Montag, 10. November 1975
Beim Jour fixe sagte ich Sallinger, dass die Aufsichtsbeschwerde
von Osberger über Absetzung von ihm und Mussil von mir sehr formell
erledigt wurde. In dem Begleitbrief an die Handelskammer, wo ich
diese kurze Entscheidung mitteilte, erwähnte ich aber handschriftlich
dass ich über diese Vorgangsweise wie die Handelskammer dieses Problem
auf mich abschiebt für nicht zweckmässig halte. Mussil hatte diesen
Brief mit und wollte sich wahrscheinlich bei mir darüber beschweren.
Er meinte nämlich, dies hätte ich doch höchstens mündlich sagen
sollen, genau das Gegenteil war allerdings meine Absicht. Auch
dann, wenn er vielleicht verärgert ist.
Aus der Regierungserklärung hat er einen einzigen Punkt für kritisch
empfunden, wo wir bei Service für die Wirtschaft einen Beratungs-
dienst aufziehen wollen, der eigentlich der Handelskammer als
Interessensvertretung vorbehalten bleiben sollte. Immer mehr
zeigt sich für mich, dass die Handelskammer die Angst hat, dass
sie durch ein allzu aktives Ministerium ausgeschaltet wird. Ich
versicherte ihm, keine Absicht zu haben, die Handelskammer auszu-
schalten, ganz im Gegenteil, dass ich sogar warte, dass die Handels-
kammer, wie ich es bereits in Vorarlberg gesagt habe untersuchen
soll, wo sie Schwachstellen hat. Er kam sofort auf die beabsichtigte
Meinungsumfrage von IFES und Fessel-Institut zu sprechen. Gleissner
fährt jetzt weg und deshalb meint er, wird sich die Aussprache mit
diesen beiden Instituten ein wenig verzögern. Die Notwendigkeit wird
von allen bejaht. Die österr. Kontrollbank macht jetzt Service für
Exporteure, was der Handelskammer auch nicht recht ist. Andererseits
gibt Sallinger zu, dass gerade für die kleineren und mittleren
Exporteure mehr geschehen muss. Dies gilt ganz besonders in den
Bundesländern. Ich habe eigentlich schon Verständnis dafür, dass
man als Interessenvertreter am liebsten ein Monopol hat. Anderer-
seits sind vielleicht Konkurrenzverhältnisse – AK - ÖGB - BHK - Ind.-
Vereinigung – auch nicht gerade das Schlechteste. Kritisch allerdings
wird es für die Interessensvertretung, wenn zwischen den Spitzen-
funktionären oder, was noch viel schlimmer ist, zwischen den Beamten-
körpern nicht harmonisiert wird sondern womöglich intrigiert wird.
Ich selbst habe eine solche Politik nie mitgemacht und vor allem
einmal niemals eine solche Politik betrieben.
Mein einfachgesetzlicher Preisregelungsvorschlag kam wieder zur Dis-
kussion und Mussil meinte, das ginge verfassungsrechtlich gar nicht
und die ÖVP würde, wenn er beschlossen wird, sofort den Verfassungs-
gerichtshof anrufen. Dies schreckte mich gar nicht, doch meinte ich,
dann würde endlich eine Verfassungserklärung erfolgen. Mussil und
Sallinger erkennen, dass hauptsächlich das Ganze wegen der agrarischen
Fonds gemacht wird. Obwohl ich ihnen dies nicht sage, ja wahrschein-
lich auch gar nicht zu sagen brauche. Sallinger gibt zu erkennen,
dass er selbst nicht mit der Fondslösung sehr glücklich ist. Mussil
wieder meint, wie sollen dann die Milliarden Schilling, die man
jetzt für die Bauern über diese Fonds resp. Landwirtschaftskammern
zur Verfügung stellt, ansonsten verteilt werden. Dass es Lösungen
auf privatrechtlichen Verträgen gibt, bestreitet er nicht, nur
weiss er genau, dass dies komplizierter ist und weniger Machteinfluss
bedeutet für die Landwirtschaftskammer und für die Agrarbürokratie
als das jetzige System. Typische Lösungsmöglichkeit ist Zucker,
wo ohne Stützung bis jetzt ausgekommen wurde und wahrscheinlich
auch in Hinkunft keine bezahlt wird. Derzeit erkläre ich ihm nur,
gibt es die grossen Schwierigkeiten, weil der ÖGB und die AK eine
Zuckerpreissenkung verlangen.
