Samstag, der 29. Juni 1974 bis Mittwoch, der 3. Juli 1974

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Algerien-Besuch vom 29.6. bis 3.7.1974

Die Delegation in Algerien setzte sich eigentlich nur fast würde
ich sagen letzten Dienstgraden zusammen. Trotzdem war sie äusserst
interessant und sehr kollegial. Die Industriellenvereinigung war
ausnahmsweise vertreten, da sie sich bereits vor längerer Zeit
gemeldet hatte und nachdem alle anderen absagte, mehr oder minder
auf alle Fälle in der Delegation verblieb. Dr. Weber, der Stellver-
treter von Marquet, wollte bei dieser Gelegenheit von mir gleich
erfahren, warum eigentlich die Industriellenvereinigung nie herange-
zogen wird. Ich selbst äusserste mich natürlich gar nicht sehr
ins Detail gehend, sondern verwies nur darauf, dass dies eine poli-
tische Frage sei. Fälbl setzte ihm auseinander, dass wenn er den
Verein Industriellenvereinigung einlädt, dann natürlich auch die
anderen Verein wie z.B. der Österreichische Gewerkschaftsbund
kommen würden. Niemals war die Industriellenvereinigung offiziell
eingeladen, sondern sie hat sich mehr oder minder immer teils über
die Bundeskammer sei es auch durch reinen Zufall bei Delegationen
hineingeschwindelt. Er wendete zwar diesen Ausdruck nicht an, aber
man hat den Eindruck, dass er dies so meinte. In der SU ist Mayer-Gunt-
hof
immer mitgefahren, weil es ein besonderer Wunsch von den Russen
gewesen ist. Ausserdem konnte Mayer-Gunthof russisch und war als der
Freund der SU bekannt. Ich korrigierte Fälbl insoferne, als bei der
letzten sowj.-österr. Gemischten Kommission Mayer-Gunthof sogar als
der Sprecher der Handelskammer offiziell mit Zustimmung von Sallinger/
Mussil auftrat. Damals wurde als zweiter sogar von Seiten der
Industriellenvereinigung sogar der neue Präsident Igler delegiert.
Weber hat natürlich gemeint, mit solche Subabonnements und gelegent-
licher Teilnahme mit Zustimmung der Handelskammer kommt ein sehr
ungutes Verhältnis zustande. Er akzeptiere mehr oder minder aber
meine Stellungnahme, dass ich nicht bereit bin, mich in diesen
Streit zwischen Handelskammer und Industriellenvereinigung einzumi-
schen. Diesmal war er bei der Delegation wirklich sehr wichtig, das
er als Lehrbeauftragter für Französisch, was ich dann durch reinen Zufall
erfuhr, als Dolmetscher mir wertvollste Dienste leistete. In seiner
sympathischen bescheidenen Art meinte er nur als eine Kollegin
von der Aussenhandelsstelle am Anfang zu dolmetschen begann, er
stünde mir auch zur Verfügung. Der Unterschied war gigantisch. Da
der Aussenhandelsminister Yaker mir einer Deutschen verheiratet ist,


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die also beide Sprachen auch perfekt beherrschte, konnte
sie wie kein anderer feststellen, dass Weber einer der besten
Übersetzer war, den sie jemals gehört hat. Da die Industriellen-
vereinigung sich die Fahrt selbst zahlt, d.h. nicht der Bundes-
kammer verrechnet, wie das die anderen Kammern ja tun, und auch
gerne bereit ist, diesen finanziellen Aufwand zu übernehmen, hätte
ich in Zukunft leicht die Möglichkeit bei Auslandsfahrten in franz.
Sprachgebiet Weber immer als Übersetzer mitzunehmen.

ANMERKUNG FÜR BUKOWSKI: Ich glaube diese Möglichkeit sollten wir
tatsächlich erwägen. und vormerken.

