Dienstag, 25. September 1973
Im Ministerrat hat Kreisky das Beamtenkomitee zur GEwährleistung
einer einheitlichen Durchführung des Ministeriengesetzes, insbeson-
dere für den Abschnitt III – Geschäftseinteilung – geschaffen. Gleich-
zeitig aber hat er mitgeteilt, dass gegebenenfalls auch Samstag gear-
beitet werden muss, damit bis zum 1.1.1974 – wie er sich ausdrückte –
alles steht. Lausecker hat mir vorher erzählt, dass dies auf Initiative
von Fremuth zurückgeht. Dieser hat ihm einen Brief geschrieben vor
längerer Zeit und bereits auf die GEfahr, dass jeder Minister anders das
Gesetz auslegt, hingewiesen. Kreisky wollte dann eine Kommission ein-
setzen, wie Fremuth vorgeschlagen hat, die sich ausschliesslich aus
Mitgliedern der Büros der Minister zusammensetzt. Lausecker fürchtete
glaube ich mit Recht, dass er diese Kommission ganz hart im Parlament
kritisiert worden wäre. Ich habe Lausecker zugestimmt, dass es daher
zweckmässig ist, offiziell eine Beamtendelegation einzusetzen, wo
die dafür zustänidgen Herren – bei uns Sekt.Chef Schipper – daran teil-
nehmen. Wir müssen nur entweder vorher eine fraktionelle Besprechung mit
den Büros der Minister durchüfhren, oder gegebenenfalls auch in die
Delegation der einzlenen Minister die Vertrauensleute aus den Minister-
büros aufnehmen.
Kreisky war mit den Entwurf der Anfragebeantwortung für die Reisetätig-
keit der einzelnen Minister nicht zufrieden. Insbesondere wollte er,
dass eine weitere Begründung, warum bis jetzt in den 3 Jahren 2,598.000 S
ausgegeben wurden für die Öffentlichkeit besser erläutert haben. Er mein.
te, bei 3,3 Mill. Einkommensbezieher durch 3 Jahre gerechnet, ergibt
dies 30 Groschen pro einzelnen an Aufwendungen. Er dürfte einmal bei
einer Versammlung oder Aussprache schon deshalb attackiert werden sein,
weil er meinte, dort hätte er erklärt, er würde dem Einzelnen eben
diesen Aufwand rückerstatten. Er fragte den Landwirtschaftsminister,
der Finanzminister war nicht anwesend, warum die beiden os hohe Aufwen-
dungen für ihre Reisen haben. Wenn man an diesem Beispiel lässt es sich
deutlich demonstrieren, vorher die einzelnen Minister über die Mög-
lichkeiten der Buchungen von Ausgaben und der Einsparung von aufschei-
nende Ausgaben informiert hätte, wäre wahrscheinlich ein besseres opti-
sches Bild entstanden. An diesem Beispiel zeigt sich deutlich, wie man
bereits bei der Regierungsübernahme auf solche Probleme hätte aufmerksam
machen müssen und sie womöglich einheitlich regeln. Die Behauptung
Firnbergs, dass die Auslandsreisen eben deklarierter BEstandteil ihrer
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Wissenschaftspolitik ist, weil sie damit eben abstimmt und wie sie
sich ausdrückte, viel GEld dem österr. Staat erspart, fand nicht die
Zustimmung Kreiskys, der mit REcht meinte, dies nimmt uns niemand ab,
Der Nationalrat sollte eine echte INformation bekommen, aber auch wirk-
lich dann die Tatsachenmitgeteilt, allerdings mit entsprechenden Kommentar.
Da durch das wiederholte Zurückstellen bereits die Frist abgelaufen war,
hat Kreisky angenommen, dass er die Urgenz, der er sicherjetzt unterliegt
eine Entschuldigung an das Parlament die Verspätung angekündigt wurde.
Das war aber nicht der FAll, sein Büro oder besser gesagt irgendjemand
im BKA hat dies verschlampt, worüber er sich sehr ärgerte.
ANMERKUNG FÜR HEINDL: Interessant ist, dass man solche Entschuldigungsschrei-
ben, wenn man die Zwei-Monate-Frist überschreitet,
überhaupt im Parlament akzeptiert. Bitte stelle
fest, ob dies stimmt. Obwohl ich niemals im Haus eine
solche Entschuldigung durchgehen lassen würde. In zwei
Monaten muss die Antwort möglich sein.
