Freitag, den 8. November 1974
Zum 40-jährigen Bestand des Instituts Fremdenverkehrsforschung
auf der Welthandel waren eigentlich mehr prominente Fremdenver-
kehrspolitiker aus der Handelskammer, teilweise auch aus dem
Ministerium, erschienen als Studenten und sonstige Zuhörer. Auf
alle Fälle war das Auditorium Maximum maximal zur Hälfte gefüllt.
Anwesend war auch der ehemalige Handelsminister und Vizekanzler
Bock, der wahrscheinlich als Präsident des Donau-Europäischen
Instituts geladen. Bernegger, der jetzt Direktor ist, schilderte
die 30-jährige Bestandsfeier, wo Bock, wie er sagte, ein grund-
legendes fremdenverkehrspolitisches Referat gehalten hat. Schade,
daß ich dies nicht wußte, sonst hätten wir versuchen sollen, den
Inhalt dieses Referates damals zu erfahren. Interessant war,
daß er mir nachher sagte, meine Ausführungen, ich bezog mich auf
die derzeitige Lage, die Absichten, die wir im Ministerium hatten
und auf die Arbeitsausschüsse zur Behebung der Schwierigkeiten im
Fremdenverkehr, war, wie Bock sich ausdrückte, von praktischen Er-
fahrungen und Kenntnissen der Fremdenverkehrspolitik gespaltet.
Er meinte, da sieht man, daß sie sich mit der Materie beschäftigen
und daß sie sie beherrschen, sonst könnte man nicht frei und
doch so viel sagen, sprechen. Natürlich muß man bei solchen An-
erkennungen sehr vorsichtig sein, denn Bock selbst legt größten
Wert darauf auf gute Zusammenarbeit. Bereits als wir die Regierung
übernommen hatten, fürchtete er, daß jetzt ein Auswechseln aller ih-
rer Leute durch unsere erfolgen würde. Wahrscheinlich meinte er
auch selbst als Präsident der Creditanstalt gefährdet zu sein.
Andererseits ist bekannt, daß er sich ausschließlich um den
europäische Gemeinschaftbeitritt Österreichs bemühte und kümmerte.
Dann hatte er noch das ganze Bautenressort, wahrlich eine irr-
sinnig große Materie, die er kaum durch intensives Wissen oder
gar zweckmäßige Detailarbeit beeinflussen konnte. Da er aber
jahrzehntelang als Minister tätig war, hat er sich sicherlich
sehr viel Routine können angeeignet, was ihm seine Regierungs-
tätigkeit erleichterte.
ANMERKUNG für BUKOWSKI: Vielleicht kann man in Erfahrung bringen,
welche fremdenverkehrspolitische Konzeption er damals vertreten
hat.
Mit Bukowski und Marhold bespreche ich die Restvergabe unserer
Wirtschaftsförderungsmittel. Dr. Ortmann möchte für die wirklich in
Not geratenen Fremdenverkehrsbetriebe Stützungsmittel aus der Rest-
vergabe. Marhold erklärt rundweg, daß die Fremdenverkehrsquote im
normalen Budget so groß ist, daß er befürchtet daß sie diese Mittel
alle gar nicht mehr ausgeben können. Er meint, es bräuchten deshalb
aus die 30 Millionen, die wir jetzt zu besprechen haben, nichts ab-
gezweigt werden. Nebenbei stellt er fest, daß es gar nicht möglich wäre,
von den einen Ansätzen Wirtschaftsförderung, die wir jetzt besprechen,
in die anderen Ansätze Fremdenverkehr Gelder zu übertragen, ohne
gesetzliche Ermächtigung. Daß wir dies nicht beachteten, ist eigent-
lich für uns blamabel. Hier zeigt sich, daß das Wissen von Marhold,
eigentlich von Budgetziffern und Budgetrecht, durch niemanden an-
derem im Haus erschüttert werden kann. Ich habe mich gleich in
den ersten Jahren auf diese Tatsache eingestellt. Marhold arbeitet
sehr loyal, zumindestens habe ich diesen Eindruck, und versteht es
mit seinem Freund Kaber im Finanzministerium so zu regeln, daß
wir eigentlich immer bis jetzt sehr gut abgeschnitten haben. Dies
gilt sowohl bezüglich der Höhe unserer Budgetansätze als auch über
die zweckmäßige Verteilung. Marhold hat deshalb auch die 30
Millionen so aufgeteilt, daß ich sofort dem zustimmen kann.
