Mittwoch, der 15. Dezember 1976

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Mittwoch, 15. Dezember 1976

Zentralsekretär Blecha hat bei seinem Referat vor der Wiener Konfe-
renz, das ich leider nicht bis zum Schluss hören könnte, lt. Infor-
mation vom Profil mitgeteilt, dass ich den Begriff sozialdemokratische
Marktwirtschaft geprägt habe. Mit erschien – und erscheint – es not-
wendig, gegenüber der Handelskammer eine gewisse zweckmässige Abgren-
zung, den scheinbar von ihr gepachteten Begriff Marktwirtschaft äusserst
nowendig. Bei jeder Gelegenheit versucht Mussil und Sallinger mich we-
gen des Begriffes Marktwirtschaft irgendwie festzulegen. Im Zuge der
Diskussion über ein neues Parteiprogramm hat Kienzl die richtige Idee,
der Gewerkschaftsbund müsse gegen den, fast wäre ich zu sagen bereit,
Sozialromantiker Prof. Matzner, ein handfestes Gegenkonzept liefern.
Vielleicht ist es zweckmässig dort in diesem Entwurf den Begriff
sozialdemokratische Marktwirtschaft einzubauen. Sicher ist dies nicht
mehr als ein Slogan, ergänzt durch einen zweiten, soviel Planung als
nötig und soviel Wettbewerb als möglich. Wichtig erschien und dies be-
sprach ich mit Wanke eine gewisse theoretische Ergänzung des handfesten
und aus der jahrzehntelangen Praxis gewonnenen Entwurfes von Kienzl
zweckmässig.

Freitag von der Angestelltengewerkschaft rief mich an, um mir mitzu-
teilen, dass sie eine Aussprache mit Kreisky über das Ladenschluss-
problem hatten. Zu seiner grössten Verwunderung musste er und die
begleitenden Betriebsräte feststellen, dass Kreisky über die Details
nicht informiert war. Es gelang ihnen Kreisky davon zu überzeugen,
dass eine Änderung des Ladenschlussgesetzes unabsehbare politische
Folgen in der Organisation de Privatangestellten, insbesondere der
Handelsangestellten und der Angestellten und Arbeiter in Handelsbe-
trieben auslösen musste. Kreisky der dann noch Blecha zuzog war sehr
überrascht von Blecha zu hören, dass auch eine entsprechende Kosten-
erhöhung und damit eine Preiserhöhung auf lange Sicht verbunden wäre.
Nach Meinung Freitags ist Kreisky jetzt eindeutig auf ihren Standpunkt
eingeschwenkt. Die Gewerkschaft wird jetzt noch mit Firnberg eine dies-
bezügliche Aussprache abführen.

ANMERKUNG FÜR WAIS: Lass Dir auch über dieses Ergebnis dann berichten.

Fritz Mauthner interveniert bei Plesch und mir, dass das Landwirt-
schaftsministerium durch Freigabe von Auswuchsgetreide mit entsprechender


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Stützung an die Mischfutterwerke den immer drückender werdenden
unanbringlichen Überschuss in die Lager weggebracht werden könnte.
Mauthner befürchtet dass mit nächstem Jahr und Herannahen der
nächsten Ernte die Lager nicht frei sein würden. Die Bergbauern-
hilfe mit 25 Groschen Staatsstützung bei gleichzeitiger Verbilligung
des Getreides durch die Getreidebesitzer insbesondere auch die Lager-
hausgenossenschaften mit ebenfalls 25 Groschen, kann seiner Meinung
nach nicht funktionieren. Die Bruttospanne für die Getreidelagerer
ist nur 6 Groschen, die man ihnen eventuell wegnehmen könnte. Alles
was darüber hinausgeht bis zu den 25 Groschen ist daher reine Utopie.
Ich fragte anschliessend im Parlament Haiden wie die Abverkäufe aus-
sehen. Haiden meinte durch die Koppelung von Auswuchsgetreide mit
Gerste und Mais könne er jetzt eine gewisse grössere Abgabe feststellen.
Sein Vorschlag wäre, dass der Finanzminister anstelle der 60 Groschen
Exportstützung einen Teil dieser Mittel, da der Export nicht zustande
kam, für eine Inlandsaktion zusätzlich zur Verfügung stellen soll.