Firnberg hat mit dem bayrischen Kultusminister Verhandlungen in Deutsch-
land geführt, da dort der numerus clausus eingeführt wird und deshalb
von 70.000 Studenten maximal 17.000 Arbeitsplätze erhalten werden. Es
besteht die Gefahr, dass jetzt deutsche Studenten in ganz grosser Zahl
nach Österreich kommen wollen. Firnberg sihet keine Möglichkeit, diese
bei uns aufzunehmen, da wir für österr. Studenten oft, wie z.B. auf
der medizinischen Fakultät, keine Hörplätze haben.
ANMERKUNG FÜR WANKE: Ich bin interessiert, wie das Beschlussprotokoll
dieser Ministerratssitzung abgefasst ist. Bitte mir
vorlegen.
Bei der Eröffnung der britischen Wochen bei Gerngross, wo ich auch den
Präsidenten des board of trade, der extra von London gekommen ist, kennen
lernte, diskutierten wir über die wirtschaftliche Entwicklung Grossbri-
tanniens und Österreichs. Immer wieder erregt unser ruhiges Sozialklima
das Interesse ausländischer Beobachter. Ganz besonders aber wurde ich
gefragt, wie ich die Energiesituation in den nächsten Jahren beurteile
und wie Österreich die Energiekrise meistern wird. Hier dürfte bei den
Grosstaaten, insbesonder aber auch bei Grossbritannien eine sehr pessimisti-
sche Grundstimmung vorherrschen.
Der Zentraldirektor von allen Gerngross-Kaufhäusern, die sich auch
auf Innsbruck, Linz und Steyr erstrecken, Albrecht, teilte mir mit,
dass die Umsätze im September nicht höher als im Vorjahr liegen werden.
Bereits im August war eine deutliche Dämpfung des Zuwachses zu ver-
zeichnen, doch hat man angenommen, dass es sich hier um eine Nachwirkung
der Urlaubsausgaben handelt. Die Ausverkäufe waren eine ausgesprochene
Pleite. Da die Arbeiter verhältnismässig höhere Einkommensbezüge haben
als im Vorjahr. es waren in der Zwischenzeit ja Lohnbewegungen, kann
man sich diese Kaufkraftunlust nur schwer erklären. Die Spareinlagen
allerdings steigen sehr stark an. Vielleicht hat die Bevölkerung jetzt
doch den Eindruck, dass die Preise sich stabilisieren und deshalb
dringende Käufe durchgeführt werden, abr sonst die weitere Preisent-
wicklung abgewartet wird. So sehr dies vom preispolitischen Standpunkt
aus zweckmässig und zielführend ist, ergibt sich natürlich für die
Einzelhändler damit mit Rückwirkung auf die Grosshänder und auf die
Produktion eine kritische Situation. Hier könnte ein gewisser Konjunktur-
rückschlag einsetzen. Ich habe mit Albrecht vereinbart, dass er mir
unverzüglich jedes Monat telefonisch persönlich mitteilt, wie sich
die Umsatzentwicklung in seinen Geschäften sich abzeichnet.
ANMERKUNG FÜR WANKE: Dies wäre eigentlich eine Aufgabe der Branchen-
referenten, die sich solche INformationen und
INformaitonsmöglichkeiten aufbauen müssten. Hier
wäre der Schnellbericht dann an mich zweckmässig.
Der Bürgermeister von Hohenau und BRO Kracal von der Hohenauer Zucker-
fabrik, der gleichzeitig auch Kulturstadtrat ist, wollten von mir
einen Zuschuss für einen Fussballplatz und ein Freibad. Die gesamten
Ausgaben sollen nicht mehr als 2,5 Mill. S betragen, da die Gemeinde
Hohenau nur 9 Mill. Gemeindebudget hat und davon 1,5 Mill. für die
Kanalisation zurückzahlen muss. Hohenau wird damit kaum den Fremdenver-
kehr ankurbeln, was sie allerdings glauben, sondern nur in ERfüllung eine
Wahlversprechens eben ein Bad errichten. Würzl, Heindl aber auch ich empf
pfahlen ihnen dringend, sie sollten den Plan nich einmal überdenken und d
doch vielleicht ein gedecktes Bad errichten. In diesem Fall könnte man
Sinowatz dafür gewinnen, dass er mit Vorauszahlung für die Schulkinder,
die dann den ganzen Winter dort baden könnten, der Gemeinde bezahlen.
