Freitag, 7. Juni 1974
Meine Dozententätigkeit in der Sozialakademie möchte ich nicht
missen. Leider habe ich dafür viel zu wenig Zeit. Was ich in
den vergangenen Jahren dort immer vorgetragen und vor allem einmal
diskutiert habe, war praktische Wirtschaftspolitik. Seitdem die
Sozialakademie vor 25 Jahren gegründet wurde, hatte ich immer als
Vortragender das Gefühl, dass sie mit theoretischem Wissen angestopft
werden, ohne dass sie eben in der Praxis dann dieses Wissen sehr
schnell und allzu systematisch verwenden können. Was sie lernen müssen,
ist also, aus der ganzen Theorie, die ihnen dort gesagt wird, prakti-
sche Nutzanwendungen zu machen. Dazu müssen Vortragende eingesetzt
werden, die in der Praxis stehen und wahrscheinlich mit minimalem
theoretischem Wissen und im Bestreben ihnen eine Theorie zu verzapfen
an die Tagesprobleme herangehen. Nicht dass ich diese Tätigkeit
überschätzen möchte, aber ich glaube, sie ist als Ergänzung dringend
notwendig. Dozent Klimpt, der Leiter der Sozialakademie hatte deshalb
auch, als er die Geschäfte vor Jahrzehnten übernommen hat, meine
Theorie hundertprozentig unterstützt. Da ich immer Zeitmangel
hatte, hat er immer zugestanden, dass ich 4 Stunden auf einmal vortragen
und diskutieren darf, bei allen anderen meinte er, müssten zwei Stunden
genügen, denn länger könnte ein Hörer gar nicht die Diskussion auf-
nehmen. Geringschätzig beurteile ich deshalb immer auch meine Tätigkeit
draussen und meine, das ist halt eine Plauderstunde. Vielleicht müsste
man sie aber tatsächlich systematischer gestalten.
ANMERKUNG FÜR WANKE: Besprich mit Klimpt die Möglichkeiten, aus der
Hörerkritik sollten wir einen neuen Lehrplan
entwickeln.
Durch reinen Zufall erfuhr ich und sah das Modell der neuen Schule
ein gigantisches Bauwerk, mit allen modernsten Einrichtungen vom
Swimmingpool bis wahrscheinlich zur perfektesten technischen Vortrags-
möglichkeit. Mich beängstigt nur, dass die Bauten und Einrichtungen
weit über die personellen Möglichkeiten hinausgehen. Diese modernen
Schulführungen mit den modernsten Unterrichtsmethoden die geschaffen
werden, setzen Vortragende voraus, die diese auch nützen. Abgesehen
davon, dass ich dies nicht imstande bin, allerdings ja nur am Rande
in Erscheinung trete, fürchte ich, dass auch andere Vortragende sie
überhaupt nie nützen. Hier wäre eine Koordination zwischen dem
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Geld, das man aufwendet und der geringen Wahrscheinlichkeit, dass
diese Einrichtungen dann zweckmässig genützt werden, zu untersuchen.
Nicht dass ich mich in die Baugeschehen der Arbeiterkammer einschal-
ten möchte. Ich war, als ich Kammeramtsdirektor war, auch nicht imstande
das Vöslauer Schulungs- und Erholungsheim, das ich allerdings schon
von meinen Amtsvorgängern vorfand zu verhindern. Aus Erfahrungen, die
man aber dort gemacht hat, sollte man meiner Meinung nach jetzt ins-
besondere in der Mödlinger Sozialakademie Nutzen ziehen. Vielleicht
irre ich mich, ich fürchte aber dass viel Geld in eine moderne
Form des Unterrichts investiert wird, ohne dass es optimal genützt
wird. So wie man für einen Bau zuerst einen Funktionsplan erstellt,
müsste man eigentlich einen spezifischen Funktionsplan für den Bau aber
noch viel mehr einen Funktionsplan für die technischen Einrichtungen
abgestimmt auf das Material von Lehrern, das zur Verfügung steht,
konzipieren. Vielleicht ist dies aber alles geschehen, ich bin
ja heute viel zu weit schon draussen aus dem unmittelbaren Entscheidungs-
gremium der Arbeiterkammer. Ausserdem geht mich das Ganze doch wirklich
überhaupt nichts mehr an.
Das Seminar über Verbraucherfragen von Karl-Renner-Institut war für
mich sehr lehrreich. Hier konnte ich an mit selbst feststellen,
wie das Amt den Mann beeinflusst. Horst Knapp hat seinen Artikel
über Konsumerismus, der er in den Finanznachrichten publizierte,
sehr geschickt aber doch lesend vorgetragen. Das Ganze hat natürlich mit
dem Titel: Wer macht die Preise, kaum etwas zu tun. Ich versuchte
deshalb leider auch wieder aus dem Stegreif, weil ich mich nicht darauf
im einzelnen vorbereitet habe, doch ein wenig Grundsatzfragen in
Wer macht Preise, hineinzutragen, indem ich die Lehrbuchmeinungen oder
die in der Theorie verzapften Weisheiten dem bei uns in der Praxis
gültigen Modell gegenüberstellte. Zu sagen, nur dass der Markt die
Preise macht und dass es zweckmässig ist, dort Wettbewerb zu haben,
erschien mir als zu wenig. Auf was es mir ankommt, nicht nur dort
in diesem Vortrag sondern auch in meiner ganzen theoretischen Kon-
zeption, die Gruppen, die Klassen, wenn man will, die Machtströme
herauszuarbeiten, die wirklich die Preise machen. Dabei gibt es
eben, wie ich dort freimütigst bekannte, nicht nur keine Konkurrenz
auf der Unternehmerseite sondern doch Monopole, Oligopole Kartell-
absprachen, Handelskammerempfehlungen wird dies weitestgehend ausge-
schaltet, sondern auch auf der Arbeitnehmerseite genauso wenig freie
Konkurrenz eben durch die Gewerkschaften und sonstige Vereinigungen.