Algerier selbst hatten bis zuletzt nicht gewusst, wie ihre Dele-
gation zusammengesetzt sein soll, was den Botschafter Scheich
und ganz besonders Fälbl immer wieder irritierte, hauptsächlich
wegen der Einladung zum Gegenessen, ich erklärte rundweg, dass dies
doch das allerwenigste und uninteressanteste ist, denn wir laden ganz
einfach die Delegation ein und damit basta. Hier aber zeigt sich,
welch unbürokratischen Standpunkt ich vertrete, denn die Sorge
blieb natürlich, wer soll die schön gedruckten Karten von Ottahal
wonach ich und meine Frau einladen bekommen, wie ist die Tischordnung
zu machen usw. Überraschend war nur, dass man angeblich bis zu meiner
Ankunft nicht wusste, wo ich untergebracht sein werde. Wir fuhren vom
Flugplatz dann auch nicht in das vorgesehene Hotel sondern in eine
Privatvilla. Da dort aber mehrere Zimmer zur Verfügung standen,
wurde die gesamte Delegation dann von den Hotels hinausgenommen
und in der Villa untergebracht. Als ich im Laufe der offiziellen
Gespräche und ganz besonders bei Ansprachen den algerischen Handels-
minister Yaker mit seiner Frau einlud, erfuhr ich, dass er selbst-
verständlich diese Einladung für eine algerische Delegation gerne
annimmt. Verständlicherweise werden die Algerier das nächste Mal von
uns erwarten, dass auch wir die gesamte Delegation irgendwo unterbrin-
gen. Da wir kein Gästehaus haben, geht die automatisch in unsere Hotels
und natürlich auf unsere Rechnung. Dies ist für mich eines der weiteren
Argumente, wenn ich jetzt mit der Handelskammer und ganz besonders
mit dem Rechnungshof über Beteiligung von AHF-Beiträgen für die
Exportaufwendungen des Handelsministeriums verhandeln werde, zu
erklären, hier müsste die Handelskammer einspringen. Die gesamte
Delegation wurde eben von Algerien als Einheit betrachtet, in eine
Villa verfrachtet , dort also selbstverständlich entsprechend ver-


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köstigt und zwar wie wir dann bei Hotel-Essen, die wir gegeben
haben, feststellen konnte, wesentlich besser als in den besten
Hotels und wie erwarten natürlich, dass jetzt die algerische
Delegation genauso behandelt wird. Für mich ist es und kann es
nur ein gutes Argument sein, dass eben in diesem Fall niemand
erwarten kann, dass ich aus dem HM-Budget diese Aufwendungen be-
gleichen könnte.

Die Algerier hatten vorgesehen, dass ich mit allen Wirtschafts-
ministerien Kontakt nahme und Besprechungen führe. Wirklich inter-
essant war es nur mit dem Industrieminister und Energieminister Ab-
dessalam
, der öfters auch nach Wien kommt zur OPEC-Sitzung.
Meine Konzeption war ja immer darauf ausgelegt, nicht grösste
allgemeine Sprüche zu führen und Riesenperspektiven anzudeuten,
sondern sehr konkret immer wieder auf Wünsche unserer einzelnen
Firmen zurückzukommen. Wir haben deshalb wieder eine Liste von
Kooperationsmöglichkeiten und eine zweite von Lieferwünschen jedem
der Minister übergeben. Ich selbst konzentrierte mich dann auf das
grosse Erdgasverflüssigungsanlage-Geschäft, wo die VÖEST be-
teiligt ist und auch Aktivitäten der Austro-Plan, die unmittelbar
vor einem konkreten Abschluss stehen. Zum Glück war ich über
die Verhandlungen Alg. Gas – europ. Konsortium doch sehr gut
informiert. Die knapp vor meiner Reise am späten Abend durchge-
führte Information von Schmidt und Reisinger hat sich sehr bewährt.
Ausserdem erfuhr ich – weil ich schon Detailkenntnisse hatte,
weitere Details, z.B. hat sich herausgestellt, dass das franz.
Verflüssigungssystem, das die Algerier für Skikta zugeschlagen haben,
seit November monatelang stillstand. Aus unerklärlichen Gründen
kommt Quecksilber in die Anlage und hat die Wärmeaustauscher
ruiniert, indem es Löcher gefressen hat. Zwei Wärmeaustauscher
von den drei Anlagen stehen nun still und müssen neu ge-
schafft und ausgetauscht werden, der dritte wurde notdürftigst
repariert und arbeitet mit geringer Kapazität. Ich versuche des-
halb Abdessalam nachzuweisen und auch dem anderen Minister,
welche Möglichkeiten hier bei Sipetra-Konsortium, an dem die
VÖEST mit 1,8 Mia S Sublieferant beteiligt ist und amerikanische
Technik der Chemikal verwendet wird, dies als viel sicherer zu
betrachten ist. Abdessalam war nicht ganz dieser Meinung, sondern
meinte, ein erprobtes System, das sie in ihrem Land auch mit
Schwierigkeiten jetzt schon haben. nämlich eben das französische,