Gegen das Energiesicherungsgesetz und ganz besonders dass ich nicht
bereit bin, eine Abgabe mit einem Fonds oder eine beliehene Gesell-
schaft zu akzeptieren, holt sich Mussil Verstärkung durch Rief.
Dieser mit Ertl, Messinger und Abg. König waren von Mussil beauf-
tragt worden, eine Lösung ohne die Fondsbasis zu suchen und sind
aber zu keinem Ergebnis gekommen. Die 10-gr-Abgabe wären ausserhalb
des Preisgeschehens und angeblich wettbewerbsneutral. Ansonsten wür-
den ja bei einer Auflage für Lagererrichtung von seiten der Impor-
teure die ÖMV und die RAG besser gestellt. Ich erklärte dezidiert,
dass ich nicht bereit bin, einen Fonds zu schaffen oder gar eine
beliehene Gesellschaft, wo ich dann so wie bei den Agrarfonds
dann die Verantwortung hätte und nichts zu reden. Da Mussil sah,
dass ich nicht nachgebe, schlug er dann vor, es gäbe eine Möglichkeit
wenn die Befüllung, die ca. 4 Mia. S kostet, durch die ÖMV finanziert
wird und der Lagerneubau mit 2 Mia. S durch billige ERP-Kredite.
Der Finanzminister hat sich ja auch schon gegenüber der Handels-
kammer bereiterklärt, die ganze Bevorratung steuerneutral zu stel-
len. Ich glaube, dass wir im Rahmen.des Unterausschusses im
Parlament eine gemeinsame Lösung finden können.
Mussil fragte, was mit dem Wettbewerbsgesetz geschehen würde,
da Abg. Fiedler, eine Initiative entwickeln wird. Ich meinte,
ein bisschen zynisch, wenn Fiedler jetzt die Kammerpolitik macht,
habe ich auch dagegen nichts einzuwenden, ich werde nur bereits
sein, im Konsumentenbeirat die entsprechenden Verhandlungen mit
den Interessenvertretungen zu führen.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Der Arbeitskreis Mühlbacher – Lachs muss so-
fort beginnen und in der nächsten Beiratssitzung muss ich Grund-
sätze vorlegen.
Mussil hat wegen der Berufsforschungsaufträge grosse Bedenken und
ich erkläre, dass ich bereit bin, noch einmal die Sozialpartner
wegen einer Arbeitsgemeinschaft und wegen der Aufträge nach ent-
sprechenden Vorberatungen zu mir zu bitten. Ich hatte in der
Fraktion Verzetnitsch, den Jugendsekretär des ÖGB, bereits aufge-
fordert, eine entsprechende Vorbesprechung mit der anderen Seite –
Handelskammer – zu führen.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Jagoda soll auch noch einmal ein Kompromiss
versuchen.
Die ÖMV erschien mit Bauer, Feichtinger und Meszaros, weil sie
jetzt grosse Angst haben, dass bei der Überprüfung auch der inländi-
sche Öl- und Gaspreis genauer kontrolliert wird. Sie hatten schein-
bar angenommen, dass die Prüfung eine reine Augenauswischerei
sei, da sie nicht einmal bereit waren, die Wirtschaftsprüferberichte
herzugeben. Ich liess sie nicht im Unklaren, dass die AK und teilwei-
se auch der ÖGB mich sehr bedrängen, endlich auch die inländische
Ölproduktion und Gasproduktion sowohl bei der RAG als dann natür-
lich in weiterer Folge bei der ÖMV genau zu prüfen. Damit hätte
die gewohnte Schonfrist ein Ende. Wenn die ÖMV erklärt, sie könne
ohne Aufsichtsratsbeschluss ja überhaupt nicht mir die entsprechen-
den Unterlagen, die ich brauche freiwillig zur Verfügung stellen,
dann bleibt nichts anderes übrig als ein Preisverfahren einzuleiten
wonach ich dann vollkommene Bucheinsicht jederzeit verlangen kann.
