Freitag, 29. und Samstag, 30. Juni 1973
Der bulgarische Ministerpräsident Popow ist für den Maschinenbau
zuständig. Deshalb hat er grosses Interesse gezeigt, bei Kooperations-
verträgen anwesen dzu sein und gleichzeitig aber Firmen zu besichtigen,
mit denen die Möglichkeit einer Kooperation besteht. Um 8 Uhr wurde bei
der Firma Ruthner zwischendem Gen.Dir. des bulg. Werkes und der Firmen-
leitung der Kooperationsvertrag abgeschlossen, woach Ruthner sein know how
und vor allem seine Anlagen nach Bulgarien und gegenbenefalls auf
Drittmärkten liefern könnte. Bei dieser Gelegenheit lernte ich auch
wieder ein Stück österr. Industriepolitik kennen. Die Firma Ruthner
ist heute ein Tochterunternehmen von Maschinenfabrik Andritz. Dies habe
ich nicht gewusst, zum GLück habe ich keinerlei Fragen gestellt sondern
mich im Laufe der Besichtigungsreise, ganz besonders dann bei der
Andritzer Maschinenfabrik am späteren Nachmittag ohne dass ich gefragt h
habe von dem Mutter-Tochter-Verhältnis überzeugen können. Wie blamabel
diese Situation ist, geht daraus hervor, dass bei uns im Haus man
immer davon geredet hat, es wird die Firma Ruthner in Andritz be-
sichtigt. Es gibt zwei Möglichkeiten, existieren zu können: die eine
ist, man weiss etwas und die andere ist, man kann sich mit dem Schmäh
und Improvisieren über den Wasser halten. Ich würde das erstere bevorzu-
gen, muss aber immer wieder feststellen, dass ich ausschliesslich nur
vom zweiteren lebe.
Bei der Fahrt in die Steiermark ist dann Dr. Ruthner in unserem Wagen
mitgefahren, und ich hatte Gelegenheit, mit ihm über die Mitterberger
Kupfergewinnung zu sprechen. Ruthner ist ein ausgesprochener Konkurrent
von der deutschen Firma Lurgi, doch erklrt Dr. Ruthner, dass er selbst
die Experimente in Mühlbach positiv beurteilt.
Die Rohrschweiss-Anlage bei der Alpine und die Besichtigung der beiden
Böhlerwerke in Kapfenberg und Deuchendorf zeigten mir, wie diese Indu-
strie von der Gaslieferung abhängig ist. Man hat sich bereits auf Erdgas
nicht nur umgestellt, sndern so fest eingestellt, dass – wie mir der Vor-
standsdirektor Dr. Grommer von Böhler erklärt, ein Ausfall eine Kata-
strophe wäre. Bei Böhler war ursprünglich beabsichtigt, nur die Schweiss-
elektrodenfabrik und das grosse Hammerwerk zu besichtigen., doch er-
gab sich dann noch die Möglichkeit andere Werkbetriebe ebenfals
sozusagen mit zu nehmen. Die Sektion verstaatlichte Industrie des
BKA hat sich dann scheinbar doch entschieden, Bodo Beelitz mitzuschickn
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Denn zu meiner grossen Überraschung ist er dann aufgetaucht. Ich bin
davon überzeugt, dass aber der Fehler bei uns gelegen ist. Die Bulgaren
haben sich inoffiziell angemeldet. Die Bulgaren wollten dies nicht als
offiziellen Besuch haben, weil ja auch keine Einladung von uns erfolgt ist.
sondern nur die Zustimmung, dass wir gerne die Delegation empfangen. Des-
habl hat Ottahal die ganze Angelegenheit als inoffiziell betrachtet,
die Wünsche der Bulgaren erfüllt und sich ansonsten um sonst nichts mehr
gekümmert. Man hätte selbstverständlich die Sektion verstaatlichte Indu-
strie auf die BEdeutung der Delegation aufmerksam machen müssen. Nur
dadurch, dass ich mir dann letzten Endes entschlossen habe, die Reise
selbst mitzumachen, wurde scheinbar auch Bodo Beelitz mobilisiert.