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Skikta gibt ihnen die Möglichkeit, bei einer neuen Anlage
dieselben Kinderkrankheiten nicht mehr zu machen. Trotzdem,
es ist noch nichts entschieden, aber Skipeta ist wesentlich
teurer und zwar deutet er mir an um genau die 1,8 Mia S, die
die VÖEST mit ihrem Anteil in dem Konsortium dazu beitragen soll.
Dies ist, soweit es sich nicht überhaupt um einen Bluff von Abdes-
salam
handelt, ein reiner Zufall. Selbstverständlich habe ich
sofort die VÖEST-Vertreter der informiert, die meinten, über die
Preise wird jetzt gerade mit der Sonatrach verhandelt.

Austro-Plan hat die Absicht gehabt, mit dem Planungsstaats-
sekretariat eine Societe mixed abzuschliessen. Das Planungsstaats-
sekretariat hätte in diesem Fall ganz gigantische Aufgaben der
Austro-Plan übertragen. Der wichtige Mann, Kouda, zwar nur ein
Staatssekretär, weil es kein eigenes Ministerium dafür gibt,
erklärte mir aber, als ich Austro-Plan-Aktivitäten besonders er-
wähnte, dass er seit dem 13. Mai nichts mehr von Austro-Plan ge-
hört habe, wie man damals auch Austro-Plan mitteilte, es würde
mit anderen Ländern und Firmen auch noch verhandelt und er des-
halb jetzt den Zuschlag für diese Planungsaufgabe einer kanadischen
Firma gibt. Ich versuchte natürlich dann sofort bei den nächsten
Besprechungen mit Yaker darauf hinzuweisen, dass bei diesem Projekt
5 österr. grosse Firmen Siemens, Bauer, AEG usw. daran
beteiligt sind, sodass es vielleicht längere Zeit dauern wird,
dafür aber dann ein arbeitsfähiges Team zur Verfügung stehen
wird. Bei all den Projekten, die zur Debatte standen, konnte ich
feststellen, dass die Algerier primär jetzt keine Lieferungen allein
sondern eben ganze Kooperationsprojekte wünschen. Das typischste
Beispiel war beim Landwirtschaftsministerium. Dort erklärte man
uns rundweg, an eine Lieferung für Magermilchpulver sei man in
Grössenordnungen von 1.000 t im Jahr interessiert – wenn gleich-
zeitig eben Einrichtungen von uns geschaffen werden, wonach die
Weiterverarbeitung, die Kühltechnik und ich weiss nicht was sonst
noch alles, erledigt wird. Ebenso wäre es bei einer Forstaufschlies-
sung, wo wir gegebenenfalls Forstmaschinen liefern wollten. Am
typischsten aber war es bei Zuchtrindern, wo sie bereit wären,
3 – 5.000 Stück pro Jahr insgesamt bis zu 80.000 Stück zu
übernehmen, wenn wir gleichzeitig eine entsprechende Farm mit
veterinärmässig entsprechender Aufsicht und Betreuung der
Tiere durch Meier , die Verarbeitung der Tiere bis zum Schlachthof


