Delegierten
Ulbricht ein längeres GEspräch über die Bayern-Politik der SPD zu führen.
Die bayrischen Genossen sind der Meinung, dass es taktisch richtig war,
Vogel jetzt in die Bundesregierung zu schicken, denn der ehemalige
Bürgermeister von München ist das grosse Zugpferd in Bayern und
soll bei der nächsten Landtagswahl gegen Franz Josef Strauss antreten.
Dies kann er nach Auffassung der bayrischen Genossen besser, wenn er
vorher Minister gewesen ist. Für Vogel wäre also seine Tätigket in der
Bundesregierung nur eine Ügergangslösung. Die Genossen der SPD erwarten
eine wesentlich härtere Auseinandersetzung in der Zukunft als die an
nd für sich schon sehr harte Auseinandersetzung derzeit in Deutschland
stattfindet. Wenn man sich vorstellt, dass auch dieses Klima früher
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oder später zu uns kommen kann und wahrscheinlich auch kommen wird,
dass ist diese Zukunftpersektive nicht sehr erfreulich. Ich selbst
habe auf diesem Sektor ein ungeheuer schlechtes Gefühl. Fast würde
ich sagen Angst vor dieser Entwicklung.
Tagesprogramm, 23.5.1973
hs. Notizen
16_0606_02Manuskript: "I.) Warum mit dem 'Gegner' beschäftigen?"
16_0606_04Manuskript (Forts.): "II. Wirtschaftszweig im Glashaus"
Manuskript (Forts.): "III. Strukturprobleme"
16_0606_07Manuskript (Forts.): "IV. Gewerkschaft = Gemeinschaft"
Typoskript: "I. Warum mit dem 'Gegner' beschäftigen?"
16_0606_12Typoskript (Forts.): "II. Wirtschaftszweig im Glashaus"
Typoskript (Forts.): "III. Strukturprobleme"
16_0606_15Typoskript (Forts.): "IV. Gewerkschaft = Gemeinschaft"
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