Er zieht Bezahlungen, die wir 1975 haben, jetzt vor, gibt z.B. dem
Verein für Konsumenteninformation seine 75er Rate mit 7 Millionen
Schilling, unterstützt das Berufsförderungsinstitut durch die
mit der 20% Quote die WIFIs bekommen usw. und gibt dann den Rest
von ca 12.5 Millionen der BÜRGES, um die gesamten Budgetmittel 74
zu verbrauchen und doch nicht das Geld hinauszuschmeißen. Mit
MR Kaber im Finanzministerium hat er alles bereits abgesprochen,
sodaß von dort kein Widerstand zu erwarten ist. Der Beschluß
des Finanzministers in der letzten Ministerratssitzung, daß wir so
wie in den Vorjahren immer bei Restausgaben im November–Dezember,
damals erst im Dezember die Zustimmung des Finanzministeriums holen
sollen, ist daher eine bloße Farce. Wenn die Bürokratie tüchtig ist
und gute Verbindungen zum Finanzministerium hat, gelingt es ihr
ohne weiteres, die für sie notwendigen Ausgabemittel auch vom Fi-
nanzministerium freizubekommen. Diesen idealen Zustand haben
wir glaube ich aber nur, da Marhold Kaber sehr gut kennt.
Auf alle Fälle hat Marhold recht, wenn er sagt, in dieser kurzen Zeit
bis Jahresende wären wir außerstande, eine neue Aktion, sei es wie
immer zu starten.
Im Kontaktkomitee mit den EVU besprechen wir die weitere Vorgangs-
weise bei der Betriebsvereinigung von Enns-Kraftwerken mit den
Donau-Kraftwerken. SChef Frank hat mitgeteilt, daß ihm Präs. Weiß
von der Verbund, der ÖVP-Sprecher, nach einer Aussprache mit Maurer,
dem Vorsitzenden der Donaukraftwerke, erklärt, er könne dem Austausch
von dem seinerzeitigen SChef Cech, einen ÖVP-Mann, durch den
derzeitigen Kandidaten von uns, Dr. Gehart, im Aufsichtsrat der
Donaukraftwerke zwar nicht zustimmen, würde aber gegen eine solche
Bestellung keinen Widerstand leisten. Anders verhält es sich bei
der Vergrößerung des Vorstandes der Donau von 3 auf 4 und die
Übernahme des derzeitigen sozialistischen Vorstandsmitgliedes der
Enns-Kraftwerke in die Donaukraftwerke. Nach langwieriger Dis-
kussion einigen wir uns, daß die Verbundgesellschaft beschließen
wird, bei der nächsten Hauptversammlung, die am Montag stattfindet,
als Eigentümervertreter zu versuchen, daß die Hauptversammlung,
obwohl die Siebentagefrist nicht eingehalten ist, einvernehmlich
den Austausch des Aufsichtsrates Cech gegen Gehart auf die Tages-
ordnung bringt. Sollte dies möglich sein, dann zeigt sich, daß die
ÖVP mit uns ehrliches Spiel treibt und tatsächlich bereit ist,
das, was Weiß vereinbart, auch einzuhalten. Sollte dies aber scheitern,
dann werden wir eine außerordentliche Hauptversammlung in kürzester
Zeit einberufen und dort nicht nur die Bestellung von Gehart durch-
führen, sondern auch die Statutenänderung, d.h. von max. 3 auf 4,
mit Mehrheit beschließen. Dies bedeutet, wie Weiß sich ausgedrückt
hat, zwar den Krieg, doch können wir uns, nachdem ich bereits 9
Monate zugewartet habe, nicht mehr länger verhandeln und auf
einvernehmliche Lösungen einlassen, da irgendwann einmal auch die
Entscheidung fallen muß. Da die Übernahme der Betriebsübereinkommen
zwischen Enns und der Donau sachlich begründet ist, glaube ich,
daß ich diesen Kampf auch in der Öffentlichkeit so einigermaßen
bestehen werde. Ich bin mir allerdings vollkommen klar, daß die
ÖVP dann auch mich wird hart attackieren wegen der Machtansprüche,
die die Sozialisten jetzt überall geltend machen. Lieber wäre es
mir, wenn wir noch, nachdem Gehart als Aufsichtsrat bestätigt ist,
einige Zeit zuwarten könnten, bis die eingesetzten Kommissionen,
welche die Zusammenarbeit zwischen Enns und Donau überprüfen sollen,
positive Ergebnisse vorlegen. Ich werde wieder von den Fachleuten
in meiner Ansicht bestätigt, daß es vom fachlichen Standpunkt gegen
eine solche Kooperation keine wie immer gearteten Einwand geben
dürfte. Nur Zach, der ÖVP-Mann in der Verbundgesellschaft, möchte,
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daß Enns, nachdem ihre Bauten jetzt zu Ende sind, unmittelbar der
Verbund, was die praktische Tätigkeit betrifft, eingegliedert wird.
