Dienstag, der 18. September 1973

17-1016

Dienstag, 18. September 1973

Der Obmann des Verbandes der Mühlenindustrie Dr. Köllerer und der
Sekretär von der Müllerinnung Rabunk überbrachten mir Versicherungen,
wie die Gewerkschaft und insbesondere auch das Handelsministerium sich
die nächste Lohn- und Preisrunde auf diesem Sektor vorstellen. Der Ge-
treideausgleichfonds hat die Weizenpreiserhöhung von 10 resp. Qualitäts-
weizen 12 Groschen bis Ende Oktober aufgefangen. Eine Verlängerung dieses
Abkommens kommt nicht in Frage, der Finanzminister hat anschliessend bei
der gestrigen Regierungssitzung Weihs und mich darauf aufmerksam ge-
macht, dass er auf eine endgültige Lösung drängt. Die Mühlenindustrie
möchte, dass die Lebensmittelgewerkschaft bereits jetzt in der Pari-
tätischen Kommission um eine Freigabe einreicht. Da aber die letzten
Lohnbewegung erst am 1. Oktober 1972 abgeschlossen wurde, werden wir
frühstens in der Oktober-Vorstandssitzung der Lebensmittelgewerkschaft
die Freigabe-Anträge an die Paritätische Kommission beschliessen. Wenn
die Handelskammer dann unverzüglich die Besprechungen aufnimmt, und
nicht – wie ich erwarte – Mussil darauf drängt, dass im Unterausschuss
keine Freigabe erfolgt, sondern die Paritätische Kommission damit be-
schäftigt wird, dann können auch die Verhandlungen über den Preis nicht
im Oktober abgeschlossen werden. Darüber hinaus müssen ja bei einer
Mehlpreiserhöhung, die darauf resultieren wird, auch die Bäcker und
zwar auch inclusive der zu erwartenden Lohnbewegung auf diesem Sektor
die Semmel-, Brot- und sonstigen Fertigproduktpreise revidiert bekommen.
Köllerer gegenüber habe ich es strikte abgelehnt, über die Lohnforderungs-
höhe zu reden, da bei uns nur die Verhandlungskommitees dazu ermächtigt
sind. Ich habe bei der Aussprache mit dem Finanzminister und dem Landwirt-
schaftsminister nach der Ministerratssitzung, wo dieses Problem eben be-
sprochen wurde, angekündigt, dass ich im nächsten Jahr auf alle Fälle
die Weizenpreisregelung aufheben möchte. Weihs hat sich ganz entschieden
gegen diese Idee ausgesprochen, da er den heftigsten Widerstand der Land-
wirtschaftskammer erwartet und sogar meint, dass dies politischer Selbst-
mord sei. Wenn sich bei der Diskussion über die Kompetenz und Mitkompe-
tenz der Preisbestimmung und Preisregelung herausstellt, dass das
Landwirtschaftsministerium mit befasst werden muss, sehe ich in Hinkunft
doch auch Schwierigkeiten, selbst in einer sozialistisch einheitlich ge-
führten Regierung.

Dr. Kahn vom Kuratorium für Verkehrssicherheit ist allen Ernstes bei
mir erschienen, um über die Idee, ob man für die Mopedfahrer nicht einen
Führerschein einführen sollte, eine Entscheidung bei mir zu versuchen.



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Ich habe ihm klar und deutlich auseinandergesetzt, dass ich nicht
daran denke, ein neues Problem auf dem Verkehrssektor auch nur in
Angriff zu nehmen. ICh habe mit Lanc vereinbart, dass ich auf dem
Strassengebiet und Kraftfahrzeugsektor keinerlei Entscheidungen mehr
treffe, ohne mit oihm das engste Einvernehmen zu pflegen. Wenn dieses
Problem 20 Jahre ungelöst geblieben ist, so aknn es jetzt auch noch
die drei Monate warten.

Mit Metzner habe ich vereinbart,dass er jetzt unverzüglichst einen engen
Kontakt mit dem Verkehrsministerium suchne soll, damit er alle Detail-
arbeiten aber auch vor allein einmal selbtst die kleinsten Entscheidungen
nur mehr im Einvernehmen mit Lanc durchführt. Jagoda, der bie dieser Aus-
sprache anwesend war, hat ebenfalls seine Zustimmung gegeben, dass Metz-
ner
jetzt, der an und für sich schon sehr grosszügig und freizügig
dieses Problem bei uns bearbeiten durfte, sofort eben mit dem Verkehrs-
minister und der Bürokratie da drüben alle Probleme lösen sollte. Wir
besprachen bei dieser Gelegenheit auch die Transferierung der Gruppe
ins Verkehrsministerium. Jagoda legt grössten Wert darauf, dass nur
Min.Oberkomm. Dr. Sedlak im Handelsministerium verbleibt. Metzner
hat nach reiflicher Überlegung dann den Wunsch Jagodas erfüllt, wird
daher auf Sedlak verzichten, verlangt aber, dass wir noch die Reorga-
nisation der Abteilung Steinhart durchführen.

