Donnerstag, 28.10.1976
In der Gesamtvorstandssitzung von den Lebensmittelarbeitergewerk-
schaft kam es ganz anders als beabsichtigt. Während meiner Abwesen-
heit wurde den ganzen Tag über die Geschäftsordnung debattiert. Wir
hatten schon eine sehr lange und sehr veraltete Geschäftsordnung aus
dem Jahre 1947. Sie ist sehr autoritär – bei der Diktion z.B. das
Mitglied ist verpflichtet die Geschäftsordnung genau zu studieren und
einzuhalten. Sie legt zwar den demokratischen Aufbau unserer Gewerkschaft
fest, ist auch in sich gesehen nicht ganz konsequent und aufeinander
die einzelnen Organe und Entscheidungen abgestimmt. Anfangs lief alles,
solange ich noch anwesend war, verhältnismässig gut und wir kamen
auch richtig vorwärts. Dann aber wurde über die Frage, ob die Ge-
werkschaft der Lebensmittelarbeiter wirklich nur Arbeiter organisieren
darf, oder nicht, wie sich in der Praxis manchmal ergibt, auch ver-
einzelt Angestellte, stundenlang diskutiert. Ähnlich war es mit dem
Problem der Beitragsleistung, Beitragswahrheit. Beabsichtigt war
eigentlich nur eine allgemeine erste Lesung wenn ich so sagen darf,
um nachher ein Komitee einzusetzen, welches bis zum Verbandstag eine
solche Diskussion über eine neue Geschäftsordnung abführen sollte.
Jetzt war es umgekehrt. Die Diskussion wurde jetzt im Detail geführt
und zum Schluss hatten wir zwar ein Komitee auch bestimmt, doch
dies nicht mehr allzulange diskutieren, sondern sehr bald einen neuen
Entwurf vorlegen.
Aus den Gruppen-und Länderberichten war besonders interessant, war
besonders interessant, dass die Tabakindustrie jetzt auf Punktesystem
umgestellt wurde. Von 4 Punkten 28 Schilling bis 30 Punkte 58 Schilling
wurden jetzt die Arbeitsplätze entsprechend bewertet. Verhältnismässig
gute Bezahlung in der Tabakindustrie ist, obwohl es ein Monopol ist,
nur auf die Rechtsform der AG zurückzuführen. Nur so ist es gelungen
ebenfalls unkündbaren Tabakarbeitern nicht wie pragmatisierte Beamte zu
behandeln und womöglich nur mit dem Öffentlichen Dienst gleichzuziehen.
Eine ähnliche Situation haben wir bei den Salinenarbeitern. Dort
möchte nun der Finanzminister das Monopol zwar aufrecht erhalten,
aber die Salinen ebenfalls in eine Aktiengesellschaft überführen.
Der Zentralbetriebsratsobmann, d.h. die Belegschaftsvertretung hat
nun gegen eine solche Überführung noch die grössten Bedenken. Auch
in dieser neuen Aktiengesellschaft würden sie unkündbar sein wie die
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Tabakarbeiter. Das Hauptproblem liegt dort aber bei dem vorzeitigen
Pensionierungsalter. In Wirklichkeit ähnlich wie bei der Eisenbahn
eine Früh-Frühpension ist. Zudem fürchten die Salinen eine entspre-
chende weitere Konzentration um Saline Ebensee und dadurch eben
Stillegung der einzelnen Betriebe auf lange Sicht. Diese Konzentration
schreitet überall in allen unseren Branchen weiter fort. Am deut-
lichsten bei den Molkereien, wo 526 Betriebe vor 20 Jahren, jetzt
auf 235 Betriebe reduziert wurden. Besorgt sind die Konservenarbeiter,
wo bei Inzersdorfer Verkaufspromotion macht, Austro Felix in Matters-
burg grosse Reklame betreibt und Scana der dritte Betrieb durch Schleuderpreise bei Diskontern seinen Umsatzanteil halten will. In meinen Augen
hat die gesamte Konservenindustrie nicht nur durch ihre eigene Kon-
kurrenz, sondern auch durch die Importe, wenn sie auch nur in einem be-
scheidenen Rahmen derzeit hereinkommen, kaum eine grosse Chance
zukunftsträchtig seinen Umsatzanteil zu halten. Die wirkliche Zukunft
liegt bei den Tiefkühlessen und hier ist Unilever mit dem Menü 2000
stark im kommen. Derzeit werden 32.000 Portionen täglich produziert.
