Montag, 8. Oktober 1973
Beim jour fixe in der Bundeskammer, wenn ich so wie diesmal mit Sallinger
allein bin, fehlen die entsprechenden Informationen, Wünsche und Anfra-
gen der Abteilungen, die sonst immer Mussil verträgt. Deshalb ich das
Programm verhältnismässig klein. Sallinger möchte unbedingt wissen,
wie wir aus dem Problem der Besetzung der ÖFVW Geschäftsführerbestellung
herauskommen. Er selbst möchte am liebten, wenn ein Dritten, also
weder Fröhlich noch Zolles bestellt wird. Ich weise darauf hin, dass
ich eine Neuausschreibung, ohne Gesicht zu verlieren, kaum durchführen
könnte. Er selbst meinte aber, er müsste auch eine Möglichkeit haben,
als dem Dilemma herauszukommen. Ich biete ihm neuerdings das Kompromiss
an, welches akzeptieren würde, dass Fröhlich Obmann der Organisation
wird, da ich auf alle Fälle diesen Posten zurücklegen werde. Wenn die
Handelskammer diesen Vorschlag nicht annimmt, werde ich verpflichtet
sein, einen Beamten, wahrscheinlich Heindl, vorschlagen. Sallinger reagiert
sofort auf diesen Vorschlag und meint, ob ich auch einen anderen Obmann
als Fröhlich akzeptieren würde, den die Handelskammer vorschlägt. Ich
erkläre sofort, dass man mit mir über jede Person reden kann. Geschäfts-
führer könnte aber nur ein Mann werden und nur jemand, der sich bereits
in der Ausschreibung beworben hat und zwar der tüchtigste, damit Patzak
von ihm nicht neuerdings ins Spiel gebracht wird, verweise ich darauf,
dass er ihn seinerzeit unter allen Umständen abgelehnt hat und auch
heute sehr viele negative Stimmen gibt. Sallinger will dieses Problem
mit seinen Leuten noch einmal besprechen und Ende Oktober mit mir dann
neuerdings, d.h. also nach den Wahlen entsprechende Verhandlungen führen.
ANMERKUNG FÜR Heindl: Bitte die Fotokopien der Bewerbungen, die wir nicht
mehr brauchen, dem Präsidenten Sallinger übermitteln
Sallinger interveniert wieder, warum er noch immer nicht die Zustimmung
zu § 58 Fa. Gugler von mir bei der AK durchgesetzt werden konnte.
Ich verweise darauf, dass ich in dieser Sache sogar mit dem Kammer-
amtsdirektor und dem Präsidenten gesprochen habe und eine positive
Stellungnahme erwarte. Insbesondere weist Sallinger neuerdings darauf
hin, dass bei der Fa. Heinzl ein Gewerkschaftsfunktionär erschienen ist
und erklärte, dass die AK und die Gewerkschaft gegen eine Auszeichnung
sind, wenn nicht die entsprechende Organisation im Betrieb durchgeführt
wird und damit er garantiert verhindern kann, dass die Auszeichnung ge-
geben wird. Nach Meinung Sallingers kann es doch nicht ausschliess-
lich von der AK abhängen, ob jemand ausgezeichnet wird oder nicht.
Ich habe ein Argument noch nicht ausgespielt, dass ich schlimmstenfalls
in der Öffentlichkeit dann vertreten werde. wenn dieses Problem tat-
sächlich im politischen Kampf – d.h. Arbeiterkammer verhindert Aus-
zeichnung – publik werden sollte. In diesem Fall gibt es eine einzige
Möglichkeit, nämlich hier zusagen, dass ausgezeichnete Firmen auf
alle Fälle die Gesetze einhalten müssen und darin die AK oder die
Gewerkschaft interveniert, damit eben das Betriebsrätegesetz angewendet
wird, d.h. dass ein Betriebsrat gewählt werden muss in jeder Firma,
dann kann man dies nicht als eine Art Erpressung hinstellen; sondern
als selbstverständliche Durchführung der Gesetz für einen auszuzeichnen-
den Betrieb.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Ich habe schon einmal ersucht zu recherchieren, was
bei der Fa. Henzl los war, ausserdem bitte mit KAD
Scheer wegen der Fa. Gugler fragen.