ANMERKUNG FÜR PLESCH: Bitte verfolge diese Frage weiter.

Ein gewisser Ing. Maierhofer aus Bad Neukirchen in OÖ betreibt ein
kleines E-Werk. Er hat angeblich 200 MW und liefert seinen Strom an
die ESG. Diese, gibt er freimütig zu, bezahlt besser als die OKA.
Maierhofer hat die Idee, man soll die kleinen Kraftwerke finanziell
unterstützen, damit sie noch weitere kleinere Turbinen aufstellen
können. Dadurch könnte das zweite Fernkraftwerk erspart werden.

ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte Hrn. Ing. Maierhofer von der Sekt.VI einen
Brief schreiben.

Gen.Dir. Bayer von den Vereinigten Edelstahlwerken beschwert sich bei
mir, dass jetzt auch bei der neuen Quote für amerikanische Edel-
stahllieferungen auf 6 Monate in der Gesamtsumme 1.440 Tonnen Österreich
nicht entsprechend berücksichtigt wird. Da Österreich keine eigene
Quote hat, sondern mit Polen, England und Brasilien offerieren muss,
befürchtet er, dass nicht mehr als die 600 Tonnen geliefert werden
können. Die Amerikaner gehen jetzt davon aus, dass sie die einlagenden
Mengen im Zollfreilager weitestgehend berücksichtigen. Die anderen Staaten
haben jetzt vor längerer Zeit bereits ein grosses Zollfreilager an-
gelegt. Österreich hat zwar auch jetzt 1000 Tonnen in Amerika auf
Zollfreilager liegen, doch ist dieses erst wesentlich später aufge-
baut worden. Gehen die Amerikaner wie sie beabsichtigen jetzt chrono-


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logisch vor, dann wird Österreich neuerdings in den nächsten
6 Monaten stark benachteiligt sein. Bayer ersucht mich, wir
sollten auf Ministerialbürokratie-Ebene jetzt ein Telex an
Botschafter Denk in Washington schicken. Dieser Amerikaner
ist die für Aufteilung mehr oder minder zuständig. SChef Meisl
entwirft sofort ein diesbezügliches Kabel. Bayer möchte dann nach
Installierung der neuen amerikanischen Regierung, dass wir, ähnlich
wie wir dies auch Kissinger getan haben, dem neuen Aussenminister
einen entsprechenden Protestbrief schicken. Ich bespreche die
Frage anschliessend mit Pahr, der so wie ich sofort dieser Idee zu-
stimmt.

Durch den Kursverfall von Weichwährungsländern hat Bayer sich für den
Export der Edelstahlprodukte ausgerechnet, dass Österreich seit
31.12.1975 bei unveränderter Kursrelation wie sie zu diesem Zeit-
punkt herrschte, 350 Mio. Schilling mehr Exporterlös hätte. Natür-
lich ist dies nur ein Spiel mit Zahlen, zeigt aber deutlich, dass
die harte Schillingwährung sehr wohl einen grossen Einfluss short run
für die Exporteure hat. Im long run glaube ich allerdings gleicht
sich – oder besser gesagt – verliert sich dieser Vorteil.

NR Troll hat vergessen mir mitzuteilen, dass Graf Agusta wegen der
Hubschrauberlieferung nicht nach Österreich kommen konnte, weil er
mit dem italienischen Präsidenten einen Termin hat. Augusta will
aber diesen Besuch auf alle Fälle nachholen. Troll wurde von ihm
schon mitgeteilt, dass die Italiener bereit sind, als Kompensation
für Hubschrauberlieferungen Aluminkum oder sonstige Produkte, die
Österreich schwer exportieren kann zu übernehmen. Die ursprüngliche
Absicht auf dem Viehsektor Österreich zu helfen, wird wie ich vermutet
habe doch nicht gehen. Die EG macht zu grosse Schwierigkeiten bei der
Einfuhr. Troll ersucht mich, wir sollen ihm eine Kompensations-
liste zusammenstellen. Die Italiener wären sehr daran interessiert
von Österreich zu erfahren, was eigentlich besonderes österreichi-
sches Exportinteresse wäre.