Angeblich bemüht sich jetzt die Wiener Holding mit einen 60 %-igen
Anteil Meinl, die Konsumgenossenschaft Wien, oder die GÖC und ein
Berliner Fleischerfabrik-Maschinenerzeuger in St. Marx ein Konkurrenz-
unternehmen zu gründen. Dort soll durch Sterilisation ein Menü in
Alufolienverpackung mit 230 Grad, Unilever Konkurrenz machen. Be-
absichtigt sind 30.000 Portionen für Ganztagsschulen, Kindergärten,
Essen auf Räder usw. Nach dieser Information war mir klar, warum die
Gemeinde bei den Verhandlungen der Vizebürgermeister Sandner der
Unilever über eine Kindergartenausspeisung so zurückhaltend war. Dass
Sandner aber davon nichts weiss, resp. noch zur Interhoga vor ein
paar Tagen nichts wusste, war für mich überraschend. Die Idee müsste
innerhalb der Wiener Holdinggesellschaft bereits vor längerer Zeit
geboren worden sein und wahrscheinlich wurde das Magistrat entsprechend
verständigt. Ohne die Finanzabteilung bin ich überzeugt, traut sich die
Wiener Holding so etwas nicht in Angriff nehmen. Ich bezweifle ganz
ehrlich, dass diese neue Gesellschaft die Produktionsvoraussetzungen
mitbringen wird. Die WÖK ist in ihrer jetzigen Konstruktion und ihren
Leistungen sehr überholt. Wieweit sie durch die neue Gesellschaft wird
Marktanteile verlieren, kann ich jetzt momentan nicht prüfen, bin
aber fest davon überzeugt.
ANMERKUNG FÜR PLESCH: Bitte versuche über die Gemeinde herauszubrin-
gen, was an dieser Idee stimmt.
Die Konzentration führt auch dazu, dass einige Betriebe wie z.B.
Maggi in Vorarlberg jetzt nach Linz in der Produktion verlegt werden.
Für die Vorarlberger Beschäftigten wurde von der Gewerkschaft ein
Sozialplan mit den Unternehmern verhandelt. Diese Idee des Sozialplanes
ist in den letzten Jahren entwickelt werden. Früher war es undenkbar,
dass man bei Zugrundegehen eines Betriebes resp. Auflösung einer Betriebs-
stätte dem Arbeiter ausser seinen gesetzlich zustehenden Rechten –
und die waren sehr gering – freiwillig eine Leistung gegeben hätte.
Auch hierin ist ein wesentlicher Wandel in unserer kapitalistischen
Ordnung festzustellen, der allerdings nur die Grossbetriebe oder
Verstaatlichte, wie z.B. Kohlengruben Kupferbergbau usw. betrifft.
Auch das neue System wird zwar nur einen geringeren Teil der Wirt-
schaft, nämlich eben den Grossbetrieben und den dort Beschäftigten
durch einen solchen Sozialplan die Stillegung eines Betriebes zu den
jetzt vereinbarten Abfertigungen die in unserer Gewerkschaft schon
ein beträchtliches Ausmass erreicht haben, noch ein finanzieller Zu-
schuss gewährt. Wie unser Kollektivvertrag für die Industrie heute
schon mustergültig ist, wurde auch dieser Sozialplan in Vorarlberg
von anderen als Vorbild genommen und bei Stillegungen, wie z.B.
bei Höchst Semperitbetrieb nachgestrebt, leider aber nicht voll er-
reicht.
Eine breite Diskussion nahm auch die Prämienbezahlung ein. Da wir
weitgehend Kollektivverträge-Bezahlung haben, wurde früher durch ent-
sprechende Überstunden die Verdienste verbessert. Dabei kam es oft zu
Ausdehnung der Arbeitszeit, wie z.B. bei den Ausführen von Waren bei
Bier. Die Unternehmer haben diese auf den Tachometer verzeichneten
Stehzeiten sehr bald erkannt und vorgeschlagen, man soll die Menge,
in dem Fall der Brauereien die Hektoliter bestimmen, die einer aus-
zuführen hat und dafür Prämien geben. Das Ergebnis war, dass nicht
mehr bis 20 Uhr Zustellung bei den Wirten dauerte, sondern um 15 Uhr
bereits dieselbe Quantität ausgeliefert war. Natürlich kann man sagen,
dass die individuelle Betreuung der Wirte jetzt nicht mehr so umfang-
reich ist, wie früher. Der Bierführer liefert schnell ab und versucht
gleich weiterzufahren. Früher hatte er lange Zeit um zu tratschen, viel-
leicht sogar und nicht nur vielleicht, sondern meistens sogar noch
ein Krügerl sich bei jedem Wirt zu genehmigen, was jetzt alles
wegfällt. Allerdings sind die Betriebsräte oder zumindestens einige
der Meinung, dadurch wird auch auf die Gesundheit der Bierführer nicht
mehr so geachtet. Er steht unter einem ständigen Stress und muss
ausserdem Schwerstarbeit, abladen usw. in kürzester Zeit durchführen.