Betreffend die Patentförderungsarbeitsgemeinschaft Handelskammer-HM
ersucht Sallinger, dass wir solange nicht publizistisch aktiv werden,
als diese Arbeitsgemeinschaft nicht tatsächlich arbeitet. Scheinbar
kommen doch jetzt einige Erfinder oder vielleicht sogar Unternehmer und
wünschen entsprechende Information und Unterstützung und Sallinger hat
keine Möglichkeit, sie auf die Arbeitsgemeinschaft zu verweisen,
die ja letzten Endes mit Ing. Mayer vom Wifi die Bundeshandelskammer
die Hauptlast zu tragen hat. Ich verweise darauf, dass jetzt schon
die Vereinsbehörde das Statut genehmigt hat und deshalb sich schnell
konstituieren könnte. Sallinger ist damit sehr einverstanden.
ANMERKUNG FÜR GEHART: Bitte die Aktivierung der ARGE zu betreiben.
Ich weise bei Sallinger auf das seinerzeitige Versprechen hin, die Handels-
kammernovelle betr. Wahlordnung einvernehmlich mit dem Freien Wirt-
schaftsverband so zeitgerecht bei mir zu beantragen, dass ich den ent-
sprechenden Gesetzentwurf vorbereiten kann. Eine Aussprache mit Mühl-
bacher und Jodlbauer hätte nun gezeigt, dass die Handelskammer nicht
bereit ist, die Vorschläge des Freien Wirtschaftsverbandes zu akzeptieren.
Unter diesen Umständen werde ich genötigt, einen Gesetzentwurf, den dem
Freien Wirtschaftsverband entspricht, selbst zu erstellen. Sallinger
bekennt sich zum seinerzeitigen Versprechen, meint allerdings, dass
ein Kompromiss mit dem Freien Wirtschaftsverband gefunden werden müsste.
Die vom Mühlbacher mir besonders ans Herz gelegte Mitwirkung bei Be-
zirksstellen wird er sich überlegen und sieht eine gewisse Möglichkeit.
Er möchte nur unter allen Umständen verhindern, dass die Blauen dann einen
stärkeren Einfluss in der Handelskammer bekommen. Hier wird eine Be-
stimmung über die Unterschriften beim Wahlvorschlag oder etwas ähnliches,
er kennt sich im Detail auch nicht aus, stösst aber auf grossen Widerstand
im Wirtschaftsbund. Mein Vorschlag, dass er sich mit Mühlbacher oder eventuell
Jodlbauer zusammensetzt und unter 4 Augen eine Bereinigung der offenen Fra-
gen herbeiführt, akzeptiert er und wird sich mit Mühlbacher diesbezüglich
ins Einvernehmen setzen.
ANMERKUNG FÜR WIESINGER: Bitte Telefongespräch mit Mühlbacher herstellen.
Ich treffe den Leiter des Berufsausbildungsbeirates Dr. Häusler-Angeli und
schlage ihm auf Grund der Aussprache beim Gewerkschaftsjugendkongress vor,
dass man auf der Sozialpartnerebene jetzt schnell zu positiven Ergebnissen
in der Berufsausbildung-Reorganisation kommen muss. Er ist mit einem Modell-
versuch, resp. mit neueren Modellen für andere Berufsgruppen ausser Elektro
und kaufm. Angestellten einverstanden, hat auch volles Verständnis für die
überbetriebliche Ausbildung, ist vor allem sehr froh, dass ich die Jugend-
inspektoren für Beratungsüberwachen und Ausbildungsüberwachung ablehne
und die Selbstverwaltung bevorzuge und meinte nur, bezüglich der paritä-
tischen Mitbestimmungen in Werkstätten-Ausschüssen der Handelskammer, dass
ich in diesem Punkt bitte mit ihm nicht Verhandlungen führen könne. Hier
dürfte er von Seiten der Handelskammer festgelegt sein, obwohl er eigent-
lich, zumindestens habe ich dies entnommen, für diese Forderung volles
Verständnis hat.
ANMERKUNG FÜR JAGODA: Bitte auf Grund meiner Ausführungen beim Jugend-
kongress und dieser Aussprache mit Häusler-Angeli
auf Beamtenebene entsprechende Vorbereitungen für
eine Beschleunigung des Verfahrens einer Novelle
des Berufsausbildungsgesetzes aufnehmen.
Vor dem Journalistenfrühstück über die Managerausbildung, wo Dr. Salzbrunn
vom Wifis referiert, erzählt mir dieser, dass jetzt ein grosse Spannung
innerhalb der Handelskammer und Reorganisationsnotwendigkeit besteht. Da
ich mit Salzbrunn nicht in einzelne Verhandlungen und vor allem nichts
als Informator in Erscheinung treten möchte, gehe ich auf diese Bemerkungen
nicht ein. Doch glaube ich ist es zweckmässig, von dritter Stelle eventuell
den Gesprächsfaden aufzunehmen..