ANMERKUNG FÜR HEINDL: Jagoda wollte sogar einen Dienstposten für Sedlak
von unserem Ressort zur VErfügung stellen, was
ich allerdings abgelehnt habe. Zusätzliche Dienst-
posten werde ich vnon Lanc verlangen, doch kaum
erreichen. Bitte kläre dies auf Sekretär-Basis,
wie weit Verkehrswerbung nicht doch Dienstposten
an uns abtreten müsste.

In der AK-Fraktion berichtete ich über die Handelsverträge und Verhand-
lungen insbesndere mit der SU sowie über die GATT-Tagung und zuletzt
natrülich über die Preisentwicklung. Die AK hat, wie ich dann aus der
Diskussion entnehmen konnte, bei der letzten AK-Vorstandsbesprechung
vorgeschlagen, Zöllner hat dies bei seinen Wiener Vorstandskollegen erör-
tert, man sollte als Rückzugslinie die Länder jetzt bereits aufmerk-
sam machen, dass, wenn es zu keiner Einigung über die Marktordnung-
und Preisregelung kommt, dann der Länderkompetenz anheimfallen wird.
Vielleicht wäre dies politisch wiklich eine Lösung, den Ländern die
Kompetenz und damit die Verantwortung entgültig zu übertragen.

ANMERKUNG FÜR KOPPE: Bitte überleg Dir, wie wir propagandistisch eine
solche Auffanglinie in den Massenmedien aufbauen.



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Im Ministerrat wurde Frühbauer von Kreisky verabschiedet und ich glaube
nur aus Versehen aber Lanc gar nicht begrüsst. Allerdings stand Kreisky
unter Zeitdruck, weil er zur Generalkonferenz für die Atomenergie
gehen musste. Mit Häuser hatte ich vor der Sitzung bereits das Problem
der Mitwirkung bei der Vollzugsklausel des Handelsministerium geklärt.
Häuser sagt mit Recht, dass hätte man bei der Begutachtung schon
verlangen müssen und darüber hinaus meint er, die Verteilung des Geldes
ist zwar mit Mitkompetenz des Handelsministeriums vorgesehen, aber in
der Vollzugsklausel selbst will er weder das Finanzministerium noch
das Handelsministerium einschalten. Androsch hat sich auch überhaupt
nicht mit dieser Materie beschäftigt, resp. keinerlei Forderungen
gestellt. Ich habe deshalb diesen formellen Punkt sofort fallen gelassen,
umso mehr als ich Häuser dafür gewinnen konnte, dass er mit Sekt.Chef
Lenert sprechen wird, damit dieser freie Hand bei irgendwelchen gemein-
samen Aktionen Handelsminister-Sozialministerium in der Unternehmungs-
betreuung bei der Arbeitsmarktförderung bekommt. Häuser ist damit ein-
verstanden und wird mit Lenert darüber sprechen. Wir kamen überein, dass
Lenert und Gehart jedes Pouvoir besitzen, um die Lösung insbesondere
der Grenzräume herbeizuführen.

Androsch referierte über das Budget und bedankt sich für das Verständ-
nis aller Minister für seine Schwierigkeiten bei Erstellung des
Budgets 1974. Ich habe den mündlichen Vortrag unserem Budgetfach-
mann Schütz gegeben, damit er sich auch im Vergleich zu den anderen
Ministerien das Handelsbudget anschaut und vergleicht. Schütz steht
auf dem Standpunkt, dass wir verhältnismässig sehr gut abgeschnitten
haben. Gegenüber dem Bautenminister, wo er ja ebenfalls die Verhand-
lungen führt, resp. mitmacht, kann er sicherlich ein objektives Urteil
abgeben. Bei den anderen Ressorts müsste man eigentlich eine genau
Analyse durchführen. Da sie uns aber letzten Endes keinerlei positive
Änderungen bringen kann, selbst wenn wir schlecht abgeschnitten haben,
wäre diese zusätzliche Arbeit eigentlich nutzlos. Im Laufe der Budget-
debatte wird man ja sehen, wie die Opposition, die diese Analyse ja im
einzelnen durchführen muss und wird, attackiert.