ANMERKUNG FÜR WAIS UND PLESCH: Bitte sofort eine solche Liste zusammen-
stellen lassen und Troll streng vertraulich schicken.

In der Paritätischen Kommission führe ich den Vorsitz, weil die
Präsidentenbesprechung wesentlich kürzer dauerte und deshalb alle


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ersuchen die Paritätische Kommission eine Stunde vorzuverlegen.
Kreisky hat aber eine andere Sitzung und überträgt mir daher in
Erfüllung dieses Wunsches den Vorsitz. Die Tagesordnung ist verhältnis-
mässig schnell abgewickelt, weil es nur über einen einzigen Punkt
eine längere Diskussion gibt, Die Unternehmer fürchten wegen der Milch-
preiserhöhung dass die zuvor abzuschliessenden Molkereiarbeiterlöhne
nicht zeitgerecht zustande kommen, da sie mit 1.1. auf alle Fälle den
erhöhren Erzeugerpreis für Milch abgelten müssen, dann aber die Lohn-
erhöhung der Preisbehörde resp. in der Paritätischen Kommission nach-
weisen müssten, besteht die Gefahr, dass zu diesem Zeitpunkt die Ver-
braucherpreise noch nicht endgültig fixiert sind. Die Unternehmer ins-
besondere die landwirtschaftlichen Molkereien überlegen deshalb einen
Lieferstreik um die Behörde resp. die Paritätische Kommission zu zwingen
eine Entscheidung so schnell als möglich herbeizuführen. Die Lohnver-
handlungen scheitern aber bis jetzt an der Unnachgiebigkeit der Lebens-
mittelarbeitergewerkschaft. Die Arbeiter haben beschlossen, sie wünschen
einen einheitlichen Abgeltungsbetrag von 1000 Schilling. Dies sei eine
17-%ige Lohnerhöhung. Dazu kommen noch die uralten Forderungen, die bis
jetzt niemals noch erfüllt waren von Sozialverbesserungen. Diese sollen
ebenfalls bis 16 % ausmachen, sodass insgesamt eine 33-%ige Belastung
herauskäme.Natürlich ist diese Erhöhung vollkommen unakzeptabel und
dies kommt auch bei der Diskussion klar und deutlich zum Ausdruck. Die
Unternehmer haben für die Löhne bis jetzt 11.5 % geboten, da der Ver-
trag schon 1 1/2 Jahre läuft. Wahrscheinlich wird man sich über die
Perzente wesentlich schwerer einigen können als erwartet. weil die Gewerk-
schaft nach wie vor auf einen absoluten Schillingbetrag beharrt, der für
alle Arbeiter gleich gelten soll. Die Unternehmer wären gegebenenfalls
bereit einen Sockelbetrag zu akzeptieren, aber auf alle Fälle eine per-
zentuelle Lohnerhöhung wegen der oberen Lohngruppen und vor allem der
Angestellten nur zu vereinbaren. Beide Teile werden an ihre Vertretungen
appellieren, das Verfahren zu beschleunigen damit vor 1.1. noch alles
abgeschlossen werden kann.

Das Parlament ist verhältnismässig sehr spät um 4 Uhr erst zur Debatte
über Budgetkapitel Landwirtschaft gekommen. Dadurch zieht sich die
Debatte bis nach Mitternacht hin. Die ÖVP hat zum Schluss nur mehr
allein ihre Debattenredner geschickt, obwohl natürlich um diese Zeit
überhaupt niemand mehr zuhörte. Interessanterweise war der Saal aber
dann bei den letzten Debattenredner sehr gut besetzt. Dies ist ver-
ständlich, weil kaum etwas anderes mehr erledigt werden konnte, weshalb


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sich die Abgeordneten auf alle Fälle im Haus und damit auch mehr oder
minder im Sitzungssaal aufhalten mussten. Dies galt besonders nachdem
das Fernsehen seine Übertragung eingestellt hatte und kein Fernseh-
programm mehr als Entspannung oder Ausgleich in die Klubs zu sehen
war. Wäre die Presse jetzt anwesend gewesen, hätte sie ohne weiteres
schreiben können, ein vollbesetzter Saal bei ständiger ein nach den
anderen angreifenden ÖVP-Abgeordneten. Die wichtigsten Sprecher hatten
aber schon früher ihre Rede gehalten, sodass nur mehr die Backbencher
ihre Pflichtdiskussion beitrugen. Manche von denen waren aber ganz
interessant. Zuhören tut allerdings um diese Zeit kaum wer, sondern
man verschafft sich oft nur durch Zwischenrufe entsprechende Luft.
Ich weiss eigentlich nicht wie man dieser Situation begegnen könnte.
Die freiwillige Begrenzung auf 20 Minuten wird von einzelnen Abge-
ordneten wie z.B. Zeillinger aus Prinzip nicht eingehalten. Dadurch
fühlen sich die, die sich an die Vereinbarung halten, benachteiligt.
Dies stimmt aber keineswegs, denn wenn man in 20 Minuten nicht alles
sagen kann was man will, so all man ein oder das andere Problem
herausnehmen, man hat früher oder später immer wieder Möglichkeiten
die nicht behandelten Fragen bei einer anderen Gelegenheit zur Sprache
zu bringen. 20 Minuten hören einem unter normalen Tageszeiten auch
die Anwesenden nach einigermassen zu. Länger wird es eine Qual und
die Reaktion ist dann auch entsprechend. Vielleicht wird es in Zukunft
möglich sein, durch ein entsprechend diszipliniertes Verhalten das
Ansehen des Parlaments zu heben. Momentan hat es sicherlich in der
Optik einen denkbar schlechten Ruf.

Klubobmann Fischer hat mir mitgeteilt, dass er von Koren erfahren
hat, Taus und Koren hätten sich wegen einer Aussprache mit Kreisky
unterhalten und Koren hat vorgeschlagen, Taus soll direkt an Kreisky
wegen einer Aussprache herantreten. Dieser ist dann auch im Laufe
der Parlamentssitzung zu Kreisky rübergekommen und ersuchte, um eine
diesbezügliche Besprechung. Kreisky+ hat aber so wie er mir gestern
mitteilte und ich dies Taus sofort übermittelte, wegen der Watergate
Beleidigung ebenfalls abgelehnt. Dies bedeutet natürlich, dass sich
jetzt die Lage noch weiter verhärten wird. Fischer ist darüber sehr
besorgt und befürchtet eine weitere Verschärfung oder Verhärtung
der Standpunkte. Kreisky will die ÖVP zur Entschuldigung zwingen,
Taus ist scheinbar dazu nicht bereit, oder kann und will sich in seinem
Klub diesbezüglich nicht durchsetzen- Fischer befürchtet weiter, dass
in Fragen, wo Kreisky aber mit der ÖVP sprechen will, wie z.B. Orts-
tafelkonflikt, die ÖVP jetzt ihrerseits das Gespräch jetzt ablehnen


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wird. Ich bin selbst auch sehr gespannt, wie dies jetzt bei all
den offenen Fragen, Verbundvorstand usw., ausgehen wird.

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Tagesprogramm, 15.12.1976


GND ID: 1017902909


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    Tätigkeit: Lebensmittelhändler
    GND ID: 118579304


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        Tätigkeit: FPÖ-NR-Abg., Volksanwalt


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          Tätigkeit: Ökonom


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            Tätigkeit: GD Vereinigte Edelstahlwerke


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              Tätigkeit: Gen.Sekr. HK, ÖVP-NR-Abg., später AR-Präs. Verbund


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                Tätigkeit: SChef HM
                GND ID: 12195126X


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                  GND ID: 129507873


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                    Tätigkeit: Ministerialrat, Leiter Grundsatzabteilung


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                        Tätigkeit: Kabinett Staribacher


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                          Tätigkeit: Sekr. JS, Tiroler SPÖ-Politiker


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                            Tätigkeit: -obmann


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                              Tätigkeit: Finanzminister, ÖVP-NR-Abg., OeNB-Präs.


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                                  Tätigkeit: Bundeskanzler
                                  GND ID: 118566512


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                                    Tätigkeit: Präs. Fa. Agusta


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                                      Tätigkeit: Dir. Bundesforste, später Sts., dann LWM


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                                        Tätigkeit: Sekr. GPA


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                                          Tätigkeit: Handelskammer-Präsident


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                                            Tätigkeit: Wissenschaftsministerin
                                            GND ID: 11869104X


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