Sonntag, 7. Oktober 1973
Die Wählerversammlung mit Bürgermeister Spitzer in Wels, wo sogar 3
oder 4 Kommunisten anwesend waren und auch in die Diskussion eingriffen,
war verhältnismässig einfach zu bestreiten. Spitzer hielt ein ausgezeich-
netes Fachreferat, er spricht frei, wo er einen Tätigkeitsbericht abgab
und dann das neue Wahlprogramm darlegte, da in Oberösterreich ja auch
gleichzeitig Gemeinderatswahlen stattfinden. Dadurch konnte ich an-
schliessend auf die Unterstützung Oberösterreichs durch die Bundesregierung
hinweisen und mich natürlich mit der Opposition, d.h. insbesondere der ÖVP
auseinandersetzen. Mit einige Gags hatte ich die Lacher natürlich auf meiner
Seite. Ich fürchte eigentlich nur, dass ich vielleicht bei der einen oder
anderen Versammlung die Gags, die ich natürlich wiederholen muss, schon
gebracht habe und damit vielleicht der Eindruck entsteht, er hat sich dies
alles eingelernt. Was mich eigentlich immer ein bisschen erschüttert, ist,
dass bei der Diskussion, wenn sich anderen – es sind meistens eh Kommu-
nisten – unsere älteren Genossen dann sofort sehr hart attackieren, dies
ist sicherlich darauf zurückzuführen, dass in den ländlichen Gebieten
die Gegensätze viel stärker aufeinanderprallen und die einzelnen Funktionäre
sich wesentlich genauer kennen und härter mit einander diskutieren. Ausser-
dem glauben viele Genossen, sie müssen dem Referenten irgendwie helfen,
beschuldigen die Kommunisten dann – was ja auch stimmt – dass sie keine
Demokraten sind, womöglich dass sie nach dem Osten auswandern sollten
und erklären rundwegs, wenn sie als Genossen angesprochen werden, dass
sie sich von ihnen so nicht titulieren lassen. Hier sieht man erst, welche
Fehler Pittermann seinerzeit gemacht hat, als er sich nicht ganz klar von
den Kommunisten distanziert hat als diese in der höchsten Spitze, also
zentral einen Anbiederungsversuch machten. Die Ablehnung und die Gegen-
sätze gehen in den Organisationen viel tiefer als wir dies wenn ich so
sagen darf, oben bemerken. Hier hat Kreisky sofort 1970 richtig geschaltet.
Die Besichtigung der Nettigsdorfer Papierfabrik aber noch viel mehr
die Aussprache mit Gen.Dir. und gleichzeitigem Besitzer Stepsky sowie
seinem technischen Direktor war für mich äusserst lehrreich. Stepsky als
neuer Vorsitzender des Papierverbandes ist glaube, da er auch eine eigene
Papierfabrik besitzt, eine stärkere Persönlichkeit als sein Vorgänger
Poppowic. Stepsky teilt daher auch meine Meinung, dass wir jetzt im
Konjunkturaufschwung versuchen sollten, eine gewisse Reform oder Struktur-
änderung der Papierindustrie herbeizuführen. Seine Aussage deckt sich
ganz mit der Auffassung der Beamten in der ÖPA, dass der Kernpunkt
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die Leykam-Josefsthal Papierfabrik, welche zum allergrössten Teil
der CA gehört, ist. Seiner Meinung nach müsste diese Papierfabrik
eine Zellstoffproduktion – derzeit hat sie 70.000 – auf mindestens
170 bis 210.000 ausbauen, d.h. eigentlich neu errichten. Dann müsste
sie die Mürzthaler mit 10.000 stilllegen, was nicht schwer ist,
weil es ihr eigener Konzernbetrieb ist. Wichtig wäre nur, dass auch
Brigl & Bergmeister, die derzeit ca. 50.000 erzeugt, dann integriert
werden sollte. Die derzeitigen Besitzer, Freudenberg, sollen sich schon
in Besprechungen mit der CA befinden. Darüber hinaus müsste noch die
Fa. Schweizer in Frohnleiten in den Konzern übernommen werden. Die
ganze Idee steht und fällt, ob Gen.Dir. Treichl, aber noch viel
mehr der Vorstandsdirektor der CA, der für die Konzernbetriebe zu-
ständig ist, Schmidt-Chiari, einer solche Konzeption zustimmt. Ich
habe Stepsky erklärt, dass ich beabsichtige, mit der CA Besprechungen
aufzunehmen. Hier hat mich verwundert, dass Stepsky selbstverständlich
sehr dafür war, und dies als Schlüssel für unsere zukünftige Lösung
betrachtet, doch nicht will, dass sich bereits auf die Aussprache
und die detaillierte gemeinsame Vorgangsweise vom Verband und dem
Handelsministerium hinweisen soll. Ich werde die CA besuchen und
unverbindliche Besprechungen mit Treichl und Schmidt-Chiari auf-
nehmen.