Sehr erschüttert waren sie, dass die Wirtschaftspolizei mit-
kommt, scheinbar haben sie geglaubt, es wird ein Beamter dort zu
einer Plauderei erscheinen.
Feichtinger ersuchte mich dann, vielleicht dachte er, dass mich
dies ein wenig versöhnt, bei meinem Pressefrühstück über den
Abschluss mit der SU für die nächsten 3 Jahre 1976/78 eine Mill. t
jährlich Rohöl, die er vereinbart hat, zu berichten.
Beim Journalistenfrühstück, wo hauptsächlich über Aussenhandel
berichtet wurde, passte es gut, tatsächlich diese Ergebnisse
der Lieferung SU mitzuteilen, Ansonsten wurde über die Ergeb-
nisse bei der EFTA und auch über die CSSR-Verhandlungen berichtet.
Dort ist es jetzt mit dem letzten Start geglückt, Schutzklauseln
für Niedrigpreise und sonstige Störungen einzuführen. Bei dieser
Gelegenheit konnte ich endlich anbringen, dass damit die Ostflanke
endgültig nicht aufgerissen, wie die Handelskammer immer wieder
behauptet, sondern jetzt von mir dicht gemacht wurde. Seit Ein-
führung der Vidierung wurden um ganzen 20 Konsultationen notwendig,
hauptsächlich auf Obst- und Gemüsekonserven und Textilien.
Kritisch war nur die Frage der Kronenzeitung, ob ich mir einen
Benzinpreis für Super von über 7.– S vorstellen könnte. Natür-
lich erklärte ich sofort, ein Minister muss sich alles vorstellen
können, doch liegt bis jetzt noch kein Antrag vor und bisher
bin ich sicher, dass heuer, ja selbst nicht einmal mit Jahres-
beginn sofort ein neuer Preis festgesetzt wird.
In der ÖGB-Fraktion habe ich Tommy Lachs ersucht, nachdem er
meinte, nachher müsse er mit den Textilarbeitern verhandeln, er
sollte wegen der Strumpfhosen zu weiteren Kompromissverhandlungen
zusammenkommen. Die Handelskammer ist von dem Preis 5.55 S bereits
auf 5.30 zurückgegangen, der ÖGB von 4.– auf 4.60 hinaufgegangen,
ich sehe also bei entsprechenden weiteren Verhandlungen noch die
Möglichkeit zu einem Kompromiss, das ich unbedingt brauche.
ANMERKUNG FÜR REIM: Bitte bei der Beiratssitzung weitere Kompro-
missverhandlungen von Hillebrandt führen lassen.
Benya berichtete, dass Hrdlitschka jetzt mit Jahresende aus
der Arbeiterkammer ausscheidet und für die Chemiearbeiter ZS
Lackner in den Vorstand kommt. Czettel wird der neue Präsident
und an seine Stelle wird ZS Mück jetzt in den Vorstand aufrücken,
für Roposs vom Handel und Transport und dann auch VP anstelle
von Czettel werden. VP Prechtl von den Eisenbahnern wird von
ZS Schmölz abgelöst. In der Arbeiterkammer wird also eine ganze
neue Führungsgarnitur installiert. Hrdlitschka erklärte, nachdem
er jetzt schon 65 Jahre alt sein, sei es Zeit, dass er sich zurück-
zieht und dies hätte er schon längst beabsichtigt. Dies glaubt
ihm in dieser Dune dort gar keiner. Hrdlitschka meinte auch
noch, sein Bestreben sei es gewesen, zum Unterschied von früher,
dass zwischen ÖGB und AK immer bestes Einvernehmen herrschte, dies
war sicherlich seine Politik, als ihn Benya zum Präsidenten machte,
damals sogar gegen den Wunsch nicht nur der Lebensmittelarbeiter
die wirklich ehrlich glaubten, dass ich der richtige Mann sei,
und auch vielen anderen, die ebenfalls diese Meinung hatten,
im Laufe der Jahre aber hat er dann gar nicht beabsichtigt
sondern durch seine umständliche Art der Geschäftsführung immer
mehr Schwierigkeiten mit dem ÖGB insbesondere Benya gehabt. Eine
ideale Harmonisierung zwischen diesen beiden Institutionen gibt
es wahrscheinlich überhaupt nicht. Dies war ja mit ein Grund,
warum Böhm seinerzeit, als er die grossen Schwierigkeiten mit
Mantler gehabt hatte, mir immer wieder sagte, die beste Lösung
ist, wenn eine Personalunion zwischen den Landesexekutiv-Obmännern
der Gewerkschaft und dem Arbeiterkammerpräsidenten besteht.