In Andritz wurde nicht nur die Maschinenfabrik besichtigt sondern der junga
agile Vorstand insbesondre Mltsacher, das dürfte ein Sohn des ehemaligen
Alpine-Mannes sein, fragte, ob wir trotz Zeitdruckes die Prüfanstalt be-
sichtigen würden, was mich sehr interessierte. Wir haben dafür die Jause
gestrichen und ich konnte dort feststellen, dass es möglich ist, eine Prüf-
anstalt auch ohne Subventionen zu führen. Dieses Gegenstück in Graz arbeitet
auf priavter Basis und liefert wahrscheinlich technisch und wissenschaft-
lich dieselben Ergebnisse wie Arsenal, nur mit dem Unterschied, dass wir
Arsenal scheibar subventionieren müssen.
Die Fahrt und wie mir am Samstag dann Popow aber auch Nedew versicherten,
war für die Bulgaren und insbesndre die Verhandlungen mit den Firmen und
Dienststellen sowie der Ministerien sehr erfolgreich und wie er sich aus-
dürckte auch zufriedenstellend. Er wird seiner Regierung entsprechend Be-
richt erstatten und meint, dass jetzt tatsächlich zwischen Bulgarien
und Österreich eine neue Epoche beginnnen könnte und würde. Er hat
in der Samstag-Besprechung intern mit den Bulgaren, wie mir Popow dann
auf der Fahrt zum Flughafen versicherte, vereinbart, dass wenn irgendwel-
che Schwierigkeiten bei Kooperationsverträgen bulgarischerseits entstehen,
ihm sofort gemeldet wird und er dann wird versuchen, diese Schwierigkeite
zu beseitigen. Da ich nicht annähernd eine solche Machtvollkommenheit habe
habe ich ihm baer natürlich auch zugesichert, dass ich im Rahmen meiner
Kompetenzen mich bemühen würde, wenn Schwierigkeiten entstehen, ebenfalls
sofort auf kurzem WEge helfend einzugreifen. Ich fürchte, dass wenn auch
die Besprechungen Nedews mit der Nationalbank und seinen Herren mit
den einzelnen Bankenvertretern insbeosndere mit der Österr. Kontrollbank
scheinbar sein psotivi verlaufen sind, doch infolge der allgemeinen Ex-
portkreditrestriktion die Bulgaren kaum eine Chance haben, wirklich ihre
Vorfinanzierung durch Kreditgewährung zu bekommen. Ähnlich verhält es sich
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mit der Möglichkeit durch Kompensation bei Kooperationsverträgen die
Anlagen abzuzahlen. In Wirklichkeit befinden wir uns jetzt mit der
Kooperationen in einer äusserst kritischen Pahse. Die Bulgaren möchten
riesige Anlagen und Maschinen, die sie nicht selbst erzeugen oder von
wo anders bekommen, mit entsprechenden Produkten dieser Anlagen und
womöglich noch darüberhiaus durch Lieferung von Elektrokarren und Elektro-
katzen bezahlen. Sie stlelen sich vir, dass unsere Firmen ihren Export-
apparat einsetzen könnten, und über diese z.B. die VÖEST und Alpine oder
Böhler, oder Andritz usw. dann ihre bulgarischen Waren verkaufen könnten
Die österreichischen Werke sind aber mit Exportaufträgen, die zu günstig
Bedingungen abgeshclossen wurden, weitestgehend ausgelastet. Eine solche
Lieferung, wo sie noch mit der Bezahlung dann Schwierigkeiten haben, wir
deshalb kaum in de rjetzigen Pahse sicherlich überhaupt nicht zustande-
kommen. Natrlich kann sich diese Situation ändern und dann werden auch
bulgarische Exporte interssant werden. Derzeit allerdings arbeiten einig
Firmen interssanterweise keine verstaatlichten, an sehr konkreten Pro-
jekten. Dazu zählt nicht nur Ruthner , der interessante Umweltschutzan-
lagen entwickelt hat, sondern auch Kohmaier, der neben Rumänien, wo
er sich bekanntlicherweise auch kapitalmässig bindet, auch in Bulgarien
eine weitere Kettenfabrik errichten möchte, die Firma Schember, die
mit bulgarischen Elektronik gemeinsam Waagen entwicklen möchte, Paragon
die Kühlanlagen gemeinsam mit Bulgarien produzieren möchte, in dem
Fall sogar für Drittländer, nämlich Libyen , und einige andere Firmen.
Das Hauptproblem und die Hauptschwiergikeit bleibt aber nach wie
vor, dass mit all diesen einzelnen Geschäften und Kooperationen der
bulgarisch-österreichische Handel kaum wesentlich wird erhöht werden
können. Da man ostseitig, welcher Staat immer, bei Schwierigkeiten
meistens nichts anders macht, als wieder nuee Kommission, die natür-
lich auch vom Ministerium geführt werden müssten, einsetzt, fürchte ich,
dass wir als ERgebnis all dieser Bemühungen wieder entsprechende Ver-
handlungskommissionen und Sitzungen in Sofia und in Wien uns damit
einwirtschaften wrden.
