Mittwoch, 19., Donnerstag, 20. September 1973
Beim Bundesparteirat frage ich Hillinger und Fridl, wie sie zum
Volksbegehren in Molln stehen. Hillinger hat bereits unterschrieben
und Fridl erklärte, nachdem auch jetzt Wenzl unterschrieben hat,
bleibt ihm nichts anderes übrig als ebenfalls das Volksbegehren zu
unterstützen. Die Enns-Kraftwerke haben ihn zwar bombardiert, aber
er sieht keine Möglichkeit mehr, auszuweichen. Auch hier zeigt sich
für mich, dass nachdem Hillinger vor längerer Zeit bereits unterschrie-
ben hatte, gewisse Spannungen zwischen den beiden existiert. Hillinger
hat erkannt, dass es hier um ein Stimmenpotential geht, das er nicht
verlieren möchte, weshalb er, ohne sich um den Aufsichtsratspräs.
Vorsitzendenstellvertreter Fridl zu kümmern, unterfertigte. Damit
ergibt sich für mich im nächsten Jahr, wenn ich kompetenzmässig auch
für Molln verantwortlich bin, ein ganz neues Verhalten. Ich ver-
spreche beiden, dass ich vor den Wahlen überhaupt keinerlei Aktivi-
täten auf diesem Sektor entwickeln werde.
Die ungeklärte Situation, ob nicht Hillinger auch bei einem Wahl-
Sieg der Sozialisten Landeshauptmann werde wird, lähmt sicherlich
den Wahlkampf in Oberösterreich und schafft vor allem einmal für den
Gegner eine gute Angriffsfläche. Auf alle Fälle kann ich mir vor-
stellen, dass wenn das Ziel nicht erreicht wird, dann viele Genossen
diesen Streit als die Ursache der Wahlniederlage mit Recht darstellen
werden. So ein Streit einen Monat vor dem Wahltag ist meiner Meinung
nach nicht nur unverantwortlich, sondern auch mir zumindestens voll-
kommen unerklärlich. Selbst wenn Hillinger die Absicht hat, den Posten
anzustreben, so hätte er vor den Wahlen unbedingt schweigen müssen,
und sich eindeutig hinter Fridl stellen. Er sagt mit Recht, dass
nachher sowieso die Parteiinstanzen entscheiden, wer und wie die Lan-
desregierung gebildet wird. Wenn – wie ich auch bei einigen oö. Ge-
nossen bemerken konnte – sie dann tatsächlich wollen, das Hillinger
Landeshauptmann wird, wäre doch noch immer die Möglichkeit gewesen,
mir irgendeiner plausiblen Begründung den Wechsel vorzunehmen. Das
Geschrei, dass damit die Wähler getäuscht worden wären, wäre meiner
Meinung nach verhältnismässig bald vestummt. Da wir ja auf gar keinen
Fall die absolute Mehrheit bekommen, hätte man immer noch mit den
Freiheitlichen, die einem ja dann unterstützen müssen, dies so ab-
sprechen können, dass eben sie erklärt hätten, Hillinger wäre für
sie der akzeptablere Kandidat. Vielleicht sind aber alle diese
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Überlegungen falsch, da ich ja die internen Auseinandersetzungen viel
zu wenig kenne und vor allem nicht ob und welche Absprachen oder Absich-
ten mit der FPÖ bestehen.
In der VÖEST habe ich mit Koller, Mathes und Fabricius, die Russland
geschäfte besprochen. Koller ist glaube ich, sehr zufrieden, dass ich
mich so für die VÖEST-Alpine einsetze. Andererseits sieht er ein,
dass auch er mehr für diese Geschäfte tun muss. Er hat mir versprochen,
er wird mit den sowj. Stellen engeren Kontakt pflegen und vor allem
doch mindestens Leute der zweiten Garnitur womöglich aber Spitzen-
manager wie Mathes oder er selbst in die SU fahren. Über das Geschäft,
algerische Gasverflüssigung, hat er keine Detailinformationen, da
dies von Apfalter bearbeitet wird, der in Wien war. Im Anlagenbau
dürfte die VÖEST aus dem Ausfall des Taiwaner Stahlwerkes eine grössere
Kapazitätslücke haben, die er natürlich füllen möchte. Er ersuchte
deshalb, ich soll bei Karski, dem poln. Botschafter, wegen des Äthylen-
werkes in Bloz intervenieren.