In weiterer Folge dachte er sicherlich auch daran, dass der
Präsident des Gewerkschaftsbundes gleichzeitig Präsident der
Arbeiterkammer sein sollte. Ob eine solche Machtfülle zweckmässig
ist, bezweifle ich aber. Mit dem Präsidenten Czettel wird Benya
keinerlei Schwierigkeiten haben, da ja er letzten Endes als
Metallarbeiter-Obmann von Wien sicherlich eine ideale Besetzung
darstellt. Ich habe mich schon seit eh und je für Czettel einge-
setzt, da ich bereits 1970 überzeugt war, nie mehr in die Arbei-
terkammer zurückzukommen. Nicht zuletzt aus diesem Grund habe
ich auch meinen Dienst so bald als möglich quittiert.
Sekanina und schon vorher telefonisch hat mich Hofstetter er-
suchte, ich sollte über die Wirtschaftssituation referieren.
Kienzl kam vorher noch zu mir und meinte, er hoffe, dass nicht
auch ich jetzt in die pessimistische Linie einschwenke. Er hätte
festgestellt, dass die Unternehmer ganz entsetzt feststellen, dass
scheinbar überhaupt niemand mehr wirtschaftliche Zukunft sieht.
Er sei jetzt der einzige Optimist, der noch den Unternehmer ein
bisschen Halt gibt. Wenn ich jetzt auch noch umfalle, wäre dies
in seinen Augen eine Katastrophe. Ich beruhigte ihn, und sagte,
da wird er längst auch schon auf pessimistische Linie eingeschwenkt
sein, werde ich noch immer, weil ich davon auch fest überzeugt bin,
nicht Schönfärben aber Optimist sein. Ich legte dann der Fraktion
die Gründe dar, warum ich an die Theorie von Kreisky jetzt puncto
Absturz nicht glaube. Die Daten lassen meiner Meinung nach eine
solche Entwicklung nicht erwarten. Interessant war, dass Benya
meinte, er sei falsch interpretiert worden, und die 1–2 % Preis-
erhöhungen mehr um die Vollbeschäftigung sei aus dem 75er-Jahr
zu erklären. In Hinkunft nimmt er an, dass die Preise sinken,
obwohl er sich für die erhöhten Tarife einsetzt. Dadurch könnte die
öffentliche Hand mehr für Investitionen ausgeben. Die Gewerkschafter
müssten eine politische Lohnpolitik machen, damit es nicht zu
einer Entwicklung wie in Grossbritannien kommt, wo sich die Ge-
werkschaften um die Regierungspolitik überhaupt nicht gekümmert
haben. Eine Steuersenkung sie für 1976 auszuschliessen, man müsse
sich aber überlegen, ob man die Sparförderung 3 Mia. Bundeszuschuss
noch leisten könne. Androsch soll allerdings ihm erklärt haben,
dass er daran nichts ändern möchte. Lachs berichtete, dass die
OECD zwar ebenfalls eine pessimistische Prognose stellt, doch für
USA und Japan bereits den Aufschwung prognostiziert, der meiner
Meinung nach dort übrigens schon eingetreten ist. Der wirklich
interessanteste Beitrag für mich war der von Wille, der erklärte,
er sei glücklich, dass ich nicht in dieses Pessimisten-Gejeier ein-
stimme, denn das hätte katastrophale Folgen. Die Nachfrage geht zu-
rück, die Leute werden verunsichert, die Unternehmer werden inaktiv
usw. Das Gezeter von Koren wegen der Verschuldung sieht er auch
bei 100 Mia. gar nicht so gross, denn als wir die Regierung über-
nommen haben, betrug die Verschuldung 13 %, sei auf 10 % 1973
zurückgegangen und jetzt auf 15 % gestiegen, keinesfalls beängstigend.
Sekanina appellierte an die Gewerkschaften fraktionell zur
wirtschaftspolitischen These Vollbeschäftigung Zurückhaltung
bei der Lohnpolitik, wie er sich ausdrückte, weiter zu trommeln.