Die Bezirkskonferenz auf der Landstrasse velrief auch anders als ich
sie mir eigentlich vorstellte. Da wir über die Kandidatenaufstellung
eine längere Diskussion erwarteten und die Möglichkeit bestand, dass
immer hin dann auch harte Worte und vielleicht sogar Schmutzwäsche ge-
waschen würde, haben wir im Präsidium besprochen, dass auf gar keinen
FAll ein Referent ersucht werden soll, sondern dass wir diese Konferenz
wirklich nur unter uns durchführen. Seitler führte anfangs den Vorsitz
und ich habe ein politisches Referat über den Grund der Wahlen am
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21. Oktober gehalten. Da in der letzten Bezirkskonferenz und in
anderen Organen unseres Bezirkes immerzum Ausdruck gekommen ist, dass
man mit Slavik kaum Wahlen gewinnen könnte, hatte ich es verhältnismässig
leicht, die Funktionäre davon zu überzeugen, dass dihc jetzt mit Gratz
als neuem Bürgermeister die Weichen gestellt werden und alles
daran gesetzt werden soll, damit wir zumindestens die letzten Gemeinde-
ratswahl-Ergebnisse ca. 47 % im 3. Bezirk erreichen. Die Nationalratswahl-
ergebnisse, wo wir über 50 %, d.h. die absolute Mehrheit erstmals
in der jahrzehntelangen Geschichte unseres Bezirkes erreichen konnten,.
erklärte ich, würden wir ja kaum erreichen können. Ich zweifle ja
sogar, nur habe ich dies natürlich in der Konferenz nicht gesagt, um
unsere Funktionäre nicht zu entmutigen, dass wir die Gemeinderats-
wahlergebnisse vom Jahre 1969 erreichen können. Ich fürchte, dass wir
hier einen grösseren Rückschlag erleiden werden. An mein Referat knüpfte
sich überhaupt keine Diskussion an – wider ERwarten. Im zweiten Tages-
ordnungspunkt hat Seitler unserer Sekretärin Gemeinderat Tischler das
Wort gegeben, um die Kandidatenliste vorzulesen. Dann meinte er zu
mir, bitte übernimm Du jetzt den Vorsitz und ich konnte als Vorsitzender
zumindestens jetzt erklären, warum und wie diese Kandidatenlisten
zustandegekommen ist. Ich wies darauf hin, dass das Präsidium sich eingi
Male damit beschäftigt hat und dort einstimmig, auch Seitler nachdem er
vor längerer Zeit schon erklärt hat, dass er diese Legislaturperiode nur
mehr beenden will, den neuen Spitzenkandidat der Bezirksvertretung
Berger vorgeschlagen hat. Ebenso wurde die Liste dann, nachdem sie einig
MAle geändert wurde, vom Präsidium im Vorstand einstimmig genehmigt und
der Bezirksausschuss hat ebenfalls dieser Liste mit einer einzigen Gegen
stimme zugestimmt. Ich erklärte, dass aber ausschliesslich die Bezirkskon-
ferenz für die Beschlussfassung zuständig sei und fragte einige Male,
wer sich zu dieser Kandidatenliste zu Wort melden will. Trotz meiner
Aufforderung meldet sich niemand, Seitler und Jacobi flüstern mir zu,
lass doch endlich abstimmen. Ich frage also, wer den Vorschlag zustimmt,
es ist eine überwältigende Mehrheit, es sind vielleicht ein halbes
Dutzend Stimmen dagegen, ich erkläre die Liste als mit einigen Gegen-
stimmen als angenommen. Jetzt meldet sich ganz rückwärts ein Genosse
und meint, es sie undemokratisch, dass en bloc abgestimmt wurde. Ich
gebe meienr VErwunderung Ausdruck, dass ich doch überhaupt niemand
zu Wort gemeldet hat und auch es bis jetzt immer so gewesen sei,
dass über die Kandidatenlisten en bloc abgestimmt wurde. Ich erkläre
aber sofort vom Vorsitz, was ich statutenmässig wahrscheinlich gar
nicht mehr dürfte, dass ich den Abstimmungsbeschluss reasummiere und
dass wir neuerdings abstimmen werden. Jetzt meldet sich von der SJ
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Hofrichter und stellte den Antrag auf geheime Abstimmung. Ich lassse
