Samstag, 8. Juni und Sonntag 9. Juni 1974
Der Wahleinsatz zeigt in meinen Augen keine optimale Lösung. Die Bäder-
aktion war nicht so, wie Wais geglaubt hat, dass dort sowie ich dies
mit der Jungen Generation mache, tatsächlich ein Diskussion abgeführt
wird sondern sie bestand in Verteilung von Kirchschläger-Broschüren
mit kleinen Werbegeschenken.
Die bessere Veranstaltung war dann das Wiener Kaffeehaus im zweiten Bezirk.
Hier kommen immer am Samstag Nachmittag ältere Personen zusammen, um
sogar bei einem Kaffee und Kuchen bei einer Tanzkapelle sich ein wenig
zu unterhalten. Die grosse Gefahr für mich bestand, dass ich vielleicht
nachher tanzen musste und deshalb habe ich die mir zur Verfügung stehende
Zeit zu einem besonders lustig gehaltenen Referat restlos ausgenützt.
Solchen Veranstaltungen gebe ich eine grössere Chance, wenigstens an
einen Teil Indifferente heranzukommen. Der Bezirksobmann NR Schranz
meint, es seien doch 10 – wahrscheinlich sogar 20 Prozent nicht Partei-
mitglieder, die diese Veranstaltung besuchen.
Alles andere, was dann in Wien und vor allem einmal im Burgenland
organisiert wurde, waren reine Parteiveranstaltungen. Im Burgenland hat
es nur den Vorteil dass bei den kleinen Dörfern Wählerversammlungen
auch Gegner vereinzelt besuchen. Ich war froh, dass ich deshalb zwischen
den Veranstaltungen 15 – 20 Minuten Reservezeit eingebaut hatte, denn
dadurch konnte ich den Ortsgruppenobmann, der meistens die Versammlung
leitete, gleich von vornherein dafür gewinnen, dass man eine Diskussion
über mein Referat machen sollte. Dies ist zwar, wie man mir sagte,
vollkommen unüblich, hat sich aber bestens bewährt. Der einzige Nachteil
war, dass keine Mikrophone im vielen Veranstaltungen waren, weshalb
ich oft in rauchigen Gasthäusern womöglich noch in einer schallgedämpften
Kegelbahn 50 Meter überschreien musste. Zum Glück habe ich ein lautes
Organ und konnte wirklich dieses Handicap meistern.
Auf der Fahrt besuchte ich auch Wiener Neustadt und unterhielt mich mit
den dortigen Genossen. Viele beurteilten die Lage sehr realistisch, aber
manche glaubten, wir würden zwei Mandate gewinnen können. Ich versuchte
ihnen auseinanderzusetzen, dass es ein grosser Erfolg ist, wenn wir die
Mandatszahl halten können. Das erste vorliegende Teilresultat zeigte
bereits, dass wir in Gebieten, wo es am wenigsten erwartet wurde,
21-0711
Verluste erlitten, wenn wir auch in den Städten nur Zehntelprozente
an Stimmen einbüssten, so ist es für mich wieder nur die Erklärung,
dass wir in unseren Stammwählern mit unserer Politik nicht ankommen.
Auch im Burgenland wurde ich mit der Frage konfrontiert, was uns
politisch eigentlich unser Verständnis für die Bauern die Preiserhöhungen
in der letzten Zeit für sie usw. gebracht hat. Ich musste freimütig
zugeben, dass wir politisch damit nicht den gewünschten Erfolg erreicht
haben. Sicher war die Konzeption Kreiskys 1970, dass es uns gelingen
muss, die Wechselwähler und insbesondere die von dem anderen Lager
uns die Stimme gegeben haben, zu beweisen, dass wir nicht allein eine
sozialistische Politik in dem Sinne machen, dass wir nur unsere Kern-
schichten mit unserer Regierungspolitik helfen. Das Hauptproblem ist
aber, wie man dann eben die Kernschichten in unserer Partei nicht
enttäuscht. Selbst wenn man annimmt, dass es gelingt, auch diesen
natürlich denselben Fortschritt zu geben, wie sie in bis jetzt gehabt
haben, ja sogar mehr aber auch die anderen am Fortschritt mit teilhaben
lässt, ergibt dies eine entsprechende Verärgerung oder zumindestens
Unwillen bei den eigenen Stammwählern. Kommt dann noch die unglückselige
Preissituationsentwicklung, dann kann es passieren, dass man tatsächlich
in den Gruppen und in dem Lager Stimmen verliert, wo man es am aller-
wenigsten erwartet. Die Möglichkeit, hier die richtige Politik zu machen,
ist in meinen Augen minimal. Die Wahrscheinlichkeit, dass man diesen
schmalen Pfad kaum richtig findet, ist ungeheuer gross. Jedes Abwei-
chen davon ist aber Stimmenverlust. Die ÖVP hat jetzt erkannt, dass
dies in Wirklichkeit unsere schwächste Stelle ist und setzt nun dema-
gogisch bis zum Exzess den ÖAAB an. Nicht dass dieser unsere Funktionäre
erschüttern könnte, wohl aber wahrscheinlich in der Diskussion in
den Betrieben und vor allem einmal aber doch bei der Hausfrau den
Eindruck hinterlässt, als wenn wir die Konsumenten und vor allem
einmal die Arbeiterinteressen nicht mehr so wahrnehmen, wie es die
Arbeiterschaft von uns erwartet. Der städtische Konsument unsere
Kernschichten der Partei und unsere Wähler beginnen, wenn auch mit
Promille-Sätzen in der Summe jedoch im Einzelgebiet entscheidend,
uns nicht mehr zu wählen und werden dadurch die Mehrheit auf alle
Fälle gefährden, wenn es uns nicht gelingt, eine Änderung herbei-
zuführen.