Für mich interessant war, dass ich mich nicht nur in diesem Kreise
wohlfühle, sondern dass auch dort die optimistische Linie viel
lieber ankommt und gesehen wird als sonst irgendwo in anderen
Gremien. Leider konnte Kreisky nicht kommen, diese Konfrontation
wäre sicherlich sehr interessant gewesen.
Benya berichtete von der nächsten Bundesvorstandssitzung, wo die
acht Viril-Stimmen so vergeben werden, dass die christliche Fraktion
der Metallarbeiter Mayer schicken wird und ihren neuen Obmann
Gassner. Dieser hatte angefragt, ob wieder die Sozialisten gegen
ihn stimmen würden, wurde aber sofort gesagt, dass dafür gar keine
Begründung vorliege. Die Vereinbarung lautet, dass bis zu 5 Dele-
gierten die christlichen Gewerkschaften 2 Viril-Stimmen bekommt.
Wenn der öffentliche Dienst aber ein viertes reguläres Mandat,
da sie wahrscheinlich schon über 150.000 Mitglieder abrechnen,
um Bundesvorstand bekommt, würde die Virilstimme in eine ordentliche
Delegierung umgewandelt. Die christlichen Gewerkschafter haben die
grosse Schwierigkeit, dass sie fast nur Delegierte aus dem öffent-
lichen Dienst haben und keine Arbeitervertreter. Die KP wieder
wird Hofer und Slavik delegieren, die Gewerkschaftliche Einheit
Zickler, die kath. Arbeiterjugend Summerauer, die Freiheitlichen
Kindl, die Unparteiischen Grabner. Kooptiert werden ausser den
drei Frauen-Delegierten auch Kinigadner von den Jugendlichen.
Dies ist ein neuer Sitz. Ich bin neugierig, wie die erste Bundes-
vorstandssitzung laufen wird, wenn Altenburger nicht mehr seine
lange und angriffslustige Rede halten wird.
In der Sektionsleitersitzung besprachen wir und es waren alle
damit einverstanden, die neue Form. In Hinkunft soll, womöglich ein-
mal monatlich, spätestens alle 6 Wochen eine Sektionsleitersitzung
stattfinden. Vom 10. eines jeden Monats wird wird für das Vormonat
jede Sektion einen Tätigkeitsbericht schriftlich über das Büro
Bock zur Verfügung gestellt werden. Dieser kann dann ein umfassendes
Protokoll erstellen, das gleichzeitig dann das BKA bekommt wie
das im Ministeriengesetz vorgesehen ist. Wir wollen dann auch nicht
mehr jede Einzelheit diskutieren, sondern nur mehr die Probleme,
die von Interesse sind. Ich möchte, dass aus der Sektionsleiter-
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sitzung nicht nur eine mehr oder weniger interessante Aktivitäts-
aufzählung wird, sondern wirklich ein Diskussionsforum. Ob es mir ge-
lingt, bezweifle ich allerdings. Wir werden sehen.
Anschliessend hatte ich eine Sektionsbesprechung mit Meisl, Jagoda
Frank, Wanke, Gehart und Wais. Es wurde einvernehmlich festgehalten,
dass die Reorganisation des Hauses so zu geschehen hat, dass nicht
eine Sektion, wie z.B. jetzt Meisl auf Abteilungen oder Gruppen
verzichtet und die anderen sich ständig ausweiten. Gruppenbe-
setzungen aber auch Abteilungsleiterbesetzungen müssen nach
Zweckmässigkeitsgründen vorgenommen werden. Der wichtigste Punkt
dabei ist, dass entsprechend tüchtige Leute, wenn möglich natür-
lich von unserer Partei zur Verfügung stehen. Die Gruppenleitung
Kinscher wurde seinerzeit der Personalkommission zugesagt und
muss daher jetzt eingehalten werden. Niemals aber von mir zugesagt
wurde, dass alle Abteilungen Kinscher unterstellt werden müssen
ja auch nur sollen, sondern dies bestimmt ausschliesslich die Sek-
tion nach Zweckmässigkeitsgesichtspunkten. Auch das von der
Personalvertretung verlangte System, kein Gruppenleiter dürfte
eine Abteilung führen, war von mir nie zugesichert und kann auch
nicht durchgestanden werden. Kinscher wird selbstverständlich
seine Abteilung weiterführen.