ANMERKUNG FÜR WANKE: Da Du seinerzeit mit Salzbrunn schon diesbezügliche Ge-
spräche hattest und er Dir Informationen gegeben hat,
bitte überleg, ob es nicht zweckmässig ist, die Reform-
pläne, die er sich scheinbar vorstellt, von ihm zu
erfahren.
Die Vorbesprechung mit Minister Nedev für die Gemischte Kommission
zeigt, dass er den Wunsch Bulgariens, dass ein Brief von Österreich
betreffend die Entliberalisierung nicht mehr erwartet wird. Nedev hätte
zwar sehr gerne, wenn wir eine diesbezügliche Erklärung abgeben würden,
dass das Handelsministerium ab 1.1.1975, wenn die Liberalisierung auch
an Bulgarien von uns autonom gegeben wird, bei einer eventuellen Ent-
liberalisierung nicht diskriminierend vorgehen würde. Eine solche Er-
klärung ist deshalb unmöglich, weil die Entliberalisierung natürlich eine
Diskriminierung für eine gewisse Sparte oder Branche oder noch besser
gesagt für ein einzelnes Firmenprodukt eben eine Schutzmassnahmen der
österr. Firma darstellen soll. Ich versichere nur Nedev, dass wir
mit einer solchen Massnahme äusserst sparsam vorgehen werden, weil wir
ja sonst im Prinzip nicht die Liberalisierung zugestanden hätten.
Bei der Gemischten Kommission ist eine riesige österr. Delegation. Ich
erwähne nur zusätzlich zu dem bereits abgesprochenen Protokoll, dass
Österreich grosses Interesse daran hat, die Zellulose-Einrichtung für
eine bulgarische Fabrik zu liefern. Da sich sowohl VÖEST als auch Voith
darum bewerben, erwähne ich keine einzelne Firma sondern nur das all-
gemeine österreichische Interesse. Ich komme mit diesen Wünschen der
Intervention immer wieder den Firmengesuchen nach. Interessant ist aber,
dass sich verhältnismässig so wenig Firmen an mich wenden. Ich möchte,
dass nicht jetzt eine Propaganda gemacht wird, damit womöglich mehrere
Firmen sich dann noch einschalten und bei allen Besuchen von ausländischen
Ministern dann ganze Speiszettel von mir verlesen werden müssen. Wichtig
ist nur, dass wenn eine Firma sich initiativ an mich oder das Handelsministe-
rium wendet, ich dann tatsächlich diesen Wunsch dem ausländischen Mini-
ster präsentiere! Niemand soll sagen können, dass er sich ohne dass
ich eben entsprechend gehandelt habe, an den Handelsminister gewendet
hat.
Da Nedev gewünscht hat, dass bei der Unterschrift für einen Rahmenve-
rtrag der Bulgaren mit der Fa. Transex er und ich anwesend sein sollen,
habe ich auch diesen Vorschlag sofort akzeptiert. Bei dieser Gelegenheit
hat die Firmenleitung gebeten, dass ich wegen eines 50 Mill. Auftrags-
wertes in Lagos und von Ausstattung von 14 Spitälern in Libyen inter-
venieren soll. Die Bundeshandelskammer, Dr. Gleissner, hat mich an-
dererseits ersucht, dass die Firma Transex dann österr. Firmen bei
diesen Projekten heranziehen soll. Auch diesen Wunsch habe ich weiter
gegeben und zu meiner grössten Verwunderung habe ich dort Herrn Bela
Szabo
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eine sehr rührigen Ostspezialisten und Geschäftemacher getroffen.
Er meinte und versicherte mir, dass dies sowieso der Fall sein wird,
besonders wenn preiswerte Anbote vorliegen. Mit diesem Rahmenvertrag
rechnet Transex grössere Geschäfte mit Bulgarien machen zu können.
Bei der Ministerratsvorbesprechung erwähnt Kreisky, dass der Lebens-
haltungskostenindex nur um 6,5 % im September gestiegen ist und er
deshalb im Ministerrat den Sozialpartnern Dank aussprechen wird.