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hin in einem Projekt zusammenfassen. Da wir eine solche ähnliche
Konstruktion in Tunesien schon gemacht haben, konnte ich nur
hier auf sehr konkrete Details eingehen. Insgesamt habe ich den
Eindruck, dass die Algerier, obwohl sie bei 50 Mill. t Rohöl ca.
5 Mia $ im Jahr jetzt zur Verfügung haben, sehr vorsichtig mit
ihrem Geld umgehen und wie mir auch nachher der Vertreter der
ÖMV Hartl beim Rückflug auseinandersetzte, gigantische personelle
Anforderungen stellen, die äusserst schwierig von österr. Firmen
zu erfüllen sind. Hartl bestätigte mir, wie schwer es sein wird,
die Wünsche der Algerier zu erfüllen, weil sie ja auch nur bereit
sind für das geforderte Personal verhältnismässig schlechte Löhne
zu bezahlen. Franz. Firmen aber auch Italiener, ja selbst
Amerikaner sind bereit, solche schlechten Bedingungen zu akzep-
tieren, weil gar keine Frage die Firmen über staatliche Unterstüt-
zung dann aus welchen Kassen in Frankreich Italien und Amerika ist
allerdings nicht klar herauszubekommen, eine entsprechende
Subvention erhalten. Ich bin nicht überzeugt, ob tatsächlich
hier eine öffentliche Subvention durchgeführt wird, auch dann wenn
sie versteckt oder vertraulich ist sondern dass eher Firmen eben
unter allen Umständen ins algerische Geschäft kommen wollen und
deshalb die Aufwendungen für Personal in Kauf nehmen.

Soweit es meine Zeit zuliess, habe ich nicht nur eine Autofabrik
von Sonakomb besucht, die in Wirklichkeit von Berliet, Frankreich,
errichtet wurde und derzeit Assembling eben von Berliet und
anderen Lastkraftwagen erfolgt sondern auch die Fremdenverkehrs-
einrichtungen studiert. Dort hat in einigen Orten nicht mehr als
ein halbes Dutzend glaube ich Algerien über Sona Tours ganze
neue Teile an der Küste errichtet mit Hotels, Restaurants bis
zu Reitklubs, die in der jetzigen Hochsaison nur bis zu 50 %
belegt waren. Für die Algerier scheinbar doch zu teuer und Aus-
länder kommen im ganzen maximal 300.000 wie man mir sagte pro
Jahr. Algerien hat grosses Interesse Fremdenverkehrsfachleute
zur Ausbildung entweder nach Österreich zu schicken oder womög-
lich nach Algerien zu holen. Alles aber, davon bin ich über-
zeugt, wird mit gigantischen finanziellen Leistungen Österreichs
verbunden sein. Scheich, unser Botschafter, meinte, ich sollte
mich dafür einsetzen, dass man mehr von der Entwicklungshilfe für
Algerien zur Verfügung stellt. Ich versprach ihm nur, dass ich
dieses Problem in Österreich zur Sprache bringen werde.



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ANMERKUNG FÜR BUKOWSKI: Bitte kläre im BKA was man hier jetzt
auf dem Entwicklungshilfesektor beabsichtigt.

Tätigkeit: Straßburg


Einträge mit Erwähnung:


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      Tätigkeit: Gen.Sekr. HK, ÖVP-NR-Abg., später AR-Präs. Verbund


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        Tätigkeit: GF Austria-Ferngas


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          Tätigkeit: GD Wr. Stadtwerke


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            Tätigkeit: IV


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              Tätigkeit: Beamter HM


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                Tätigkeit: Diplomat


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                  Tätigkeit: Handelskammer-Präsident


                  Einträge mit Erwähnung:
                    Tätigkeit: Leiter IV-Abt. Handels- u. internat. Währungspol.


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                      Tätigkeit: Beamter HM, u.a. zuständig f. Protokollfragen


                      Einträge mit Erwähnung:
                        Tätigkeit: IV, GD Wr. Schwachstromwerke (WSW)


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