Die Arbeiter lockt aber die Prämie und sie sind bemüht, mehr noch
auszuführen als bisher in einer kürzeren Zeit. Einige waren der Meinung
und ich teile diese Auffassung, dass wir heute den Bierführern gar
nicht mehr mit Überstunden den Verdienst bringen könnten den sie
jetzt haben. Nicht nur die Unternehmer auch die Arbeiter selbst wären
nicht mehr bereit in so langer Arbeitszeit, wie dies früher üblich war,
ihren Verdienst zu erreichen. Diese tagelangen Diskussionen in solchen
Gesamtvorstandssitzungen oder Besprechungen vor einem Gewerkschaftstag
haben den grossen Vorteil, dass ich mit Detailproblemen konfrontiert
werde. Allzuleicht vergisst man sonst im Trubel der grossen Fragen,
die doch auch von einem Minister zu besprechen und vielleicht auch zu
lösen sind, dass für den einzelnen Arbeiter eine oder andere Frage,
das eine oder andere Problem, das einem sonst als vollkommen un-
interessant erscheint, von grösster Bedeutung ist.
Die Verleihung der Staatspreise Gute Form gab mir die Gelegenheit mit
der ausgezeichneten EUMIG-Firma, Komm.Rat Vockenhuber, über das
Fohnsdorf-Projekt neuerdings zu sprechen. Vockenhuber wird jetzt in
Fohnsdorf eine Betriebsstätte nicht mit 300, sondern mit über 500
Beschäftigten aufbauen. Dafür habe ich mich bei ihm – und nicht nur
wegen der guten Form seiner Produkte – herzlichst bedankt. Die
Fulpmeser Genossenschaft wieder, hat eine Hammerzange entwickelt.
Wie der Vertreter mir mitteilt, gelingt jetzt schön langsam die Über-
siedlung aus dem Fremdenverkehrsort Fulpmes in das Industriegelände,
welches abseits gelegen ist und von uns auch subventioniert wurde.
Aus Dankbarkeit haben sie mir eine Dienstzange, wie sie dies aus-
drückten – gegeben. Eine aus Plastikrücken mit Stoffaufsatz ent-
wickelte neue Schultasche wurde ebenfalls prämiert und von Ärzten
als besonders tragfähig und günstig bezeichnet. Ich machte nur die
Bemerkung, dass die Hauptprobe erst zu bestehen ist, wenn die Buben
dann auf den Schultaschen Schlittenfahren werden. Zur Probe hat man mir
auch dieses Exemplar geschenkt. Vockenhuber wollte mir eine beste
Kamera ebenfalls schenken. Als ich dies zwar sehr höflich – aber doch
bestimmt ablehnte, hatte ich das Gefühl, dass er ein wenig beleidigt war.
Um ihm nicht zu vergrämen, hatte ich dann sofort einen Entschuldigungs-
und Erklärungsbrief geschrieben. Die Gute Form wird vom Institut von
Formgebung, Architekt Mang geleitet. Dieses Institut war in den letzten
Jahren in einer furchtbaren finanziellen Situation. Nur durch meine
Intervention bei der Handelskammer war es möglich, die notwendigen
Mittel für dieses Institut weiter bereitzustellen. Die Überreichung
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der Staatspreise war vor einem jämmerlich kleinem Publikum.
Ich glaube ausser den paar Ausgezeichneten war überhaupt niemand
dort. Besser war es dann bei der Verleihung der Staatspreise für
Verpackung. Dort hat als 20. Jahrestag auch gleichzeitig das
Institut für Verpackungswesen auf der Welthandel eine Art Festver-
anstaltung abgehalten. Der Besuch war auch nicht überwältigend, aber
es waren wenigstens ein paar Dutzend Leute anwesend. 3 Dutzend
allerdings waren allein die Ausgezeichneten. Mir ist nicht erklärlich,
wieso diese Veranstaltungen so wenig Echo finden. Wenn auf anderen
Gebieten Staatspreise verliehen werden, so nimmt wenigstens die
Zeitungen oder der Rundfunk davon Notiz. Bei unseren, im Handels-
ministerium geschieht gar nichts.