Bezüglich der Bundeshaftung für das Austro-Ferngas-Projekt Algerien
weist er darauf hin, dass Slavik seinerzeit diese Gesellschaft gegründet
hat und wohl ausgewogen politisch kaum die Möglichkeit besteht, dass
der Bund in irgendeiner Form in dieser Gesellschaft tätig wird. Trotz-
dem vertritt er die Meinung, dass jetzt der Moment gegeben ist, wo
die Erdgas andere Entwicklung nehmen soll als die Elektrizitätswirtschaft
wenn das Projekt so durchgeht wie es sich die anderen Seite vorstellt
würde dies die E-Wirtschaft, die sehr unglücklich dezentralisiert wurde,
im den Schatten stellen, da über diese Gesellschaft sogar auch Aussenpoli-
tik gemacht werden würde. Er hält es nicht für zweckmässig, dass die ÖMV
in dieser Gesellschaft mitwirkt sondern eher die ÖIAG oder sogar der
Bund selbst. Detailhinweise von mir, dass es sich um ein geschichtetes
Problem handelt, Bundeshaftung für die freie Finanzierung und Ausfuhr-
haftung für die Exportlieferung der VÖEST meint Kreisky kennt er ganz ge-
nau und schlägt vor, dass das Finanzminister und der Handelsminister
die Verhandlungen mit der AFG und der Gaswirtschaft führen sollen.
Er verweist nur, dass man immer wieder Bundeshaftung von ihm verlangt,
selbst für Geschäfte wie Taiwan.
ANMERKUNG FÜR WIESINGER: Bitte Besprechung mit Reisinger und Meszaros
dringendst einberufen.
Kreisky urgiert den Kasernentausch. Lütgendorf meint, dass man in
Innsbruck für eine Kaserne 250 Mill. S für den Grund ihm angeboten
hat. Kreisky verweist aber dass man seinerzeit man ja den Gemeinden
den Grund zur Verfügung stellen wollte und nicht irgendwelche privaten
Spekulanten. Er urgiert, dass noch immer kein moderneres System von
Seiten der Bürokratie akzeptiert wird, damit nicht in fester Bauweise
sondern in Stahlbetonbau, leicht transportabel und schnell zu errichten,
die entsprechenden Schulen und Kasernen gebaut werden. Moser und Lütgen-
dorf verweisen darauf, dass alle Stahlbauanbote wesentlich teurer waren
als die Massivbauten. Kreisky wird eine Aussprache zwischen VÖEST, die
bei ihm wegen Stahlbau scheinbar interveniert hat und den betreffenden
Minister einleiten. Bei dieser Gelegenheit kommt auch die Rennweger
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Kaserne mit zur Sprache, Hier handelt es sich nicht um einen Kasernen-
tausch sondern es sind einige Dienststellen vom Bund dort unterge-
bracht. Androsch meint, der Bund könnte nicht auf Grund verzichten,
da er jetzt mit der Gemeinde wegen der Donau-Insel d.h. Grundanteil-
erhaltung herumschlagen muss. Es müsste deshalb auch bei Rennweg die
Bundesinteressen nachdem Moser objektiv berichtet, dass das Unterrichts-
ministerium die Schulbauten dort durch meine Intervention verzichtet
hat, was Sinowatz bestätigt, doch aber die anderen Interessen gewahrt
werden müssten. Zu diesem Zweck schlägt er vor, dass ein gemeinsames
Projekt Bund/Wien für die Rennweger Kaserne ausgearbeitet werden soll.
Hier hat selbst Kreisky Bedenken, weil er meint, dann werden die Dienst-
stellen sofort wieder neue Anforderungen stellen. Ihm erscheint eine
Aussprache zwischen Wien und dem Bund dringendst notwendig.
ANMERKUNG FÜR HEINDL: Versuche zu klären, was das Finanzministerium
wirklich im konkreten Fall haben will.
Kreisky erwähnt noch einen Niederl-Brief wo dieser weitere Gastarbeiter
für die Steiermark befürwortet. Er schlägt eine Besprechung der Sozial-
partner mit der Regierung vor unter Vorsitz des Sozialministers, er selbst
das Handelsministerium und das Innenministerium soll daran teilnehmen.
Kreisky hat dann die üblichen, nicht erledigten Fragen wie Architekten-
zusammenkunft von Moser, die öffentlich gross herausgestrichen werden
soll, die Fondskoordinierung von Preglau, die er neuerdings bei Veselsky
urgiert, die Meinungsbefragung über die Gesundheit usw. erwähnt.