ANMERKUNG FÜR HEINDL: Bitte eine Gelegenheit suchen, um Karski irgendwo
zufällig zutreffen. Im donaueuropäischen Institut
muss ich noch die Diskussion abwickeln, ihn
vielleicht dorthin bestellen und mich an die Ange-
legenheit erinnern.
Die Besichtigung der VÖEST war für mich, obwohl diese im Eilzugstempo
vorgenommen wurde, sehr beeindruckend. Da die Blechproduktion nicht unter-
brochen werden darf, mussten alle Umbauten in der Walzstrecke bei laufer
dem Betrieb durchgeführt werden. Koller hat sicherlich nicht beab-
sichtigt, mir dies im Detail zu zeigen, da er dann meinte, hier führen
wir normalerweise keine Besucher herein. Der Hochofen V, der vergrössert
wurde, die Hüttenleute sagen zustellen, wurde angeheizt. Koller fragte,
ob ich daran teilnehmen möchte, was ich natürlich sofort bejahte. Inter-
esssant war, dass er dann ich würde nicht sagen Gewissenbisse aber doch
Bedenken insofern hatte, indem er meinte, hoffentlich ist dann nicht
jemand beleidigt. Er dachte hier sichtlich an ÖIAG-Leute resp. Re-
gierungsmitglieder, die vielleicht ressortmässig mehr zuständig sind
für die Verstaatlichte als ich.
Beim Knödelessen kam ich in die Nähe von Kreisky und Slavik zu sitzen.
Allerdings durch einen reinen Zufall, weil dieser einzige Platz noch
frei war und Kreisky erst später kam. Ich nützte die Gelegenheit, um
Kreisky über das Gas-Geschäft und über den Wunsch für Algerienver-
flüssigung Bundeshaftung zu erlangen, zu diskutieren. Kreisky war
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todbeleidigt und sehr verärgert, weil ihn die Banken sowie übrigens
auch wir einen Tag vorher einen Brief geschrieben haben, dass sie eine
Bundeshaftung brauchen. Kreisky steht nun auf dem Standpunkt, das
kommt überhaupt nicht in Frage, er denkt nicht daran, eine Bundeshaftung
zu geben, geschweige denn die Entwicklungshilfe als Stützung für
dieses Geschäft einzusetzen. Slavik versuchte, da er hie der Austro-
Ferngas Wien mit 33 % beteiligt ist, Kreisky ebenfalls die Situation zu
erklären. Dieser war aber nicht bereit, auch nur sachlich und nüchtern
darüber zu diskutieren sondern war emotionell verärgert und lehnte
jedes Zugeständis ab. Zuletzt gelang es dann, nachdem er immer
wieder erklärte, der Bund müsste daran beteiligt werden und in der Gas-
wirtschaft dürfte nicht dasselbe System einreissen wie bei der Elektri-
zität, ihn wenigstens soweit zu bringen, dass er meinte, dann mach einen
Vorschlag, wie Du Dir in Hinkunft die Gaswirtschaft vorstellst und wo
der Bund entsprechenden Einfluss nehmen kann. Ich erklärte mich bereit,
obwohl dieses Problem nur am Rande – die finanzielle Seite berührt mich
ja gar nicht -von mir kompetenzmässig zu wahren ist, dass ich eine Sitzung
von den soz. Mitgliedern der Austro-Ferngas, der ÖMV, der ÖIAG und wie
er dann verlangte, auch vom Sektionschef Gatscha und dem Finanzministerium
machen werde.
Gatscha war auf der Fahrt nach Salzburg, der Sekretär von Androsch
Vranitzky hat nach Rücksprache von Androsch erklärt, dass er nicht
kommt, sodass es sich eigentlich nur um eine Schrumpfsitzung handelte.
Reisinger war sehr überrascht über die Stellungnahme von Kreisky und
ich habe ihm nur empfohlen, er sollte mit Slavik über die Details noch
reden, der sich sehr für die Stadtwerke eingesetzt hat. Interessant wäre
zu erfahren, ob Gratz mit Kreisky tatsächlich über die Probleme ge-
sprochen hat, nachdem er ja einen Tag in Düsseldorf mit ihm beisammen
war.
ANMERKUNG FÜR HEINDL: Vielleicht kann man dies auf Umwegen erfahren,
ohne dass wir besonderes Interesse zeigen.