ANMERKUNG FÜR TIEBER: Warum wird dies immer schlechter? Bitte mit
Koppe besprechen.
Mit Gen.Dir. Koller von der VÖEST telefonierte ich wegen der Beschwerde
der UdSSR auf Nichtlieferung der Rohre. Matthes der dafür zuständig
ist – und mich nach Auftrag von Koller sofort dann zurückrief – er-
klärte, dass die Russen einen furchtbar schlechten Preis bezahlen
wollten und heuer schon bezahlt haben. Im Vorjahr waren 370 Dollar
die Tonne von den Russen diktiert worden, weil die VÖEST bereits die
Rohre bereits verschifft hatte, bevor sie den Preis endgültig fi-
xierten. Den Preisverfall zahlt die VÖEST jetzt pro Tonne 6.000 Schilling
drauf. Der Ausgangspreis hat allerdings der VÖEST einmal einen Super-
gewinn gebracht. Jetzt hat die VÖEST in Erfahrung bringen können,
dass die Sowjets bereit waren, den Italienern 386 Dollar für die Tonne
zu bezahlen. Natürlich verlangt sie jetzt mit Recht denselben Preis
und nicht ein Konkurrenzoffert der Japaner im Preisvergleich. Die
Japaner haben durch ihre Überkapazität scheinbar den Russen Angebote
gemacht, die nicht einmal das Material decken. Ich habe Nikolaenko
sofort von dieser Tatsache verständigt und dieser hat mir zugegeben
dass jetzt die sowjetische Seite in Moskau die Preise prüft und wahr-
scheinlich der VÖEST ein entsprechend akzeptables Angebot machen
wird. Damit ist die Intervention Nikolaenko und seine Drohung, wenn
die VÖEST nicht liefert, würden die Gaslieferungen als Kompensation
nach Österreich gefährdet sein, hinfällig. Jetzt liegt der Ball bei
den Sowjets.
Koller war sehr erfreut von mir zu erfahren, dass EUMIG jetzt über
500 Beschäftigte in Fohnsdorf innerhalb der nächsten Jahre erreichen
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wird. Damit fällt die Argumentation der Betriebsräte des Kohlenberg-
werkes weg, dass die Arbeiter nach Donauwitz fahren müssten. Die
VÖEST wird 300 in Zeltweg beschäftigen und 250 werden in Pension
gehen. Damit ist die Arbeitssituation in Fohnsdorf entspannt. Die
Betriebsräte haben sich nämlich bei Kreisky wegen der weiten Fahrt
nach Donawitz beschwert und Kreisky hat ihnen Recht gegeben. Koller
sieht darin eine Gefahr, dass mit 1.1.77 nicht mehr der Stillegungs-
beschluss gefasst werden kann. Koller teilt mir auch mit, dass weitere
zwei Betriebe darunter ein Montagebetrieb, der entsprechende Grund-
stücke braucht, jetzt gemeldet haben. Ich habe Koller sofort aufmerksam
gemacht, dass man nicht den Fehler machen soll und jetzt EUMIG,
Vockenhuber, womöglich ein Konkurrenzverhältnis über das Grundstück,
das die GKB verkauft, bringen möchte. Einzelheiten über die weiteren
Betriebe hat Koller nicht gewusst.
ANMERKUNG FÜR PLESCH und WANKE: Bitte vorsichtig recherchieren um
welche Betriebe es sich handelt.
Die Aufträgeeingänge bei der VÖEST für das nächste Jahr, insbesondere
Jänner bis März sind sehr schlecht. Koller meint, man wird über die Runden
kommen, ist aber über die Äusserung von Kreisky, der sich der
Euphorie, die jetzt in seinen Betrieben von den Betriebsräten überall
gezeigt wurde, sehr froh. Bei der beginnenden Konjunktur, die eine Mengen-
konjunktur war und ist, haben die Betriebsräte sofort wieder sicher-
lich auf Druck der Belegschaft entsprechende Forderungen gestellt.
Die Ertragslage der VÖEST hat sich aber keinesfalls noch so gut ge-
bessert. Das Hauptproblem ist nach wie vor, dass vom Linzer Betrieb
und Linzer Raum immer mehr Hilfe für die steirischen Betriebe gegeben
werden muss. Koller meint, wäre es nicht zur Fusionierung gekommen,
wäre die Alpine im vergangenen Jahr und heuer in eine furchtbare
Situation geschlittert. Seiner Meinung nach wäre es zum Zusperren der
meisten Betriebe in der Steiermark gekommen. Die Stillegung von
Hüttenberg, das jährlich 15 Mio. Schilling der VÖEST Defizit bringt,
muss nicht sofort erfolgen, wohl aber im Laufe der nächsten Jahre.