Da in der Laufbahn von Gehart kein Nachteil eintreten darf, muss
er seine Abteilung formell weiterführen. De facto wird sie aber
Marsch übernehmen, die Marsch-Abteilung aber wird der Gruppenleiter
Singer jetzt übernehmen. Jagoda ist mit dieser Lösung, die Gehart
sehr geschickt vorbereitet hat und die für ihn so wichtig ist,
einverstanden.
Jagoda berichtet, dass die IFES – Gehmacher – ausser einem offiziel-
len Offert noch eine Unterlage der Abteilung gegeben hat, wo zu
erkennen ist, dass aus einer allgemeinen Umfrage, die die IFES
ständig macht, die Präferenzen für die Soz. Partei ebenfalls einen
Umfragebestandteil darstellen. Aus diesem Grund und Jagoda hat
vollkommen recht, können wir daher diesen Auftrag nicht der IFES
vergeben. Er schlägt deshalb vor, wir sollten von der IFES nur den
Teil, der sich mit Fremdenverkehr beschäftigt und den wir immer
in Auftrag gegeben haben, dann kaufen, wenn die Ergebnisse vorliegen.
Ich bin mit dieser Vorgangsweise einverstanden.
In der Ministerratsvorbesprechung meinte Kreisky, die Minister
müssten sich vorbereiten, in der Regierungserklärungsdiskussion
aufklärend kurz präzise zu intervenieren, wenn sie angegriffen
werden. In der Praxis stellt sich dann allerdings sehr bald heraus,
dass dazu kaum eine Möglichkeit sein wird. Taus wird eröffnen,
dann Fischer, Peter, dann kommt Kreisky und wieder ein ÖVP-ler,
interessant wird, ob es Koren ist, der abfällig bemerkt haben
soll, jetzt lassen wir halt Taus einmal versuchen, dann wieder
ein SPÖ-ler, vor dem natürlich kein Minister reden soll, damit
er ihm nicht wegnimmt, wahrscheinlich wieder ein FPÖ-ler und dann
käme als zweiter Minister sicherlich der angegriffene Androsch.
Bei der letzten Regierungserklärung hat dann auch noch Häuser
eingegriffen, der auch diesmal sicherlich wegen der Zuschussrenten
Landwirtschaft das Wort ergreifen muss. Die ÖVP argumentiert noch
immer, 40.000 müssen unter 500.– S leben und 4.000 davon sind
schon gestorben.
Androsch meinte, man müsste gegen die hysterische Belastungswelle
irgendetwas unternehmen. Der Salzpreis sei seit 1960 unverändert
geblieben und musste deshalb 1974 erhöht werden, die KFZ-Steuer
ist seit 1965 unverändert, die Eingangsgebühren, die 15.– S sind
seit 1965 ebenfalls unverändert. Kreisky sprach sich gegen Schock-
tarife aus und meinte, es sei viel zweckmässiger, des öfteren
kleinere Schritte zu gehen. Dies ist für mich nichts neues, so-
weit ich es in meinem Ressort habe, tue ich es beim Strompreis
sowieso. Lanc berichtete, dass er jetzt die Begutachtung für Post
und Telegraf abgeschlossen hat und nur bei Massenaufgebot, beim
Versandhandel eine kleine Reduktion vornimmt. Der Zeitungstarif
geht unverändert hinüber und soll gegebenenfalls im Parlament
verhandelt werden. Kreisky fragte, wie die Entwicklung in den
nächsten Monaten sein wird und ich erklärte, dass wir bis Jahres-
ende gut durchkommen und dann allerdings durch de diversen
Steigerungen und zu erwartenden Preiserhöhungen wieder einen
Aufwärtstrend verzeichnen werden. Die Politik der ÖVP ist es,
die jetzigen Tariferhöhungen teils als Ausrede zu verwenden,
dass eben eine Preisauftriebswelle dann kommt. Ich erwarte, beim
Konjunkturaufschwung nämlich eine stärkere Inflationswelle,
die Kreisky allerdings nicht sieht. Er meint durch die Rezession
werden die Preise jetzt noch wesentlich zurückgehen.