Apfalter, mit dem ich telefonierte, meinte, dass die Konzeption mit
der Bundeshaftung und mit der Entwicklungshilfe-Stützung im Rahmen
von 450 Mill. S, wenn es auf 19 Jahre verteilt wird sogar von über
700 Mill. S eine Illusion ist. Die Banken haben z.B. ein halbes Prozent
Provision einkalkuliert, das niemand bereit ist, zu vergüten. Apfalter
hat hier nicht nur wesentlich mehr Erfahrung sondern ist auch ein
viel grösserer Praktiker, der die politische Situation richtiger
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beurteilt und deshalb die Finanzierungen ganz anders beginnt. Wir
verblieben bei der Sitzung, dass Meszaros und Reisinger, ein Ela-
borat für mich ausarbeiten werden, wo sich die beiden – Austro-Fern-
gas und ÖMV – versuchen, fraktionell zumindestens, eine Konzeption
der zukünftigen Gaswirtschaft zu finden. Die Sitzungsteilnehmer kamen
nämlich übereinstimmend überein, dass es sinnlos ist, für das jetzt
laufende Gasgeschäft, und das Algerien-Finnanzierungsproblem die ÖMV
oder eine sonstige Bundesbeteiligung an dem Konsortium resp. der
Austro-Ferngas zu erreichen. Meszaros kommt es darauf an , dass
in Hinkunft und ich bin in dieser HInsicht mit ihm hundertprozentig
einer Meinung, auf dem Gasgebiet eine klar Trennung zwischen den
Landesgesellschaften der Austro-Ferngas und der ÖMV bezüglich
ihrer Funktinbreiten und Tätigkeiten gefunden werden sollte.
Wanke hat mit Sekr. von Finanzministerium Vranitzky wegen der Kredit-
konditionen betreffend Stützung Papierindustrie gesprochen. Vranitzky
selbst erklärte dezidiert, er sei nach reiflicher Überlegung der
Meinung, dass man tatsächlich den Banken bei der Finanzierung des
1,8 Mill. Kredites für Umweltschutzmassnahmen und 210 Mil. Rationalisierungs-
kredite günstigere Konditionen den Banken gewähren sollte. Römer und
Gröger haben diesbezüglich Verhandlungen geführt und waren bereit,
der Bundeskammer auch weitestgehend entgegenzukommen. Zuletzt wollten
sie zumindestens ein halbes Prozent über die im E+E-Fond gültigen
Richtlinien gehen. Ich habe von allem Anfang an dies ganz entschieden
abgelehnt. Abgesehen davon, dass wir dadurch ein schweres Präjudiz für
unsere Gewerbestruktur- und Bürgeskredite hätten, möchte ich unter
gar keinen Umstände als der Mann letzten Endes bezeichnet werden,
der die Kreditkonditioen den Banken verbessert hat. Im Gegenteil, ich
stehe auf dem Standpunkt, dass hier bei diesen Kreditkonditionen,
siehe z-B. auch den Algerien-Kredit, die Banken immer und überall versuc
chen günstigere Bedingungen zu erreichen und dies im Finanzministerium
scheinbar auch oft durchsetzen. Trotz der Zustimmung des FM-Vertreters
bei den Sitzungen undletzt auch Vranitzky, habe ich Römer und Gröger
mitgeteilt, dass eine Änderung der Kreditkonditionen, wie sie derzeit
bei E+E-Fonds bestehen von unserer Seite nicht akzeptiert werden kann.
Nach der Sitzung haben mir Römer und Gröger berichtet, dass sie
letzten Endes doch auch der Vertreter der Kreditsektion der Handelskammer
die E+E-Fonds-Bedingungen akzeptieren wird. Ich habe aus dieser
Verhandlungen eine Lehre gezogen. Wir sind für die Kredite und Konditio-
nen nicht zuständig. So wie die Ölfirmen bei der Benzinpreisfest-
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setzung die Gelegenheit nutzten, um Androsch hineinzulegen, hätten
sie sicherlich auch mich jetzt gerne bei den Kreditkonditionen dazu
benützt, ihre Situation zu verbessern. Selbst wenn das Finanzministerium
dem zugestimmt hätte, auf lange Sicht gesehen, wäre ich der Schuldige.
gewesen.
Tagesprogramm, 19.9.1973
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)