Die Enquete "Tempo 100" hat nicht annähernd den Erfolg gebracht, den
ich erwartete. Ich habe angenommen, dass wir doch ein bisschen näher
die einzelnen Standpunkte nicht nur eörtern, sondern vielleicht auf
eine gemeinsame Linie bringen können. Als ich aber bemerkte, dass der
ÖAMTC ganz entschieden sich gegen eine Regelung aussprach – 61 % seiner
Mitglieder haben dezidiert auf eine repräsentative Meinungsumfrage


17-1019
eine Tempolimitbeschränkung abgelehnt, der ARBÖ andererseits nur
bereit war, über eine eventuell zeitlich und örtlich differenzierte
Tempobeschränkung zu verhandeln, das Kuratorium für Verkehrssicherheit
im Prinzip sich dafür aussprach, alle anderen Interessensvertretungen
und insbesondere auch die Gesellschaft für den Strassenverkehr mit Aus-
nahme der Arbeiterkammer gegen eine Tempobeschränkung sind, so werde
ich kaum in der nächsten Zeit einen Konsens erreichen können. Da ich
in den vergangenen drei Jahren in allen Kraftfahrproblemen und -Fragen
mit den Kraftfahrverbänden gemeinsam eine Lösung gefunden habe, möchte
ich eine solche auch noch im Laufe der nächsten drei Monate versuchen.
Da ich gleichzeitig im engsten Einvernehmen mit Lanc vorgehen werde,
sehe ich eigentlich keine andere Möglichkeit als das Problem weiter
zu schieben. Ich habe deshalb nach 36 Diskussionsteilnehmerdebatten,
vorgeschlagen, dass wir doch noch Detailuntersuchungen anstellen sollen.
Metzner wird diesbezüglich Besprechungen mit den dafür in Frage
kommenden Stellen – Kuratorium für Verkehrssicherheit, Bautenmini-
stenium bezüglich der Strassen, Technische Hochschule bezüglich der
wissenschaftlichen Wünsche Und Anregungen, den Kraftfahrverbänden betref-
fend ihrer konkreten Möglichkeiten einer Mitwirkung usw – aufnehmen.
Auf alle Fälle will ich nicht gegen die Kraftfahrverbände und die grös-
sere Masse der Intersssenvertretungen – die Handelskammer hat sich ja
auch entschieden dagegen ausgesprochen – entscheiden. Dass ich mit Lanc
engstes Einvernehmen halten werde, wird mir in der Öffentlichkeit kaum
jemand vorwerfen, dass ich aber eventuell jetzt wirklich 3 Monate nichts
tue, könnte vom Standpunkt der Massenmedien dazu benützt werden, um
mich anzugreifen, dass ich säumig bin. Als einzigen Ausweg könnte
ich gegen Endes des Monats gegebenenfalls einen Gesetzentwurf, den Lanc
mir vorschlagen sollte, in die Begutachtung schicken. Mit welches Begrün-
dung kann ich aber dann diesen Gesetzentwurf drei Monate lang nicht be-
handelt ?

ANMERKUNG FÜR KOPPE: Bitte die propagandistische Seite dieses Problems
überdenken und mir Vorschäge machen.

Bei der Sitzungsleitersitzung in der Patei berichtete ich über die
derzeitige politische Situation. Zu meiner grössten Verwunderung ist
es wieder zu keiner Diskussion gekommen. Schmid , ein alter Sek-
tionsleiter, meinte, nach so eine präzisen Berichterstattung ist
kaum etwas zu fragen oder zu kritisieren. Dies bezweifle ich ganz ent-
schieden. Ich sehe darin eine gewisse Lethargie, die gerade vor Wahlen
sehr verheerend sein kann.



17-1020

Stadtrat Jacobi hat mir mitgeteilt, dass die Stadtratsfraktion oder
die Partei beschlossen hat, dass auch die Stadträte eine Passagen-
diskussion durchführen sollen und müssen. Sie selbst möchte nun diese
Diskussion nicht allein machen und ersuchte mich, ob ich ihr helfen
könnte, was ich sofort akzeptierte. Wir werden daher gemeinsam im
AEZ meine Passagendiskussion aufnehmen und sie wird die Gemeinde-
probleme, die dort eventuell zur Sprache kommen, behandeln. Ich
muss zugeben, dass es wahrscheinlich sehr schwer ist, wenn man erst
in so spätem Alter sich mit dieser neuen Methode der Propaganda vertraut
machen muss und dafür wahrscheinlich auch Schulungsmässig gar nicht
vorbereitet wird.

