Samstag, den 9. November 1974
Die Marktdiskussion des Vereins für Konsumenteninformation mit
Ebert und mir war, außer daß es sehr kalt war, ausgesprochen
witzig. Koppe bemühte sich immer wieder verzweifelt, die Passanten
auf das Thema, wie der Verein für Konsumenteninformation sich vor-
gestellt hat, nämlich wie man einkaufen soll und wo man gut ein-
kaufen soll und was man beim Einkauf zu beachten hätte, zu bringen,
doch die Leute interessierten sich vielmehr über die Preisent-
wicklung, über ihre Pensionen, über die Krankenkasse und ich weiß
was Gott alles. Für mich sind dies die normalen Themen, die ich
immer wieder im AEZ, wenn ich dort mit Passanten diskutiere, erlebe.
Für Koppe war dies vielleicht ein wenig ungewohnt. Für Kommerzialrat
Gemeinderat Ebert sogar erschütternd. Während bei meiner normalen
Diskussion im AEZ weder das Fernsehen noch der Rundfunk anwesend ist,
war bei dieser außerordentlichen Diskussion, von meinem Standpunkt
aus gesehen außerordentlich, weil ich ja das erste mal in Wien
mit dem Verein für Konsumenteninformation durchführte, sofort ver-
treten und machten entsprechende Aufnahmen. Für mich typisch
es kommt dem Fernsehen und dem Rundfunk gar nicht darauf an, was
und wo diskutiert wird, sondern wer organisiert es und wie wird er
der Rundfunk darauf aufmerksam gemacht. Trotzdem möchte ich nicht,
daß er zum AEZ auch kommt, denn sonst besteht die Gefahr, daß diese
an und für sich illegale Diskussion, die ich dort doch spätestens alle
zwei Monate führe, womöglich vom Gegner aufgegriffen und mir dann
von der Bahn eingestellt wird.
ANMERKUNG für WIESINGER: Bitte mit Weisbier nächsten Termin für
AEZ vereinbaren.
Die Diskussion mit Koren und vier aktiven Funktionären der Jungen
Wirtschaft verlief wie ich es erwartet habe. Natürlich wurde ich
von allen attackiert und mußte mich auf einem Gebiet meiner Haut
wehren, auf dem ich eigentlich gar nicht so gut beschlagen bin.
Wie mir der Kammeramtsdirektor der Handelskammer von Wien nachher
sogar unter vier Augen gestand, hatten sie Planspiele gemacht,
damit sie sich ungefähr ausrechnen können, was ich auf ihre Fragen
antworten könnte. Sie waren also bestens vorbereitet und bewegten
sich natürlich immer aufs ideologische Gebiet hin. Zum Glück habe
ich ja dort nicht nur als Handelsminister, sondern auch als Ge-
werkschaftsfunktionär reden können und deshalb auch die Gewerk-
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schaftsphilosophie vertreten. Wir stehen auf dem Standpunkt der
Marktwirtschaft, sind der Meinung, daß das Soziale noch wirklich
sozialer gemacht werden müßte, betrachten die Partnerschaft mehr
vom Wirtschaftsstandpunkt, daher auch Wirtschaftspartner und können
ohne weiteres zugeben, daß die Unternehmer heute nicht mehr die
Kapitalisten sind, wie sie Karl Marx noch gekannt hat. Trotzdem
gibt es Gegensätze, wenn sie nicht wollen, daß dies Klassen sein
sollen, dann von mir aus Interessensgruppengegensätze oder wie
immer sie sie betiteln wollen. Reim hatte mir eine ganze Anzahl
von Unterlagen über statistische und Wirtschaftszahlen noch ge-
liefert. Dafür bin ich ihm sehr dankbar, weil ich sie sicherlich
bei einer anderen Gelegenheit verwenden kann. Dort aber konnte ich
keine einzige anwenden, weil es sich eben gesagt um mehr ideologische
und politische Auseinandersetzungen handelte. Koren selbst nützte
natürlich die Gelegenheit, um sich dieses Publikum, es war der große
Festsaal vom Intercontinental voll, wieder als der Vertreter der
ÖVP zu profilieren. Selbst Sallinger und Mitterer waren anwesend.
Natürlich stellte sich heraus, daß ich das erste mal von einer
Organisation der Bundeshandelskammer zu einer Aussprache eingeladen
wurde. Eigentlich ist die Handelskammer sehr ungeschickt, daß sie dies
nicht schon öfters getan hat, denn ich würde mir bei ihren Anhängern,
und dies sind die meisten ÖVP-Anhänger in der Bundeskammer äußert
schwierig tun bei Diskussionen. Trotzdem dürften sie mich mehr fürchten
als sie die Gelegenheit ausnützten, mich bei diesen Gelegenheiten
attackieren zu können.
Der Vorstand des Sportvereins Handelsministerium hat zu einer
Eröffnungsfeier seiner Sporträume im Ministerium eingeladen.
Kneissler spielte Klavier und der Präsident des Vereines der gleich-
zeitig Präsident von Eich- und Vermessungswesen ist, Geige, ein anderer
sang. Das ganze wurde im Quiz eingebettet, man mußte Melodien und
Text erraten, nachher wurden Gedichte vorgetragen, die man auch er-
raten mußte und dann von Kneissler ein Lichtbildvortrag, wo er ebenfalls
Punkte vergab, sodaß es von 1/2 3 Uhr bis 1/2 8 Uhr eine ganz inter-
essante Unterhaltung gab. Zumindestens erzählte mir dies meine Frau.
Ich selbst bin ja stundenweise zur Volkshilfefeier im dritten Bezirk
oder in mein Büro entwichen, um dort nutzbringendere Arbeit zu leisten.
Nach eines Besuches in der Kegelbahn habe ich mich dann mit Recht ver-
abschieden können, weil ich noch zur Martinifeier in die Sophiensäle
mußte. Dort traf ich auch Stadtrat Nekula. Zur Martinifeier werden
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auch sehr viele Wiener Funktionäre geladen und konnte mit ihm die
Tariferhöhung für Elektrizität, Gas und Straßenbahn besprechen.
Straßenbahn brauche ich ja nicht genehmigen, aber Elektrizität
und Gas. Für den Gasvorschlag wird er mir in der nächsten Zeit,
sobald er die ersten Überlegungen fertiggestellt hat, die notwendigen
Unterlagen zur Verfügung. Ich verlangte diesmal von ihm, daß sie
unbedingt an mich persönlich gerichtet werden. Den Elektrizitäts-
antrag hat er an das Ministerium geschickt mit dem Ergebnis, daß die
Sektion II zugeteilt erhielt, das glaube ich natürlich dann die
Abteilung Kurzel, ich von den Antrag überhaupt nichts hörte, ihn
nicht einmal zu Gesicht bekam. Das Haus kann sich scheinbar nicht
daran gewöhnen, daß ich mich als Minister auch für diese Details
interessiere. Da ich ja früher oder später auf alle Fälle darauf
stoße, nehme ich an, daß es sich hier nicht einmal um Sabotage handelt,
sondern eben wirklich nur um Unachtsamkeit, um nicht zu sagen Dumm-
heit.
Tagesprogramm, 9.11.1974