Insgesamt kommen fast 1000 Schulkinder in die Gemeinde durch eigene
und durch Kinder der Umgebung und NÖ-Plan ist Hohenau angeblich als
Wohngemeinde und Erholungszentrum und kriegt deshalb, wie der Bürgermei-
ster glaubt, keine Betriebe. Ich kann mit dies nicht vorstlelen und
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glaube eher, dass es sich hier um eine Taktik des Bürgermeisters handelt.
Hohenau kann meiner Meinung nach niemals Erholungs- oder gar Fremden-
verkehrsgebiet werden, dazu hat es wahrlich keinerlei attraktive Gegenden
resp. sonstige Sehenswürdigkeiten. Vielleicht können wir über die Grenz-
landförderung Hohenau unterstützten.
ANMERKUNG FÜR HEINDL: Bitte prüfe den Fall insbesondere erkundige Dich bei
Czettel, was an dieser Aussage wirklich dran ist.
Dir. Janda und Dr. Krause, das neue Team der Jungbunzlauer sind erschie-
nen. um über die Zuckerpreise mit mir zu sprechen. Voriges Jahr hatte
ich ihnen durch die Intervention bei der Zuckerindustrie eine ausreciende
Menge von Zucker, allerdings um 4,40.- S verschafft. Jetzt hat man ihnen
nach langwierigen Verhandlungen von Fa. Fritz Mauthner 4.20 angeboten.
Sie benötigen ca. 10.000 t uhnd hoffen, dass durch meine Intervention
Mauthner bereit ist, ihnen einen besseren Preis u geben. Ich habe gleich
vor ihnen Fritz Mauthner angerufen und ersucht, er sollte sihc noch einmal
mit den Herren zusammensetzen, um gegebenenfalls eine Preisermässigung zu
vereinbaren. Mauthner hat michnachher noch einmal angerufen und darauf
hingewiesen ist, dass es sehr schwer ist, eine weitere Ermässigung
zu geben, weil derzeit für den Zucker leicht 4.50 bis 4.70 im Export er-
löst werden kann. Der Rübenbauernbund wird jetzt seinen Funktionär ablö-
sen, Weiss geht in Pension, sodass der Nachfolger kaum dafür zu gewinnen
ist, solche – nicht guten Geschäfte abzuschliessen. Da er sich erst bei
den Bauern selbst entsprechend DURCHSETZEN MUSS. Ich teile diese Mei-
nung keinsfalls, sondern die Zuckerindustrie möchte natürlich ihre
günstigen Verkaufserlöse z.B. im Export derzeit lieber lukrieren als
die inländische Industrie mit Zucker zu versorgen. Andererseits natürlich
hat gerade der Besitzer Kahane, der bisher scheinbar weitestgehende in
die Geschäftsführung eingeggriffen hat bei der Zuckerindustrie einen
denkbar schelchten Ruf. Ich habe Mauthner ersucht, er möge doch auf
das neue Team, das sich ganz ausgezeichnet bewährt hat, Rücksicht neh-
men, was er versprochen hat. Das Büro war nicht nur durch Sekt.Chef
Römer und Min.Rat Gröger sondern auch durch den Fachreferenten Dr. Fellner
und Fabrizii bei der Aussprache vertreten. Unglückseligerweise hatte
ich vergessen, dass man mir ein umfangreiches Elaborat ausgearbeitet
hat. Zum Glück habe ich zum Schluss gefragt, ob die Jungbunzlauer
etwas dagegen haben, wenn bei den Verhandlungen auf Vertreter des
Handelsministeriums, nämlich der Fachreferent anwesend ist, was diese
im GEgenteil als eine Unterstützung ihres Wunsches gewertet haben.
ANMERKUNG AN WAIS: Ich habe zeitgerecht die UNterlagen bekommen, so
soll es auch sein. WEnn ich aber aus irgendwelchem
Grund nicht zum Lesen komme oder vergesse, dass ich
eine Unterlage bekommen habe, bitte vor der Sitzung
mich immer auf das Vorhandensein einer solchen Unterla-
ge aufmerksam machen.