Für 4 Jahre kann noch dort Erz abgebaut werden, wenn auch zu einem
nicht annähernd kostendeckenden Preis.
ANMERKUNG FÜR PLESCH UND WANKE: Bei dem Ersatzbetrieb der TCW
gibt es Schwierigkeiten.
Koller erklärte mir dezidiert, dass die VÖEST den Bagger für die Abbau
Köflacher Kohlenrevier in der DDR bestellen muss. Koller gibt zu, dass
dieser Bagger von den Ostdeutschen den Westdeutschen nachgebaut wurde.
Da aber die DDR viele Anlagen bei der VÖEST kauft und in Hinkunft
sicherlich auch kaufen muss, die DDR ausserdem für ihre Braunkohlebergbau-
aktivitäten Referenzen braucht, würde ein Nichtbestellen dieses
Bagger in der DDR die grössten Komplikationen für die VÖEST mit sich
bringen. Der Auftrag wird nur auf die reine Maschine beschränkt sein,
40 Mio. Schillinge ungefähr betragen. Die Bänder und was sonst noch
alles zum Abbau notwendig ist, wird die VÖEST selbst erzeugen und
nicht in der DDR kaufen. Ich versprach Koller diesen Standpunkt,
den ich für richtig finde, dem deutschen Botschafter Grabert mitzuteilen.
ANMERKUNG FÜR WIESINGER: Bitte mit Grabert verbinden.
Durch reinen Zufall sah ich spät abends die Diskussion im Fernsehen
Club 2 mit der Frau von Baldur von Schirach. Diese hatte über ihre
Erlebnisse im Konzentrationslager nach 45 ein Buch geschrieben. Ins-
besondere hat sie dort einige Erlebnisse auch aus der Nazizeit aufge-
zeichnet. An die Spitze stellte sie, dass sie nach einer Einkaufstour
in Holland feststellen musste, dass dort die Juden in grosser Menge
deportiert wurden. Sie meldete sich mit ihrem Mann bei Hitler, hielt
ohne dass ihr Mann anwesend war, wohl aber davon wusste, Hitler
diese Judendeportation vor. Hitler soll sie angeschrien haben,
seine deutschen Männer fallen und die Juden würden überleben, sie
soll sich nicht dreinmischen, was ich ohne weiteres glaube. Nicht
aber nehme ich ihr ab – und auch Lingens sowie der zweite Diskussions-
teilnehmer, der mein Jahrgang war und scheinbar auch als Jude diese
Zeit in Wien mitgemacht hat, dass Schirach und auch sie davon nichts
vorher schon wussten. Lingens hat mit Recht nachgewiesen, dass
Schirach noch Hitler meldete, 50.000 Juden sind noch immer in Wien.
Natürlich hat Frau Schirach, die dort, wenn ich mich nicht täusche,
etliche sehr harte Getränke während der Aufzeichnung resp. Livesendung
zu sich nahm, aggressivst gleich von allem Anfang geantwortet. Man
soll nicht über die Konzentrationslager der Nazi allein reden, sondern
auch die, die nachher waren, und die es jetzt noch gibt. Man
soll nicht über Krieg und über das Fallen der Menschen und Morden der
Menschen von damals reden, sondern auch von heute. Die Diskussion dauerte
bis nach Mitternacht, war aber wenig ergiebig. Frau von Schirach kam
sich wie eine Angeklagte vor, wie sie immer wieder betonte, die drei
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männlichen Diskussionsteilnehmer waren in einer hoffnungslosen
Verteidigungsstellung, da sie immer von etwas anderem sprach und selbst
immer sofort attackierte. Gott sei Dank war diese Sendung sehr spät
abends, ich nehme nicht an, dass sie viele gesehen haben, und
hoffe, dass es nicht jetzt noch eine richtige Propaganda für ihr
Buch wird. Natürlich weiss Schirachs Frau sehr viel, ist aber nicht
bereit zu reden. Lingens hat mit Recht gesagt, wenn sie ein so
politisches Buch schreibt, dann muss sie auch gewärtig sein, dass
sie über die Politik dieser Zeit und ihres Buches befragt wird.
Sie aber meinte, fast jede interessante Frage, soweit sie sie überhaupt
stellen liess, was soll ich dazu sagen und sagte nichts. Über den
Wert dieser Sendung möchte ich auch nur eines sagen, nämlich nichts.
Tagesprogramm, 28.10.1976
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)