Der Streit, ob diese entstanden sind, weil das Kapital sich organisiert
hat, oder ob es umgekehrt der Fall war, ist in Wirklichkeit ein müssiger
und hilft uns in der gegenwärtigen Analyse unserer Situation kaum weiter.
Was wirklich nottäte und das ist aus der Diskussion klar und deutlich
hervorgegangen, wäre, eine straffe Organisation der Konsumenten.
Dass dies in der Praxis aber nicht möglich ist, weiss ich und nicht
nur ich allein sondern viele sehr genau. Der Wunsch der Leute, die dies
fordern, ob dies nun sozialistische Frauen sind oder fanatische
VKI-Anhänger oder Gewerkschafter, alle werden sie Rufer in der Wüste
sein, weil niemand imstande ist, eine wirkliche Konsumentenorganisation
aufzuziehen. Ich glaube noch immer, dass wir in Österreich die optimalste
Lösung mit dem Verein für Konsumenteninformation, mit der Arbeiter-
kammer und teilweise den Gewerkschafter erreicht haben. In meiner
Funktion als Handelsminister allerdings verwässere ich diese Absicht
indem ich mich bemühe, noch mehr als bereits in meiner sonstigen Ver-
gangenheit auf Kompromissbasis mit der Handelskammer, sei es im Verein
für Konsumenteninformation, früher, jetzt im Beirat für Konsumentenfragen
nichts als ständige Kompromisse zu erreichen. Vielleicht ist aber wirklich
der Kompromiss das Ende jedes durchschlagenden Erfolges. Hier meine
ich eben, dass ich als jetzt zum Amt des Handelsministers Berufener
eben noch mehr geformt werde von der Idee des Packelns. Zugegebenerweise
war ich aber immer ein Anhänger der Wirtschafts- oder Sozialpartner-
schaft. Ja überhaupt der Zusammenarbeit aller grossen Faktoren und
Kräfte in Österreich. Manchmal erwische ich mich allerdings bei dem
Gedanken, ob dies nicht auf der einen Seite Feigheit ist und um die
Auseinandersetzung mit dem Gegner nicht zu haben, d.h. nicht unmittel-
bar mit extremen anderen Seite konfrontiert zu werden, oder gar viel-
leicht Faulheit, indem man sich natürlich in dem System der Zusammen-
arbeit weniger Mühen aufhalsen muss, als wenn man sich konfrontieren
muss.
Sekt.Chef Frank lässt mir mitteilen, ich hatte leider keine Möglichkeit,
mit ihm selbst zu sprechen, dass Präs. Weiss ihm dezidiert erklärt hat,
die Mehrheitsverhältnisse werden im Verbund-Aufsichtsrat auch nach
Wegfall der beiden Betriebsratsstimmen bei der Bestellung der Vorstände
zugunsten der Sozialisten gewahrt bleiben. Damit meint Frank könnte
auf die Terminisierung mit Abschluss des ganzen Umschichtungsprozesses
mit Ende Juni verzichtet werden. Im Juli würden dann die notwendigen
Beschlüsse gefasst werden und Weiss wird sich bemühen, die ÖVP zu den
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zweckmässigen Lösungen, die er selbst einsieht, zu gewinnen. Falls
dies tatsächlich so laufen sollte, wäre ich sehr froh, denn eine
zeitliche Terminisierung halte ich an und für sich nicht für sehr
glücklich. Leider haben hier auch unsere Genossen in der Elektrizitäts-
wirtschaft nicht meine Wünsche, ja ich würde fast sagen bei der Genehmi-
gung des Strompreises gestellte Forderung eine Reorganisation der
Gesellschaften einzuleiten, nicht entsprechend ernst genommen. Sie dachten,
dies würde so wie in den vergangenen Jahren eben auch langsam dahin-
plaudernd irgendwann einmal gemacht werden, hier werden sich in nächster
Zeit einige Änderungen in der Arbeitsmethode ergeben müssen. Ich wünsche
nicht, dass etwas übers Knie gebrochen wird, ich wünsche im Gegenteil,
dass man alles sehr sorgfältig vorbereitet, durchdiskutiert und wenn
ich einen Fehler oder gar vielleicht einen schlechten Vorschlag
mache, dass man mir dies zeitgerecht sagt. Wenn aber eine Idee von allen
im Prinzip anerkannt wird, dann möchte ich, dass diese auch tatsächlich
so schnell wie möglich verwirklicht wird. Nichts hasse ich mehr, als
wenn etwas auf die lange Bank geschoben wird. Dieses Ankündigen,
Versprechen, dann darüber Diskutieren, dann letzten Endes gar nichts
entscheiden oder durchziehen, wieder etwas neues ankündigen, wieder
etwas versprechen, wieder diskutieren, ist eine Arbeitsmethode, die
mir überhaupt nicht liegt. Wenn ein Problem reif ist, muss es, nachdem
es reiflichst diskutiert wurde, nachdem man alle Für und Wider er-
wogen hat, auch entschieden und die Lösung dann durchgeführt werden.
Tagesprogramm, 7.6.1974