ANMERKUNG FÜR WIESINGER: Bitte ein Telefongespräch herstellen.
Stepsky ist davon fest überzeugt, dass – wenn es als erster Schritt
gelingt, mit Leykam-CA gemeinsam mit der steirischen Papierprobleme
zu lösen, dass sich dann alle anderen Schwierigkeiten, insbesondere
auf dem Druckpapiersektor, d.h. dem graphischen Sektor sofort wesent-
lich leichter in Angriff nehmen lassen. Stepskys Politik wäre Schritt
für Schritt, was mir aber an und für sich sehr entgegenkommt. Ich
glaube auch, dass wenn wir jetzt die entsprechende Umweltschutzfinan-
zierung durchführen, eine gewisse Einzugsmöglichkeit haben und dass
wir diese auch nur schrittweise nützen sollten.
ANMERKUNG FÜR WAIS UND WANKE: Die Sektion III insbesondere Haffner
müsste hier doch eine grössere Aktivität
bezüglich einer Entscheidung, wer die Umwelt-
schutzfinanzierung bekommen sollte, entwickeln
Derzeit – habe ich das Gefühl – registrieren
sie nur die Ansuchen und sich bereit, alle zu
genehmigen.
Stepsky geht so weit, dass er auch die Neusiedler-Kematen-Produktion
vom 24.000 in die neue Leykam-Zellstoffproduktion einbauen möchte.
Stepsky glaubt, dass auch hier eine Möglichkeit besteht,
denn das Ansuchen der Leykam umfasst, 1,2 Mia S, was bedeutet, dass
unter allen Umständen ein grösseres Konzernprojekt mit Eingliederung
vieler Zellstoffproduktionen bestehen müsste. Stepsky gibt allerdings
zu, dass die einzelnen Papierfabriken sich kaum Gedanken gemacht haben,
in welcher Grössenordnung in Hinkunft wirklich die Zellstoffproduktion
aufgeteilt werden sollte. Insgesamt haben die Investitionen, wenn wir
sie zusammenzählen, 4,5 Mia S ergeben. Ein gigantischer Betrag, der
kaum zu verwirklichen wäre, selbst wenn er sinnvoll ist, was ich aller-
dings und auch Stepsky auf das entschiedenste bezweifelt. Stepsky ist der
vollkommen richtigen Meinung, dass eine wirkliche Reorganisation und Struktur-
bereinigung in der Papierindustrie nur dann möglich ist, wenn die konzern-
mässig Verflechtung erfolgt. Durch Aktientausch z.B. Leykam-Josefsthal
gibt der Schweizer einen Teil und dafür geht dieser Betrieb kapitalmässig
in Leykam-Josefsthal auf, könnten seiner Meinung nach die entsprechenden
Voraussetzungen geschaffen werden. Ich bin neugierig, ob dieses Projekt
möglich ist zu verwirklichen. In der Grundkonzeption stimme ich dem
vollkommen zu.
Bei der Versammlung in Kirchberg in der Nähe von Hörsching, war ich
über den guten Besuch überrascht. Da es sich dort meistens um Pendler
handelt, die dort wohnen und in Linz arbeiten, ist auch eine überwältigen-
de sozialistische Mehrheit gesichert. Leider hatte ich nicht allzu
viel Zeit, um mit den Genossen dann noch eine längere Diskussion zu
führen, da ich zum Abendessen nach Wien fahren musste. Dieses protokoll-
mässige Essen war das sinnloseste was man sich vorstellen kann. Nedev
aber hat natürlich darauf bestanden, zumindestens hat man mir dies von
unserer Beamtenschaft so erklärt. Viel lieber hätte ich draussen
mit den Genossen noch einige Zeit diskutiert, obwohl ich natürlich die
Diskussion formell ganz richtig und auch glaube ich zur Zufriedenheit
der Anwesenden abgewickelt habe. Interessant war, dass sich auch die Hühner-
produzenten dort zu Wort meldeten und eine Erklärung von mir wollten,
warum ich gegen die Erhöhung der Schwellenpreise bin. Man sieht, dass
selbst in sozialistische Veranstaltungen doch ab zu und zu andere Gruppen
kommen besonders dann, wenn sie etwas wünschen.
Tagesprogramm, 7.10.1973