Ein Auflösen oder rechtliche Änderung der Enns-Kraftwerke kommt ja nicht
in Betracht, da sonst das zweite Verstaatlichungsgesetz abgeändert
werden müßte. Dies im jetzigen Zeitpunkt zu machen, wäre ein politischer
Wahnsinn.
Nach der Sitzung kommt Dir. Horwath von der Bewag, um sich zu beschweren,
daß wir nur 5 Millionen ERP-Kredite in Aussicht genommen haben. Früher
hat Burgenland in der ÖVP-Zeit überhaupt keine ERP-Kredite bekommen,
in den letzten 2 Jahren aber 10 Millionen Schilling von meinem
Amtsvorgänger Frühbauer. Horwath gibt zu, daß es ihm nicht darauf an-
kommt, 5 Millionen oder 10 Millionen in der Praxis zu bekommen, meint
nur, es sei optisch sehr schlecht, wenn Burgenland jetzt nur mehr die
Hälfte bekommt. Ich erkläre ihm, daß wir die 95 Millionen, die ver-
bleiben, dringendst für die Österr. Draukraftwerke benötigen. Bandhauer
selbst weist darauf hin, daß früher die BEWAG gar nichts bekommen hat.
Wir einigen uns dann nach längerer Diskussion, und Erbacher hat große
Bedenken, weil er jeden Schilling dringend für die Österr. Draukraft-
werke benötigt, letzten Endes auf 7 Millionen ERP-Zuschuß für die
Bewag.
ANMERKUNG für GEHART: Bitte achte auf die Durchführung der Sektion V
und in Hinkunft, daß wir vorher, bevor wir be-
schließen, mit dem Betreffenden Kontakt auf-
nehmen.
Zwischen Frank, Erbacher, Bandhauer und mir auf der einen Seite und den
Kärntner Vertretern Pacheiner und seinen Betriebsrat Schatzmayr von
der Kelag kommt es dann zu einer langfristigen und harten Ausein-
andersetzung wegen der Bezugserhöhung der Kelag an der Österr. Drau-
kraftwerke. Die Kärntner haben im Parteivorstand entsprechende Be-
schlüsse gefasst und Pacheiner meint, von den schon mir ihnen abge-
rungenen 49% könnten sie unter gar keinen Umständen abgehen. Ich
selbst lasse ihm aber nicht im unklaren, daß ich dazu nicht bereit
bin. Ich möchte die seinerzeitigen Zusagen des Verbundvorstandes
Hintermayer und Arthold sich für 50% Anteil der Länder an der Österr.
Draukraftwerke sich loszukaufen, eine gewisse Erhöhung zugestehen.
Anschließend mit den Verbundleuten und Frank allein erkläre ich,
daß es vielleicht ein Kompromiß wäre, wenn man den ursprünglichen
Anteil des Bundes an der ÖDK, der 55% betrug, wieder herstellt.
Ich bin nicht sicher, ob es mir gelingen wird, dies in den Kärntner
Kreisen durchzusetzen, weil unsere Parteifreunde dort unten sich
auf einen höheren %-Satz schon eingestellt haben, und ich fürchte
das, selbst gebe ich dem Land das Gewünschte. Genau dieselbe Si-
tuation trifft auch für Vorarlberg zu. Dort fallen die Ill-Werke
im Jahre 2010 sowieso dem Lande anheim und wenn wir einen langen
Rechtsstreit jetzt mit dem Land entwickeln, wird es uns nicht viel
nützen, aber auf alle Fälle politisch sicherlich schaden. In beiden
Fällen ist ein vernünftiges Kompromiß, so meint auch Bandhauer,
zielführender.