ANMERUNG FÜR HEINDL: Bitte Termin endgültig mit JG für AEZ fixieren.

Beim Empfang des Bundeskanzlers traf ich Gen.Sekr. Wodak. Ich besprach
mit ihm den Wunsch des Aussenministeriums, ausser Brüssel noch zusätzlich
Dienstposten für die Integration in sen Ministerium zu transferieren. Da
die Durchführung der Integration nach wie vor im Handelsministerium liegt,
ist es doch ganz unmöglich, dass wir ihm einen Dienstposten abtreten.
Im Gegenteil, ich erklärte, dass wir eigentlich den Dienstposten von
Marquet bekommen müssten. Wodak sagt mit Recht, dass über die Einzel-
heiten bei der Gesetzwerdung resp. bei den Ideen und Verhandlungen,
bevor dieses Gesetz im Parlament beschlossen wurde, man sich überhaupt
nicht den Kopf zerbrochen hat. Jetzt ergibt die Durchführung grosse
Schwierigkeiten. Ich glaube nicht, dass wirklich sehr grosse Schwierig
keiten entstehen, sondern es versucht eben jedes Ministerium, ins-
besondere die Präsidialabteilungen, zusätzliche Dienstposten von den
anderen Ministerien zu ergatten. Letzten Endes wird sich auch dieses
Problem lösen lassen. Ich werde diesbezüglich, wenn die Aussprache, die
Meils mit Marquet führt, negativ verläuft, mit Kirschschläger
eine diesbezügliche Besprechung abhalten. Ich bin überzeugt, dass es
mit Lanc und Kirchschläger gelingen müsste, eine vernünftige und für
alle akzeptable Lösung zu finden.

ANMERKUNG FÜR HEINDL: Bitte kläre auch auf Sekretariatsbasis, wie weit
die Forderungen vom Aussenamt als ernst zu bezeich-
nen sind.

17_1015_01

Tagesprogramm, 18.9.1973

17_1020_01

Tagesordnung 86. Ministerratssitzung, 18.9.1973

17_1020_02
17_1020_03

TO 86. Ministerratssitzung, 18.9.1973: Nachtrag


Tätigkeit: Beamter [Amtsdirektor HM; 1971 von JS als B-Beamter bezeichnet, der das Budget im Einzelnen ausarbeitet und im Detail kennt]


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: Vertr. Mühlenindustrie


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: Sekr. JS, ab 1973 GF VKI


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: Leiter Sekt. III HM


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: Kursteilnehmer LUGA


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: VM (Ministerienneuorganisation 1974)


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: Außenminister, Bundespräsident
              GND ID: 118723189


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: Beamter HM


                Einträge mit Erwähnung:


                  Einträge mit Erwähnung:
                    Tätigkeit: SC Sozialministerium


                    Einträge mit Erwähnung:


                      Einträge mit Erwähnung:
                        Tätigkeit: Verkehrsminister, LH-Stv. Ktn.
                        GND ID: 12053536X


                        Einträge mit Erwähnung:
                          Tätigkeit: Landwirtschaftsminister bis 1976
                          GND ID: 130620351


                          Einträge mit Erwähnung:
                            Tätigkeit: Botschafter, Onkel v. Louis Marquet; evtl. Falschidentifikation


                            Einträge mit Erwähnung:
                              Tätigkeit: Gen.Sekr. HK, ÖVP-NR-Abg., später AR-Präs. Verbund


                              Einträge mit Erwähnung:
                                Tätigkeit: 1970-1973 Büro Staribacher, SPÖ-NR-Abg., stv. Vors. SPÖ-Landstraße
                                GND ID: 102318379X


                                Einträge mit Erwähnung:
                                  Tätigkeit: Ministerialrat, Leiter Grundsatzabteilung


                                  Einträge mit Erwähnung:
                                    Tätigkeit: VM (Ministerienneuorganisation 1974)


                                    Einträge mit Erwähnung:
                                      GND ID: 11863447X


                                      Einträge mit Erwähnung:


                                        Einträge mit Erwähnung:
                                          Tätigkeit: Bundeskanzler
                                          GND ID: 118566512


                                          Einträge mit Erwähnung:
                                            Tätigkeit: Vizekanzler, Sozialminister


                                            Einträge mit Erwähnung:
                                              Tätigkeit: AK


                                              Einträge mit Erwähnung:
                                                Tätigkeit: Finanzminister
                                                GND ID: 118503049


                                                Einträge mit Erwähnung: