Freitag, 29. Oktober 1976
Bei der Gesamtvorstandssitzung der Lebensmittelarbeiter wurde eine
sehr harte Diskussion wegen der Verhandlungen des Rahmenkollektiv-
vertrages geführt. Da für fast das ganze Jahr hindurch durch eine
4 Dutzend Lohnverträge gruppenweise Verhandlungen führen, wurde
der Rahmenkollektivvertrag in den letzten Jahren nicht geändert.
Der Rahmenkollektivvertrag gilt für die Nahrungs- und Genussmittel-
industrie und wurde vor Jahren von mir initiiert abgeschlossen,
um auch die schwächeren Gruppen mitzuziehen. In der Zwischenzeit sind
natürlich die starken Gruppen über diesen Stillstand, der jetzt
jahrelang dauerte nicht sehr einverstanden. Diese drängten, dass
wir jetzt eine entsprechende Anpassung des Rahmenkollektivvertrages
an die Gegebenheiten insbesondere an die Wünsche und schon den
Zuckerarbeitern, Molkerei-, Genossenschaftsvertrag usw. durchgesetzten
besseren Bedingungen vorgenommen werden müssten. 17 mal wurde bereits
über einen Entwurf von uns verhandelt. Die Gegenseite – Egger von den
Brauereien – macht nun keinerlei konkrete Zugeständnisse. Er ver-
sucht nur, die Standpunkte abzuklären, in jedem strittigen Punkt
sagt er, das muss dann der Präs. Harmer als Obmann der Fachgruppe
Nahrungsmittel- und Genussmittelindustrie und Staribacher als Obmann
der Lebensmittelarbeiter besprechen, resp. womöglich dann uns einigen.
Eine solche Vorgangsweise halte ich tatsächlich für unmöglich.
Wir haben deshalb beschlossen, wenn die nächsten Verhandlungen keine
konkreten Ergebnisse bringen, dann werden wir der Nahrungs- und
Genussmittelindustrie androhen, dass wir in den einzelnen Gruppen
resp. in den Betrieben die entsprechenden Auseinandersetzungen führen.
Für die Lebensmittelarbeitergewerkschaft ist dieser Weg deshalb nicht
sehr angenehm. weil dadurch wieder die schwachen Gruppen resp. die
schwächeren Industriebetriebe keine Chance haben werden, eine
Verbesserung ihres Vertrages zu erzielen. Primär geht es bei diesen
Rahmenkollektivvertragsverbesserungen um Erhöhung der Abferti-
gungsansprüche. Unser Bestreben ist, die an und für sich gegenüber
anderen Arbeitergruppen hohen Abfertigungsansprüche an die der Ange-
stellten anzupassen.
Beim Weltspartag habe ich in der Länderbank Präs. Harmer getroffen
und ihn sofort auf diese unfreundliche Entwicklung aufmerksam gemacht.
Interessanterweise hat er davon gar nichts gewusst. Harmer ist aller-
dings als jetzt über 70-jähriger doch mehr eine Repräsentationsfigur,
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der schon in den letzten Jahren nicht zuletzt durch seine Liebe
für die durch ihn erzeugten Produkte immer mehr aus dem tatsäch-
lichen Geschehen ausgeschieden ist. Der Weltsprartag ist ein
grosser Rummel. Einzelne Institute möchten sich von dieser Ent-
wicklung distanzieren und neue Wege beschreiten. Die Erste Österr.
Spar-Casse hat deshalb diesmal keine Geschenke dem Einleger gegeben,
sondern startete eine Baumaktion in Wien. Angeblich sind ihre Einleger
und Kunden mit dieser Vorgangsweise einverstanden. Zur Sicherheit haben
sie aber für alle, die die Spar-Casse besuchen einen Fragebogen aufge-
legt, wo sie mitstimmen lassen, ob diese Baumaktion die Zustimmung
findet oder ob sie nicht doch wieder zu kleinen Geschenken zurückkehren
sollten. Natürlich muss eine solche Umfrage jetzt ein grosses positives
Ergebnis für die Baumaktion bringen. Die grosse Masse der Kinder,
aber vor allem auch der Eltern von Kindern, die ansonsten von
Sparkasse zu Sparkasse laufen, um durch eine kleine Einlage ein
Geschenk zu bekommen, die kommen ja nicht mehr, weil sie wissen,
dass es dort nichts gibt. Die jetzt aus irgendwelchen Gründen, sei
es um den Spargedanken zu fördern, sei es weil sie normale
Einlagen sowieso tätigen müssen, oder in der Ersten zu tun haben,
die werden in der überwiegenden Mehrheit dann mit der Baumaktion an-
stelle der Geschenke einverstanden sein. Dies ist für mich ein deut-
liches Beispiel, wie man durch ein falsches Exempel ein entsprechendes
Ergebnis erzielen kann, welches meiner Meinung nach verfälscht ist.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte versuche das Umfrageergebnis von der
Ersten Österr. zu erfahren.
Mit Stadtrat Mayr aber auch mit dem ÖVP-Holding-Mitglied ...
dem offiziellen Vertreter des ÖAAB in der Wiener Holding, besprach
ich die neue Konstruktion für Tiefkühlmenüs. Nicht die Holding wird
mit 60 % daran beteiligt sein sondern die WÖK soll diese neue
Funktion bekommen. Für den Inlandsvertrieb soll Meinl daran be-
teiligt werden und das Know-how kommt von einer Berliner Fleisch-
warenfirma. Dass die Holding von dieser neuen Konstruktion und
von der neuen Produktionsstätte überzeugt ist, dass sie positiv gebaren
wird, kann ich noch verstehen, verwundert hat es mich, dass Stadt-
rat Mayr ebenfalls glaubt, eine gute Konstruktion und Lösung für die
Kindergärten, Ganztagsschulen, Essen auf Rädern-Versorgung gefunden
zu haben. Zugeben muss ich, ohne dass ich es gesagt habe, dass
es sicherlich besser sein wird, als die derzeitige WÖK-Verpflegung
insbesondere der Kindergärten. Dort wird nämlich meiner Meinung nach
viel zu wenig auf ein kindergerechtes Menü Wert gelegt, resp. die
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Verpflegssätze dürften so tief sein, dass eben nur ein unzuläng-
liches Menü herauskommt.
Prof. Nussbaumer, der gleichzeitig Vorsitzender des Aufsichtsrates
der Postsparkasse ist, dort heisst der Aufsichtsrat allerdings
anders, diskutierte mit mir die landwirtschaftlichen Probleme.
Nussbaumer ist gleichzeitig Vorsitzender der Landwirtschaftsgesellschaft,
die jetzt ein Symposium über das neue Zuckermodell in der Tullner
Zuckerfabrik abhalten wird. Nussbaumer ist davon überzeugt, dass auch
für Getreide wir eine entsprechende Lösung suchen müssen. Die Über-
produktion insbesondere bei der Milch macht auch ihm grosse Sorgen.
Interessanterweise ist er ähnlich wie ich vor Jahren ebenfalls
jetzt auf die Idee verfallen, den österreichischen Bauern durch
Saaten wie Raps und Sonnenblumen eine neue Produktionsmöglichkeit
zu verschaffen.
ANMERKUNG FÜR PLESCH: Bitte mit dem Institut Kontakt aufnehmen, damit
wir ihn für unsere Ideen gewinnen können.