natürlich zuerst über diesen Antrag abstimmen und 111 sprchen sich
gegen den Antrag aus 80 dafür. Sicherlich habe ich hier jetzt statuten-
mässig richtig gehandelt, ich hoffe dies zumindestens, doch glaube ich
dass es zweckmässiger gewesen wäre, einen Ausweg zu suchen, um
– auch wenn es gegen die Statuten gewesen wäre – einen besseren
Abstimmungsvorgang als die offene listenmässige Abstimmung für die
Bezirksvertretung und für die Gemeinderatswahl durchzuführen. Gegen
die Liste der Bezirksvertretung werden nur 3 Stimmen abgegeben, gegen
die Gemeinderatsliste aber über 30- Für mich ist dies gar kein
Zweifel, dass es sich primär gegen die Genossin Jacobi am ersten Platz
und teilweise gegen Sallaberger am 4. Platz und Schefzig am 5. Platz
handelt. Hier rechnen sich scheinbar einige aus, wenn Jacobi früher
oder später ausscheidet, sie selbst möchteja maximal noch 1 – 2 Jahre
im Amt bleiben und damit das Gemeinderatsmandat halten, dass dann
Sallaberger in den Gemeinderat kommt, wenn Sallaberger dann als Bundes-
rat vom Freien Wirtschaftsverband kandidiert wird, aus dem Landtag
ausscheidet, dann Schefzig eben als letzter Nachfolger, der Chancen
hat, auf der Gemeinderatsliste eben jetzt so placiert werden müsste
wie er tatsächlich auch vom Bezirksausschuss aufgestellt wurde.
Unter Allfälligem, einem Tagesordnungspunkt, der gar nicht vorge-
sehen war, den ich aber immer wieder mache, melden sich nun zwei
Genossen, darunter auch ein Sektionsleiter Ulir zu Wort und meinen,
es sei undemokratisch, wenn an hier die Möglichkeiten der Reihung
und der Streichung den Delegierten genommen hat. Ulir spricht
sogar von einem Betrug. Da melden sich andere Sektionsleiter und
erkläre, dass im Bezirksausschuss er sowie alle anderen dafür ge-
stimmt haben und die Vorgangsweise absolut korrekt gewesen ist.
Dies möge sicherlich stimmen, doch ist für einen Teil unserer Funktio-
näre die Lösung sicherlich nicht nur nicht optimal sondern auch füh-
len sie sich irgendwie überfahren.Seit meiner mehr als jahrzehntelangen
Tätigkeit auf der Landstrasse ist mir dies das erste Mal passiert.
Mitgespielt hat sicherlich die Tatsache, dass ich wegen der Bulgaren
unter einem furchtbaren Zeitdruck gestanden bin und deshalb zwar
sehr überrascht aber nicht unangenehm berührt war, als so schenll
alles über die Bühne ging. Nachher sagte man mir zurecht, dass man
Berger hätte müssen der Konferenz vorstellen müssen, da ihn nicht
alle kennen. Seitler hat mich noch ersucht, ich solle das Schlusswort
ein bisschen länger halten, sodass er noch die Möglichkeit hat zu Berger
hinunterzugehen, ihm zu gratulieren und beide haben sich noch
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umarmt und es war für die Konferenz deutlich sichtbar, dass Seitler
sehr wohl mit diesem Nachfolger zufrieden ist. Ein TEil der Delegier-
ten dürften bereits entweder diese Szene nicht mehr beachtet haben,
obwohl ich ausdrücklich darauf aufmerksam machte, oder sind bereits
hinausgegangen oder haben bereits mit ihren Nachbarn über die Konferenz
diskutiert, sodass auch dieser Vorwurf, wir kennen den neuen Bezirks-
vorsteher nicht einmal berechtigt ist.
ANMERKUNG FÜR KOPPE: Bitte überleg Dir und mache mir einen Vorschlag,
wie wir jetzt Berger so schnell wie möglich AUf-
bauen und im Bezirk bekannt machen. Ob wir ihn als
Bezirksvorsteher durchbringen, wird ja erst die
Wahl entscheiden. An uns soll es aber nicht liegen
dass wir ihn nicht nur tatkräftigst unterstützen
sondern auch den WEg zeigen, wie wir ihm am besten
zu dieser Würde verhelfen können.