Die Verhandlungen mit den Sekretären von der Handelskammer
betreffend Handelsspannenregelung der Fette und Öle verlief
letzten Endes positiv. Sie stimmten dem Vorschlag von Arbeiter-
kammer und Gewerkschaftsbund zu. Durch die Rohstofferhöhung und damit
bedingt der starken Erhöhung der Letztverbraucherpreise, doch vorüber-
gehend eine gestoppte absolute Handelsspanne zu akzeptieren. Die
Arbeiterkammer und der Gewerkschaftsbund machten die Zusage, daß sich
bei Preissenkungen sofort über die Handelsspanne auch das perzentuelle
Ausmass auffüllt und wenn keinerlei Preissenkungen im nächsten Jahr
erfolgen, dann auch wieder die perzentuelle Handelsspanne hergestellt
wird. Die Unilever-Vertreter kamen dann auch noch mit den Welser
Ölfirmenvertretern und waren über die Handelsspannenregelung sehr
erfreut. Das Ganze wird von der Bundeskammer am Montag in der Paritäti-
schen Kommission Preisunterausschuß noch zu beschließen sein. Ich
ersuchte, daß man dies bereits um 9 Uhr machen soll, damit ich bei
meinem Pressefrühstück um 10 Uhr bereits die Einigung verlautbaren
könne.
Bürgermeister Gratz hat den ehemaligen Kader der Soz. Jugend ins
Rathaus geladen und ich machte mit meiner Frau einen Sprung hin.
Dort traf ich wirklich viele alte Genossen und da kam mir erst so
richtig zu Bewußtsein, wie jemand sagte, schau unser erster Obmann
der Soz. Jugend Wiens, was ich damals für eine große Funktion eigent-
lich gehabt habe und wie lange dies bereits her ist. Natürlich
diene ich bei den Ansprachen von Gratz und insbesonderes meines Nach-
folgers bei der Soz. Jugend, Pfoch, der mich seinerzeit mit den Linken
stürzte, weil ich soweit rechts stand, als Paradebeispiel, wie man
es von einem Funktionär der Soz. Jugend bis zu den höchsten Ämtern,
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eben Minister bringen kann. Sicher dient die Jugendorganisation
als Schule und Kaderstätte für die nachfolgenden Funktionen in der
Partei, aber sicherlich auch in den Ämtern die die Partei zu ver-
geben hat. Kreisky selbst legt immer größten Wert darauf zu sagen,
daß er ebenfalls in der 1. Republik im vierten Bezirk der Jugend-
obmann der Arbeiterjugend war und nicht des Verbandes sozialisti-
scher Mittelschüler, der damals auch sehr stark gewesen ist und
in der Partei integriert war. Ansonsten aber ist die Entwicklung
in der 2. Republik doch eher die, daß der Verband sozialistischer
Mittelschüler, solange er noch in der Partei gearbeitet hat, die
meisten Funktionäre und ganz besonders die Posten, sei es
in der verstaatlichten Industrie oder in Interessensvertretungen
oder in öffentlich rechtlichen Körperschaften und ganz besonders
aber auch im Staatsdienst gebildet hat. Vielleicht war dies einer
der Gründe, warum man seit meiner Tätigkeit in der Soz. Jugend immer
wieder versucht hat, den Verband soz. Mittelschüler in diese Organi-
sation zu integrieren oder zumindestens mit ihr stark zu kooperieren.
Man wollte wahrscheinlich vom Standpunkt der Organisatoren der
Soz. Jugend über den Verband soz. Mittelschüler seine eigenen Funk-
tionäre in bessere Positionen bringen. Heute ist diese Situation
deshalb nicht sehr aktuell, weil ja zu meinem Leidwesen der Verband
soz. Mittelschüler sich von der Partei vollkommen getrennt hat.
Dadurch geht das Nachkommensreservoir für die Partei in all den
Ämtern, die sich ergeben kann verloren und wahrscheinlich können
die soz. Jugendlichen diese Lücke gar nicht ausfüllen. Es ergibt
sich jetzt schon ein spürbarer Mangel von guten Funktionären und
gerade für den Staatsdienst akademisch gebildeten Genossen; in Hin-
kunft wird dies noch viel schlechter werden.
Tagesprogramm, 8.11.1974
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)