Die Sektionsleiterbesprechung gab mir Gelegenheit die Ausschreibung der
Dienstposten für den Präsidenten des Patentamtes und insbesondere für die
Elektrizitätssektion bekanntzugeben, Details habe ich aber nicht mit-
geteilt, damit noch eine Möglichkeit beseht, mit Schipper die Aus-
schreibung und insbesindere den Text zu besprechen. Heindl müsste
es gelingen, er wird sich darum bemühen, Schipper die Zustimmung für
den Text abzuringen. Die ganze Aktion muss als Wunsch von mir aber
Durchführung durch das Präsidium laufen. Ich weiss nicht, wie lange
es noch gelingen wird, diese Personalpolitik durchzusetzen, ohne
dass wir Anstand in der Öffentlichkeit resp. im Parlament bei der ÖVP
erregen. Bemühen werden wir uns bis zum letzten Augenblick.
Koppe hat mir mitgeteilt, dass er nun mit Frau Ing. Zotter handels-
einig geworden ist und sie zu ihm in den Verein für Konsumenteninfor-
mation abwandert. Da Zotter seit eh und je einen Journalistenjob ge-
sucht hat, war die GEfahr, dass sie uns verlorengeht für mich
ständig evident. Trotzdem war natürlich insbesondere Heindl mit Recht
und auch ich ein wenig enttäuscht, dass Zotter jetzt von Koppe gekapert
wird. Wanke sagt mit REcht, dass es für Koppe von grösster Bedeutung
ist, wer bei uns die Konsumentenpolitik macht. Da wir erst einen neuen
Kollegen einschulen müssen, habe ich Koppe und Zotter nicht im Unkla-
ren gelassen, dass ein Wechsel erst nach etlichen Monaten in Frage
kommt, bis der neue Mann wirklich tiptop die Materie beherrscht. Wir
haben für diese Tätigkeit und für diesen Posten einen riesigen Personal-
wechsel. Nach Welser, Spitalsky, Zotter müssen wir uns nun einen vierten
Mann suchen. Trotzdem stehe ich auf dem grundsätzlichen Standpunkt, wer
weggehen will, der soll gehen. Nur nicht versuchen, jemanden mit Gewalt
zu halten.
Beim Klub der Mandatare im 3. Bezirk, wo ich natürlich auch immer über
die politische Lage referieren muss, entwickeltesich dann doch eine
längere Diskussion. Zuerst fürchtete ich schon wieder, dass es keine
Diskussion geben wird. Allerdings ging es dann im Laufe der Stunden so
drunter und drüber, dass zwar nicht agressiv diskutiert wurde,
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aber einer referierte oder diskutierte und die anderen sich auch unter-
einander unterhielten. Ein wirkliches Problem ist, ohen Detailinfor-
mationen zu geben, die ja den einzelnen kaum interessieren, wie man
Woche für Woche einen politischen Bericht gibt. Ich kann bei Kreisky
beobachten, wie er sich durch diese ununterbrochene Informationsabgeb
dann letzten Endes doch auf seine Verhandlungsthemes, ORF, Ombudmann
beschränkt, Da ich eine solche Information ausschliesslich auf das
Fach- resp. Sachgebiet bezogen betrachte, sehe ich darin keine wirk-
liche Information unserer Funktionäre. Ich selbst unterliege sicherlich
auch demselben Fehler. Wahrscheinlich müsste man ein Informationsnetz
aufbauen, das dergestalt ist, dass der Kanzler eben in den Gremien
und dazu gehört auch die Ministerfraktion, ein vorbereitetes
INformationsstatement hat, dies womöglich schriftlich den einzelnen
Ministern oder im Parteivorstand den Mitgliedern stichwortartig gibt
und dann gegebenenfalls von dn einezlnen Fachministern ergänzt wird.
Dies erfordert allerdings viel Arbeit und deshalb sicherlich nciht
gemacht werden. Nur so aber würde ein umfangreiche und bessereINfor-
mation möglich sein, Ansonsten besteht die grosse GEfahr, dass jeder
Minister in seinem BEreich Partei, Gewerkschaft, Öffentlichkeit,
Informationen nur von seinem Sachgebiet und damit automatisch in die
Details gehend gibt., die in Wirklichkett wahrscheinlich niemanden oder
höchsten ein paar Spezialisten interssiert.
Tagesprogramm, 25.9.1973
Tagesordnung 87. Ministerratssitzung, 25.9.1973
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