Kirchschläger berichtet über die UNO und insbesondere über die zu
erwartenden Sicherheitsrats-Verhandlungen über die Entstehung des Krieges
im Nahen Osten. Kirchschläger möchte, dass in einem besonderen Fall
Jankowitsch sich der Stimme enthält, wenn nämlich unser Vorschlag über
eine sofortige Waffenruhe von den Grossmächten ohne dass die Waffenstill-
standslinie erwähnt wird, nicht angenommen wird. Kreisky ist vorerst dage-
gen, aber modifiziert dann seine Meinung , dass er meint, man sollte unter
allen Umständen den österr. Standpunkt: aktive Neutralität, berücksichtigen.
Wenn allerdings die Russen auf die eine Waffenstillstandslinie, nämlich
zurück vor den 6-Tage-Krieg und die Amerikaner wahrscheinlich auf
die Waffenstillstandslinie Suez-Kanal und Golan-Höhen, wie sie vor Aus-
bruch der Kriegshandlungen bestanden hat, bestehen, wird es kaum zu
einer gemeinsamen Resolution kommen. In diesem Fall sollte sich Janko-
witsch der Stimme enthalten. Erschreckend ist für mich die Mitteilung
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und die Mentalität vollkommen unerklärlich, dass die Araber, auch die
Ägypter, scheinbar diesen Kampf begonnen haben, wissend, dass sie ihn
verlieren. Siad soll Kirchschläger gegenüber erwähnt haben, dass halt
1 Mill. Ägypter dabei zugrundegehen können, bleiben ihm noch immer 49 Mill.
Sadat gilt als der Gemässigte, doch muss er dem radikalen ehemaligen
Nasser-Anhänger und Gadaffi und vielen anderen im arabischen Lager nach-
geben und deshalb diesen Krieg beginnen. Die Hoffnung Sadats dürfte sein,
dass er dann einen Frieden, den die Grossmächte diktieren, akzeptieren
kann, weil eben wieder ein Krieg verloren wurde. Nach Auffassung der radi-
kalen Anhänger wird dies sowieso ein Krieg von Jahrhunderten. Allerdings
wenn jetzt wieder das gesamte Militärmaterial, Tanks, Flugzeuge usw.
was die Sowjets geliefert haben, verlorengehen, die SU neuerdings bereit
ist, die Araber aufzurüsten, bleibt mit der Zeit dahingestellt.
Ich habe beim Abendessen mit Nedev auch dieses Problem kurz erörtert.
Nedev ist erschüttert, über die Naivität der Araber. Er hat mit arabischen
Ministern gesprochen, die ihm allen Ernstes einreden wollen, Israel ist für
sie kein Problem mehr sondern es geht jetzt darum Amerika zu bekämpfen.
Die beste Lösung ist, wenn sie Öl nur mehr gegen amerikanisches Gold ver-
kaufen, dann werden sie die amerikanische Wirtschaft aushöhlen und so
schwer schädigen. Nedev hat ihnen als Marxist, wie er sich ausdrückt,
geantwortet und erklärt, dass Marx schon erklärt hat, die Goldvorräte
diesen höchstens zur Ausstattung von Toiletten. Hier konnte ich ihn
freundschaftliche korrigieren, dass dies Lenin gesagt hat. Auf alle Fälle
dürfte der Ostblock sich ziemlich klar sein und Nedev hat mir dies be-
stätigt, dass die Araber infolge ihres niedrigen Bildungsniveaus ausser-
stande sind, selbst bei x-facher Überlegenheit der Bevölkerung gegen-
über Israel jemals auf ihrem Niveau die Israeli mit noch so guten Waffen
bekämpfen und besiegen zu können. Nedev meinte, sie hätten nichts dagegen,
wenn die Araber mit den Israeli reinen Tisch machen. Er hat mir nicht ge-
sagt, was er sich darunter vorstellt, ich kann es mir denken, wohl aber
ist er überzeugt, dass dies eben die Araber niemals erreichen werden. Ich
glaube für den Marxisten und Ostblockler Nedev ist vielmehr als für mich
die menschliche Komponente, die Materialtangente, das Entscheidende. Er
sieht mit Schaudern, dass die Sowjets jetzt neuerdings die Araber werden
ausrüsten müssen und diese moralisch – wie er sich ausdrückt – nicht im-
stande sind, die Israeli jemals wirksam zu bekämpfen.
Tagesprogramm, 8.10.1973
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)