Leodolter hätte gerne gehabt, wenn bei der Mehrwertsteuer-
Zigarettenpreiserhöhung bereits die Zigarette TREND mit 1,8 Mill.
Packungen im Preis unverändert bleibt und dadurch der Finanzmini-
ster zwar 13 Mill. S verzichten hätte müssen. Androsch meint, er
ist bereit über die nikotinschwachen Zigaretten geringere Be-
lastung zu reden, aber erst bis der neue Index vorliegt. Derzeit
nämlich haben die nikotinstarken Zigaretten C und 3-er ein starkes
Indexgewicht, basierend auf die Erhebung 1965. 1975 hat sich ein
ganz anderer Verbrauch ergeben, der dem neuen Index zugrundeliegen
wird.
Neuerdings kam natürlich das Problem der Reisen zur Sprache, weil
Androsch sein Kontingent erschöpft hat und er dringendst vom Innen-
minister aufgefordert wird, nach München zwecks Absteckung der
Touristenzone mit Österreich zwei Delegierte zu schicken. Kreisky
ist nicht bereit von der 75 %-igen Lösung abzugehen, sondern meint
nur im Sonderfall müssten eben von ihm Sondergenehmigungen dann
über Kontingent gegeben werden. Er meinte die Budgetziffern liessen
eine Auslandsreise-Vermehrung nicht zu. Ich erwiderte in meinem
Budget seien 2,2 Mill. vorgesehen und 850.000 bis jetzt verbraucht.
Mit Recht sagte er, Du schwindelst ja, du fährst mit Auto und
Handelskammer usw. Ich bin überzeugt, dass mit der 75-%-Lösung erst-
malig jetzt eine gewisse Reduktion der Auslandsreisen erreicht
wurde. Einen anderen Weg hätte auch ich nicht gewusst, als eben
global zu beschränken.
Im Ministerrat musste ich dann feststellen, dass ich nicht einmal
von meinem Haus die Unterlagen bekommen habe, die zur Debatte
standen, z.B. Verlängerung des Internationalen Weizenabkommens.
Nicht nur, dass ich die Tagesordnung nicht bekommen, bekomme ich
nicht einmal unsere Unterlagen. Das wird wirklich schon schön
langsam ein Skandal.
ANMERKUNG FÜR DAS BÜRO: Hier muss ein grundsätzlicher Wandel
geschaffen werden.
Beim 8. Wiener Verbraucherparlament, wo ich durch den Minister-
rat zu spät hingekommen bin, hatte bereits Koppe referiert
und Keller berichtete gerade über die Aktivitäten des Justiz-
ministeriums bezüglich Gewährleistung und Service. Vor mir
sprach dann noch Klose von der Handelskammer und ich habe
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nach ihm natürlich eine herrliche Möglichkeit, sowohl meine
Objektivität als Handelsminister darzulegen und gleichzeitig
aber doch die manchmal sehr komischen Ansichten von Klose zu
widerlegen. Da dort lauter Sozialisten fast waren, musste ich
mich sehr zurückhalten, um ihn nicht allzu hart zu attackieren
und damit das Publikum sofort auf meine Seite zu bekommen.
Im Schlusswort musste er ganz schöne Unmutsäusserungen des
Publikums zur Kenntnis nehmen, was allerdings auch berechtigt
war, denn er hat manchmal schon sehr einseitige Ansichten
als Interessenvertreter. Mehr als 30 Debattenredner kritisierten
oder stellten Forderungen auf. Die wichtigste erschien mir,
dass mit Recht gesagt wurde, die Waagen, die jetzt auch gleich-
zeitig den Preis ausrechnen, müssten durch Verordnung so geregelt
sein, dass man sie erstens deutlich lesbar auch für den Kunden auf-
stellt und dass zweitens der gesamte Vorgang, der auf der einen
Seite vom Verkäufer gemacht wird, nämlich Preiseinstellung
auch auf der anderen Seite vom Kunden abgelesen werden kann.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte diesen Wunsch mit dem Bautenministerium,
das dafür zuständig ist, besprechen.
Tagesprogramm, 10.11.1975
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)
Tagesordnung 3. Ministerratssitzung, 10.11.1975
28_1289_03Nachtrag TO 3. Ministerratssitzung, 10.11.1975